Poststrukturalismus

Die philosophische Grundlage des Feminismus neuerer Prägung nach Judith Butler etc. bildet der Poststrukturalismus.

Hier findet sich die Grundlage der Gestaltung durch Sprache.

Aus der Wikipedia zum Poststrukturalismus:

Der Begriff Poststrukturalismus kennzeichnet unterschiedliche geistes- und sozialwissenschaftliche Ansätze und Methoden, die Ende der 1960er Jahre zuerst in Frankreich entstanden und die sich auf unterschiedliche Weise kritisch mit dem Verhältnis von sprachlicher Praxis und sozialer Wirklichkeit auseinandersetzen. Maßgeblich ist dabei die Einsicht, dass die Sprache die Realität nicht bloß abbildet sondern mittels ihrer Kategorien und Unterscheidungen auch konstituiert. Typischerweise ist mit dieser Perspektive auch eine Abkehr von einer objektivistischen Sicht auf die Gesellschaft verbunden, die soziale Tatsachen als notwendig ansieht; stattdessen wird die Kontingenz gesellschaftlicher Entwicklungen betont.

Da haben wir schon einiges drin: Sprache gestaltet die Welt und es gibt keine objektiven Fakten mehr, sondern alles ist wandelbar. Es ist verständlich, dass Anhänger dieser Auffassung mit Fakten aus der Biologie nichts anfangen können, weil sie eben bereits die Grundannahme ihrer Denkrichtung umstoßen: Wenn alles durch Sprache gestaltbar und nichts fest ist, dann kann es keine biologischen Fakten geben.

Weiter aus der Wikipedia:

Oftmals wird in Anknüpfung an strukturalistische Konzepte, insbesondere der Semiotik, das Verhältnis von (sprachlichen) Zeichen (Signifikanten) und Bedeutungen (Signifikaten) problematisiert und das Augenmerk auf die Veränderbarkeit sprachlicher und diskursiver Strukturen gerichtet. So postulieren viele Poststrukturalisten – insbesondere im Gefolge der Derrida’schen Dekonstruktion und der Foucault’schen Diskursanalyse –, dass Bedeutungseinheiten stets nur als Effekt vorgängig gezogener Differenzen (vgl. Derridas Konzept der Différance) gebildet werden können,[1] wodurch die Konstruktionsbedingungen von Sinn und damit zugleich die Prekarität und Veränderbarkeit von Sinnkonstruktionen stärker in den Blick geraten.

Gesellschaftliche Strukturen, Wissensordnungen und kulturelle Formationen (Diskurse), so eine Voraussetzung der meisten Poststrukturalisten, sind grundsätzlich mit Machtformen verknüpft, welche deren Geltung und hierarchische Ordnung etablieren und dazu Herrschaftsverhältnisse produzieren und stabilisieren. Ein zentrales Motiv ist daher für viele Poststrukturalisten, wie derartige Herrschaftsordnungen durch subversive (unterlaufende) und interventionistische (eingreifende) Praktiken verändert oder zumindest für kreative Neupositionierungen genutzt werden können. Eine zentrale Rolle spielt dabei auch die Analyse von Massenmedien, Populärkultur und Alltagspraktiken, wie sie insbesondere durch die Disziplin der Cultural studies analysiert werden. Wichtige Theoretiker in diesem Zusammenhang sind Stuart Hall und John Fiske aus dem Umfeld des britischen Centre for Contemporary Cultural Studies. Auch im Kontext des Postkolonialismus und der Queer-Theorie sind Fragen nach der Dekonstruktion von diskursiven Machtverhältnissen von zentraler Bedeutung.

Zahlreiche poststrukturalistische Ansätze kommen in der Kritik an bestimmten klassischen Begriffen von Metaphysik, Subjekt oder Rationalität überein. Traditionelle mit diesen Begriffen verbundene Positionen werden dabei oft als totalitär, patriarchal, diskriminierend, ethnozentrisch sowie als „substantialisierend“ bzw. „naturalisierend“ (im Sinne von „Identität als natürliche Eigenschaft festschreibend“) oder gar als Ausdruck eines westlichen „Logozentrismus“ kritisiert.

Der Poststrukturalismus setzt also letztendlich voraus, dass alles durch Diskurse und sprachliche Mittel konstituiert ist, diese Grundthese wird dann für die einzelnen Bereiche nicht mehr selbst hinterfragt. Das dürfte der eigentliche Fehler sein, der zu vielen Fehlinterpretationen beiträgt.

Dabei sehe ich es durchaus so, dass eine Diskursanalyse sinnvolles an Tageslicht bringen kann, wenn man sieht, wie in dem jeweiligen Diskurs mit den Fakten umgegangen wird und was uns dies über die Macht und die Personen verrät. Was gesagt und was nicht gesagt wird, kann gerade wenn man weiß, wie es wirklich war, vieles verändern. Und natürlich kann der Diskurs und die Art, wie er geführt wird, einiges verändern und das Verhalten von Menschen steuern, den einen Macht geben und die anderen unterdrücken. Eine Welt wie in dem Roman 1984 erscheint mir zumindest den grundsätzlichen Steuermechanismen nach nicht unvorstellbar und natürlich erfolgt auch gerade in Diktaturen eine gewisse Steuerung durch Propaganda etc. Aber das bedeutet nicht, dass Gesellschaften beliebig sind. Die Propaganda beispielsweise baut üblicherweise darauf auf, bestimmte Personen aufzuwerten und mit Status zu versehen und andere Personengruppen abzuwerten. Das sind aus der Natur des Menschen gut erklärbare Leitinstrumente. Natürlich verrät uns die Darstellung des Führers über Macht. Aber es macht seine Machtinstrumente nicht beliebig.

