DEN Feminismus gibt es nicht, es sei denn…

Neuer Peter schrieb etwas zur Einheitlichkeit des Feminismus

“Feminismus = Gleichberechtigung, da hamm wir es wieder.”

Und wenn unisono alle feministischen Theoretiker, Journalisten, Frontfrauen, Gleichstellungsbeauftragte, Blogger, Genderprofessoren und Think Tanks der letzten beiden Jahrzehnte aktiv der Gleichberechtigung von Männern entgegengewirkt haben, dann war das halt kein wahrer Feminismus. Weil der eben für Gleichberechtigung ist. Außerdem darf und kann man den Feminismus nicht kritisieren, weil es _den_ Feminismus ja gar nicht gibt. Es sei denn, man will ihn für jene Fortschritte auf dem Gebiet der formalen Gleichberechtigung verantwortlich machen, die sich vollzogen, bevor es den Feminismus in seiner organisierten Form überhaupt gab. Deswegen darf man den Feminismus übrigens gleich doppelt nicht kritisieren, weil man dann ja automatisch die Gleichberechtigungserfolge zunichte macht, die der Feminismus errungen hat, bevor es ihn gab. Also, nicht gab. Denn _den_ Feminismus gibt es ja nicht. Außer, wenn man Fördergelder einwirbt.

Alles klar soweit?

In der Tat gibt es den Feminismus dann, wenn man sich positiv auf ihn berufen will, sehr häufig, bei Kritik aber nicht.

Dabei ist es durchaus richtig, dass es viele verschiedene Arten des Feminismus gibt,die Kritik muss jeweils passen. Allerdings ist ja der Genderfeminismus so vorherrschend, dass man ihn üblicherweise als DEN Feminismus meinen kann.

Wenn Geschlecht konstruiert ist, ist dann Frauenförderung nicht ein Widerspruch?

Ein vermeintlicher Widerspruch in der feministischen Theorie ist der Folgende:

  1. Der Feminismus sagt, dass Frauen sozial konstruiert sind und es gar kein Geschlecht gibt
  2. Er sagt gleichzeitig, dass Frauen mit Quoten etc gefördert werden sollen
  3. Wenn es aber keine Frauen gibt, warum sollte man diese dann durch Quoten fördern?

Das ist aus meiner Sicht ein Mißverständnis der feministischen Theorie:

Im Genderfeminismus werden soziale Regeln, die konstruiert sind, an körperlichen Merkmalen festgemacht, in diesem Fall an denen, die wir als “Frau” bezeichnen. Es könnte aber genau so gut Rothaarigkeit sein. Dann wären die Regeln für Rothaarige eine soziale Konstruktion, aber Rothaarige eben nicht. Und man würde dann fordern, dass zur Abschaffung der sozialen Regeln eben Rothaarige entgegen dieser Regeln voll an der Gesellschaft teilhaben können, weil Rothaarigkeit kein Kriterium für eine willkürliche Unterscheidung sein darf (ebensowenig wie die körperlichen Anzeichen, die man (willkürlich) unter “Frau” zusammenfasst).

Es sollen insofern nicht Frauen gefördert werden, sondern eine Neutralität geschaffen werden, in der alle Menschen unabhängig davon, welche körperlichen Besonderheiten sie haben (sei es Rothaarigkeit oder eben vergleichsweise biologisch unbedeutende Merkmale, wie eine Gebärmutter, Brüste, eine Vagina, einen vollkommen anderen Hormonhaushalt, einen anderen Chromosomensatz etc).

Natürlich wird das so strikt dann auch wieder nicht durchgezogen, denn tatsächlich sollen eben Frauen gefördert werden, weil sie auch im Feminismus recht deutlich als etwas eigenes, als Bestandteil einer Gruppe gesehen werden und sich wohl kein Mensch davon frei machen kann.

Wie man wirklich glauben kann, dass Geschlecht eine rein soziale Konstruktion ist und diese Einteilung nicht biologische Grundlagen hat ist mir ein Rätsel. Meiner Meinung nach gehört eine erstaunliche Realitätsverleugnung dazu, die cognitive Dissonanz muss enorm sein.

Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling: Tussikratie

in einem Interview in der Brigitte erläutern die Autorinnen des Buches „Tussikratie“ einige ihrer Thesen:

Sie schreiben in Ihrem Buch: „So einen guten Ruf wie heute hatten Frauen in Deutschland noch nie.“ Das ist doch eine gute Nachricht. Warum gönnen Sie das den Frauen nicht?

Theresa Bäuerlein: Es ist nicht so, dass wir es den Frauen nicht gönnen, wir sind ja selber welche. Wir kritisieren, dass Frauen heute entweder als Weltenretter dargestellt werden, oder als arme Opfer, die von den Männern unterdrückt werden. Das ist ein Widerspruch, der verwirrend ist und unangenehm. Die beiden Extreme verstellen den Blick dafür, wie die Welt wirklich ist.

Es ist aus meiner Sicht kein Widerspruch, denn die diesbezügliche Geschichte lautet ja „Gegenwärtig werden Frauen unterdrückt, soweit sie sich aus der Unterdrückung befreien, wird die Welt besser“. Dabei muss man je nach Feminismus unterscheiden: In einem Differenzfeminismus liegt das an der besseren Art der Frauen, die eben eher Leben schaffend und nicht zerstörend sind, im einem poststrukturalistischen Genderfeminismus kann man das natürlich nicht so klar benennen, da sind Frauen lediglich der beste Garant dafür, dass jemand nicht nach dem Schema einer hegemonialen Männlichkeit auftritt und insoweit für eine bessere Welt sorgt. Hier liegt häufig der eigentliche Widerspruch, da man dann eben nicht bei einer höheren Frauenbeteiligung eine Verbesserung erreichen würde, sondern auch bei mehr Männern mit einer nichthegemonialen Männlichkeit, die also nicht „Mackerhaft“ auftreten, wobei dazu dann natürlich wieder gehören würde, dass sie Frauen im gleichen Maße an die Spitze lassen würden etc.

Theresa Bäuerlein: Natürlich sind wir in einer Übergangszeit. Aber ich halte es nicht für selbstverständlich, dass diese Zeit zu einer gleichberechtigten Gesellschaft führt. Im Moment sieht es eher so aus, als ginge es darum, den Spieß umzudrehen. Nach dem Motto ‚Die Männer haben es versaut, jetzt müssen die Frauen es richten.‘

Wäre interessant, wie sie es im Buch darstellen, denn es gibt ja die Theorie im vorherrschenden Feminismus so nicht wieder (wenn auch den abstrakteren Gedanken, der da mitschwimmt) und bietet insofern auch ein Einfallstor für Kritik. Es ist eben weniger „Männer haben es versaut“ als vielmehr „bestimmte Aspekte von Männlichkeit führen zur Unterdrückung des sozial geschaffenen Konstrukts Frau, Personen unter diesem Label können sich dadurch nicht entfalten und haben Nachteile, während die Männer dadurch privilegiert sind, in einer Welt nach unseren Vorstellung ginge es dagegen alles gut und jeder hätte gleiche Chancen, wir müssen die Rollen durchbrechen, indem mehr Frauen nach oben kommen, die noch nicht diese schädliche männliche Rolle verinnerlicht haben“.

In der Sache geht es aber ja durchaus in die Richtung und der Gedanke einer Umkehr im Sinne eines „wir waren Jahrtausende unterdrückt und ihr beschwert euch, wenn euch bei der Angleichung ein paar Privilegien weggenommen werden, dass ist doch keine Diskriminierung“ verschleiert im Feminsmus diesen Gedanken eher schwach, weil ja tatsächlich natürlich Gruppennachteile zugewiesen werden sollen und die Gründe für andere Verteilungen nicht untersucht und einfach von einer Diskriminierung ausgegangen wird.

