„Schrödingers Vergewaltiger“

„Schrödingers Vergewaltiger“ ist eine im Feminismus beliebte Figur in der Frage der sexuellen Belästigung / Vergewaltigungsvorbeugung.

Seinen Urspung hat es in dem Beitrag „Schrödinger’s Rapist: or a guy’s guide to approaching strange women without being maced„. Auch in der aktuellen Debatte um „Elevatorgate“ und Dawkins Kommentar wurde es an verschiedenen Stellen angeführt um darzustellen, warum der unbekannte Mann Rebacca Watson nicht hätte ansprechen sollen.

Grundlage ist Schrödingers Katze, ein Gedankenexperiment aus der Teilchphysik, bei dem es darum geht, dass die Messung Einfluss auf das Ergebnis hat und damit erst in dem Moment, indem die Messung erfolgt, klar ist, welcher Zustand eigentlich besteht.

Verdeutlicht wird dies durch ein Experiment:

In einem Raum befindet sich eine Katze zusammen mit einem instabilen Atomkern, der theoretisch verfallen könnte oder eben auch nicht. Zerfällt er registriert dies ein Geigerzähler und löst einen Vorgang aus, der die Katze tötet. Nach der Quantentheorie ist aber vor einer Messung ungewiss, ob der Atomkern verfallen ist oder nicht. Er befindet sich im Zustand der Überlagerung und ist damit gleichzeitig zerfallen und nicht zerfallen. Demnach müßte auch die Katze gleichzeitig leben und nicht leben

Die Paralle bei Schrödingers Rapist ist die Folgende:

Wenn ein Mann mit einer Frau zu tun hat, dann weiß sie nicht, ob er ein Vergewaltiger oder kein Vergewaltiger ist. Er könnte einer sein oder er könnte keiner sein. Erst wenn er handelt, erfahrt sie ob er ein Vergewaltiger ist. Er ist also beides zugleich, ein Vergewaltiger und kein Vergewaltiger

Der Vergleich hat natürlich erhebliche Schwachstellen. Denn es handelt sich eben nicht tatsächlich um überlagerte Zustände, sondern lediglich um Gefahrbewertungen. Die meisten Männer befinden sich eben genau nicht in einem Überlagerungszustand zwischen Vergewaltiger und Nichtvergewaltiger, sie sind keine Atome, die zwangsläufig verfallen, die Frage ist nur wann (also übertragen: „Männer, die auf jedenfall vergewaltigen, die Frage ist nur wann“). Es fehlt bereits an dem Statuswechsel. Männer sind sozusagen ein nichtradioaktives Material, die Frage ist (für normale Menschen) nicht, wann sie vergewaltigen, sondern ob sie überhaupt vergewaltigen.

Diese Frage wird sich für den allergrößten Teil der Männer mit Nein beantworten lassen.

Was meiner Meinung nach die Wertung erheblich verändert.

Hat man bei der einen Betrachtung die Wertung „Vergewaltiger oder Nichtvergewaltiger“, dann klingt das nach einer 50% Chance, gegen die man sich absichern muss.

Aber legen wir zunächst einmal die Betrachtung zugrunde, dass die Optionen „Vergewaltiger und Nichtvergewaltiger“ gegeneinander stehen.

Die Frau müßte sich also dann für den Fall wabnen, dass der Mann, der sie anspricht ein Vergewaltiger ist. Sie müßte diesen Gedanken nach dieser Vorstellung stets mit einkalkulieren und hat deswegen Angst.

Diese Angst wird nun zum Anlass genommen bestimmte Maßnahmen zu fordern.

Allerdings ergibt sich aus dem Gedankenmodell noch nicht, welche Maßnahmen berechtigt sind.

Theoretisch sind verschiedene Maßnahmen denkbar:

  • Meide Frauen wo es nur geht, denn Vergewaltigungen können überall passieren. Lebe in strikter Geschlechtertrennung um Angst vor einer Vergewaltigung zu vermeiden
  • Meide Kontakt mit Frauen, in Situationen, die dir eine leichtere Vergewaltigung ermöglichen würden
  • Meide Kontakt mit Frauen, bei der Frauen besondere Angst vor einer Vergewaltigung haben könnten
  • versuche Frauen das Gefühl zu geben, dass dein Zustand „Kein Vergewaltiger“ ist
  • vermeide Anzeichen dafür, dass dein Zustand „Vergewaltiger“ ist.
  • ignoriere die Ängste der Frau einfach und vergewaltige sie nicht, es ist ihre Sache, wie sie mit ihren Ängsten umgeht.

