In einem Artikel stellt Marion Detjen vier Grundannahmen und Voraussetzungen der Gender Studies dar:
Erstens: Die Verhältnisse, in denen wir Menschen leben (vielleicht auch Delfine, Hunde und Schimpansen?), also auch die Geschlechterverhältnisse, also auch unsere geschlechtlichen Identitäten, also auch der Sex, sind sozial konstruiert, und das heißt nicht, dass Gene, Fortpflanzungsorgane, Hormone und sonstige Materialitäten keine Rolle spielen würden, sondern nur, dass sie alleine nichts zwangsläufig festlegen und erst durch sozialen Umgang für die geschlechtliche Identität, für den Sex und die Geschlechterverhältnisse relevant werden.
Die Definition von „Sozial konstruiert“ ist interessant. Ich halte sie für einen Strohmann, denn in keinem Text aus dem Gender Feminismus spielen Hormone, Gene oder sonstige Materialitäten abgesehen davon Abgrenzungskriterien zu bieten, eine Rolle. Wer einen Text hat, der diese einbezieht, der kann ihn hier gerne zitieren. Gender Studies geht von einem reinen Sozialkonstruktivismus aus. Natürlich spielt im integrierten Modell das soziale eine Rolle. Es ist als Ausgestaltung der biologischen Grundlage durchaus maßgeblich dafür, wie wir unsere geschlechtliche Identität leben etc. Aber umgekehrt darf man eben auch diese Grundlage auch nicht ausblenden. Diese ist wie das Gelände, auf dem die Stadt gebaut wird und damit auch das spätere Bild und die Bebauungsmöglichkeit mitbestimmt. All dies geht in den Gender Studies unter.
Zweitens: Wenn die Verhältnisse nicht naturwüchsig oder von Gott gegeben, sondern sozial gemacht sind, dann liegt es an uns, uns jenseits der Wissenschaft, aber unter Verwendung ihrer Ergebnisse, darüber zu unterhalten, ob und wie wir sie vielleicht verändern wollen. Es ergeben sich politische Fragen. Und es wäre nett und im Sinne des Grundgesetzes, diese Fragen so zu formulieren und anzugehen, dass die nach wie vor bestehenden, eklatanten vergeschlechtlichten Ungleichgewichte (in der Verteilung der Care-Arbeit, in der Bezahlung, bei der Besetzung von Machtpositionen etc. pp.) beseitigt werden und die Beschwerden auch von kleinen Minderheiten wie den Transsexuellen Gehör und Berücksichtigung finden.
Das wäre aber eben eine Frage des „Wenn“. Diejenigen, die bisher radikale Umgestaltungen versucht haben, etwa das Kibbuz aber auch nur die Eltern von CAH-Mädchen oder diverse David Reimer Experimente sind jedenfalls gescheitert. Und es wäre schön, wenn tatsächlich mal allgemein gefragt würde, wie man etwas will: Die Antwort könnte die Gender Studies überraschen. Denn deren radiakales feministisches Programm wollen glaube ich die wenigsten. Die meisten sind ja durchaus gerne Mann oder Frau, nur ein kleiner Teil kann sich da nicht zuordnen und ist unzufrieden.
Drittens: Wissenschaft funktioniert nach ihren eigenen Regeln. Und trotzdem nicht unabhängig von der Politik. Die Geschlechterforschung, genauso wie die Evolutionsbiologie, genauso wie die Wirtschaftsmathematik und was immer sonst so an unseren Universitäten gelehrt wird – all diese Forschung verdankt ihre Existenz – nicht ihre Ergebnisse – letztlich politischen Entscheidungen und steht in politischen Kontexten, weil irgendjemand sie ja institutionalisieren und finanzieren muss. Deutschlandweit gibt es 15 eigene Lehrstühle für die Geschlechterforschung; für die Sportmedizin beispielsweise gibt es 28 eigene Lehrstühle. Ob und warum nun das eine oder das andere zu viel oder zu wenig ist, darüber kann und soll man reden.
Es geht aus meiner Sicht eher darum, das man, wenn man ein solches Fach einrichtet, was sehr sinnvoll sein kann, dieses dann eben wissenschaftlich machen sollte und nicht als reine Glaubenswissenschaft, in der das Ergebnis bereits feststeht und lediglich noch geschaut wird, wie man Ergebnisse so darstellen kann, dass sie dazu passen. Geschlechterforschung kann so wichtig sein, aber eben nicht als Ideologie.
