Heinz Jürgen Voß zu pränatalen Hormonen

Ich habe mir „Making Sex Revisited“ von Heinz-Jürgen Voß vorgenommen und der Anfang, indem er die verschiedenen Theorien zu den Geschlechtern darlegt, zieht sich ziemlich.

Auf Seite 232 kommt er dann immerhin zu aktuellen Thesen. Ausgehend von Money und David Reimer kommt er zu den Hormonen:

Die konkurierenden Theorien vertraten die Auffassung, dass ein neugeborenes Kind nicht geschlechtlich neutral sei. Androgene (als männlich betrachtete Geschlechtshormone) sollen bereits pränatal, zumindest sehr früh postnatal, vor allem im Gehirn wirksam sein, so dass eine geschlechtsspezifische (männliche) Konstituierung erfolgt. (…) Nun standen vermeintlich pränatal bzw. früh postnatal, insbesondere auf das Gehirn des Embryos wirkende Hormone im Mittelfeld der Betrachtungen. Heute (Ende des 20., Anfang des 21 Jhd.) dominieren in Diskursiven Postulaten binärer geschlechtsspezifischer Konstituierung des Gehirns.

Ich habe nicht viel ausgelassen. vielleicht 5 weitere Sätze, die aber auch nicht viel mehr zu der eigentlichen Theorie erklären. Immerhin gibt er damit zu, dass diese Auffassungen momentan in der Wissenschaft vorherrschend sind.

Das Buch hat 326 Seiten, hiernach geht er zu den genetischen Faktoren über, wenn ich es richtig gesehen habe. Ich bin gespannt, aber skeptisch, ob er die pränatalen Hormone noch mal erwähnt. Bisher hat er Theorien aus grauester Vorzeit wesentlich mehr Platz eingeräumt als den aktuellen Theorien, die ja eigentlich für ein Verständnis der aktuellen biologischen Theorie maßgeblich sind.

Die darauf folgende Zusammenfassung kommt zu dem erwarteten Schluß, dass “ Biologisch-medizinische Theorien über Geschlecht in gesellschaftliche Bedingungen eingebunden sind“, was sein mag, aber nichts darüber sagt, inwieweit sie wandelbar sind. Dass das Herz als Sitz der Gefühle angesehen wurde führt nicht dazu, dass wir heute eine Unsicherheit darüber haben, dass Gefühle mit dem Herzen nichts zu tun haben. Die damaligen Ansichten sind schlicht überholt und sagen nichts über die Richtigkeit heutiger Ansichten. Voß hält statt dessen fest, dass „herausgearbeitet wurde, dass die Merkmale, die in biologisch-medizinischen Theorien als kennzeichnend für Geschlecht betrachtet wurden, keinesfalls fest und unveränderlich waren“.

Aus meiner Sicht hat er, wenn er sich tatsächlich vorgenommen hat, die Geschlechterentstehung neu zu untersuchen („Making Sex revisited“) auf den ersten 232 Seiten das Thema verfehlt. Als geschichtliche Abhandlung mag es interessant sein, aber die aktuellen Theorien sind bisher so kurz abgefasst, dass man sich dazu eine tatsächliche Meinung nicht bilden kann.

Aber mal sehen, wie es weiter geht.