Genauso verrät uns der Umgang der Geschlechter untereinander etwas über Macht. Wenn die Rolle des Mannes überhöht und mit zusätzlichen Wert versehen wird, dann erfolgt dies sicherlich über sprachliche Mittel. Aber es konstruiert deswegen die Rolle des Mannes nicht zwangsläufig gleich mit.

Um zu erfahren, was an der Rolle konstruiert ist muss man sich zunächst mit den Grundlagen der Geschlechter beschäftigen und kann die Konstruktion nicht einfach voraussetzen.

Der Kritikabschnitt in der Wikipedia ist recht kurz gehalten:

Der Poststrukturalismus wurde sowohl als Ganzes wie in einzelnen seiner Vertreter von verschiedensten Seiten kritisiert. Bekannt sind beispielsweise die Einwände von Jürgen Habermas und Manfred Frank und ein von Alan Sokal unternommenes Experiment: Dieser erwirkte in einer Zeitschrift, die sich poststrukturalistischen Theoriebildungen widmete, die Veröffentlichung eines Textes, der in Anlehnung an Stilformen einiger Poststrukturalisten verfasst war, aber nur Unsinn enthielt, was nach Sokal die mangelhafte intellektuelle Redlichkeit der gesamten Bewegung belege.

Ein kurzer Auszug aus der  Sokal-Affäre:

„Tiefe konzeptionelle Veränderungen innerhalb der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts haben die kartesianisch-newtonsche Metaphysik untergraben . . . Dadurch wurde immer deutlicher, dass die physische Realität, nicht weniger als die gesellschaftliche, im Grunde ein soziales und sprachliches Konstrukt ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis alles andere als objektiv ist, sondern die herrschenden Ideologien und Machtverhältnisse der Kultur, die sie hervorgebracht hat, widerspiegelt und verschlüsselt.“

Das ist das Schöne am Postrukturalismus:  Man kann einfach alles mit ihm begründen, weil man sich um Fakten nicht mehr kümmern muss. Weil die herrschende Ideologie und die herrschenden Machtverhältnisse die Realität nicht ausblenden kann, eine utopische Welt aber frei davon ist, wird die herrschende Ideologie und die herrschenden Machtverhältnisse meist in irgendeiner Form mit den Fakten übereinstimmen, die man dann als Konstrukt eben dieser Machtverhältnisse darstellen kann und dann seine Utopie dagegen setzen kann.

Genau diese mangelnde Erdung macht meiner Meinung nach den Postrukturalismus so gefährlich. Er muss nicht mehr überprüfen, ob seine Grundlagen stimmen, ob die Fakten seine Theorien unterstützen, weil es keine Grundlagen und keine Fakten mehr gibt, wenn alles ein Konstrukt ist. Alles ist bezogen auf die Geschlechterdebatte ein Kampf der Geschlechter als Gruppen gegeneinander um die Konstruktion, die ihnen Macht gibt.

Das spiegelt sich ja auch in verschiedenen Aussagen hier wieder, in dem es um Subjektivität in der Geschlechterdebatte ging. Vielleicht ist es dieses Element, was poststrukturalistische Ansätze aus meiner Sicht in die Nähe der Ideologie bringt.

55 Gedanken zu “Poststrukturalismus

  1. Ich habe dazu ja schon Einiges hier gepostet. Was mich am PS stört ist, dass er, wo er richtig betrieben wird nur eine subjektive Erzählung, Geschichte darstellt. Du machst eine Allaussage, ich negiere diese Aussage für mich. So wie er aber seit 30 Jahren betrieben wird, setzt er ja geradezu die Wahrheit für einen bestimmten Teil der Menschen voraus „Wissenschaft schafft Wahrheit“ um dadurch Macht, eigene Interessen durchsetzen zu können. Wenn du hier Derrida und die grundlegende Spur anführst, kannst du im selben Atemzug das Patriarchat, den Weltgeist und andere idealistische Konzeptionen, die sich selbst abschotten, anführen. Es gibt ein immerwährendes Sein, abwesend anwesend. Letztlich ist es so, dass Immaterielles nichts Materielles schafft, worin es sich einbetten könnte. Was ist also diese Spur? Der Immaterialismus, sprich der zu Ende gedachte Idealismus scheitert an der Intersubjektivität, der Materialismus ist in meinen Augen viel besser über den Naturalismus, über die Aussagen der Evolutionstheorie zu erfassen, also was will uns dieser mittelmäßige Metaphysiker sagen? Imho gar Nichts, darum auch: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9276845.html – der Text ist Pro, ist Derrida doch ein Bro der Journaille.