Aus der Darstellung, dass ein Mann für eine Frau „Schrödingers Vergewaltiger“ ist, ergibt sich die Handlung nicht zwingend. Hier zu braucht man weitere Betrachtungen, die den Handlungsrahmen einengen.

Eine solche Betrachtung stellt die dann meist hinzugezogene Privilegientheorie dar.

Danach sind Männer in Hinsicht auf Vergewaltigungen privilegiert. Sie müssen sich vor einer Vergewaltigung nicht fürchten, weil Männer nie vergewaltigt werden. Für Frauen stellt eine Vergewaltigung hingegen eine reale Gefahr dar.

Weil Männer das Privileg der Nichtvergewaltigung haben, müssen sie, so der weitere Schluß, dieses Privileg dadurch ausgleichen, dass sie besondere Rücksicht auf Frauen nehmen und sich zumindest bewußt machen, dass Frauen besondere Ängste vor einer Vergewaltigung haben.

Aus diesen besonderen Ängsten ergibt sich allerdings auch noch nicht zwingend wie man mit diesen umzugehen hat. Vielmehr stehen auch in diesem Fall die obigen Handlungsalternativen offen, zumal man argumentieren kann, dass die Gefahr einer Vergewaltigung für eine Frau ebenfalls sehr gering ist und ihre Ängste damit zu einem gewissen Teil irreal. Aus dem vorhandensein einer besonderen Angst der Frauen ergibt sich damit nicht zwangsläufig ein Handlungsbefehl.

Der entscheidene Argument ist dann meiner Meinung nach die „Rape Culture“. Danach besteht in der Gesellschaft eine besondere Kultur durch die Vergewaltigungen gefördert und verharmlost werden. Diese besteht aufgrund der patriarchalischen Kultur. Würde diese Vergewaltigungskultur nicht bestehen, dann müssten Frauen auch – wie in den glücksseligen Matriarchaten – keine Angst vor einer Vergewaltigung haben. Weil aber die patriarachische Kultur vorhanden ist die Vergewaltigungen fördert, hat die Frau – und zwar alle Frauen, die Frau an sich – Angst vor einer Vergewaltigung.

Auch dann stellt sich die Frage, warum es eine Verantwortung des einzelnen Mannes ist, dass eine solche Vergewaltigungskultur – diese einmal unterstellt – existiert. Warum muss er aufgrund dieser Vergewaltigungskultur sein Verhalten umstellen und der Frau eine besondere Schonung entgegenbringen?

Und die Antwort ist meiner Meinung nach eben eine Gruppenhaftung der Männer: Er muss ihr Schonung entgegenbringen, weil er Teil der Gruppe ist, die vergewaltigt und damit für diese Taten verantwortlich ist.Er muss davon ausgehen, dass sie der Teilgruppe Männer den Status Vergewaltiger zuweist und diesen auf ihn überträgt.

Es ist in jedem Fall interessant, den Ausgangsartikel zu „Schrödingers Rapist“ zu lesen, schon weil er eine Menge problematischer Ansätze enthält.

Da werden einmal die Vergewaltigungszahlen sehr hoch angegeben und die üblichen Verdrehungen vorgenommen:

Es wird zunächst die Zahl in den Raum gestellt, dass 1 von 6 Frauen schon Opfer eines sexuellen Angriffs war. Dann wird der sexuelle Angriff direkt zu einer Vergewaltigung: „Wenn jeder Vergewaltiger 10 Opfer hat, dann ist jeder 60ste Mann ein Vergewaltiger“.

