Berufswahl, pränatales Testosteron und Digit Ratio

Eine Studie beleuchtet den Zusammenhang zwischen Berufswahl und pränatalen Testosteron (gemessen über die Digit Ratio) (Dank an Roslin für den Hinweis):

Occupational interests constitute a psychological variable with pronounced sex differences. Whereas males are more interested in things, females primarily take an interest in people. As various studies with mammals and humans documented the role of androgen exposure on sex-typical behavior, we assumed that androgen levels are associated with occupational interests. In our study, we used 2D:4D digit ratio as an indicator of prenatal androgen levels and finger lengths as an indicator of post-pubertal androgen levels. Occupational interests were measured with a standard interest inventory. We hypothesized that finger lengths and ratios indicating high androgen levels are associated with stronger interests in things and weaker interests in people. All measures were gathered using an online interest inventory thereby leading to sufficient statistical power (N = 8646). Results partly confirmed our hypotheses. We found significant correlations between finger lengths and interests in things for males. Moreover, in the case of males we identified significant correlations between finger lengths (positive) as well as digit ratios (negative) with realistic interests and significant correlations between finger lengths (negative) and social interests, which are a marker variable of the people-things dimension.

Quelle: Are occupational interests hormonally influenced? The 2D:4D-interest nexus

Da die beiden Forscher an der Uni Konstanz arbeiten gibt es auch noch weiterführende Aussagen auf Deutsch hierzu:

Die Ergebnisse von Dr. Benedikt Hell und Katja Päßler bestätigen die Geschlechterstereotype von technisch ausgerichteten Männern und sozial engagierten Frauen. „Unsere Ergebnisse führen zu der Implikation, dass wir keine Gleichverteilung der Geschlechter in Studiengängen oder Berufen erwarten können oder gar fordern sollten“, schlussfolgert Benedikt Hell. Die Studie „Are occupational interests hormonally influenced?“ ist in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Personality and Individual Differences“ veröffentlicht.

Gemäß der Ergebnisse von Päßler und Hell ist ein hoher vorgeburtlicher Testoste-ronspiegel mit einem erhöhten Interesse an technischen Gegenständen und Fragestellungen verbunden. Umgekehrt zeigte sich ein Zusammenhang zwischen einem niedrigen vorgeburtlichen Testosteronspiegel und einem erhöhten Interesse am Umgang mit anderen Menschen und sozialen Fragestellungen. „Die Korrelationen zwischen dem pränatalen Hormonspiegel und beruflichen Interessen sind zwar nur sehr geringfügig, lassen sich aber nichtsdestotrotz in signifikanter Höhe nachweisen“, präzisiert Benedikt Hell. Die Zusammenhänge müssen nach Hells Auskunft unbedingt differenziert betrachtet werden: „Die Korrelationen lassen keine Rückschlüsse auf den Einzelfall zu, sondern es handelt sich um Tendenzen in einer großen Stichprobe.“ (…)

Die Ausgangsfrage der Studie knüpfte an einer aktuellen Übersichtsarbeit an: „Wir haben uns gefragt, wie es zu den sehr stabilen, kulturübergreifenden Geschlechtsdifferenzen im sozialen Interesse und im technischen Interesse kommt“, skizziert Katja Päßler die Schlüsselfrage, die sich hinter dem Projekt verbirgt: „Ist dies alles nur Erziehung und Ergebnis der Sozialisation oder spielen vielleicht auch genetische und evolutionäre Mechanismen eine Rolle? Hat eine Spezialisierung der Interessen vielleicht zu unserer evolutionären Fitness beigetragen?“ Im nächsten Schritt ihrer Forschung möchten Päßler und Hell ihre Hypothese an Stichproben untersuchen, die aufgrund eines Gendefekts einen besonders hohen pränatalen Testosteronspiegel aufweisen.

Der Unterschied zwischen den Geschlechtern in Bezug auf einer Vorliebe für Sachen und Personen sind insgesamt denke ich auch sehr deutlich. Männer wollen bei Sachen eher herausfinden, wie sie funktionieren, wären Frauen eher wollen, dass sie funktionieren. Natürlich gilt dies für den Schnitt und es kann Männer geben, die eher weiblich sind und Frauen, die eher männlich sind.

Zusätzlich zu der Unterscheidung zwischen „Sachorientiert“ und „Personenorientiert“ kann auch die Risikobereitschaft die Berufswahl beeinflussen und diese wiederum ebenfalls biologisch bedingt sein:

Women are generally more risk averse than men. We investigated whether between- and within-gender variation in financial risk aversion was accounted for by variation in salivary concentrations of testosterone and in markers of prenatal testosterone exposure in a sample of >500 MBA students. Higher levels of circulating testosterone were associated with lower risk aversion among women, but not among men. At comparably low concentrations of salivary testosterone, however, the gender difference in risk aversion disappeared, suggesting that testosterone has nonlinear effects on risk aversion regardless of gender. A similar relationship between risk aversion and testosterone was also found using markers of prenatal testosterone exposure. Finally, both testosterone levels and risk aversion predicted career choices after graduation: Individuals high in testosterone and low in risk aversion were more likely to choose risky careers in finance. These results suggest that testosterone has both organizational and activational effects on risk-sensitive financial decisions and long-term career choices.

Quelle: Gender differences in financial risk aversion and career choices are affected by testosterone

Ein Teil der klassischen Berufswahlen der Geschlechter wird man mit diesem sehr groben Muster sicherlich gut erklären können. Die Leute überlegen sich eben nach ihren individuellen Vorlieben und Fähigkeiten, was sie gerne studieren / in welchem Bereich sie arbeiten wollen. Dabei werden, wie andere Studien zeigen, die Geschlechterrollen in freieren Gesellschaften eher deutlicher, statt zu verwischen. Selbst (oder vielmehr gerade) sehr emanzipierte Länder wie zB Schweden haben eine strikte Geschlechtertrennung in den Berufen.