    Aus der Metaphysik kommen Poststrukturalisten, zumindest die heutigen, nicht heraus, mehr als verkappte Skeptiker mit Wahrheitsanspruch sind sie nicht. Ein Widerspruch in sich.

    Das Gefährliche ist in der Tat, dass Form und Inhalt total ausgeblendet werden. Daher ist ALLES dekonstruierbar.

    • @Christian

      Ich finde vieles richtig, was Du in Deinem Eingangsposting geschrieben hast Ich halte die Radikalkonstruktivistische Perspektive auch für Schwachsinn! 🙂

      Meine Position ist diesbezüglich wie folgt und ja, viel mehr gibt es dann hierzu auch nicht mehr zu sagen! 😀

      „Die Kritik an der radikalkonstruktivistischen Position bedeutet nicht, dass dieses Buch keine konstruktivistische Perspektive hat. Diese aber ist von jener dahingehend klar abgegrenzt, dass sie die vorsprachliche Eigenständigkeit ontogenetischer Strukturen und die Strukturkraft der Geschichte in soziogenetischen Prozessen unterstellt und in der Relation zu diesen die gesellschaftliche Wirkung sozialer Interaktionen – also als menschliche Praxis – sieht und bestimmt. Sie folgt damit einem durchaus tradierten konstruktivistischen Verständnis in der Soziologie, für das „die Sozialwelt nicht nur von uns gemeinsam, sozial, gesellschaftlich oder wie auch immer konstruiert (wird), sondern sie ist Konstruktion. Die Sozialwelt wird ‚als gegeben vorausgesetzt’ und sie ist dennoch ein Konstrukt. Indem soziale Akteure interagieren, wird eine Sozialwelt ebenso (ko)konstruiert, wie die Interaktion durch die Konstruktion der sozialen Welt bestimmt ist“ (Nicolaisen 1999, S. 102). (Böhnisch 2004: 17)

  2. @ Christian

    Poststrukturalismus im Allgemeinen und Feminismus im Besonderen hat etwas Kindlich-Trotziges: die Ideologisierung von Wunschdenken, die Übertragung des großen „Es müsste doch alles möglich sein, es könnte doch alles ganz anders sein, wenn wir nur wollten und anders darüber redeten“ in Philosophie, die für mich nur Geschwätz ist, die nicht die Zähe und Härte der Materie anerkennt, die es zu gestalten gilt, eine Zähe, die sich dem Wort nicht fügt, eine „Philosophie, die Notdurft nicht kennt, Hunger und ÜBERLEBENSNOTWENDIGKEIT, die nicht erkennt, dass der Mensch inhärent nicht völlig frei ist, zu wollen was er will.

    Eine Philosophie der Dekadenz, denkbar nur im Rahmen einer Überflussgesellschaft, die wirkliche Not nicht kennt und vergessen hat, auf welchen notwendigen Voraussetzungen sie aufruht, die sie deshalb auf’s Spiel setzt oder gar aktiv zerstört, um sich zum Wunschdenken zu „befreien“.

    Das große Erwachen, der harte Einbruch der verleugneten Realität, erfolgt dann, wenn das so immer dysfunktonaler gewordene System zusammenbricht.

    Dann ist auch der Poststrukturalismus und das ganze Derridada Geschchte, weil Menschen wieder vor echten, bitteren, existentiellen Problemen stehen, die gelöst werden MÜSSEN, wenn sie überleben wollen, die mit Geschwätz und der Anderung der Geschwätzformen nicht zum Verschwinden gebracht werden können.

    Ich frage mich manchmal, ob die Dominanz des Geschwätzes in dieser Richtung sie für Frauen so besonders attraktiv machen könnte, die gewohnt sind, dass es die Männer schon richten werden, die gewohnt sind, dass Männer die Rauheit der Wege glätten, damit der weibliche Fuß unverletzt darüber hinschreiten kann.

    Ein Wort zum Mann, ein Appell an seinen Beschützer-und Versorgerinstinkt, ein göttinnengleiches „Es werde“ und es wird.

    Selber sich herumzuschlagen mit der Zähe der Materie, das haben Frauen nicht im gleichen Maße nötig wie Männer.

    Dafür gibt es ja Männer, deren Funktionieren, deren Schützen und Versorgen als selbstverständlich vorausgesetzt wird, das man gegenleistungslos abrufen zu können glaubt als poststrukturalistische PostfeministIn.

    Sie begründen keine eigenen Strukturen, tendenziell, sondern lassen sich von Männern in von Männern gegründete und erfolgreich zum Laufen gebrachte Strukturen hineindiskriminieren, die sie dann von Männern frauengerecht umbauen lassen, solange, bis diese Strukturen nicht mehr männergerecht sind, sie von Männern verlassen und preisgegeben werden, verfetteten Wachteln gleichen, die kaum noch watscheln, geschweige denn laufen können.

    Dann gehen sie im Wettbewerb zugrunde, die Strukturen, die ganze Gesellschaften sein können, ganze Zivilisationen.

    Denn alles ist ja Evolution, Konkurrenz und Auslese.

    Wer Fehler macht, zu lange und zu konsequent, der wird vom Spielfeld entfernt.

