Gerade gehen die Ergebnisse der Pisa-Studie zur Lösung von Alltagsproblemen durch die Medien. Hier haben weltweit die Jungs im Spitzenbereich etwas besser abgeschnitten als die Mädchen.
Aus den Besprechungen im Spiegel:
Unter den leistungsstärksten 15-jährigen Deutschen sind deutlich mehr Jungen (60 Prozent) als Mädchen (40 Prozent). In fast allen teilnehmenden Ländern erreichten mehr Jungen Spitzenleistungen als Mädchen, unter den schwächsten Schülern verteilen sich Jungen und Mädchen hingegen gleichermaßen. Insgesamt zeigen Jungen eine größere Bandbreite an Leistungen, von sehr guten bis sehr schlechten, während Mädchen tendenziell eher im Mittelfeld verharren. Das kennt Studienautor Avvisati schon von früheren Pisa-Studien zur Mathe- und Lesekompetenz.
Das ist eine bekannte Verteilung, Männer zeigen ein größeres Spektrum, es gibt mehr Idioten als Idiotinnen, aber dafür auch mehr Genies. Kommt dann noch ein Test in einer Eigenschaft dazu, in der ein Geschlecht besser ist, dann werden die Unterschiede im Spitzenbereich noch größer.
Im Spiegel heißt es weiter;
An der Pisa-Studie beteiligen sich alle drei Jahre weltweit Zehntausende 15-Jährige. Sie schreiben dabei auch Tests in Mathe und Naturwissenschaften, ihr Leseverständnis wird getestet. Diese Ergebnisse präsentierte die OECD bereits im vergangenen Dezember. Damals schnitten Jungen insgesamt besser in Mathe, Mädchen besser beim Leseverständnis ab. In den Naturwissenschaften machten die Forscher keinen klaren Vorteil für Jungen oder Mädchen aus.
Also besseres Leseverständnis bei den Mädchen, bessere Mathefähigkeiten bei den Jungs.
Warum erzielen Jungen in dieser Auswertung häufiger Spitzenleistungen? Vielleicht hängt die Problemlösekompetenz mit einem Grundverständnis für Mathe zusammen, wo die Jungen auch leicht vorn liegen. Womöglich hat den Jungen auch geholfen, dass sie die Aufgaben am Computer lösen mussten. Avvisati und seine Kollegen können derzeit nur vermuten. Dafür schauen sie auch auf jene Länder, in denen Mädchen insgesamt besser abgeschnitten haben als Jungen. Darunter sind beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate und Bulgarien. Das mag überraschen, liegt aber daran, dass hier insgesamt weniger 15-Jährige Spitzenleistungen erreicht haben. Die Mädchen im Mittelfeld ziehen den Schnitt nach oben.
Das ist ja auch eine interessante Feststellung: Hier scheinen die Spitzen nicht gefördert werden zu können, so dass diese sich nicht entsprechend entwickeln. Die schlechten bleiben schlecht, da es mehr schlechte Jungs gibt, holen die Mädchen auf.
Anders in Ländern wie Schweden, Norwegen und Finnland, Gesellschaften also, in denen Männer und Frauen schon relativ gleichgestellt leben: Hier landeten in der Spitzengruppe gleich viele Mädchen wie Jungen. Avvisati mutmaßt, dass die Lehrer hier gleich hohe Erwartungen an Jungen und Mädchen haben, dass die Lehrer Mädchen hier anders motivieren.
Das macht es natürlich interessant, dass sich trotz dieses Aufholens die meisten Frauen auch in diesen Ländern nicht für entsprechende Berufe interessieren, wie das ROSE-Projekt zeigt. Eher ist eine gegenteilige Wirkung feststellbar.
In der Zeit heißt es dazu:
Die erstaunliche Nachricht ist hingegen, dass die Jungs, die ja sonst als die Bildungsverlierer gelten, diesmal deutlich besser sind als die Mädchen. Am unteren Ende der Skala unterscheiden sich die Geschlechter nicht, aber in der Spitzengruppe. Sie setzt sich zu 60 Prozent aus Jungen und nur zu 40 Prozent aus Mädchen zusammen. In den meisten anderen getesteten Ländern ist es ganz ähnlich.
Woran liegt das? Interessanterweise korrelieren die Leistungen im Problemlösen eher mit denen in Mathematik, wo die Jungen auch leicht vorne liegen, und nicht mit den Leistungen im Lesen, wo die Mädchen wesentlich besser sind. Kann mathematisches Denken also auch helfen, sich im Alltag kniffligen Problemen zu nähern, Zweifel zuzulassen und kreativ nach Lösungen zu suchen?
Das wäre ja der bereits oben auch vermutete Zusammenhang.
Ein anderer interessanter Ansatz:
Auch interessant ist, dass Jungen und Mädchen im Problemlösen beim letzten vorherigen Test dieser Art (Pisa 2003) noch gleich gut abschnitten. Vergleichen lässt sich das nicht, denn damals waren die Aufgaben noch nicht interaktiv und mussten auch nicht am Computer gelöst werden. Immer aber, wenn Computer im Spiel sind, hilft das den Jungen. Auch bei Mathe- und Leseaufgaben schnitten sie dann besser ab, wenn sie sie am Bildschirm lösen mussten und nicht auf Papier.
Da heute auch Mädchen viel Zeit am Computer verbringen, kann das allein den Unterschied nicht erklären. Schon eher könnte ausschlaggebend sein, dass sie die Geräte anders nutzen. Es könnte sein, dass die geschmähten Computerspiele den Jungen einen messbaren Vorteil verschaffen.
Finde ich nicht so fernliegend, dass es hier durch Computerspiele zu einer Verbesserung kommen kann.
In einigen Ländern unterschieden sich die Geschlechter jedoch zusätzlich noch je nach Aufgabe. Handelte es sich um Fragen aus den Gruppen „Kontrollieren und Reflektieren“ oder „Planen und Ausführen“ – zur letzten Gruppe gehört zum Beispiel die Klimaananlagen-Aufgabe – schneiden Mädchen noch recht gut ab. Bei Aufgaben aus dem abstrakteren Topf „Darstellen und Gestalten“ schneiden sie aber umso schlechter ab. Hierzu gehört zum Beispiel die Roboterstaubsauger-Frage. Das deckt sich mit anderen Studienergebnissen, dass Mädchen schlechter räumlich denken können.
Also logisches Denken und Planen klappt bei beiden Geschlechtern gleicher, im räumlichen Denken schneiden Männer wie aus vielen Studien bekannt besser ab.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass dieser Unterschied „natürlich“ ist, also biologische Gründe hat. Denn dann dürfte es von diesem Muster keine Abweichungen geben. In Deutschland aber und vielen anderen europäischen Ländern waren Mädchen in allen Aufgabengruppen ähnlich gut beziehungsweise schlecht. Und in manchen Ländern, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bulgarien zum Beispiel, sind die Mädchen sogar insgesamt besser im Problemlösen. Es scheint also eher mit Sozialisation und den konkreten Bildungssystemen zu tun zu haben.
Da kann natürlich dennoch ein biologischer Unterschied reinspielen, was uns in das sehr umstrittene Gebiet der Biodiversität bringt. Schon aufgrund anderer pränataler und postnataler Hormonstände.