Viertens: Die Sprache, mit der wir uns ausdrücken, ist ebenfalls kein Naturprodukt, sondern ein Ergebnis sozialer Prozesse. Und leider wurde sie über Jahrtausende so ausgeprägt, dass sie männliche Perspektiven reproduziert, für die das Weibliche das Andere ist, das markiert werden muss, um überhaupt zur Sprache zu kommen. Dieser fundamentale, ja tragische Missstand lässt sich nicht elegant beheben. Die Vorschläge der feministischen Linguistik – das Binnen-I, der Unterstrich, das Sternchen, das x, das generische Femininum – können das Problem nicht lösen, aber machen darauf aufmerksam; sie irritieren, wecken Sensibilität.
Natürlich ist Sprache ein Ergebnis sozialer Prozesse – abgesehen von der Universalgramatik. Ansonsten recht klassische Argumente aus dem Poststruktrualismus. Dort wird die Wirksamkeit der Sprache aus meiner Sicht stark überschätzt und auch hier sprechen viele Studien dagegen. Aber immerhin eine insoweit durchaus passende Darstellung einige Grundlagen.
Die vierte Grundannahme muss jedem, der den Krams auch nur für minimal wissenschaftlich hält, und mehr als eine Sprache kennt, doch arg peinlich sein.
Denn wir müssen ja gar nicht spekulieren, wie eine Gesellschaft mit einer anderen Sprache aussähe, wir HABEN solche Gesellschaften. Wir können uns Sprachen angucken, die keine Geschlechter haben, und welche Auswirkungen das auf die Gleichberechtigung hat. Wir können falsifizieren.
Und, sorry: angesichts der Tatsache, dass China, Japan, Korea – der Sprachhypothese nach – eine feministische Mustergesellschaft haben sollten, kann man die These wohl getrost als falsifiziert betrachten.
Aber irgendwie scheint das den Genderstudies nichtmal aufzufallen. Kein Wunder, man ist ja auch Aktivist („Dieser fundamentale, ja tragische Missstand lässt sich nicht elegant beheben“) und nicht Forscher.
http://wals.info/feature/30A#2/26.7/261.2
Es fällt ihr natürlich auch nicht ein, die umfangreiche Literatur zur Evolution der Sprache auch nur zur Kenntnis zu nehmen.
@keppla: Das ist in der Tat eine sehr interessante Frage, kennt jemand Studien dazu? Wie sich beispielsweise das Geschlechterbild eines englischen Muttersprachlers (praktisch genderneutral) vom Sprecher einer slawischen Sprache (jedes Adjektiv zeigt das Geschlecht, die meisten Substantive auch direkt mit ihrer Endung, häufig auch die Verben in bestimmten Zeitformen) unterscheidet? Häufig sind die Sprechergruppen ja kulturell sehr ähnlich, so dass der Vergleich möglich wäre.
„das Geschlecht“
Nein, ein Geschlecht. Männlich, weiblich und sächlich – die jedoch nicht notwendig mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen.
@Dummerjan Jein 🙂 Natürlich ist das erstmal das grammatische Geschlecht (was ist auch das biologische Geschlecht eines Tisches?), aber i.A. stimmen das bei Menschen mit dem sozialen (und damit fast immer auch dem biologischen) überein (Ausnahmen wie z.B. das Kind). Es ging mir eher darum, dass diese Sprachen eine viel stärkere Deutlichmachung des Geschlechts erzwingen, als z.B. das Englische. „Ich ging gestern nach Hause“ zeigt im Russischen beispielsweise das Geschlecht des Sprechenden an. Ich kann nicht die gleiche Konstruktion benutzen wie eine Frau. In manchen Sprachen ist die Verbform für eine reine Frauengruppe sogar verschieden von der einer Männer- oder gemischten Gruppe. Nach der Sprachtheorie der gender studies sollten diese starken Unterschiede ja signifikante gesellschaftliche Auswirkungen zeigen. Ich würde dazu gerne mal eine Untersuchung sehen, weil ich diese Annahme bezweifele.
@krams: ab wann Wuerdest du nicht mehr von Ausnahme sprechen?
Nehmen wir mal Russisch.
Im Russischen ist das Wort Mann „weiblich“. Generell ist die Logik dort recht einfach: endet das Wort auf a ist es „weiblich“, endet es auf o,e ist es „sächlich“, endet es auf irgendeinen konsonant ist es „männlich“.