    Westlichen Gesellschaften, scheint mir, passiert gerade das, jetzt, vor unseren Augen.

    Und der poststrukturalistische Sang säuselt dazu.

  3. „Maßgeblich ist dabei die Einsicht, dass die Sprache die Realität nicht bloß abbildet sondern mittels ihrer Kategorien und Unterscheidungen auch konstituiert.“

    Wobei die Existenz der Sprache ganz einfach vorausgesetzt und nicht weiter thematisiert wird. Sprache schafft die Welt, sie ist also schon vor der Welt (irgendwie) existent. Wo kommt sie dann her?

    Das wird niemals angesprochen, und mit Grund, denn dann müsste man sich auf das Gebiet des Körpers und der Biologie begeben.

    http://books.google.de/books?id=H_ROF5_z73MC&printsec=frontcover&dq=%22Language+Evolution%22&hl=de&ei=QOQjTvGPEI34sgb8zu24Ag&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=1&ved=0CC0Q6AEwAA#v=onepage&q&f=false

  4. Zwischen Signifikant (dem Lautbild, Zeichenausdruck) und Signifikat (der Vorstellung, Zeicheninhalt) besteht gemäss dem Poststrukturalisten eine willkürliche Beziehung.

    Wenn die Beziehung zwischen Lautbild und Vorstellung tatsächlich als eine willkürliche verstanden wird, dann kann sie durch eine andere, ebenso willkürlich gewählte ersetzt werden. Somit konstituiert die Sprache, insbesondere die Unterscheidung durch binäre Oppositionen (z.B männlich-weiblich), die Wirklichkeit, so sagt uns der Poststrukturalist. Für ihn gibt es keine Wirklichkeit ausserhalb der Sprache.

    Die Diskurspraxis des Poststrukturalisten ist die Dekonstruktion. Der Klimax des Poststrukturalisten ereignet sich dann, wenn es ihm gelingt, binäre Oppositionen zu unterlaufen und an ihre Stelle andere binäre Oppositionen zu etablieren. Selbstverständlich lassen sich diese neu etablierten binären Oppositionen ebenso dekonstruieren und so weiter und so fort. Der Poststrukturalist ist ein Nihilist, der sich einer verschwurbelten, schwer fassbaren Sprache bedient. Seine Kommunikationspraxis, die ständig neue binäre Oppositionen generiert und sogleich wieder dekonstruiert macht ihn nicht wirklich angreifbar, denn der Nihilist hat keine Überzeugung, er verwirft alles. Er ist wie der Pudding, der an die Wand genagelt werden soll.

    Um hier doch noch etwas Positives über den Poststrukturalismus zu sagen: Die Erkenntnis, dass nicht nur das, was gesagt wird von Bedeutung ist sondern ebenso das, was nicht gesagt wird ist absolut richtig. Als Sinnbild ist der Fussabdruck im Schnee passend. Der Abdruck ist nur durch die weisse, unberührte Scheefläche rundherum als solcher erkennbar. Auf die Sprache und deren Unterscheidungen angewandt heisst dies, dass die radikale Ablehnung des Poststrukturalismus, d.h dass die Sprache und deren Gebrauch, insbesondere die benutzten binären Oppositionen kein konstitutives Element innewohnt, falsch ist.

    Meiner Ansicht nach moduliert die Sprache die Wahrnehmung, was wiederum die Kommunikation moduliert. Allerdings ist da zuerst die sinnliche Wahrnehmung, die sich durch Sprache ausdrücken und übermitteln will. Am Anfang war nicht das Wort (des Menschen füge ich hier hinzu, um einen hysterischen Anfall des katholischen Grafen vorzubeugen) :). Am Anfang war die Sinneswahrnehmung, deren Übermittlung durch die Sprache immer eine verkrüppelte ist.

    • @ Maestro Pietro

      *Am Anfang war nicht das Wort (des Menschen füge ich hier hinzu, um einen hysterischen Anfall des katholischen Grafen vorzubeugen) *

      Zweierlei bewahrte mich vor Hysterie:

      Wenn Sie, wie ich Ihren Worten glaube entnehmen zu dürfen, eine Reealität außer unserer Denkerbse annehmen, die durch Signale unserer Sinnesorgane unserer Denkmurmel zur Anschauung/Wahrnehmung gebracht wird, die natürlich nicht „rrealistisch“ ist, ist für den Frommen klar, auch ohne diese Ihre Einschränkung, dass das Wort Gottes am Anfang steht, denn die Schöpfung selbst ist für ihn Wort Gottes, Gedanke Gottes.

      Zweitens bewahrt mich die Vorstellung ihres dummen Gesichtsausdruckes vor Hysterie, den Sie zweifellos zeigen werden, wenn Sie, nachdem Sie das Sterben hinter sich bebracht haben und gerade dabei sind, sich in einem gemültich-bewusstlosen Nichtsein einzurichten, überrascht feststellen müssen, dass Sie immer noch „da“ sind, wenn auch in völlig veränderten, unvorstellbaren Umständen, dass es gar nicht in Ihrer Macht liegt, NICHT zu sein, weil auch Ihr Sein von ganz woanders herkommt als Sie u.U. dachten, ein Woher, das Ihnen nicht verfügbar ist.
      Da werden Sie aber gucken!