Friederike Knüpling: Wir glauben, dass die ganze Gleichstellungdebatte den Frauen nicht guttut. Sie beschert ihnen eben nicht eine ‚Hochzeit in der Weltgeschichte der Frauen‘, wie es oft beschrieben wird. Es überfordert viele Frauen, dass sie ständig als diejenigen, die die Männer endlich überrunden sollen, dargestellt werden. Es ist eine schwierige Welt, in der wir leben, und die Probleme, die wir haben, müssen Männer und Frauen gemeinsam lösen.

Das finde ich eine interessante Aussage, die denke ich durchaus etwas für sich hat: Natürlich schafft auch die Rolle der Frau, die es jetzt den Männern zeigen muss und auch Karriere machen muss, einigen Druck, gerade wenn man eigentlich vielleicht auch etwas kürzer treten möchte und Kinder bekommen und dann „etwas von den Kindern haben“ möchte. Denn damit sind alle Wege irgendwie belastet: Der Karriereweg macht sie zur Rabenmutter oder Kinderlos, der Mutterweg erfüllt die Erwartungen nicht, dass sie auch Karriere macht und der Mittelweg bedeutet, dass sie in beiden Richtungen Kompromisse macht. Letztendlich ist das Baby eben kein Feminist. Und hier kann dann eben der Gedanke, dass man bestimmte Probleme einer Familie eben gemeinsam löst und dies auch mit Kompromissen – häufig bei ihm bei der Zeit, die er mit den Kindern verbringt und bei ihr mit der Zeit, die sie an ihrer Karriere arbeitet verbunden ist. Wenn es als kooperatives Spiel um die Organisation einer Familie dargestellt wird ist es eben etwas anderes als wenn man sich selbst nur als ein Spielstein in einem Kampf der Gruppe Frau um Macht mit der Gruppe Mann in einem Nullsummenspiel sieht.

Theresa Bäuerlein: Die ‚Tussi‘ ist für uns keine bestimmte Person, sondern eine innere Haltung, die heute viele haben, Frauen wie Männer. Sie legen an jedes Thema die Perspektive der Frauenbenachteiligung an. Auch dann, wenn eigentlich andere Fragen wichtiger wären.

Friederike Knüpling: Auf diese Weise werden Geschlechterrollen eher zementiert als aufgelöst. Theresa und ich haben festgestellt, dass wir uns in den letzten Jahren durch die vielen Beiträge zur Frauenfrage plötzlich viel stärker ‚als Frauen‘ wahrgenommen haben als früher. Oft behindert uns das aber. Es kann einem die Energie nehmen, die in individuellen Zielen steckt. Stattdessen sieht man sich als eine von denen, die unweigerlich Opfer von Diskriminierung sind, selbst wenn sie das selbst vielleicht gar nicht spüren.

Das ist ein sehr zentraler Kritikpunkt, den ich auch schon häufiger gemacht habe: Nirgendwo ist die Frau mehr Opfer im Feminismus, nirgendwo ist ihre Lage düsterer („ Für ganz viele Frauen ist es extrem schlimm einfach schon auf die Straße zu gehen), nirgendwo lauert mehr Übel auf sie und nirgendwo ist jeder evtl Nachteil so eng mit dem Geschlecht verbunden. 

Wenn eine Frau nicht Karriere macht, sich für das falsche Studium entscheidet, lieber Mutter sein will oder einen Mann küsst, dann liegt das eben nicht an ihrer freien Entscheidung, sondern an den sexistischen Strukturen dieser Gesellschaft, einer strukturellen Diskriminierung, einer fest eingezogenen undurchlässigen Decke und dem Patriarchat. Dieser Feminismus bedient sich insoweit auch stark der „Female Hypoagency“ also der weiblichen Unterverantwortung und ist gerne ein Unmündigkeitsfeminismus.

Theresa Bäuerlein: Ja, aber es ist schon so, dass nur bestimmte Meinungen erlaubt sind. Wir nennen das auch ‚Diskurspolizei‘. Wer es wagt, ein anderes Bild von einer Frau zu zeichnen, von einer, die vielleicht keine Führungsposition oder keinen Job in einer Männerbranche will, wird abgestraft. Uns stört auch der Gruppenzwang. Wenn eine Frau keine Kinder möchte oder sich nicht automatisch auf die Seite der Mütter schlägt, wird sie angegriffen. Als würden alle Frauen das Gleiche wollen oder denken. Eine offene Diskussion sieht anders aus.

Die Diskurspolizei ist etwas sehr zutreffendes, im Diskurs darf eben falschen Positionen kein Raum gegeben werden. Es gibt auch gerade, weil es um eine Identitätspolitik des größtmöglichen Opfers und der Anerkennung und des Schutzes dieses Opfers geht kaum ein richtig, aber sehr viel falsch. Es ist insoweit ein „Nicht-Gut-Genug-Aktivismus„.

Sie sagen „Männer können heute nur alles falsch machen.“ Tun Ihnen die Männer leid?

Das an sich ist schon einmal eine interessante Frage. Man stelle sich vor, wie sie im sonstigen Netz-Gender-Feminismus beantwortet werden würde. Leidtun? Wenn sie alle Privilegien dieser Erde haben? Mimimi!!

Friederike Knüpling: Ich denke, dass Männer genauso von Rollenbildern eingeschränkt werden wie Frauen. Männer haben es zum Beispiel scheinbar viel schwerer, im Beruf auf Teilzeit zu gehen und sich mehr um die Familie zu kümmern. Es kommt mir oft so vor, als hätten Frauen insgesamt mehr Möglichkeiten zu wählen, auch in dem, was sie erleben wollen, was sie fühlen und artikulieren dürfen. Das zeigt sich schon in der Mode. Frauen können sich viel mehr ausdrücken, heute einen Anzug tragen und morgen ein Blumenkleid. Die Mode für Männer ist viel einseitiger.

Das ist ja durchaus ein positives Statement, dass aus meiner Sicht noch nicht einmal so umstritten sein sollte. Es wird im Netz-Gender-Feminismus vielleicht auch durchaus geteilt, nur eben mit dem Zusatz „daran sind aber die Männer selbst schuld, weil die einschränkenden Rollen ja alleine durch die hegemoniale Männlichkeit/das Patriarchat definiert werden. In unserer feministischen Welt würde das auch alles wegfallen und jeder kann tragen was er will (es sei denn was mackerhaftes! Das geht nicht!).

Theresa Bäuerlein: Mir tun die Männer leid, weil sie bislang keine echte Männerbewegung hatten. Und offenbar glauben, das bräuchten sie nicht. Es gibt zwar ein paar Gruppen, die sich zu Wort melden, aber das ist ein wütender Protest, der nicht viel bewirkt. Es geht selten darum, was Männer wirklich wollen. Das fängt bei den Kindern an: Den Mädchen wird beigebracht, dass sie alles einfordern sollen, was sie möchten. Und den Jungen bringen wir bei, sich zurückzunehmen. Wir schlagen ihnen vor, Berufe wie Erzieher oder Altenpfleger zu wählen, von denen Mädchen jetzt auch gern mal abgeraten wird. Und trotzdem wird am Ende der Hausmann, der mit selbstgebackenem Kuchen in der Kita erscheint, belächelt. Wir alle müssen unser Männerbild hinterfragen und über echte Wahlmöglichkeiten sprechen.

Auch das ein sehr interessantes Statement. Würde mich interessieren, ob die beiden Autorinnen sich die „maskulistische Blogszene“ angesehen haben, so gesehen haben sie ja durchaus recht, wir schreiben hier zwar so einiges, aber die erreichte Öffentlichkeit ist dabei noch relativ gering im Vergleich zum Feminismus.