Mal als Gedankenspiel: wenn ich jemanden, der vorher noch keine Sprachen gelernt hat, nun russisch beibringen würde, die einzelnen Geschlechter aber als „a-fall“, „oe-fall“ und „konsonantfall“ beibringen wuerde, fuer wie warhscheinlich haelst du es, dass er auf die idee kommt, dass das irgendwas mit „geschlecht“ zu tun hat?
Komisch eingentlich, dass das den Sprachfanatikern nicht selber auffällt: das man das grammatikalische Geschlecht ueberhaupt Geschlecht nennt, wo es doch so wenig mit Chromosomen und so zu tun hat, ist eine gesellschaftliche Konstruktion 🙂
@keppla: Mann bzw. „muschtschina“ endet zwar auf „a“, wie es typisch ist für weibliche Nomen, es ist aber grammatisch männlich, d.h. Adjektive und Verben auch so verwen ich jemanden, der vorher noch keine Sprachen gelernt hat, nun russisch beibringen würde, die einzelnen Geschlechter aber als “a-fall”, “oe-fall” und “konsonantfall” beibringen wuerde, fuer wie warhscheinlich haelst du es, dass er auf die idee kommt, dass das irgendwasdet, lediglich die Deklination ist weiblich. Anders z.B. das Kind, bei dem wie im Deutschen die neutrale Form benutzt wird. Dieser Fall sogar ziemlich häufig im Russischen, vor allem bei Kurzformen männlicher Vornamen (Sascha, Dima, Pascha…).
Beeinflußt das jetzt das russische Männerbild hin zum Feminineren? Ich würde mal sagen nein ;).
Dein Gedankenspiel ist interessant. Ich würde annehmen, dass eine Beziehung zum Geschlecht hergestellt würde, weil die Regel doch stark dominiert, jedenfalls beim „a-Fall“. Bei Neutrum und Maskulinum wäre ich nicht so sicher.
Das grammatische Geschlecht ist ja übrigens auch „gender“ und nicht „sex“, also passt das schon ;).
Kiswahili (Suaheli):
>>>Im Kiswahili gibt es weder bestimmte, noch unbestimmte Artikel. Vielmehr ist jeweils der Kontext dafür verantwortlich, ob ein Artikel gesetzt wird. Das alleinstehende Wort lugha kann zum Beispiel Sprache, die Sprache oder eine Sprache bedeuten.
M_WA-Klasse:
Die erste Hauptwortklasse ist daran zu erkennen, dass alle ihr zugehörigen Wörter mit m oder mw beginnen. Häufig gehören dieser Klasse Worte an, die allgemein mit Lebewesen oder dem sozialen Miteinander in Verbindung gebracht werden können. Deswegen wird diese Klasse oft auch als Lebewesen-Klasse bezeichnet.<<<
https://de.wikibooks.org/wiki/Kiswahili:_Hauptwortklassen
Amekuja hapa heisst dann er/sie/es kam hierher. Es kann ein männlicher, oder ein weiblicher Mensch oder auch ein Tier sein. Das muss aus dem Kontext erschlossen oder explizit ausgedrückt werden. Viel neutraler geht es ja wohl nicht. Sind deswegen die Unterschiede, d.h die Rollenverständnisse (in Ostafrika, vor allem Küstenregion) von Mann und Frau die gleichen oder sehr ähnlich? Pustekuchen, ganz und gar nicht. Das wird unsere feministischen Sprachhandler aber nicht beeindrucken. Was brauche ich eine Realität, wo ich doch eine Theorie habe?
Ach ja, eine kleine Notiz am Rande: In Kiswahili heiratet (oa, aktiv) der Mann, die Frau wird geheiratet (olewa, passiv). Alles andere führt zu schallendem Gelächter.
Nein, ich kenne da leider auch keine Studien zu.
Würde mich aber wundern*, wenn die Sprache da einen großen Einfluss hätte. Ich meine, selbst bei den Sprachen, die Geschlechter haben, hat man öfters so Merkwürdigkeiten, wie dass „Mann“ ein weibliches Wort ist (Russisch).
Fuer mich klingt die These, dass die Sprache das Denken bestimmt, mittlerweile nur begrenzt richtig.
Einerseits gibt es Natürlich ne menge Beispiele dafür, wie sich das denken durch Sprache beeinflussen lässt.