      Dumm aus dem Totenhemdchen nämlich!!

      Ich dagegen, wohl versehen mit den Gnadenmitteln meiner Kirche, die mir hoffentlich auch noch genug Schub verleihen, um die sündige Tippse mitzuschleppen, die an mir, ganz Astralleib geworden, mit ihrer nicht unbeträchtlichen, aber doch wohlproportionierten Erdenschwere hangen wird,an mir hängen wird, wie Weiber nun mal an Männern hangen, entschwebe frohlockend in barocke Himmelshöhen, schöner, strahlender noch als je von einem Tiepolo gemalt.

      Gloria in Excelsis Deo, Sie Ärmster.

    • „Zwischen Signifikant (dem Lautbild, Zeichenausdruck) und Signifikat (der Vorstellung, Zeicheninhalt) besteht gemäss dem Poststrukturalisten eine willkürliche Beziehung.“

      Willkürlich ist eine schlechte Übersetzung von arbitraire/arbiträr. Im übrigen stammt das Konzept bereits aus de Saussures Semiotik, also aus den Anfängen der Linguistik.

      „Wenn die Beziehung zwischen Lautbild und Vorstellung tatsächlich als eine willkürliche verstanden wird, dann kann sie durch eine andere, ebenso willkürlich gewählte ersetzt werden.“

      Nein. In Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_de_Saussure ist es einigermaßen korrekt erklärt: „Dieses von Saussure sogenannte Prinzip der Arbitrarität sprachlicher Zeichen wird im Deutschen unglücklich mit Beliebigkeit / Willkür übersetzt. Das Arbitraritätsprinzip meint aber gerade nicht eine freie Wählbarkeit des Zeichens im Hinblick auf eine bestimmte bezeichnende Funktion. Gemeint ist die Freiheit des Zeichens, das durch keine in ihm selbst liegende und der Zeichensynthese vorausliegende Eigenschaft an eine bestimmte Bedeutung gebunden ist.“

  5. „..Wenn alles durch Sprache gestaltbar und nichts fest ist, dann kann es keine biologischen Fakten geben…“

    ist das nicht ein paradoxon ? es wird ein factum aufgestellt gleichzeitig behauptet das es keine fakten mehr gibt.

    „…Eine Welt wie in dem Roman 1984 erscheint mir zumindest den grundsätzlichen Steuermechanismen nach nicht unvorstellbar…“

    ich finde manchmal sind wir sehr nah an orwells 1984. z.b. der fall sarazin. er sagt nichts neues aber verliert seinen job und wird überall in den medien scharf angegriffen.

  6. Theologie oder Philosophie? Wo bleiben die Verteidiger/innen?

    Immerhin gibt es den Poststrukturalismus schon eine ganze Zeit lang, da haben sich doch sicher schon einige Denker/innen an Kritik und Gegenkritik versucht, oder?

    • Die Theologie stellt richtig fest, dass der Poststrukturalismus eine Form des Nihilismus ist. Alles verneinend, alles dekonstuierend – kann durchaus als zerstörend verstanden werden, insbesondere jeder Glaube, nicht nur der religiöse sowie alle tradierten Vorstellungen sowieso.
      Am Ende des Dekonstruktionsprozesses finden sich die PS im Irrenhaus wieder, wo der völlig sinnfreie Beitrag von Alan Sokal nicht mehr als das erkannt wird, was er ist: barer Unsinn, in hochtrabende Wortkaskaden gekleidet. Oder Judith Butler. Die aber meint es ernst.

    • Ich habe hier auch schon Bücher, Kritiken hierzu aufgelistet – so ein, zwei Monate her. Aus religionsphilosophischer Sicht kann man sicher den Versuch der Etablierung einer analytischen Religionsphilosophie anführen.

      @ Peter
      Die Erkenntnis, dass nicht nur das, was gesagt wird von Bedeutung ist sondern ebenso das, was nicht gesagt wird ist absolut richtig.

      Jein. Derrida geht dezitiert von einer immer schon! anwesenden Abwesenheit aus. Selbst wenn dem nicht so wäre, entgeht auch Derrida der neutzeitlichen Problematik nicht, die der psycho-physische Dualismus aufwirft. Welchen Seinsstatus hat diese immerwährende, anwesende Abwesenheit? Wie verhält es sich – Referemu – zu dem gegebenen So-sein des Abdruckes, seiner Materialität – erschafft sie sie mit, konstituiert sie sie?

  7. Das ist ja das Schlimme, sie haben nicht! ich kenne jedenfalls nur pauschale Ablehnung jeder Kritik (Biologismus! Imperialismus!), ansonsten wird einfach innerhalb des eigenen Diskursuniversums weitergrbrabbelt, als sei nichts geschehen. Eine alles in allem relativ erfolgreiche Strategie.

  8. Ich denke, dass die Gender Studies mit der Dekonstruktion Unfug treiben, indem sie aus der Spurensuche ein neues Herrschaftsinstrument zu machen versuchen.