Auch eine aus dem gängigen Netzfeminismus so wohl nicht zu hörende Position: Mädchen wird beigebracht, etwas einzufordern, Jungen sich zurückzunehmen. das ist mit der gängigen Vorstellung, dass Frauen zur Passivität erzogen werden und daraus alle späteren Karrierenachteile herrühren nicht in Einklang zu bringen.

Und dann wird auch noch angeführt, dass bei den Männern zwar eine Abweichung vom Rollenbild gefordert wird, dass Ergebnis aber eben gerade für Frauen nicht attraktiv, sondern eher lächerlich ist. Also ein gewisser Bezug dazu, dass auch das weibliche Partnerwahlverhalten die Geschlechterrollen stützt und bewirkt.

Ein erfreulicher frischer  Wind.

Und es geht ähnlich weiter:

Nun, dabei könnte helfen, den Frauen die gleichen Gehälter wie den Männern zu zahlen. Sie kritisieren aber den Umgang mit dem ‚Gender Pay Gap‘ im Buch.

Theresa Bäuerlein: Das ist einer der Punkte, wo Frauen sich unglaubwürdig machen, weil sie die Fakten verzerren. Es wird so getan, als würden alle Frauen grundsätzlich 22 Prozent weniger verdienen als Männer, was einfach nicht richtig ist.

Friederike Knüpling: Die 22 Prozent kommen durch viele verschiedene Faktoren zustande. Die müssen wir uns genau anschauen, aber wir können nicht so tun, als sei die Frau grundsätzlich das arme Opfer und Diskriminierung der alleinige Grund. Diese Einstellung verstellt den Frauen den Weg.

Das ist eine Form der feministischen  Betrachtung, wie ich sie mir durchaus wünsche. Nämlich mit Blick auf die Fakten und dem Mut, auch alte feministische Mythen anzusprechen und sie als nachteilhaft zu benennen. Denn gerade eine falsche Darstellung des Gender Pay Gap schreckt eben doch wohl eher Frauen ab und die Faktoren sind keineswegs so einfach einer Diskriminierung zuzuordnen, sondern eben teilweise auch einfach anderen Lebensentscheidungen mit anderen Schwerpunkten.

Hiergegen wird der Netz-Gender-Feminismus eben anführen, dass ja diese Lebensentscheidungen und Schwerpunkte auch nur eine Folge der Geschlechterrollen sind, die diskriminierend zu Lasten von Frauen wirken. Wären diese nicht vorhanden, dann würde es genau so wenig Unterschiede in der Wahl von Frauen und Männern geben, wie zwischen blonden und braunhaarigen Menschen, denn auch das Geschlecht ist ja nur eine Konstruktion, bei der an bestimmten körperlichen Merkmalen gesellschaftliche Rollen festgemacht werden.

Das das Thema Geschlecht nicht so einfach ist und die Biologie hier erheblich hineinspielt wird insofern nicht wahrgenommen, dass Frauen eine bewußte, ihnen durchaus vorteilhaft erscheinende Lösung wählen, die ihren Vorlieben entspricht, auch nicht.

Theresa Bäuerlein: Am Ende haben Frauen noch ein schlechtes Gewissen, weil sie sich einen dieser ‚weichen Jobs‘ ausgesucht haben, für die man so schlecht bezahlt wird. Ich selbst habe manchmal das Gefühl, dass es cooler und politisch korrekter gewesen wäre, Physik zu studieren statt Journalistik. Viele Frauen glauben, sie müssten für die Sache der Frau Karriere machen und stellen eigene Wünsche zurück. Das bringt uns doch nicht voran.

In der Tat vergrößert so gesehen jede Studentin, die Gender Studies statt Physik studiert, den Gender Pay Gap. Dennoch scheint man dort nicht nach dieser Ansicht im 2. Semester auf Physik zu wechseln und so aus den zugewiesenen Rollen auszubrechen.

Aber ist es nicht schon wieder ‚typisch Frau‘, dass wir uns gegenseitig anzweifeln? Dass Sie also diejenigen, die Frauen fördern wollen, kritisieren statt sie zu unterstützen?

Friedrike Knüpling: Nein, wir wollen auf gar keinen Fall sagen: Frauen, lasst jetzt mal die armen Männer in Ruhe. Wir wollen Frauen nur bewusst machen, dass sie sich selbst beschränken, wenn sie sich als Repräsentantin des gesamten Geschlechts betrachten.

Theresa Bäuerlein: Frauen sollten sich schon bewusst sein, dass es noch Probleme gibt, aber trotzdem nicht ständig mit einem Opfergefühl durch die Welt laufen. Wir müssen unterscheiden können, ob wir schlecht behandelt werden, weil wir eine Frau sind – oder ob es um mich als Person geht. Es kann ja auch mal sein, dass ich einen Job nicht gut mache oder mich die Kollegen nicht mögen.

„Wir müssen unterscheiden können, ob wir schlecht behandelt werden, weil wir eine Frau sind – oder ob es um mich als Person geht“. Also nicht bei jeder kleinen Sache sofort auf die patriarchischen Strukturen verweisen und alle anderen dafür verantwortlich machen? Die eigene Unmündigkeit aufgeben und das eigene Verhalten hinterfragen? Also in gewisser Weise Opferblaming machen? („habe ich mich dem Patriarchat nicht gut genug angedient,  verdammt nein, noch radikaler, habe ich vielleicht was falsch gemacht?“)

Ich halte den zitierten Satz für sehr wichtig in der Geschlechterdebatte. Nicht alles passiert, weil man unterdrückt wird. Und wer überall Unterdrückung sehen will, der wird sie auch sehen, dass bedeutet aber nicht, dass sie unbedingt dort ist.

Was für eine Debatte wünschen Sie sich?

Friedrike Knüpling: Ich wünsche mir, dass wir mehr über Ungleichheit generell reden, unabhängig vom Geschlecht. Nicht jeder Mann ist Chef und nicht jeder Mann verdient gut. Chancengleichheit hat auch etwas mit sozialer Herkunft, Branchenzugehörigkeit oder Alter zu tun. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die soziale Mobilität ’nach oben‘ zu gering ist, um diejenige aufzuwiegen, die ’nach unten‘ geht. Oben gibt es die gläserne Decke – aber keineswegs nur für Frauen, und auch nicht für alle von ihnen. Unten wiederum hat man dünnes Eis, während die Mieten munter steigen … Die Sorge, dass nur ja viele Frauen schick Karriere in diesem System machen mögen, ist mir zu kurz gedacht, denn an der Weise, wie gearbeitet und das Geld verteilt wird, ändert sich durch ein paar Karrieren nicht viel. Darüber sollten wir sprechen, das bringt die Gesellschaft wirklich weiter.

Auch ein schöner Hinweis auf die im Feminismus weit verbreitete Apex Fallacy, also den Gipfel-Trugschluss und die Theorie dort, dass Privilegien nach Gruppen, also zB Mann und Frau verteilt werden. Zwar nur mit dem Hinweis auf weitere Kategorien verbunden und insoweit in gewisser Weise auf einen Intersektionalismus, so dass auch hier viele Feministinnen sagen werden, dass es doch genau das ist, was sie eh längst vertreten, aber immerhin.

 

Wirken sich verschiedene Gesprächsstile von Männern und Frauen auch in der Geschlechterdebatte aus

Neuer Peter schreibt:

Wenn man sich mit jemandem über politische Standpunkte unterhalten will, dieser sich aber beharrlich weigert, seine Position klar zu machen, dann führt das zu Frustration und Ärger auf beiden Seiten. Weil man zwangsläufig irgendwann dahin kommt, dem Gegenüber eine Position zu unterstellen, um überhaupt über irgendetwas zu reden. Weil die stete Nachfrage nach einer Positionierung vom Gegenüber irgendwann als Provokation aufgefasst wird und als unredliche Gesprächstaktik.