Wer sich mal „guter“ Propaganda ausgesetzt hat, oder regelmässig in Meetings ist hat da genug Beispiele gesammelt. Und auch vieles des Reframings im „Game“-bereich äussert sich ja letztlich in Sprachtricks: Ich bin kein Ausgestossener, ich bin ein Rebell. Ich bin nicht unzuverlässig sonder abenteuerlustig. etc.
Das sind aber alles erstmal nur _Beeinflussungen_, nicht ein Bestimmen.
Denn auf der anderen Seite aber erlebt man auch Regelmässig, wie man Sprache anpasst und ändert, weil die Wahrnehmung ohne die Anpassung falsch beschrieben wuerde. Wie kann das gehen, wenn die Sprache doch „die Grenze meiner Welt“ ist, nach Wittgenstein?
Woher kommt „googlen“, „merkeln“ und „Arschgeweih“? Aus der geheimen Sitzung der Illuminaten, die Google starteten und Merkel einsetzten und schlechten Geschmack vorschrieben?
Oder doch eher als Reaktion auf die Notwendigkeit von Menschen, bestimmte vorher so nicht gekannte Konzepte effektiv mitzuteilen?
So gesehen eigentlich ein Witz: gerade eben WEIL die Sprache gesellschaftlich beeinflusst wird, kann ich sie ja anders benutzen, denn ich bin ja auch (teil der) Gesellschaft.
Wenn dann einige aenderungen überleben (googlen, „kommunizieren“ als transitives Verb) und andere nicht, deutet das darauf hin, dass es neben „gesellschaft“ noch andere Faktoren gibt, und es eben auch andersrum ist: die Sprache ist wie die Gesellschaft ein Resultat der Umstände.
*) wobei ich mich natuerlich gerne von der Wissenschaft korrigieren lasse.
„Fuer mich klingt die These, dass die Sprache das Denken bestimmt, mittlerweile nur begrenzt richtig.“
Ich würde sagen sie ist sogar ziemlich falsch. Denken ist ja nicht nur eine Art lautloses Sprechen. Es würde ja wohl kaum jemand bestreiten, dass Kinder denken schon bevor sie sprechen können (ebenso die höheren Tiere, die zweifellos Probleme rational lösen können).
Konrad Lorenz hat auf den Aspekt des Probehandelns hingewiesen, das Denken auch ist. Denken ist (auch) vorgestelltes Handeln.
Die Aussagen zu Punkt vier verweisen auf eine zentrale Schwachstelle des feministischen Denkens: es ist außerstande, in Betracht zu ziehen, dass die vermeintlich »männliche« Perspektive in historischer Hinsicht darum die »objektive« Perspektive darstellt, weil sie die Perspektive derjenigen ist, die an der Außengrenze der Gesellschaft den Kopf für Erfolg oder Mißerfolg der Gesellschaft als Ganzes hinhalten.
Und das gilt nicht nur für die steinzeitliche Großwildjagd, sondern eben so sehr für die modernen Ingenieurwissenschaften. Ein Flugzeug besteigen, aber zugleich die Objektivitätsansprüche der Wissenschaft für »männlich« erklären – solche Selbstwidersprüche kriegen nur Feministinnen hin.
„Ein Flugzeug besteigen, aber zugleich die Objektivitätsansprüche der Wissenschaft für »männlich« erklären“
Da isses ja!
Ich bilde mir ein, dass das ein (ähnliches) Zitat von Dawkins ist als er sich zum Poststrukturalismus äußerte?
Mir wollte es vor kurzem nicht einfallen, als ich mich im selben Zusammenhang zum selben Artikel von ZON äußerte.
Ja, Dawkins schreibt irgendwo, dass jeder Relativist, der sich in ein Auto oder ein Flugzeug setzt, ein Heuchler ist.
https://krisdamato.wordpress.com/2013/01/06/dawkins-hypocrite-2/
Dawkins famously denounced the (cultural) relativist in The Garden of Eden:
Show me a cultural relativist at 30,000 feet and I’ll show you a hypocrite. Airplanes built according to scientific principles work. They stay aloft, and they get you to a chosen destination. Airplanes built to tribal and mythological specifications, such as the dummy planes of the cargo cults in jungle clearings or the beeswaxed wings of Icarus, don’t. If you are flying to an international congress of anthropologists or literary critics, the reason you will probably get there—the reason you don’t plummet into a ploughed field—is that a lot of Western scientifically trained engineers have got their sums right. Western science, acting on good evidence that the moon orbits the earth a quarter million miles away, using Western-designed computers and rockets, has succeeded in placing people on its surface. Tribal science, believing the moon is just above the treetops, will never touch it outside of dreams.
