Was ist Unterdrückung, speziell in Bezug auf Mann und Frau?

Auf Geschlechterallerlei wurde in zwei Artikeln, nämlich „Die Mär von der Unterdrückung der Frauen in fernen Ländern und Zeiten“ und „Was ist eigentlich Unterdrückung?“ verschiedene Fragen rund um das Thema „wann kann man von Unterdrückung sprechen?“ diskutiert.

Im ersten Artikel ging es darum, dass häufig bestimmten Vorteilen eines Geschlechts auch bestimmte Nachteile gegenüberstanden, beispielsweise eben dem Wahlrecht die Pflicht zur Not für das Land zu kämpfen etc. Eine klare Unterdrückungslage, bei der man davon ausgehen konnte, dass einer alle Vorteile und der andere alle Nachteile hatte, läge demnach nicht vor.

Im zweiten Artikel ging es um eine Definiton der Unterdrückung. Dort heißt es:

 Für mich bedeutet Unterdrückung:

  1. eine rechtliche Schlechterstellung
  2. ohne einen rechtfertigenden Grund

NICHT zwingend erforderlich ist dagegen:

  1. dass der Unterdrückte persönlich unter der Unterdrückung leidet
  2. dass die Unterdrückung nicht durch andere Vorteile wieder ausgeglichen wird

Das ist aus meiner Sicht eine sehr weite Definition, die dem Charakter einer Unterdrückung nicht unbedingt gerecht wird.

Ich habe mich daher mal nach anderen Definitonen umgeschaut.

In der Wikipedia heißt es dazu:

Unterdrückung ist die einem Individuum, einer Gesellschaft oder Menschengruppe leidvoll zugefügte Erfahrung gezielter Willkür, Gewalt und des Machtmissbrauchs.

Der Ausdruck Unterdrückung bezeichnet vor allem das Niederhalten einer bestimmten sozialen Gruppe durch missbräuchlichen Einsatz gesellschaftlicher Organe, ihrer Autorität oder sozialer Maßnahmen. Mehr oder weniger offiziell in einer Gesellschaft institutionalisiert, vermag dies zur „systematischen Unterdrückung“ anzuwachsen. Unterdrückung entsteht durch die allgemeine, auch unbewusste, Annahme, eine bestimmte Menschengruppe sei minderwertig. Unterdrückung beschränkt sich selten allein auf regierungsamtliche Aktivitäten. Auch bestimmte Einzelpersonen können Opfer einer Unterdrückung werden und können in solchem Fall nicht auf die Solidarität einer Gruppe bauen.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und der Begriff der Menschenrechte wurden als Kritik der Unterdrückung geschaffen, indem die Macht klar beschränkt und ein Machtmissbrauch gegen Einzelpersonen oder eine Menschengruppe verhindert würde

Eine leidvoll zugefügte Erfahrung gezielter Willkür, Gewalt und des Machtmißbrauchs würde nicht mit der Definition im zweiten Artikel übereinstimmen, wonach der Unterdrückte darunter leiden muss. Zudem käme es auch nicht auf eine rechtliche Schlechterstellung an, diese kann auch schlicht tatsächlich gegeben sein. Sie muss aber auf gezielter Willkür und Zwang beruhen.

Beim Wahlrecht für Frauen scheint es aus heutiger Sicht recht einfach zu sein, dass  man eben von einer gewissen Minderwertigkeit der Frau ausging, die insofern von der politischen Entscheidungsfindung zu Unrecht ausgeschlossen waren. Einzelne oder auch je nach Zeit sehr viele Frauen mögen das nicht so erlebt haben, sie waren dann vielleicht auch nicht unterdrückt.

Beim Militärdienst würde ich eine ähnliche Betrachtung vornehmen: Jemand, der der Auffassung ist, dass er als Mann zB aufgrund körperlicher Gegebenheiten in den Krieg ziehen muss, Frauen aber nicht, der wird nicht als Mann unterdrückt.

Auf die Gruppe ist das natürlich etwas schwieriger umzulegen, da diese sich ja aus Einzelpersonen zusammensetzt. Hier muss man aus meiner Sicht auch darauf abstellen, inwieweit sich aus der Gruppe Widerstand gegen die Maßnahmen gebildet hat. Um so stärker der Widerstand bzw. das Erlebnis der Gruppe, dass sie zu Unrecht von bestimmten Positionen ausgeschlossen ist, um so eher ist es Unterdrückung.

Bei Sklaven wäre es in Abgrenzung so, dass ein Sklave, der quasi keiner mehr ist und sich auch nicht  mehr als solcher sieht nicht unterdrückt wird. Ebenso wenig jemand, der zB selbst Sklaven hatte, selbst grundsätzlich Sklaverei akzeptiert und dann aufgrund zB Schulden in die Sklaverei geht und dies in anderer Konstellation so ebenso mit anderen machen würde.

Aus meiner Sicht hat damit „Unterdrückung“ einen deutlichen subjektiven Anteil. Es erfordert ein gewisses Leiden an dem gegenwärtigen Zustand und den Wunsch, diesen zu ändern. Es ist eine gewisse Hierarchie erforderlich, die unberechtigt besteht und die der unten Stehende so nicht will.