Die “gemäßigten Feministen” und die “gemäßigten Maskulisten” reden seit Jahren aneinander vorbei.

  • Die Feministen reden über Alltagserfahrungen und sind frustriert, wenn die Maskulisten auf dieser Grundlage stets eine Grundsatzdiskussion führen wollen und eine Positionierung zur feministischen Theorie verlangen. Aus ihrer Sicht muss das wie eine Verharmlosung dieser Erfahrungen, wie ein eristrisches Derailing wirken.
  • Die Maskulisten reden über theoretische Grundlagen, über politische Strukturen und über biologische Dispositionen. Und sind frustriert, weil sie es mit einem Gegenüber zu tun haben, der sich schlicht weigert, sich zu irgendeinem wie auch immer gearteten Standpunkt zu bekennen. Aus ihrer Sicht kommt ihnen das Gespräch vor wie ein unredliches Katz-und-Maus-Spiel, ein immerwährendes Spiel des moving target.

Wie gesagt: Wir reden aneinander vorbei. Das bringt nichts, es erzeugt nur Ärger und lässt die schlechtesten Seiten aller Beteiligten zum Vorschein kommen. Wir sollten es einfach lassen.

Von feministischer Seite wird bei den gemäßigten Maskus zu ihren Gesprächsthemen nicht viel zu holen sein, außer “Ich finde es blöd, wenn Frauen schlechte Erfahrungen machen. Ich will aber nicht über Einzelsituationen reden, sondern über Strukturen.”

Umgekehrt wird von maskulistischer Seite von den gemäßigten Feministen nicht viel zu holen sein außer “Ich finde es blöd, wenn Männer diskriminiert werden. Ich will aber nicht über abstrakte Strukturen reden, sondern über Alltagserfahrungen”.

Das wird die Essenz jeglicher zukünftiger Diskussionen zum Thema sein. Es ist für keine der beiden Seiten besonders spannend.

Wie immer geht es natürlich nur um Unterschiede im Schnitt, allerdings treten genau diese Unterschiede schon häufig in Diskussionen zu Tage. Es ist vielleicht einfach nur der verschiedene Standpunkt, denn es wird hier ja von einigen weiblichen Lesern eine normative Wertung verlangt, es werden selten Studien gesucht oder ins Spiel gebracht, es werden eigene Erlebnisse in die Waagschale geworfen und der Hinweis, dass solche Einzelerlebnisse eben nichts darüber aussagen, wie es sich im Schnitt verhält, als stark problematisch angesehen.

Neuer Peter schrieb in einem Kommentar weiter:

Ja, daher kommt wohl auch die stete feministische Forderungen, immer sofort eine normative Positionen einzunehmen, wenn man eigentlich nur ein Phänomen beschreiben will. Wenn wir beispielsweise über Rollenzwänge vergangener Zeiten reden, wird sofort gefragt, ob ich dazu eine ablehnende oder zustimmende Haltung einnehme.

Mich nervt das extrem. Es kommt mir zum einen wie eine Ablenkung vor und zum anderen als Vorbereitung für den Versuch, meinen Standpunkt moralisch zu diskreditieren. Für viele Feministen, so scheint mir, ist alles, was ich auf der deskriptiv-analytischen Ebene aussage, aber nur Vorgeplänkel. Erst die normative Positionierung dringt zum Kern der Sache vor.

So muss sich wohl auch eine Feministin fühlen, wenn von ihr ständig eine abstrakte Einordnung einer Alltagserfahrung verlangt wird.

Ich antwortete dazu:

Mich auch. Es erscheint mir so unlogisch, so auf sich bezogen, so wenig bereit, mal über die eigene Position hinaus zu schauen und die deskriptiv-analytischen Ebene zu betrachten.

Ich kann dann auch keinen Fortschritt in der Diskussion sehen. Sie bleibt bei persönlichen Anekdoten und der moralischen Wertung stehen. Wie aber will man damit wirklich das eigentlich Problem herausarbeiten?

Vielleicht ist das aber auch der Grund, warum so gerne gefordert wird, dass man bei einer Diskussion nachgibt und die Position des anderen als auch irgendwie ganz okay bezeichnet. Damit hat man dann auf der wertenden Ebene einen gewissen Frieden geschlossen.

In der Sache hat man aber meinem Gefühl nach gar nichts erreicht.

Aber so unterscheiden sich wohl die Ansichten

In der Tat finde ich es schwer, diese Position nachzuvollziehen. Ich kann natürlich verstehen, wenn jemand Wert darauf legt, dass man ihm bestimmte Sachen glaubt und das man versteht, wenn er sich durch bestimmte Positionen angegriffen fühlt. Ich kann aber nicht verstehen, wenn derjenige dann nicht seinerseits die Abstraktheit aufbringen kann, dass in der Tat Einzelfälle abweichen können und eine normative Wertung eben ein theoretische Konzept oder ein Modell der dortigen Situation etwas anderes ist als eine normative Wertung dieser Vorgänge und mit dieser nicht in Verbindung stehen muss.

Natürlich kann es eine verschiedene Schwerpunktsetzung sein: Wer um diskutieren zu können eine gewisse moralische Verbundenheit mit dem anderen braucht (oder eben Hass, jedenfalls aber ein Gefühl der Zustimmung oder Ablehnung), der wird nicht verstehen, wie man diese Verbundenheit einer zu genauen Aufschlüsselung und einer zu abstrakten gefühlskalten Betrachtung ohne normative Relativierung opfern kann. Es fehlt dann vielleicht auf dieser Basis die Gesprächsgrundlage („Personenbezogener Gesprächsstil“)

Der andere Schwerpunkt wäre dann die theoretische und abstrakte Aufschlüsselung, die nicht durch normative Wertungen beeinträchtigt werden darf. Die erbetenen gruppenbezogenen Rücksichtnahmen gehen dann schlicht zu Lasten des Inhalts. Diese Einstellung ist mir sehr viel näher, weil ich persönlich gerade dann, wenn ein Diskussionspartner mir eine besonders schwer zu knackende Nuss hinsetzt, mir eine Struktur darstellt, die nicht mit meiner Theorie in Einklang zu bringen ist, und bei der ich ermitteln muss, welche Argumente gegen sie sprechen oder inwiefern ich meine eigene Theorie modifizieren muss, um den dortigen Gedanken gerecht zu werden, wesentlich mehr Spass macht, als jede Beteuerung der Verbundenheit. Ich mag einen „guten Gegner“ und er muss meine Meinung nicht mögen, die von ihm aufgezeigte Struktur muss nicht moralisch sein, sie wird aber dadurch besser, dass sie intelligent ist und auf einer Sachebene bleibt. Auch bei einem „dummen Argument“ kann einem dessen Widerlegung aber noch einmal die Struktur der eigenen Argumente vor Augen führen und man kann etwas daraus lernen. Aus „Verurteile das gefälligst, weil es mir nicht gefällt“ kann ich aber kaum etwas ziehen.

 

Selbermach Samstag LXXXII

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade? Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs oder auf den Blogs anderer? Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

„Ihr Part des Deals? Sie ist eine Frau und schläft mit ihm“

Bei Maximilian Pütz findet sich sozusagen ein offener Brief an die Frauen, in dem ich eine Passage besonders interessant fand

Fast jeder Mann teilt bereitwillig sein angehäuftes Vermögen freigiebig mit einer Frau. Er hat kein Problem damit, sie zu versorgen oder ihr teure Geschenke zu machen, was die emanzipierte Frau von heute auch immer noch gerne annimmt.
Jemand aus meinem engsten Bekanntenkreis ist sehr erfolgreicher Unternehmer, er zahlt für seine Freundin im Monat 3000 Euro für ihr Auto, ihre Pferde, Essen etcetera.

Nach einem 12stündigen Arbeitstag kommt er nach Hause und kocht noch für beide, weil sie nicht kochen kann oder will, und er bezahlt zusätzlich noch eine Putzfrau.

