Ein interessanter Bericht über die neuen Strafgesetze in Sexualstrafrecht und ihre Anwendung in Schweden:
In Schweden hat das Oberste Gericht erstmals ein Urteil auf Grundlage des umstrittenen Einwilligungsgesetzes zur Zustimmung beim Sex gesprochen. Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes wurde ein 27-jähriger Mann von den Stockholmer Richtern unter anderem wegen sogenannter unachtsamer Vergewaltigung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass eine Person, die gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gebracht werde, nicht ausdrücklich Nein sagen oder anderweitig ihre Weigerung ausdrücken müsse.
Das neue Gesetz war am 1. Juli 2018 in Kraft getreten. Es legt fest, dass beide Partner ausdrücklich und klar erkennbar mit dem Geschlechtsverkehr einverstanden sein müssen. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet, auch wenn sich der Partner nicht körperlich wehrt oder Nein sagt. Passivität soll damit nicht als stilles Einverständnis interpretiert werden können. „Oaktsam våldtäkt“ bedeutet wörtlich übersetzt „unachtsame Vergewaltigung“ und ist im Deutschen am ehesten mit dem Begriff „fahrlässig“ zu vergleichen.
Eine „fahrlässige Vergewaltigung“ kennt das deutsche Recht noch nicht. Es ist natürlich immer gefährlich solche Zeitungsartikel über ein ausländisches Recht zu übernehmen, wenn man bedenkt, wie falsch mitunter von Journalisten schon über deutsches Recht berichtet wird. Aber „„Oaktsam våldtäkt“ klingt sehr nach „unachtsamer Vergewaltigung“ was schon eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nahe legt.
Die Vorinstanz hatte den Mann zunächst wegen Vergewaltigung zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Angaben schwedischer Medien wurden wegen des neuen Strafbestandes der unachtsamen Vergewaltigung bislang sechs Personen von niedrigeren Instanzen verurteilt. Der Beschluss des Obersten Gerichts dürfte nun wegweisend für die Rechtsprechung anderer schwedischer Gerichte sein.
Das Strafmaß für unachtsame Vergewaltigung legte das Gericht auf acht Monate fest. Der Mann wurde darüber hinaus wie bereits von der Vorinstanz wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen und sexueller Belästigung verurteilt.
Das wäre ja noch ein sehr geringer Bereich der Anwendbarkeit. Wäre interessant woran das liegt. Wurden Fälle abgewiesen oder werden sie selten angezeigt, weil die Männer vorsichtig sind oder die Frauen es auch nicht für strafwürdig halten?
In dem konkreten Fall übernachtete der Mann bei einer Frau, mit der er zuvor seit längerem über soziale Netzwerke Kontakt gehabt hatte. Die Frau hatte zugestimmt, dass er bei ihr über Nacht blieb, soll aber auch klargemacht haben, dass sie keinen Sex mit ihm wolle. Dennoch führte er in der Nacht laut Gericht seine Finger in ihren Unterleib ein, die Frau nahm dies passiv hin und stimmte nicht ausdrücklich zu.
Der Umstand, dass sie gesagt hat, dass sie nicht schlafen will muss nicht freundlich sein. Ich würde auch üblicherweise darauf davon ausgehen, dass eine Frau nur mit einem in einem Bett schläft, wenn sie, von ganz besonderen Ausnahmen und Situationen abgesehen, zumindest ein gewisses Interesse hat.
Ich hatte dazu mal Erlebnisse wie folgt geschildert:
Ich muss etwas gestehen: Auch ich war früher, noch lange bevor ich über Pickup überhaupt etwas gehört hatte, ein „Nein-heißt-Nein“-Vertreter. Wenn eine Frau leichten Widerstand zeigte habe ich mich zurückgezogen, mit ihr darüber geredet, darauf gewartet, dass sie in ihrem Tempo vorgeht. Wer hat das geändert? Frauen selbst!
