Ist „Geschlecht“ ein mit „Rasse“ „Schicht“ etc vergleichbares Benachteiligungskriterium?

Ist „Geschlecht“ ein mit „Rasse“ „Schicht“ etc vergleichbarers Benachteiligungskriterium?

Peter wirft in einem Kommentar die Frage auf, ob „Geschlecht“ ein Kriterium ist, was eine durchgehende Benachteiligung erkennbar werden läßt und vergleichbare Interessen begründet.

Der Begriff der sozialen Klasse verweist auf den sozialen Status des Individuums und damit auf sein Einkommen, sein Vermögen und dem daraus resultierenden gesellschaftlichen Einfluss, sprich Macht.

Im kommunistischen Manifest steht: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen“. Der Kommunist geht davon aus, dass sich die sozialen Klassen durch gemeinsame Interessen auszeichnen und somit die Kategorien der sozialen Klassen die logischen politischen Kategorien sind, entlang derer sich die Fronten im Verteilkampf bilden. Das ist logisch leicht nachvollziehbar, denn der männliche Industriearbeiter und die weibliche Kassiererin an der Aldikasse haben mehr gemeinsame Interessen als die weibliche Aldikassiererin und die weibliche Betriebsrätin bei der Deutschen Bank.

Indem der Feminismus Gender und Geschlecht so behandelt, als handle es sich um soziale Klassen, pervertiert der Feminismus linke Politik als die Politik, welche sich dem sozialen Ausgleich verpflichtet fühlt, um der Akkumulation des Kapitals entgegenzuwirken.

Aber selbst dem dümmsten Feministen kann nicht verborgen bleiben, dass der männliche Obdachlose oder der männliche Harz IV – Empfänger nicht als Teil der privilegierten sozialen Klasse gelten kann. Um diese offensichtlichen Brüche in der Theorie zu übertünchen wurden Behelfskonstrukte in die feministische Theorie eingefügt. Idealtypisch steht dafür R.Connell, welche die Kategorie „männlich“ zu diesem Zweck in hegemoniale, komplizenhafte und untergeordnete Männlichkeit unterteilte. Schleierhaft bleibt bei R.Connells Kategorisierungen, warum das Hegemoniale und das Komplizenhafte an Gender und Geschlecht gebunden sein soll. In ihrem Genderwahn scheint sie die simple Tatsache nicht zu verstehen, dass die Profiteure der herrschenden Ordnung prinzipiell diejenigen sind, welche die Ordnung beibehalten wollen, womit wieder die soziale Klasse zur ersten politischen Kategorie wird und nicht Geschlecht, Gender, sexuelle Orientierung oder andere sekundäre Kategorisierungsmerkmale.

Die feministische Theorie führt zwangsläufig zur Pervertierung linker Politik. Einrücklich zeigt sich diese Pervertierung im Bestreben linker Parteien, privilegierte Frauen durch Vorstansquoten u.a noch zusätzlich zu privilegieren.

Das Argument wäre also, dass die Interessen der Männer und Frauen innerhalb der Gruppe heterogener, also unterschiedlicher sind als beispielsweise die Interessen innerhalb der „Unterschicht“, der „Mittelschicht“ und der „Oberschicht“.