    Historisch gesehen, ist der Poststrukturalismus ein durchaus legitimer Endpunkt des Versuchs, die eigene Kultur von der stillschweigenden Voraussetzung der Betrachtung der Welt zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Ende des 19. Jahrhunderts wurden die sogenannten „primitiven Kulturen“ ja noch als Vorstufe zur europäischen Zivilisation, als Atavismus betrachtet. Dann kamen die Strukturalisten und versuchten, in der Analyse der Gesellschaftsstrukturen indigener Völker einen Standpunkt außerhalb der eigenen Kultur einzunehmen und die gewonnenen Einsichten dann zum Verständnis der eigenen, westlichen Kultur zu verwenden.

    Mit dem Poststrukturalismus kam dann die Erkenntnis, dass das eigene Denken bereits kulturell präformiert ist und ein „neutraler Standpunkt“ des Betrachters außerhalb der eigenen Kultur somit nicht eingenommen werden kann. Die Dekonstruktion war dann ein ad-hoc-Verfahren zur Spurensuche innerhalb der die eigene Denkweise konstituierenden Texte.

    Sobald die Feministen auf den Zug aufsprangen, wurde dann die vergebliche Suche nach dem „neutralen Standpunkt“ durch schiere Parteilichkeit ersetzt, die Dekonstruktion (eigentlich ein sehr vorsichtiges Verfahren, soweit ich es verstanden habe, der ständigen Relektüre und Überprüfung der eigenen Urteile) zu einem Instrument der Inquisition. Aus jedem Text wird jetzt die Unterdrückung der Frau herausgelesen.

    Dann kommt der entscheidende Schritt von Judith Butler, die das Verfahren der Dekonstruktion aus der Textbetrachtung in die Domäne der Biologie überträgt…

    • „Ich bin der Geist der stets verneint! / Und das mit Recht; denn alles was entsteht / Ist werth daß es zu Grunde geht; / Drum besser wär’s daß nichts entstünde. / So ist denn alles was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz das Böse nennt, / Mein eigentliches Element.“

    • „Mit dem Poststrukturalismus kam dann die Erkenntnis, dass das eigene Denken bereits kulturell präformiert ist und ein „neutraler Standpunkt“ des Betrachters außerhalb der eigenen Kultur somit nicht eingenommen werden kann.“

      Eben das ist eine Allaussage, welche im Poststrukturalismus so nicht getätigt werden kann und letztlich wiederum nur auf die Etablierung einer Machtposition hinausläuft. Diese „Vermachtung“ erfolgt imho nicht erst durch die einseitige Beschlagnahme durch zumeist Minderheitengruppierungen, sie ist bereits strukturell dem poststrukturellen Denken inhärent, sobald es über einen subjektiven Status von Erzählung und Geschichte hinausgeht.

      • Ich bin auch kein großer Anhänger des Poststrukturalismus, hatte aber mal ein Seminar zu dem Thema. Den Grundgedanken kann ich nachvollziehen, aber wenn die Dekonstruktion selbst dann mit Wahrheitsanspruch auftritt, werden meines Erachtens die eigenen Prinzipien verletzt. Erst recht, wenn das dann in Gesetze und „Sensibilisierungsprogramme“ gegossen wird. In den USA hat der Poststrukturalismus keine Akzeptanz an den philosophischen Fakultäten gefunden und sich stattdessen in den Gender Studies etabliert. Das Hauptproblem bei Derrida et al. sehe ich eher darin, dass er sich kaum greifen lässt und daher leicht von subjektiven Interessen zu vereinnahmen ist.

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  12. Ich habe eine Vermutung: Sprachkritik ist deshalb so beliebt, weil es einfach ist, Texte zu analysieren. Texte sind einfach und ohne großen Aufwand zu bekommen als Forschungsmaterial. So lässt sich auch ohne viel Geld forschen. Eine echte empirische Forschung, die sich für die Untersuchung gesellschaftlicher Verhältnisse zum Gegenstand macht, ist ungleich viel aufwändiger. Da kann man als einzelner Doktorand nicht viel ausrichten. Und außerdem verweigert sich die gesellschaftliche Wirklichkeit einer einfachen und eindeutigen Tendenz.
    So wird vermutlich aus forschungspragmatischen Gründen die Bedeutung der Sprache erheblich überbewertet. Ihr Einfluss auf die Herstellung von Machtverhältnissen wird extrem übertrieben. Wie mir scheint, kommt diese Art der Sprachkritik auch nicht aus den empirischen Wissenschaften, sondern aus den Disziplinen, die sich ohnehin vorrangig mit Texten befassen.

    • *Sprachkritik ist deshalb so beliebt, weil es einfach ist, Texte zu analysieren. Texte sind einfach und ohne großen Aufwand zu bekommen als Forschungsmaterial.*

      Interessanter Gedanke! Sprachkritik als Sandkasten wissenschaftlicher Underdogs…

  13. Nicht unbedingt Underdogs. Es fehlt einfach an Geld, um mehr zu machen. Richtige Forschung bedeutet viel Arbeit und kostet eben Geld. Und dann machen sie aus der Not eine vermeintliche Tugend. Entscheidend ist nicht der Mangel an intellektuellen Fähigkeiten, sondern der Mangel an Selbstkritik. Sie müssten einfach zugeben, dass sie an der Oberfläche kratzen.