Typische Konversationen in dieser Zeit waren: „Warum hatten wir eigentlich nie was?“ Du hättest ja was machen können?“ Aber du hast nein gesagt?“ „Du darfst halt nicht so schnell aufgeben“.
Im Partynachgespräch meinte ich zu einer Freundin, dass der eine ja recht aggressiv vorgegangen wäre, ich hatte schon überlegt, ob ich einschreiten soll. Die Antwort war zuverlässig ein „Immerhin hat er was versucht, auch wenn es vielleicht etwas viel war. Besser als jemand, der sich nichts traut“.
Ich hatte eine Freundin, bei der eine gewisse erotische Spannung in der Luft lag, die mich besuchte und (mit eigener Decke) in meinem Bett schlief. Vor dem Hinlegen sagte sie „Wenn du was versuchst, dann schneide ich dir den Schwanz ab“. Natürlich mit einem Grinsen. Also versuchte ich nichts. Wieder folgte eines dieser Gespräche. Und wieder ein „Du hättest ja was versuchen können“. Das tat ich das nächste Mal, trotz eines ähnlichen Spruches. Natürlich hatten wir Sex.
Auch beim Sex selbst war es nichts anderes. Frauen sagten, dass sie beim ersten Date nie mit einem Mann schlafen würden. Brachten alle möglichen Neins. Und dann, wenn man immer neue Versuche an dem Abend machte – als hätten sie jetzt genug deutlich gemacht, dass sie ja anständige Mädchen waren – hatte man wunderbaren Sex.
Frauen, die die ganze Zeit erzählten, dass man nicht einfach so Sex haben sollte, es wäre nicht richtig. Und ich habe ihnen die meiste Zeit über zugestimmt und auch gesagt, dass ich es nicht gut finde, aber DAS würde sich richtig gut anfühlen.
Ihr dann wenn sie schläft einen Finger reinzustecken geht aus meiner Sicht aber, wenn sie nicht ganz erhebliche Andeutungen gemacht hat, dass sie genau dies will, erheblich zu weit. Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen dann zunächst einmal einen leichten Körperkontakt herzustellen und zu gucken, wie sie darauf reagiert, etwa ihre Hand zu berühren etc. Einfach mit einem Finger in sie einzudringen, ohne dass Sie wach ist und sich geäußert hat, wo runter ich auch als nonverbale Äußerungen verstehe, geht sicherlich entschieden zu weit. Wenn hingegen das Hineinstecken des Fingers im Rahmen eines rummachens passiert wäre, wenn er also davon ausgegangen ist, dass er einen gewissen Konsens hat, dann wäre es etwas anderes, auch wenn sie vorher gesagt hätte, dass sie nicht mit ihm schlafen will.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann sexuelle Handlungen durchgeführt habe, ohne dass die Frau freiwillig daran teilgenommen habe. Am Urteil ändere auch die Tatsache nichts, dass sich die beiden darüber einig gewesen seien, im selben Bett zu liegen und dass sie nur noch Unterwäsche angehabt hätten. Der Mann habe zwar nicht vorsätzlich, dafür aber grob fahrlässig gehandelt.
Der Mann bestritt, eine Straftat begangen zu haben. Er gab an, gedacht zu haben, die Frau habe Sex haben wollen. Er verwies zudem darauf, dass er die sexuellen Handlungen abgebrochen habe, als er gemerkt habe, dass die Frau nicht weitermachen wolle.
Es fehlt aus meiner Sicht noch einiges an Sachverhalt um die Lage beurteilen zu können. Ich habe mal geschaut, was ich finden konnte (jeweils mit Google aus der Sprache übersetzt, sofern diese nicht deutsch war, ich hoffe es sind die gleichen Fälle aber es scheint mir mit dem Hinweis auf das oberste Gericht jeweils zu passen)
Aftenbladet:
Trotzdem fing der Mann nachts an, sich mit der Frau zu befassen, und fing dann einen Geschlechtsverkehr mit ihr an. Die Frau hat beschrieben, wie sie vollkommen steif wurde, als der Mann anfing, sie zu berühren, aber ihre Untätigkeit war auch nichts, was den Mann dazu brachte, sich zu vergewissern, dass sie es wirklich wollte.