Ihr Part des Deals? Sie ist eine Frau und schläft mit ihm.

Das von ihm dort aufgeführte ist natürlich ein ziemlicher Sonderfall. Aber es gibt ihn auch in weitaus geringeren Umfang und es wird aus meiner Sicht häufig als viel zu selbstverständlich hingenommen, dass Männer ihr Einkommen meist vollumfänglich mit ihren Ehefrauen teilen und auch in den Beziehungen häufig schon gemeinsame Kasse gemacht wird.

Wer seiner Frau ein Haushaltsgeld zuweist, bei dem wird wahrscheinlich bereits die Beziehung in Frage gestellt und er wird nicht selten als geizig angesehen werden. Mitunter scheint es ansonsten wirklich genug zu sein, dass die Frau mit dem jeweiligen Mann zusammen ist.

Natürlich werden auch die meisten Frauen einer Arbeit nachgehen, wenn keine Kinder vorhanden sind und wenn Kinder vorhanden sind, dann werden sie häufig mit diesen zu tun haben und mit fortschreitendem Alter der Kinder ihre Arbeit wieder aufstocken.

Es gibt aber eben noch die Schilderungen, bei denen es heißt „er verdient genug, sie muss nicht arbeiten gehen“. Oder auch solche, wo er studiert hat, sie eine Ausbildung in einem nicht so gut bezahlten Bereich hatte, sagen wir Arzt und Krankenschwester und es dann eben nicht mehr ihre Sache ist in einem solchen Bereich zu arbeiten und sie nicht wieder in ihren Beruf einsteigt.

Es gibt also zumindest eine gewisse Oberschicht, in der Frauen teilweise vollkommen von der Berufstätigkeit freigestellt werden, teilweise auch nachdem die Kinder aus dem gröbsten raus sind nicht wieder anfangen zu arbeiten und ab dort weitgehend freigestellt werden. (Sagen wir eine Frau bekommt mit 30 ihr erstes Kind, mit 32 ihr zweites, dann sind die Kinder mit 20 zum Studium aus dem dem Haus und sie ist 52, bis zur Rente sind es dann aber noch zumindest 13 Jahre).

Das ist noch nicht einmal etwas, was unbedingt auf „weiblicher Ausbeutung“ beruhen muss: Viele Männer wollen das ebenfalls so, sehen vielleicht die nicht arbeitende Frau als ein gewisses Statusobjekt oder würden es auch blöd finden, wenn sie entweder in einem nicht zum Status der Familie passenden Niedrigeren Lohnbereich oder gar im Schichtdienst als zB  Krankenschwester arbeitet, wenn man „das Geld nicht braucht“.

Aber dennoch ist es eine teilweise erstaunliche Freistellung.

Wie häufig ist Intersexualität?

Ein interessanter Artikel behandelt die Häufigkeit von Intersexualität, also Personen, die weder Mann noch Frau sind.

Anne Fausto-Sterling’s suggestion that the prevalence of intersex might be as high as 1.7% has attracted wide attention in both the
scholarly press and the popular media. Many reviewers are not aware that this figure includes conditions which most clinicians do not
recognize as intersex, such as Klinefelter syndrome, Turner syndrome, and late-onset adrenal hyperplasia. If the term intersex is to
retain any meaning, the term should be restricted to those conditions in which chromosomal sex is inconsistent with phenotypic sex, or
in which the phenotype is not classifiable as either male or female. Applying this more precise definition, the true prevalence of
intersex is seen to be about 0.018%, almost 100 times lower than Fausto-Sterling’s estimate of 1.7%.

 Quelle: How common is intersex? A response to Anne Fausto-Sterling

 

Der wesentliche Punkt dort ist, dass Fausto-Sperling viele Personen hineinrechnet, die recht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden, also eine sehr ungewöhnliche Definition von Intersexualität verwendet und nur deswegen auf höhere Zahlen kommt:

Fausto-Sterling’s argument that human sexuality is a continuum, not a dichotomy, rests in large measure on her claim that intersex births are a fairly common phenomenon. Specifically, Fausto-Sterling computes the incidence of intersexual births to be 1.7 per 100  live births, or 1.7%. To arrive at that figure, she defines as intersex any „individual who deviates from the Platonic ideal of physical  dimorphism at the chromosomal, genital, gonadal, or hormonal levels“ (Blackless et al., 2000, p. 161).

This definition is too broad. Fausto-Sterling and her associates acknowledge that some of the individuals thus categorized as intersex „are undiagnosed because they present no symptoms“ (Blackless et al., 2000, p. 152). A definition of intersex which encompasses individuals who are phenotypically indistinguishable from normal is likely to confuse both clinicians and patients. John Wiener, a urologist, has suggested defining intersex simply as „a discordance between phenotypic sex and chromosomal sex“

(Wiener, 1999), While this definition would cover most true intersex patients, there are some rare conditions which are clearly intersex  which are not captured by this definition. For example, some people are mosaics: Different cells in their body have different chromosomes. A 46,XY/46,XX mosaic is an individual in whom some cells have the male chromosomal complement (XY) and some cells have the female chromosomal complement (XX). If such an individual has both a penis and a vagina, then there is no mismatch  between phenotypic sex and genotypic sex: Both the phenotype and the genotype are intersexual. Yet according to Wiener’s definition,  such an individual would not be intersex.

A more comprehensive, yet still clinically useful definition of intersex would include those  conditions in which (a) the phenotype is not classifiable as either male or female, or (b) chromosomal sex is inconsistent with phenotypic sex.

Danach sind also die Zahlen deutlich niedriger.

The available data support the conclusion that human sexuality is a dichotomy, not a continuum. More than 99.98% of humans are
either male or female. If the term intersex is to retain any clinical meaning, the use of this term should be restricted to those conditions
in which chromosomal sex is inconsistent with phenotypic sex, or in which the phenotype is not classifiable as either male or female.
The birth of an intersex child, far from being „a fairly common phenomenon,“ is actually a rare event, occurring in fewer than 2 out of
every 10,000 births.

Danach kommen also auf 10.000 Geburten 1,7 intersexuelle. In einer Stadt von 100.000 Einwohner demnach etwa 17, bei 500.000 etwa 85 und in einer 5 Millionen Stadt etwa 850, unfd auf die etwa 82.000.000 Menschen in Deutschland etwa 13.940 Transexuelle. Bei den restlichen 81.986.060 Menschen ist eine Geschlechtszuweisung hingegen möglich, auch wenn davon sicherlich nicht alle sich in ihrem jeweiligen Geschlecht oder den dazu bestehenden Geschlechterollen wohl fühlen

Wenn eine Zuordnung in 99,98% zutrifft erstaunt es nicht, dass diese auch weitgehend verwendet wird und man sie auf Passe druckt oder jemanden als Mann oder Frau anspricht. Natürlich kann man dann daneben für diese ca. 14.000 auch Vorschriften schaffen, die ihre besondere Situation berücksichtigen und natürlich haben auch kleine Minderheiten ein Recht, nicht diskriminiert zu werden und in ihren Besonderheiten beachtet zu werden.

Allerdings werden Regelungen, die nur für 0,017% relevant sind, den übrigen 99,98% aber das Leben erschweren, wie überstrukturierte Sprachregelungen zum Thema Geschlecht eben in der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe stoßen.