Wusste gar nicht, dass ich hier Dawkins zitiere. 🙂 Aber er hat es sehr schön formuliert.
Besonders der vierte Teil zeigt doch deutlich, dass GS politische Agitation ist und keine Wissenschaft: „[Feministischen Vorschläge] können das Problem nicht lösen, aber machen darauf aufmerksam; sie irritieren, wecken Sensibilität.“
Wissenschaft ist nicht dazu da, für ein Problem zu sensibilisieren und Irritation zu wecken, sondern Probleme respektive Phänomene zu untersuchen, und zwar ideologiefrei. Sensibilisierung und aktionistische Irritation können nur auf Grund politischer Annahmen geschehen, und die gehen nur auf Grund von Ideologien, das aber ist nicht die Aufgabe von Wissenschaften, sondern von Politik.
Auch kann es gar keine feministische Linguistik ohne Ideologie geben, weil Feminismus selber eine Ideologie ist. Linguistik hat nicht feministisch zu sein, sondern, wie alle anderen, objektiv und frei.
Es gibt öfter Wissenschaftler, die sich politisch betätigen. In der Klimaforschung beispielsweise. Aber auch hier gibt es Widerstand, wenn persönliche politische Agitation die wissenschaftliche Arbeit steuert und Skandale hat es in der Forschung auch genügend gegeben – welche letztendlich der Klimapolitik schadeten, da es die Klimaforscher, die sich an den Skandalen beteiligten, unglaubwürdig macht. (Und das sage ich obwohl ich den Klimawandel durchaus für ein menschengemachtes Problem halte.)
Das heißt natürlich nicht, dass ein Forscher mit seinen Ergebnissen nicht politisch werden darf. Klimaforscher dürfen ein Handel fordern, Juristen dürfen Gesetzesänderungen anstoßen, debattieren und kommentieren, Physiker dürfen eine Meinung zu Atomkraft haben – oder Atomwaffen, wie etwa Einstein. Expertenwissen ist für die Politik wichtig, aber dieses Wissen hat ebenfalls auf objektiven, falsifizier- und debattierbaren Grundlagen zu stehen und nicht auf Grundlage einer Ideologie respektive eines Glaubens.
Zum Thema Sprache, Beispiel aus der Praxis:
ScienceFiles hat ein RadioInterview mit dem Programmverantwortlichen für das Frauen-Informatikstudium an der FH-Ernst Habbe in Jena verlinkt.
Ganz zu anfang spricht der tadellos seine Sprache Gendernde (Wirklich beeindruckend!) von:
„weiblichen Studienerenden“
Nein, wie herrlich! Deutlicher kann man diesen Sprachirrsinn nicht aufdecken. Weibliche Studierende….warum genau ist diese Formulierung „diskriminierungsfreier“ gegenüber: Studentinnen?
Feministische Sprachlehre dreht sich nur darum nicht das zu sagen, was man meint.
http://www.deutschlandfunk.de/studiengang-in-jena-elektrotechnik-nur-fuer-frauen.680.de.html?dram:article_id=327983
>>“Wie Sie schon gesagt haben, in den MINT-Studienfächern ist der Anteil weiblicher Studierender besonders oder sehr niedrig und in der Fachrichtung Elektrotechnik, Informationstechnik ist das leider besonders niedrig dieser Anteil.“
Genderdeutsch.
Richtiges Deutsch:
>>“Wie Sie schon gesagt haben, in den MINT-Studienfächern ist der Anteil von Studentinnen besonders oder sehr niedrig und in der Fachrichtung Elektrotechnik, Informationstechnik ist das leider besonders niedrig dieser Anteil.“
What the fuck???
Das Problem, was die Feministen bei „Studentinnen“ triggert, ist, dass das Weibliche als Anhängsel der männlichen Normalform existiert. Darum wird die Bezeichnung geschlechtsneutral gewählt und durch ein vorangestelltes Adjektiv spezifiziert, damit die Frau ohne den Mann als Basis auskommt.
Genderdenk ist ziemlich ausgeklügelt, man muss sich erst in deren Logik eingewöhnen.