Svd:
Der in Västerbotten wohnhafte Mann hatte lange Zeit Kontakt mit der Frau, bevor sie sich trafen und dann miteinander schliefen. In der Nacht fing er an, sie zu berühren, und dann hat die Vergewaltigung stattgefunden. Die Frau hat ihr erzählt, wie sie vollkommen steif geworden ist, als die 27-Jährige sie bewegte, aber der Mann glaubt, er habe ihre Untätigkeit nicht so interpretiert, als ob er aufhören sollte. Früher am Abend hätte die Frau klar machen sollen, dass sie keinen Sex mit ihm haben wollte.
Laut HD wurde nachgewiesen, dass der Täter die sexuellen Handlungen durchgeführt hat, ohne dass die Frau freiwillig mitgemacht hat. Das Gericht hält es nicht für klar, dass der Mann vorsätzlich gehandelt hat.
Die Details bleiben unklar. In einem Bericht ist von Geschlechtsverkehr die Rede, in einem anderen von einem eingeführten Finger, bei einem klingt es als ob sie geschlafen habe, beim anderen als hätte er sie erst berührt und wäre dann zum Sex übergegangen.
Interessante Details wären aus meiner Sicht: Wie wurde die Nachtkleidung ausgezogen? (Sie wird ja nicht nackt im Bett gelegen haben? Wie haben sie ansonsten kommuniziert? Ist der Sachverhalt unstreitig oder hat man schlicht ihr mehr geglaubt? (Sonst wäre er ja gut beraten gewesen zumindest ein Lächeln und ein leichtes Nicken zu behaupten oder einen Augenkontakt mit einem Lächeln oder ein Anheben des Beckens oder irgendwas, was man als Zustimmung ansehen könnte).
Wenn sie vollkommen versteift war, dann hätte er sich sicherlich anders verhalten sollen, anders reagieren sollen, etwas machen sollen, was eine zustimmende Reaktion von ihr erfordert, etwa sie die Kleidung ausziehen lassen oder schauen, ob sie ihn küsst oder anderweitig reagiert. Oder eben einfach sie ansprechen sollen, ob es okay für sie ist. Wenn sie in keiner Weise reagiert und man sich immer noch nicht sicher ist, ob sie nicht vielleicht doch will: Einfach mal kurz aus dem Bett aufstehen, ihr Raum geben, sagen, dass man mal kurz auf Toilette muss, dann schauen, was sie gemacht hat, als man dort war, denn das sollte ihr Gelegenheit geben sich aus dem Schock zu lösen. Wenn man das Gefühl hat, dass sie vollkommen untätig ist und auch sonst nichts sagt, dann erscheint mir auch bei Gesetzen die nur bei Vorsatz eine Strafbarkeit sehen, Vorsicht der deutlich bessere Weg.
Die Vorgerichte hatten, wenn ich die Artikel richtig verstehe, sogar Vorsatz gesehen, das obere Gericht nur die Fahrlässigkeitstat.
In Schweden wird seit der Einführung des Gesetzes diskutiert, was als verbale oder nonverbale Zustimmung gilt. Die schwedische Regierung hatte das neue Gesetz nach der #MeToo-Debatte 2017 vorangetrieben. In dem für seine Gleichberechtigung bekannten skandinavischen Land hatte die Debatte besonders hohe Wellen geschlagen.
Dennoch kann man darüber diskutieren, ob das nun ein Ereignis war, bei dem er acht Monate ins Gefängnis muss (wobei ich vermute, dass es zur Bewährung ausgesetzt worden ist, das wäre im deutschen Recht zu erwarten).
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