 

Die Angst als unmännlich wahrgenommen zu werden

Der nachdenkliche Mann hat bei Onyx einen interessanten Kommentar geschrieben, in dem es um die Angst davor geht, als unmännlich wahrgenommen zu werden:

Mir scheint, du stellst dir die Männerwelt wie ein Minenfeld vor, in dem man wahnsinnig auf jeden Schritt achten muss, um nicht auf eine “UNMÄNNLICH!!!”-Mine zu treten. Nun, so ist es nicht.
Für uns Männer ist von klein auf klar, dass wir mit unseren Problemen selber klarkommen müssen. Woher das kommt, weiß ich nicht. Jedenfalls ist das nichts, was sich Männer immer wieder gegenseitig versichern würden, indem sie sich über einzelne lustig machen, die gegen dieses Prinzip verstoßen. Nein, das geht viel weiter zurück. Auf jeden Fall in die allerersten Lebensjahre, also entweder wird das direkt von den Eltern vermittelt oder es ist sogar angeboren. Warum das so ist, spielt aber hier keine Rolle.
Über dieses Prinzip sind sich alle Männer im Klaren. Daher wird über intime Probleme unter (jungen) Männern weniger gesprochen. Nicht, weil sich andere Männer dann über einen lustig machen würden, sondern weil es ein ungeschriebenes Gesetz gibt, dass Mann damit selbst klarkommen muss. Aber auch in meiner Jugend habe ich schon mit männlichen Freunden natürlich über meine spezifisch männlichen Probleme gesprochen.
Ich hatte nie, ich wiederhole: NIE, das Problem, dass andere Jungs/Männer sich über mich lustig gemacht hätten, mich z.B. als unmännlich bezeichnet hätten. Selbst die dominant auftretenden Lautsprecher waren mir gegenüber immer neutral bis wohlwollend. Ich würde es so formulieren: Es gibt eine unausgesprochene Solidarität zwischen Männern. Wer sich über mich lustig gemacht hat, mit der Konnotation ‘unmännlich’, waren ausnahmslos Frauen. Diese Erfahrung kennt jeder (heterosexuelle) Mann. Auch darauf beruht diese Solidarität zwischen Männern: Wir sind irgendwie Leidensgenossen. Und wenn man sich besser kennenlernt, dann muntert man sich auf, macht sich gegenseitig Mut. Und dann schafft man es auch, dieses Schweigen mal zu beenden, und Probleme anzusprechen. Die werden dann aber nicht lang und breit diskutiert. Was sollte das bringen? Da sind wir eher pragmatisch, lösungsorientiert. Verständnis suchen wir da nicht. Das dient dann eher dazu, sich nochmal der Solidarität zu versichern und aus dem Gespräch die Energie und die Lösungen mitzunehmen, um das Problem dann anzupacken.

Die Angst, als unmännlich bezeichnet zu werden, ist ein Phantom. Das scheint für dich ein riesiges Ding zu sein. Aber meiner Erfahrung nach gibt es das nicht, zumindest nicht so, wie du es hier darstellst. Die Angst ist nicht, von anderen Männern als unmännlich angesehen zu werden. Männer untereinander bestärken sich eher. Die Angst ist, von Frauen als unmännlich wahrgenommen zu werden. Diese Angst kennt jeder heterosexuelle Mann. Sich dieser Angst zu stellen, das ist die wahre Meisterleistung im Leben eines jugendlichen Mannes. Wer sich dieser Angst stellt, wird von anderen Männern respektiert, teilweise bewundert. Aber wenn man sich ihr nicht stellt, wird man auch nicht fertiggemacht – zumindest nicht von Männern! Von Frauen hingegen durchaus.
Das soll jetzt aber nicht aussehen, als würde ich mich darüber beklagen. Das ist halt so. Und das ist auch in Ordnung so. Das Leben besteht eben aus Herausforderungen, die die Möglichkeit des Scheiterns in sich tragen. Sonst wäre es auch langweilig.
Mit anderen Worten: Was die erste Menstruation für die junge Frau, ist die erste Kontaktaufnahme zu einem Mädchen für den jungen (heterosexuellen) Mann (für homosexuelle analog, schätze ich).

Abgesehen davon ist mir aufgefallen, dass du zwar jedem Mann sein Recht zusprechen willst, seine Probleme zu äußern, ohne als unmännlich vorgeführt zu werden. Nun haben hier viele Männer geäußert, dass sie ein Problem damit haben, wie Männlichkeit hier von dir dargestellt wird, haben also eigentlich genau von diesem Recht Gebrauch gemacht. Aber diese Konsequenzen zu akzeptieren, scheint dir schwer zu fallen. Eigentlich wollen wir also dasselbe – reden aber phänomenal aneinander vorbei.

Das sind aus meiner Sicht viele interessante Aspekte angesprochen. Ich glaube auch, dass Männer ein höheres Maß an Vertrautheit brauchen, um über bestimmte intime Probleme zu reden. Gerade so etwas wie sexuelles in einer Partnerschaft wird unter Männern eigentlich kaum thematisiert, bei Frauen wenn man den Erzählungen glauben darf, hingegen schon eher.

Insofern würde intrasexuelle Konkurrenz bei Freunden und Bekannten bewusst zurück gefahren, indem nicht über zu heikle Themen geredet wird, gerade wenn diese keine Lösung ermöglichen und zu viele Angriffspunkte bieten. Eher redet man eben über Sachthemen, Fußball, Politik etc. Gerade bei emotionalen Themen wird man davon ausgehen, dass er diese eher mit sich selbst ausmacht und ihm reden insofern wenig bringt.

Frauen hingegen müssen dieses Anti-Konkurrenzverfahren gegenüber Männern nicht fahren. Sie bleiben insofern auch die Schiedsrichter und ihre Wertung kann nicht ausgeblendet werden.

Frauen wiederum haben ihrerseits andere Routinen, die intrasexuelle Konkurrenz herunterfahren: Das Betonen von Gleichheit und vielleicht auch eher das Verletztlichmachen durch den Austausch von intimen Details.

Interessant würde ich insoweit noch finden, ob beide Geschlechter insbesondere bei Themen vorsichtig sind, die besonders starken Einfluss auf den Partnerwert haben. Bei Männer wäre das eben die intrasexuelle Konkurrenz und der Status und bei Frauen ein Thema wie körperliche Schönheit.

Wie Heterosexualität genutzt wird, um die Sexualität der Frauen zu unterdrücken und das Patriarchat zu erhalten

In der gestrigen Diskussion zu Homosexualität und dessen Verhältnis zum Feminismus schrieb Adrian, dass sich an der Schwulenverfogung und -diskriminierung  sehr schön die These des Patriarchats ad absurdum führen ließe.

Das erinnerte mich daran, dass ich die These, wie Heterosexualität im Feminismus in die Unterdrückung der Frau hineinspielt, eh noch einmal näher untersuchen wollte.

1. Judith Butler

Dazu hatte ich schon einmal Butler zitiert:

Doch was bestimmt den manifesten und latenten Text der Körperpolitik? Wie haben bereits das Inzesttabu und das vorgangige Tabu gegen die Homosexualität als generativen Momente der Geschlechteridentität betrachtet, d.h. als Verbote, die die Identität gemäß den kulturell intelligiblen Rastern einer idealisierten Zwangsheterosexualität hervorbringen. Diese Disziplinarproduktion der Geschlechteridentität bewirkt eine falsche Stabilisierung der Geschlechteridentität im Interesse der heterosexuellen Konstruktion und Regulierung der Sexualität innerhalb des Gebietes der Fortpflanzung. Die Konstruktion der Kohärenz verschleiert jede Diskontinuitäten der Geschlechteridentität, wie sie umgekehrt in den hetero-, bisexuellen, schwulen und lesbischen Zusammenhängen wuchern, in denen die Geschlechtsidentität nicht zwangsläufig aus dem Geschlecht folgt und das Begehren oder die Sexualität im allgemeinen nicht aus der Geschlechtsidentität zu folgen scheinen; d.h. in denen keine dieser Dimensionen der signifikanten Leiblichkeit die anderen ausdrückt oder widerspiegelt.