>>“dass das Weibliche als Anhängsel der männlichen Normalform existiert.“
Da witzige daran ist ja, das die Kollektivbezeichnung „Studentinnen“ exklusiv weiblich ist. Sie braucht keine besondere Markierung (siehe Studierende mit „weibliche“), sie ist freistehend eindeutig und nur Frauen vorbehalten.
Wenn jemand das weibliche „unsichtbar“ macht, dann sind es in diesem Fall Feministinnen. Und das mit einer völlig unlogischen Partizip Präsens Konstruktion.
Ausländer die noch richtiges Deutsch lernen, müssen doch mit dem Kopf schütteln! Mir ist so etwas peinlich…
Ich sehe die vier Punkte eher als Verschleierung der Autorin, um die Geschlechterforschung zu verteidigen, nicht als wirkliche Grundannahmen der Genderstudies. Sie formuliert sie so, dass sie bei den meisten zustimmungsfähig sind, aber mit der Praxis des Fachs wenig zu tun haben:
1) Hat Christian ja schon ausgeführt – sie erwähnt Biologie zwar als Komponente neben Sozialisation, unterschlägt aber, dass in fast allen Bereichen der Genderstudies eben nur die soziale Konstruktion zählt.
2) Auch ein Ablenkungsmanöver: Der Kritikpunkt ist ja nicht, dass gesellschaftliche Zustände beeinflusst werden können, sondern welche und wie . Ihre Aufzählung listet dann auch wieder nur vermeintliche Frauenbenachteiligungen auf.
3) Hier wird die Anzahl der Lehrstühle systematisch kleingeredet, dankenswerter Weise immerhin die Quelle verlinkt. Insgesamt gibt es laut dieser 189 Lehrstühle an Unis und FHs. Die 15 erwähnten sind nur die, die nicht in eine andere Disziplin eingebettet sind. Das ist Augenwischerei, denn natürlich machen die anderen 174 auch Genderforschung. Ohne das Kleinreden müsste man ja die Anzahl auch nicht mit der Sportwissenschaft, sondern z.B. mit Klimaforschung oder Astronomie vergleichen – und feststellen, dass es da erheblich weniger Lehrstühle gibt.
4) In diesem Punkt scheint sie immerhin ehrlich zu sein – er dürfte dann auch der sein, der am wenigsten auf allgemeine Zustimmung trifft. Sie belegt ja auch nirgends die Folgen dieser sprachlichen „Unsichtbarmachung“.
Ich finde es stilistisch interessant, was man zu dem Thema inzwischen geboten kriegt.
Detjen versucht es mit einer Art Märchentanten-Tonfall – passend zum Foto ;-).
Sie erklärt uns Dummerles nämlich erst Mal die Welt bzw. die Geisteswissenschaften:
„Nun ist es so: In den Geistes- und Sozialwissenschaften gehört die Grundannahme …“
Also Kinderchen, jetzt verstanden?
Aber die Tante kann auch unterschwellig drohen: Ein „schließlich wollt ihr doch nicht bockig und böse sein – oder?“
geht bei ihr so:
„Warum sind die Kollegen (wieder generisches Maskulinum, seis drum) aus den Geistes- und Sozialwissenschaften solidarisch mit Münkler, aber nicht solidarisch mit den Gender Studies? Ganz sicherlich nicht, weil sie frauenfeindlich wären oder prinzipiell etwas gegen Geschlechterstudien einzuwenden hätten. Warum nur?“
Also: Für die Kritiker gibt es die Alternativen Frauenfeindlichkeit oder prinzipielle Abneigung gegen Geschlechterstudien. Oder? Ganz sicherlich nicht? Nein, halt, eine vergesssen, zum Glück gibt es noch Tor 3:
>Vielleicht ist es wieder einmal einfach nur die Angst
Toll von ihr, dass den Kritikern diese Ausflucht vor Frauen- oder Geschlechterwissenschafts-Abneigung anbietet. Ist doch eine gute Tante!
Auch, wenn sie vielleicht etwas schlicht auf die Welt blickt.
Eine echte Stilblüte ist auch die kleine Nebenbemerkung zu Münkler:
„Ihm wirft eine Handvoll Studierender anonym und im Internet Sexismus vor, weil er beim Sprechen über die Geschlechterordnung in seiner Vorlesung das Reflexionsniveau vermissen lässt, das sie erwarten dürfen.“
Ah ja. Die kommen also so an die Uni, dass sie (oder wer genau denn eigentlich?) wissen, welches Reflexionsniveau der Prof nicht unterbieten darf? Mensch, kommen da fertige Postdocs in die VL, oder was geht da ab?