Da ist die Angst der Frauen verständlich. Tatsächlich sind die Vergewaltigungraten allerdings wesentlich niedriger. Offizielle Zahlen gehen von 9-26 Vergewaltigungen auf 100.000 Einwohner pro Jahr aus. Also auch nicht 26 vergewaltigte Frauen, sondern 26 Vergewaltigungen, wenn ich es richtig verstehe. Lebt eine Frau in einer Mißbrauchsbeziehung und wird dort 5 Mal vergewaltigt, bevor sie sich trennt, dann sind die Zahl der vergewaltigten Frauen weiter. Natürlich muss mann hier eine Dunkelziffer berücksichtigen, aber auch dann kommt man nicht auf jede 6ste Frau. Es handelt sich um eine nicht begründete Phantasiezahl ohne Beleg.

Aus dieser Zahl folgert sie aber, dass jede Frau und jeder Mann in seinem Bekanntenkreis einen Vergewaltiger hat, der unbekannt ist und eine Frau damit nie sicher ist. Die Gefahrenlage, die so nicht besteht, soll also zum einen die besondere Gefahr des Mannes und zum anderen die besondere Rücksichtnahmepflicht des Mannes erklären.

Die Verfasserin nimmt zudem recht umfassende Handlungspflichten an:

Ihre Aufforderung an die Männer ist, von der folgenden Handlungsmaxime auszugehen:

„If I were dangerous, would this women be safe with me“

Sie fordert also, dass man selbst davon ausgeht, ein Vergewaltiger zu sein, und zu überdenken, ob ein Vergewaltiger die Frau in diesem Moment vergewaltigen könnte. Lautet die Antwort ja, dann sollte man sie nicht ansprechen (immerhin beschränkt sie es aufs ansprechen, wobei dies erstaunlich ist, denn wenn die Begründung besondere Angst ist, dann würde es ja auch bereits dort verängstigt sein, die Theorie wäre also, dass ein Ansprechen ihre Angst noch stark erhöht (weil Vergewaltiger eher ansprechen?)

Ihre weitere These ist, dass man Frauen wegen dieser Angst auch nur ansprechen sollte, wenn sie einem Signale senden. Das ist meiner Meinung nach auch etwas weitgehend.

Allerdings könnte hier Pickup wiederum hilfreich sein: Bei den indirekten Methoden würde man eine Frau zB mit einem Opinionopener ansprechen, sie also nach einer Meinung zu einem Thema befragen. Man würde zunächst kein direktes Interesse an ihr signalisieren und dies erst dann tun, wenn sie einem Indicators of Interest, also Anzeichen dafür, dass sie Interesse hat, schickt. Eigentlich also eine ziemlich feministische Anmache.

Oder wie Roissy es ausdrückt:

Given the above, it will surprise some of the readers that this blog holds little sympathy for Inept Elevator Nerd. Asking a woman out for coffee before you’ve won her interest is bad game. Asking her out in an elevator at 4AM when she has nowhere to escape is bad game. Doing all of it with the nervousness of a beta herb who hasn’t had any for years is ZERO GAME.

Direct game of the sort that elevator dude “ran” is best used in open spaces where the woman won’t feel cornered. It’s good pickup strategy to give a woman the feeling of being able to freely excuse herself if she finds your hard sell lacking. A woman is more likely to allow her intrigue to flower if the man who approaches her with directness knows that she values an easy out should she need it. It’s an implied understanding that only men who have experience bedding women will know, and women know this.

Indirect game is better for enclosed spaces like elevators where the first goal is to make the woman feel comfortable in your presence.  (…) A man who directly approaches a woman in a context that offers her an unmessy exit is, in the woman’s hindbrain, a confident man unafraid of potential rejection. This is a tacit demonstration of higher value that will immediately set the tone of the pickup in the man’s favor. In contrast, a man who directly approaches a woman in a context that affords her no quick, polite escape is, in the woman’s mind and likely in reality as well, a desperate beta who needs to corner a woman to win an audience with her. She will easily and seamlessly rationalize this awkward behavior on his part as the machinations of a rapist’s mind.

Der Unterschied zum obigen Konzept?

Pickup verlangt nicht ein bestimmtes Handeln, weil es das einzig zulässige ist, sondern stellt dar, was effektiv ist. Es verdammt uneffektives Handeln nicht als unmoralisch.