Ich kann mir dies ebenfalls sehr gut vorstellen, denn in der Tat hat die Vorstandsvorsitzende mit anderen Problemen zu kämpfen als die alleinerziehende Mutter. Die eine mag eine volle Befürworterin des Kapitalismus, der Großindustrie, des Wettbewerbs und des Shareholder values sein und solche Theorien aus eigener Überzeugung aktiv stützen und den Sozialstaat klein halten wollen, die andere mag hingegen den Sozialstaat eher ausweiten wollen, weil ihr das den größten Vorteil bringt. Die Frau in einer klassischen Hausfrauenehe mit Nebenjob mag ihr Leben für perfekt halten und keine Änderungen an diesem Wünschen und sich gegen Frauenquoten aussprechen, weil sie die Karriere ihres Mannes und ihrer drei Söhne behindern und für sie nichts positives bewirkt. Der Mann mit drei Töchtern wird im Gegenzug vielleicht die Frauenquote unterstützen, weil er beruflich an der Stelle angekommen ist, die er erreichen kann und nunmehr eine Förderung seiner Töchter seine Interessen am besten verwirklicht. Die Feministin, der Frauen in hohen Positionen das wichtigste sind, will vielleicht Unterhalt, Ehegattensplitting und Kinderbetreuungszeiten einschränken, damit Frauen eher arbeiten müssen und dort geringere Wettbewerbsnachteile haben. Eine „Die Frauen schenken Leben und versinbildchen die heilige Urmutter“-Feministin mag hingegen meinen, dass das weibliche Prinzip im Staat mehr berücksichtigt sein sollte und die Sozialleistungen für Mütter ausgebaut werden müssen. Aufgrund der notgedrungenen Interessengemeinschaft innnerhalb einer Familie, die letztendlich auf den „egoistischen Genen“ beruht, sind die meisten Abgrenzungen anhand des Geschlechts wesentlich differenzierter als in anderen Abgrenzungen.

Demnach sind Geschlechterfragen wesentlich uneindeutiger und persönlicher als viele andere Fragen. Gerade in Abgrenzung zu Interessen einer „Klasse“ ist zu bedenken, dass diese Interessen eher wechseln können als das Geschlecht. Wenn der Student noch Teil der Unteren oder mittlern Schicht sein mag, kann er nach Abschluss seines Studiums Karriere machen und der Oberschicht angehören. Wenn der Arbeitervertreter innerhalb der Firma aufsteigt, dann kann er ebenso Oberschicht werden. Wenn der Oberschichter Bankrott geht, dann kann er in der Unterschicht landen. Damit ändern sich auch seine Interessen.

Natürlich kann es dennoch Interessen von Männern und Frauen geben, die typisch für das jeweilige Geschlecht sind. Diese beziehen sich aber meiner Meinung nach wesentlich mehr auf den Schnitt als auf die Einzelperson.Zudem sollte man sich davor hüten, gemeinsame Interessen zu sehr nur anhand der Position „Geschlecht“ zuzuweisen. Die Leistungsgesellschaft als „Männlich“ anzusehen und einen Kapitalismus als „patriarchisch“ und damit männerbestimmt anzusehen geht meiner Meinung nach an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei. Denn die meisten Frauen wollen, wenn sie sich für eine Gesellschaftsform entscheiden müssen, eben keine matriarchale Ackerbaugesellschaft, sondern eine moderne Zivilisation mit allen technischen, medizinischen und gesellschaftlichen Annehmlichkeiten dieser. Sie wollen das Patriarchat keineswegs bekämpfen, sie wollen allenfalls in diesem einen bestimmten Platz, beispielsweise den, bei dem sie die Kinder betreuen und einen Halbtagsjob haben kann, also eine für sie angenehmere Verteilung zwischen Familie und Beruf wählen kann, dabei aber die durch den Wettbewerb verursachten Vorteile auch über die Teilhabe an dem Geld durch den Beruf ihres Mannes genießen kann. Dies ist dann keine Anbiederung an die Männerwelt oder eine „Unterstützung des Patriarchats gegen ihren Willen“, sondern eine freie Entscheidung, die sie so getroffen hat und auch für richtig hält. Natürlich gibt es auch Frauen, die Karriere machen wollen und dabei Diskriminierung erfahren, was sich dann an ihrem Geschlecht festmachen läßt oder Frauen, die den Kapitalismus stürzen wollen, was sich dann nicht an ihrem Geschlecht festmachen lassen muss.

Kurz : Die Zuweisungen anhand des Geschlechts sind wesentlich schwieriger und heterogener als es in vielen, gerade vielen feministischen Schriften deutlich wird. Die Interessen der Frauen an der Beibehaltung bestimmter Zustände, die dort dem „Patriarchat“ zugesprochen werden, sind aufgrund ihres Geschlechts keineswegs so klar.