Wenn ich daran denke, welches Reflexionsniveau manche BAs nach dem Abschluss so haben und wie es da manchmal schon mit der elementaren Logik hapert …
Aber zum Glück haben wir ja die Detjen. Die wenigstens weiß so was.
Den Gegenpol zum Märchentantenstil und damit in Kombination den feministischen rhethorischen Klammergriff gab’s fast zeitgleich.
Nämlich in Marguiers „Jetzt retten die Männer den Feminismus“:
Da dominiert die markige Sprache eine Oberfeldwebels:
„… weder Gewerkschafter noch Feministinnen oder Feministen geht es ja darum, gemocht zu werden. Vielmehr soll man sie fürchten, weil sie vehement für ihre Rechte eintreten – wir sind hier schließlich nicht bei Germany`s next Topmodel“
„Wir sind hier schließlich nicht“ – Sir, ja Sir!
Und als echter Kerl, der er so ist, will er auch keine Gefühlsduseligkeiten wie Sympathie oder so einen Krams – schließlich ist Feminismus jetzt Männersache!
„Die Gewerkschaften wie auch der Feminismus werden also allein schon wegen ihrer Wächterfunktion gebraucht. Um Sympathiepunkte geht es da nicht.“
Trotz der Vielfalt, die ich ja so schätze: Das kommt mir langsam vor wie eine Art Feminismus-Volkssturm. Die letzten Reserven werden mobilisiert …
Sie führen ja andere Meinungen, die den ihren wiedersprechen immer auf Angst oder Ressentiments zurück. Der Gedanke, dass Andersdenkende evtl. wirklich von dem überzeugt sind, was sie vorbringen, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen. Deswegen sind sie auch so diskussionsunfähig.
Diese Äußerungen von dieser Detjen sind ein gefundenes Fressen, um sie analytisch zu dekonstruieren. Warum dekonstruiert die Frau nicht all den Gender-Schwachsinn als politische Lüge, wenn sie Dekonstruieren so geil findet?
Zitat: Es ergeben sich politische Fragen. Und es wäre nett und im Sinne des Grundgesetzes, diese Fragen so zu formulieren und anzugehen, dass die nach wie vor bestehenden, eklatanten vergeschlechtlichten Ungleichgewichte (in der Verteilung der Care-Arbeit, in der Bezahlung, bei der Besetzung von Machtpositionen etc. pp.) beseitigt werden und die Beschwerden auch von kleinen Minderheiten wie den Transsexuellen Gehör und Berücksichtigung finden.
Genau dieser zweite Punkt läßt sich ja in allen Gender-Pamphleten wiederfinden. Und er ist so unfaßbar verräterisch, daß ich regelmäßig Beklemmungen kriege und mich frage, wie diese Leute überhaupt Abitur oder Uni-Abschluß geschafft haben.
Die „eklatanten Ungleichgewichte“ haben an sich keinerlei negative oder positive Bedeutungen. Das checkt die Frau wohl nicht. Es ist der immergleiche Hirnriß. Aber ich will mich nicht aufregen.
Sie will also Ungleichewichte beseitigen. Das kann sie nur wollen, wenn diese Ungleichgewichte Ausdruck von Ungerechtigkeit sind. Das muß sie beweisen.
In ihrer Naivität glaubt sie vermutlich, daß das doch längst bewiesen sei.
Warum schreibt sie eigentlich nicht von dem eklatanten Ungleichgewicht der männlichen Lebenserwartung? Das will sie doch bestimmt auch gierigst und schleunigst beseitigen.
Es ist einfach hoffnungslos. Mittlerweile halte ich die DDR für die angenehmere Diktatur. 🙂
PS: Diese Gender-Heinis zeigen mit ihren Aufsätzen eigentlich immer nur ungewollt, daß sie Null Falsifizierungsanspruch haben und Politik betreiben wollen.
Wenn die Geschlechtsunterschiede nur konstruiert sind, soll die Gender-Tante doch mal raus in Natur und die Tierchen von ihrer Theorie überzeugen. Wir wären sie dann wenigsten für einige Zeit los.
Pingback: Übersicht: Kritik am Feminismus | Alles Evolution