„CIS-Dude bis das Gegenteil bewiesen ist“

Auf dem Blog Zeugs findet sich ein interessanter Beitrag zu  „Trans*– und Genderqueer*-visibility, Ausgrenzung und Ignoranz“ in der queeren Szene:

Der* Autor Farthen beschwert sich letztendlich, dass man ihn aufgrund seines männlichen Erscheinungsbilds als Mann ansieht und auch wieder einer behandelt, obwohl er eigentlich „nonbinary und genderfluid“ ist, wohl Transsexuell (?):

“Dude” sagten sie. Nicht einmal, mehrmals. Immer wieder. “Als Dude hast du da nichts zu zu sagen”. “Da sind ja nur Cis-Typen drin”. Ohne Frage. Ohne Möglichkeit, der aufgedrückten Bezeichnung zu entkommen. Fakt. In eine Gruppe gepresst sein, der ich mich nicht zugehörig fühle.

Auch ein schönes Beispiel dafür, wie diese Bewegung letztendlich gerade was ihr eigenes Feindbild angeht, auch sehr normativ denkt. Sie schaffen es auch nicht, unvoreingenommen an andere Menschen heranzugehen, sondern halten sie dann einfach für „CIS-Typen“

Wie sie* eigentlich bezeichnet werden möchte:

Ich will nicht sagen, dass ich als männlich wahrgenommener Mensch keine Privilegien besitze. Nicht zu allem was sagen sollte. Aber dann benutzt doch bitte das, was ihr meint. “Privilegierter Mensch”. Und schon ist alles viel besser.

Eigentlich ja schön: Die gängigen Bezeichnungen zum Feindbildaufbau wie „Dude“ und „Macker“ sind selbst sexistisch. Wie es bei IDPOL nicht anders zu erwarten ist. Und wer sich nicht dem Vorwurf der Transfeindlichkeit ausgesetzt sehen will, der muss sie demnach wohl aufgeben.

Demnach hat auch Tofutastisch schon zugesichert, es sich zu Herzen zu nehmen:

https://twitter.com/Tofutastisch/status/448509142601572355

Bäumchen stimmt auch zu:

https://twitter.com/baum_glueck/status/448522942608322561

Farthen überlegt, was er* machen kann, um dem zu entkommen:

Ich frage mich schon seit langem, was ich noch alles tun muss, um nicht als männlich wahrgenommen zu werden. Wie viele Stereotype ich noch reproduzieren muss, damit ihr aufhört damit. Damit ihr was merkt. Aber es funktioniert nicht.

Da scheinen die sensiblen Antennen nicht zu funktionieren, anscheinend hat man in der Szene noch nicht hinreichend viel gemacht, um seine eigenen verinnerlichten Geschlechtervorstellungen zu bekämpfen und „liest immer noch männlich“, selbst wenn derjenige sich bemüht.  Auch dort arbeitet man eben mit „Normativiväten“ oder besser gesagt mit Wahrscheinlichkeiten und Erfahrungswerten. Deswegen beklagen sich auch sehr weibliche Lesben, dass sie nicht als „echte Lesben“ innerhalb der Szene wahrgenommen werden oder eben Farthen darüber, dass sie* als Dude gelesen wird.

Farthen wird deutlicher:

Ihr feiert Leute, die dem Genderbild entkommen wollen und von diesem abweichen. Aber ihr macht sie trotzdem kaputt. Ihr seid trotzdem unvorsichtig, unachtsam. Wenn ihr geschlechterspezifische Bezeichnungen benutzt, dann achtet doch bitte drauf, dass ihr damit auch nur die anspricht, die diese Bezeichnungen akzeptieren. Alles andere ist scheiße. Richtig scheiße. Und nichts-sagen ist keine Akzeptanz. Nie.

Und damit meine ich nicht, dass ihr die Leute anguckt, eure Sterotypenschablone drüber legt und guckt, ob es ein bisschen passt. Damit meine ich nicht, dass ihr in die Bio guckt und schaut, ob da irgendwas mit Trans* steht und wenn nicht, dann wird es sich da wohl um eine Cis-Person handeln. Ihr reproduziert damit einen gesellschaftlichen Standard, eine Norm. Cis until proven otherwise. Das ist Scheiße.

Da behandeln sie einen äußerlichen Mann einfach als Dudebro, obwohl er keiner ist. Würde mich interessieren, wie Farthen das selbst macht: Ob da immer sauber abgewartet wird, ob der andere die Bezeichnung überhaupt verdient? Ich wurde jedenfalls recht schnell geblockt, wahrscheinlich als Dudebro, der ich ja auch bin.

Was würde es denn bedeuten, wenn insoweit die Genderideologen ihre eigene Meinung erst nehmen? Es wäre jedenfalls nicht mehr so einfach von den Dudes und den Mackern zu sprechen. Sondern immer schön den Einzelfall prüfen, bis man überhaupt der/die/das verwendet. Sprache wird noch komplizierter werden.

Farthen führt es noch etwas weiter aus:

Menschen sind sich manchmal nicht sicher in dem, was sie sind oder sein wollen. Manche Menschen sagen nichts, weil sie Angst haben, dass es falsch rüberkommt. Weil sie Angst haben, nicht akzeptiert zu werden. Nur, weil ich nicht mit einem Schild rumlaufe, auf dem “Genderqueer” draufsteht heißt das nicht, dass ich automatisch das bin, was der gesellschaftliche Standard vorschreibt. Nein. Ich bin das, was ich sein möchte. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn mir jemand sagt, wie ich zu sein habe oder es implizit annimmt, dann tut das weh. Das verletzt mich. Dann sitze ich auf dem Bett und weine. Lange. Weil niemand versteht. Weil niemand interveniert. Weil es niemanden interessiert.

Also muss man nicht nur abwarten, wie derjenige sich präsentiert, sondern auch Rücksicht darauf nehmen, dass er das vielleicht nicht offenbaren will. Und damit quasi jeden so behandeln als wäre er vielleicht doch heimlich „genderqueer“ und kein blöder Macker. Eigentlich ein hübscher Ansatz in der Arbeit gegen diese Ansichten. Einfach immer auf Farthens Text verlinken und sich eine neutrale Haltung ausbedingen. Man könnte ja evtl. kein Macker sein. Sondern nur wie einer Auftreten, um akzeptiert zu werden.

Ich wünschte mir, ihr hättet das akzeptiert, bevor ich es euch ins Gesicht brüllen musste und nicht ständig die Norm reproduziert, die in euren Köpfen rumfliegt. Achtet bitte mal darauf, was ihr da tut. Ihr macht Menschen kaputt.

Irgendwie tragischkomisch. Sie* möchte gerne dazugehören, weil er* anders ist, wird aber in ihre* Andersheit von der Gruppe, die genau dies anprangert in dieser nicht erkannt, weil man dort nach dem äußeren geht und binär denkt, was man gleichzeitig allen anderen vorwirft.

Das andere dann mit dem gleichen Recht bereits jede andere Bezeichnung, auch Macker oder Dude per se ablehnen können, weil sie sich nicht als solche sehen würde wahrscheinlich weniger gut ankommen.

Das ein Großteil der Theorie überhaupt erst darauf aufbaut, dass alle Handelnden CIS-Bro-Dudes sind (WHMs) wird auch nicht thematisiert.