Danach entstehen nach Butler also bestimmte Regeln für bestimmte Körper, in dem diese über die „Zwangsheterosexualität“ (also die Heterosexualität als einzige gesellschaftlich zugelassene Form der Sexualität) in einen Fortpflanzungszusammenhang gebracht werden: Die Frau gehört zum Mann, weil nur diese sich fortpflanzen können. Daraus folgen dann auch die weiteren Regeln, eben beispielsweise, dass es Aufgabe der Frau ist die Kinder zu gebären und groß zu ziehen etc.

Dies mag für einen Poststrukturalisten und Sozialkonstruktivisten ein überzeugendes Konzept sein, aus biologischer Sicht erscheint es aber geradezu grotesk. Das Heterosexualität der häufigste Fall der Sexualität ist, ist angesichts einer Selektion auf Fortpflanzung wenig verwunderlich. Das heißt wiederum nicht, dass es daneben nicht andere Formen der Sexualität geben kann. Auch die Vorstellung, dass man gesellschaftliche Regeln schaffen muss, damit Leute in der Mehrheit eher heterosexuellen Verkehr haben ist eher eine Betrachtung vom falschen Ende her: Weil wir auf heterosexuellen Verkehr selektiert sind, haben wir entsprechende gesellschaftliche Regeln, die auf diesen Fall ausgerichtet sind. Dessen ungeachtet kann es natürlich eine besondere soziale Hervorhebung heterosexueller Praktiken geben, die Homosexualität einschränkt.

2. Homosexualität und das Patriarchat

Einen anderen interessanten Text zur Homosexualität und dem Patriarchat, der ungefähr auch in diese Richtung geht, habe ich hier gefunden:

Heterosexism is part of the system of patriarchy. In a heterosexist society, it is assumed that the natural order of things is for men and women to be together in romantic, sexual and marital relationships. Anything other than male-female relationships is considered unnatural and immoral. This maintains patriarchy by keeping men and women in their prescribed gender roles. Homosexuality and same-sex relationships disrupt the hierarchy of the genders by breaking down traditional gender roles. In a same-sex relationship, there is not the patriarchal element of a man having authority over and possession of a woman. This is not to say, of course, that every heterosexual relationship follows a typical gender role pattern or that every homosexual relationship does not. It is simply to say that the mere concept of same-sex relationships threatens the basis of patriarchy because the gender roles necessary for the dominance of men to continue are disrupted. If we become more open to different types of relationships, we will see more possibilities for men, women, and genderqueer people than the heterosexist model which we have been taught. This is a threat to patriarchy, and so those who step outside the gender and sexual orientation norm are deemed unnatural and immoral. Heterosexism forces us to believe that it is only natural and normal to be heterosexual, which in turn forces the belief that male dominance is only natural and normal.

Weil also sowohl Geschlechterrollen typischen Regeln folgen und als natürlich angesehen werden und auch die Heterosexualität als natürlich angesehen wird, ist Homosexualität ein Aufbrechen der Regeln und damit ein Problem, denn jeder Regelbruch erzeugt einen weiteren. Mit dieser strikten Zuordnung wiederum nicht zu konkurrieren scheint die Darstellung von Gangbangs, Dreiern, lesbischen Aktivitäten, Scheidungen, umfangreiche Regelungen im Familienrecht, die Frauen am männlichen Erfolg beteiligen und insoweit eigentlich die Hierarchie beeinträchtigen oder Flirtregeln, die im wesentlichen auf die weibliche Auswahl abstellen und die Frau insoweit in den Mittelpunkt stellen.

3. Adrienne Rich

Die Feministin Adrienne Rich baut die These, dass Heterosexualität ein wesentlicher Stützpfeiler männlicher Macht ist, noch weiter aus:

Rich argues that heterosexuality is a violent political institution making way for the „male right of physical, economical, and emotional access“ to women. She urges women to direct their energies towards other women rather than men, and portrays lesbianism as an extension of feminism. Rich challenges the notion of women’s dependence on men as social and economic supports, as well as for adult sexuality and psychological completion. She calls for what she describes as a greater understanding of lesbian experience, and believes that once such an understanding is obtained, these boundaries will be widened and women will be able to experience the „erotic“ in female terms.

In order to gain this physical, economical, and emotional access for women, Rich lays out a framework developed by Kathleen Gough (both a social anthropologist and feminist) that lists “eight characteristics of male power in archaic and contemporary societies”. Along with the framework given, Rich sets to define the term lesbianism by giving two separate definitions for the term. Lesbian existence, she suggests, is “both the fact of the historical presence of lesbians and our continuing creation of the meaning of that existence. The other, lesbian continuum, refers to the overall “range – through each woman’s life and throughout history – of woman-identified experiences, not simply the fact that a woman has had or consciously desired genital sexual experience with another woman”. Below are the characteristics in which male power has demonstrated the suppression of female sexuality.

  1. To deny women their own sexuality: destruction of sexuality displayed throughout history in sacred documents.
  2. Forcing male sexuality upon women: rape, incest, torture, a constant message that men are better, and superior in society to women.
  3. Exploiting their labor to control production: women have no control over choice of children, abortion, birth control and furthermore, no access to knowledge of such things.
  4.  Control over their children: lesbian mothers seen as unfit for motherhood, malpractice in society and the courts to further benefit the man.
  5. Confinement: women unable to choose their own wardrobe (feminine dress seen as the only way), full economic dependence on the man, limited life in general.
  6. Male transactions: women given away by fathers as gifts or hostesses by the husband for their own benefit, pimping women out.
  7. Cramp women’s creativeness: male seen as more assimilated in society (they can participate more, culturally more important).
  8. Men withholding attainment of knowledge: “Great Silence” (never speaking about lesbian existence in history), discrimination against women professionals.

All of the characteristics show how the denial of sexuality for women is a means to control and suppress any transition, creativeness, and economic advancement of women. All of the above are forces that inhibit men to further ignore women as historically, culturally, and currently important. The characteristics show that society has forgotten that it is necessary (in order to function) to include women in both public and private spheres. Furthermore, the ignorance of a female’s choice in sexuality has caused her position in society to be thought of as less, and more importantly, secondary to that of a man. A recurring point that Rich points out is the destruction of lesbian experiences in history (misplacement of documents, or destroying them in general) has led to a society in which having a lesbian experience, or being a lesbian all together is seen as ‘the other’ and unacceptable to most men and women.

Also eine Form des Polit-Lesbentums in dem in der Verbindung mit Frauen die Befreiung aus der Unterdrückung durch den Mann liegt. Die einzelnen Punkte scheinen mir heute im wesentlichen überholt:

a. To deny women their own sexuality: destruction of sexuality displayed throughout history in sacred documents.

Also der Versuch lesbische Frauen zu verstecken, obwohl es sie anscheinend nach dieser Auffassung in der Geschichte in vielfacher Weise gegeben hat. Dafür macht ja andererseits die heutige Kultur einiges wieder gut: Lesbischer Sex ist im Internet jederzeit verfügbar, genug Frauen kokettieren damit/probieren es aus, indem sie eine Freundin küssen. Hier könnte man anmerken, dass das eben eine Umdeutung lesbischer Aktivitäten als Anregung für Männer ist, aber immerhin wird lesbischer Sex wesentlich häufiger und problemloser dargestellt als schwuler Sex.

b. Forcing male sexuality upon women: rape, incest, torture, a constant message that men are better, and superior in society to women.

Da ist es ja mal recht konkret benannt: Die komplette Gewalt, sowohl in Bezug auf allgemeine Gewalt als auch sexuelle Gewalt, ist nicht etwa Gewalt von einzelnen Männern gegen Frauen, sondern dient dazu, die Gruppe der Frauen auf ihren Platz zu verweisen und ihnen deutlich zu machen, dass die Gruppe der Männer ihnen überlegen ist. Jede Gewalt gegen Frauen dient dazu, dass man die Frauen auf ihren Platz verweist, an der Seite der Männer, und sie so davon abhält lesbischen Fantasien und Vorlieben nachzugehen.

c. Exploiting their labor to control production: women have no control over choice of children, abortion, birth control and furthermore, no access to knowledge of such things.