    • *Entscheidend ist nicht der Mangel an intellektuellen Fähigkeiten, sondern der Mangel an Selbstkritik.*

      Mangelnde Selbstkritik ist eine intellektuelle Unfähigkeit.

  14. Ja. Kann man so sehen. Ich meinte ja auch mehr die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu erfassen. Aber ein erheblicher Mangel im Denken ist es schon, keine Selbstkritik zuzulassen.

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  39. Ich mache mir gerade ein paar Gedanken zum Thema „Teilwahrheiten und Fehler des Poststrukturalismus“.

    Das Resultat eines ersten kleinen Brainstormings (nach längerer Recherche zum Thema) kann unten gelesen werden. Über Ergänzungen würde ich mich freuen.

    An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass man – wenn man eine wissenschaftlich fundierte kritische Analyse des Poststrukturalismus anstrebt – m.E. zwischen dem ursprünglichen französischen Poststrukturalismus (der noch nicht politisch korrekt war) und dem späteren US-amerikanischen Poststrukturalismus/Postmodernismus, der die postmoderne Political Correctness hervorgebracht hat, unterscheiden muss.

    Den in den USA entstandenen politisch korrekten Poststrukturalismus/Postmodernismus halte ich für eine autoritäre Ideologie, die man ruhig neben Faschismus, Stalinismus und Neoliberalismus stellen kann.

    Hingegen sehe ich beim ursprünglichen französischen Poststrukturalismus, der noch antiautoritär motiviert und nicht politisch korrekt war, durchaus auch originelle Erkenntnisse und zu bewahrende Teilwahrheiten.
    Diese Teilwahrheiten werden aber falsch, wenn sie maßlos aufgebläht und überdehnt werden.

    Zum Teil finden sich kritikwürdige Übertreibungen bereits in unterschiedlichen Ausprägungen bei den französischen Poststrukturalisten, zum Teil haben sie dies aber in späteren Phasen ihres Werkes selbst erkannt und diese Übertreibungen mehr oder weniger stark abgeschwächt und relativiert. Insofern lässt sich diesbezüglich von einem unreiferen und reiferen Poststrukturalismus sprechen.

    Im Zuge jener einseitigen, selektiven und dogmatischen US-amerikanischen Rezeption des französischen Poststrukturalismus, aus der die postmoderne Political Correctness hervorging, wurden mehrere solche Fehler und Übertreibungen, wo vorhanden, hingegen fröhlich übernommen und anstatt sie abzuschwächen wurden sie z.T. weiter aufgebläht. Dies hat m.E. leider einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass aus dem ursprünglich antiautoritär motivierten französischen Poststrukturalismus in den USA eine autoritäre Ideologie gebastelt wurde, die heute – gefördert von neoliberalen ökonomischen Herrschaftseliten und ihren gekauften politischen Handlangern in verschiedenen politischen Parteien – dazu instrumentalisiert wird eine Teile-und Herrsche-Politik zu betreiben, die politische Linke mit Blödsinn zu zersetzen und als ernsthaften Gegenspieler der herrschenden Eliten lahmzulegen und einen autoritären Staatsumbau voranzutreiben:

    https://geschlechterallerlei.wordpress.com/2016/11/02/gastartikel-nutzt-die-postmoderne-political-correctness-den-neoliberalen-oekonomischen-herrschaftseliten/

    Insofern dient eine Analyse der Teilwahrheiten und Fehler des Poststrukturalismus u.a. zwei unterschiedlichen Zwecken:

    – Die Teilwahrheiten des ursprünglichen französischen Poststrukturalismus bewahren.

    und

    – Den in den USA entstandenen politisch korrekten Poststrukturalismus/Postmodernismus – also die postmoderne Political Correctness – fundiert kritisch zu analysieren, um sie umso wirksamer zurückschlagen zu können.

    Trennen wir also beim Poststrukturalismus die Spreu vom Weizen.
    Im Folgenden geht es um allgemeine, verbreitete theoretische Grundlagen poststrukturalistischen Denkens, nicht um einzelne poststrukturalistische Denker im Besonderen. Außerdem wurde aus Gründen der Einfachheit die Form einer idealtypischen Gegenüberstellung gewählt, in der Realität finden sich natürlich auch viele graduelle Ausprägungen irgendwo dazwischen.

    Hier meine ersten kurzen stichwortartigen Reflektionen zum Thema. Ergänzungen sind willkommen.

    Teilwahrheiten und Fehler des Poststrukturalismus/Postmodernismus

    Teilwahrheit:

    – Erkenntnis der Relevanz von Interpretation für das Verstehen der Wirklichkeit. Die Welt kann nicht durch empirische Forschung allein erschlossen und verstanden werden, manche Dinge können nur durch Interpretation verstanden werden. Selbst bei empirisch zu erforschenden Dingen kann es u.U. sozial konstruierte Anteile geben, die man mitreflektieren muss.