Auch alles keine Punkte, die heute noch zutreffen. Frauen können abtreiben, verhüten, bestimmen, wann sie Kinder bekommen, sie haben problemlosen Zugang zu dem dazu notwendigen Wissen
d. Control over their children: lesbian mothers seen as unfit for motherhood, malpractice in society and the courts to further benefit the man.

Männliche Kontrolle über die Kinder und Gerichte, die dabei die Väter bevorzugen: Vergangenheit. Im Gegenteil, Frauen haben die Kontrolle über die Kinder und üblicherweise werden diese von Gerichten den Frauen zugesprochen. Wenn eine lebsische Frau bereits ein Kind hat und es innerhalb der Ehe betreut hat, dann wird es auch trotzdem ohne weiteres zur Mutter gehen.

e. Confinement: women unable to choose their own wardrobe (feminine dress seen as the only way), full economic dependence on the man, limited life in general.

Heute können sich Frauen so männlich anziehen, wie sie wollen, sie können sich über Erwerbsarbeit selbst versorgen und müssen sich auch ansonsten nicht anstrengen. Selbst wenn sie sich in die Abhängigkeit eines Mannes begeben sind sie über die Ehe nachhaltig abgesichert.

f. Male transactions: women given away by fathers as gifts or hostesses by the husband for their own benefit, pimping women out.

Die Tochter als Verfügungsmasse des Vaters oder gar des Ehemannes ist heute nicht mehr vorstellbar. Es mag zwar Zuhälter geben, aber das betrifft nur eine geringe Zahl der Frauen (tatsächlich habe ich mal gelesen, dass die Anzahl bisexueller unter den Prostituierten eher höher ist, was durch höheres Testosteron und damit ein anderes Verhältnis zu Sexualität durchaus zu erklären wäre, ich habe aber keinen Link dazu).

g. Cramp women’s creativeness: male seen as more assimilated in society (they can participate more, culturally more important)

Der Einfluss von Frauen auf die Gesellschaft ist meiner Meinung nach lediglich in bestimmten Bereichen geringer, ich sehe auch nicht, dass sie ansonsten innerhalb der Gesellschaft ausgeblendet und insoweit in ihrer Kreativität beeinträchtigt sind. Gerade in vielen sozialen Kreisen sind Frauen wesentlicher Bestandteil der Kultur und nehmen ebenso an dieser Teil. Hier scheint eine gewisse Apex-Fallacy zu bestehen.

h. Men withholding attainment of knowledge: “Great Silence” (never speaking about lesbian existence in history), discrimination against women professionals.

Dazu hatte ich eigentlich das Wesentliche auch bereits oben gesagt. Ich vermute hier wird Rich allerdings auch wesentlich mehr lesbische Geschichte sehen als die anerkannte Geschichte hergibt und das das weniger an der Unterdrückung dieser Geschichte liegt, sondern eher an deren Aufbauschung durch Frau Rich. Denn der Anteil lesbischer Frauen ist meines Wissens innerhalb der Gesellschaften auf der Erde einigermaßen konstant, so dass es wenig verwunderlich ist, wenn lesbische Frauen ansonsten wenig auffallen, weil sie eben nur in geringerer Zahl existierten.

Im ganzen würde ich sagen, dass man entweder davon ausgehen kann, dass Adrienne Richs Thesen falsch sind oder zugestehen muss, dass diese Bedingungen heute nicht mehr zutreffen und damit eigentlich eine wesentliche Änderung eingetreten sein müsste und insoweit die Folgerungen aus ihren Thesen für die heutige Gesellschaft nicht mehr aktuell sind

Hier übrigens die insoweit unkritische Darstellung von Rich bei der Mädchenmannschaft:

„Wenige Jahre später erschien ihr bekanntes Gedicht­band “Diving Into The Wreck”, welches bis heute als Meister­werk der feministischen Literatur gilt. Von 1976 bis zu ihrem Tod lebte sie in einer Partnerinnen­schaft mit der jamaikanischen Autorin Michelle Cliff. Ihr Essay “Zwangs­heterosexualität und lesbische Existenz” (1980) sowie ihre Liebesgedichte an Frauen, z.B. die “Twenty-One Love Poems” (1977), machten sie zu einer Identifikations­figur in der lesbischen Bewegung. In den Jahr­zehnten bis zu ihrem Tod unterrichte Rich an renommierten US-amerikanischen Universitäten und war weiter­hin politisch aktiv.“

 

4. Weitere Zitate zur Unterdrückung der Frau durch Heterosexualität

Hier habe ich noch einige weitere Zitate aus dem Bereich gefunden:

„Heterosexual hegemony … is being simultaneously eroded and reconstructed. …The forms of sexuality considered natural have been socially created and can therefore be socially transformed.“ (219) „New social policies would focus on transforming social relations and would be based on empowering of lesbians, gay men, sex-trade workers, women and people of colour.“ (emphasis added, 229) „The Regulation of Desire: Sexuality in Canada“ by Gary Kinsman, Black Rose Books, 1987
„Heterosexuality like motherhood, needs to be recognized and studied as a political institution. . .the model for every other form of exploitation.“ Adrienne Rich, „Compulsory Heterosexuality and Lesbian Existence,“ Signs: Journal of Women in Culture and Society, 5 No.4 (1980) 637
„Heterosexuality is a die-hard custom through which male-supremacist institutions insure their own perpetuity and control over us. Women are kept, maintained and contained through terror, violence, and the spray of semen…[Lesbianism is] an ideological, political and philosophical means of liberation of all women from heterosexual tyranny… “ Cheryl Clarke, „Lesbianism, An Act of Resistance,“ in This Bridge Called My Back: Writing by Radical Women of Color, ed. Cherrie Moraga (Women of Color Press,1983), pp.128-137.
„The opposite of heterosexual desire is the eroticising of sameness, a sameness of power, equality and mutuality. It is homosexual desire.“ Sheila Jeffreys, Anticlimax: A Feminist Perspective on the Sexual Revolution (London: Women’s Press,1990) p.300

„Female heterosexuality is not a biological drive or an individual women’s erotic attraction or attachment to another human animal which happens to be male. Female heterosexuality is a set of social institutions and practices… Those definitions… are about the oppression and exploitation of women [by men].“ Marilyn Frye, Willful Virgin: Essays in Feminism, 1976-1992 ( Freedom: Crossing Press,1992) p.132

 

 

5. Homophobie und Anerkennung der Homosexualität als Lebensform

Allerdings scheinen die diesbezüglichen sozialen Regeln innerhalb der westlichen Welt, also gerade bei dem angeblich von den heterosexuellen weißen alten Männern geprägten Kulturen doch eine gewisse Durchlässigkeit und Toleranz zu kennen.

 

 

Homosexualität Deutschland Akzeptanz

Homosexualität Deutschland Akzeptanz

Danach liegt Deutschland sogar ziemlich an der Spitze der Akzeptanz von Homosexualität. Dazu von der gleichen Seite noch eine andere Grafik:

 

 

Deutschland Moral Sexualität Homosexualität

Deutschland Moral Sexualität Homosexualität

 

In Deutschland lehnen damit ungefähr die gleiche Zahl an Menschen vorehelichen Sex und Scheidungen ab, wie Homosexualität, was eben auch für einen starken religiösen Bezug spricht.

Wenn die feministische Theorie richtig ist, dann versagen gerade in den westlichen Staaten die patriarchalen Strukturen total und das Patriarchat ist nicht mehr haltbar, weil es sich nicht mehr auf die Ablehnung der Homosexualität stützten kann.