    Übertreibung:

    – Die Annahme, es gebe keine soziale Wirklichkeit außerhalb von Interpretationen und diskursiv-kulturellen sozialen Konstruktionen. Die ganze Welt (oder zumindest die ganze soziale Welt) sei quasi wie ein Text. Daraus folgt eine irrationale Geringschätzung empirisch-wissenschaftlicher Forschung.

    Teilwahrheit:

    – Erkenntnis, dass Bedeutungen kontextabhängig sind und nicht endgültig festgelegt werden können.

    Übertreibung:

    – Verweigerung klarer Definitionen, Leugnung der Sinnhaftigkeit von zeitweiligen und kontextuellen Festlegungen von Bedeutungen.

    Teilwahrheit:

    – Erkenntnis des Wertes der Vielfalt von Perspektiven.

    Übertreibung:

    – Verzicht auf qualitative Unterscheidungen zwischen Perspektiven: alles soll gleichermaßen gültig sein. Das führt zu Wahrheitsrelativismus, Moralrelativismus, Kulturrelativismus und ähnlichem Irrsinn.

    Teilwahrheit:

    – Erkenntnis, dass allgemeine Prinzipen und auf Synthese ausgerichtetes Denken stets ein Risiko beinhalten, das Einzelne, Besondere, Partikulare nicht angemessen zu berücksichtigen und dies ungerechte Ausschlüsse und Diskriminierung begünstigen kann.

    Übertreibung:

    – Verzicht auf allgemeine Prinzipien und auf Synthese ausgerichtetes Denken, das Resultat kann dann leider nur gedankliche Zersplitterung, das Fehlen von begründeten Maßstäben für Gerechtigkeit und die Produktion anderer ungerechter Ausschlüsse sein.

    Teilwahrheit:

    – Erkenntnis der Relevanz sprachlicher und kulturell-diskursiver Hintergrundkontexte für das Erleben und Verhalten des Menschen und für geisteswissenschaftliche Analysen zu bestimmten Fragen.

    Übertreibung:

    – Die bedeutungsgenerierende Kraft kultureller Diskurse wird zum absolut zentralen Einflussfaktor auf das Erleben und Verhalten von Menschen überhöht, alle anderen soziologischen, psychologischen und biologischen Einflüsse werden massiv unterschätzt – es kommt zu einer Variante von Theorien des „Fanatismus eines Faktors“.

    Teilwahrheit:

    – Wichtige Beiträge zu soziologischen Konflikttheorien: Klare Erkenntnis des konflikthaften, antagonistischen Aspekts des Sozialen, der niemals ganz zu befrieden ist, niemals völlig in einen Konsens aufgelöst werden kann. Macht-Konflikte durchziehen bis zu einem gewissen Grad alle gesellschaftlichen Bereiche und die Konflikte währen ewig, eine weitgehend konfliktfreie, harmonische Gesellschaft ist nicht zu erreichen.

    Übertreibung:

    – Das menschliche Streben nach Konsens und Kooperation wird in ihrer Bedeutung für das Zusammenleben von Menschen im Poststrukturalismus z.T. zu gering gewichtet, die Machtperspektive wird z.T. stark übertrieben.
    U.a. gerade weil die menschliche Sozialität einen konflikthaften und antagonistischen Aspekt enthält, der niemals völlig aufgelöst werden kann, ist außerdem die Sublimierung, Einhegung und konstruktive Kanalisierung dieser konflikthaften Tendenzen wichtig. Auch wenn jeder gesellschaftliche Konsens immer nur teilweise und vorläufig ist, sichert das Streben nach Kompromiss und Konsens doch ein funktionierendes Zusammenleben.

    Teilwahrheit:

    – Entwicklung von geisteswissenschaftlichen Methoden, die sich für bestimmte Fragestellungen und Erkenntnisinteressen bewährt haben (Diskursanalyse, Dekonstruktion, genealogische Analyse).

    Übertreibung:

    – Anwendung von poststrukturalistischen Methoden außerhalb ihres Geltungsbereichs. Werden Diskursanalyse, Dekonstruktion und genealogische Analyse auf empirisch-wissenschaftlich zu behandelnde Fragen angewendet, dann produzieren sie schnell Unsinn.
    Eine Diskursanalyse kann z.B. gut dafür geeignet sein, um die Konstruktion von Bedeutungen in Texten zu analysieren, aber sie kann uns z.B. nichts wissenschaftlich Gesichertes darüber sagen, ob und inwieweit durchschnittliche psychologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern von sozialen Einflüssen oder genetischen Dispositionen verursacht werden, denn das ist eine Frage, die in den Geltungsbereich empirisch-wissenschaftlicher Methoden fällt.

    Soweit erstmal.

    Wie man sieht, sind die (in meinen Augen) Übertreibungen und Fehler des Poststrukturalismus relativ trivial und es ist keineswegs besonders schwer sie zu analysieren und von den Teilwahrheiten abzugrenzen.
    Die Trivialität der ersten Ergebnisse meiner Analyse ist aber pragmatisch betrachtet durchaus ein Vorteil. Umso leichter kann es nämlich in gut begründeten Argumentationen vermittelt werden.

  40. Pingback: Leszek zu „Teilwahrheiten und Fehler des Poststrukturalismus“ | Alles Evolution

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