Das bedeutet nicht, dass Umstände, die nicht unter den Begriff der Unterdrückung fallen, dann nicht zu kritisieren sind. Es sind dann aber aus meiner Sicht weniger Unterdrückungsverhältnisse als vielleicht – auch strukturell bzw. künstlich geschaffene – Abhängigkeitsverhältnisse oder anderweitige Machtverhältnisse, die auf fehlender Aufklärung beruhen, oder schlicht eine Benachteiligung der Begriff der Unterdrückung ist aber nicht der richtige.

Demnach kann aber auch eine Unterdrückung vorliegen, wenn einer Benachteiligung andere Rechte gegenüberstehen. Wenn beispielsweise das Wahlrecht vorenthalten wird, weil Frauen nicht im Militär kämpfen, dann liegt dann eine Unterdrückung vor, wenn Frauen das Wahlrecht wollen, es ihnen durch Machtstrukturen vorenthalten wird, und sie entweder bereit sind, einen Militärdienst zu leisten, Männer diesen auch nicht leisten (es also ein leerer Vorteil ist) oder die Verknüpfung von Wahlrecht mit dem Militärrecht unsachgemäß und seinerseits willkürlich erscheint.

Wichtig scheint mir auch die Klärung, wer Unterdrücker ist. Aus einer Unterdrückung ist nämlich nicht herzuleiten, dass die bevorzugte Gruppe per se unterdrückt. Ein Beispiel wäre es, dass es den meisten Frauen wohl schlicht nicht darauf ankam, dass Männer Wehrdienst machten, viele vielleicht ihrerseits durchaus für eine Abschaffung waren, sie hier also als Gruppe Männern kein gezieltes Leid zufügen wollten. In einer Demokratie ist es insoweit schwer bei einer Benachteiligung eine gezielte Unterdrückung einer Gruppe durch eine andere aufgrund gesetzlicher Regeln auszumachen. Denn es sind eben nicht mehr „die Römer, die ein Barbarenvolk versklaven“ oder „die Amerikaner, die Sklaven in Afrika einkaufen“. Es ist eine parlamentarische Demokratie in der Politiker um den Wählerwillen buhlen, aber für einzelne Entscheidungen keine explizite Zustimmung mehr einholen, sondern für einen gesamte Linie bzw. gewisse ideologische Ansichten. „Die Frauen“ machen nicht die Gesetze über den Unterhalt. Sie machen insoweit lediglich die sich daraus ergebenden Unterhaltsansprüche gegen bestimmte Männer geltend. Ebenso wenig treffen „die Männer“ die Personalentscheidungen für den Vorstand großer Daxunternehmen oder bezüglich der Studienwahl von „den Frauen“.

Dagegen könnte man natürlich einwenden, dass DER Römer auch nichts dafür konnte, dass gallische Sklaven auf den Markt kamen, aber da ist immerhin der abstrakte Staat, der nach außen handelt in die Verantwortung zu nehmen.

Insofern könnte auch bezüglich der Geschlechter der Staat eine Unterdrückung bewirken, aber ein Niederhalten würde ich hier auch nicht unbedingt sehen.

Vielleicht könnte man argumentieren, dass Männer häufig bezüglich der Betreuung von Kindern für minderwertig gehalten werden und Frauen bezüglich beruflicher Positionen. Aus dieser gefühlten Minderwertigkeit würde dann über die Macht des Staates ein Druck ausgeübt werden, der – sofern ein Leid vorhanden ist – einer Unterdrückung entspricht.

Häufig wird auch dort Unterdrückung gesehen, wo keine Willkür und keine Macht vorhanden den Zustand bedingt. Sondern die Unterschiede einfach aus den unterschiedlichen Dispositionen der Geschlechter folgen. Wenn Männer sich eher auf Karriere fokussieren, dann ist es verständlich, dass sie mehr verdienen. Wenn Frauen sich mehr auf Familie konzentrieren, dann ist es verständlich, dass sie häufiger die Kinder nach einer Trennung zu sich nehmen können. Dennoch kann in beiden Fällen eine Unterdrückung von Teilen der Gruppe vorliegen, wenn über diese Gegebenheiten hinaus eine absolute Zuweisung erfolgt, weil der anderen Seite generell mangelnde Fähigkeit unterstellt wird. Dies betrifft dann aber auch nur eingeschränkt die Gruppe, wer auch so zB damit einverstanden ist, dass seine Exfrau nach der Trennung die Kinder übernimmt und lieber ein Umgangsrecht in Anspruch nimmt, der ist in diesem Gebiet nicht unterdrückt.

Vielleicht kann man insofern die Höhe der Unterdrückung durch die Höhe des Leides bestimmen. Vieles aber, was bei den Geschlechtern geschieht, scheint beiden Seiten relativ egal zu sein: Es gehen eben recht wenige Männer gegen die Unterhaltsregelungen auf die Straße. Es scheint insofern für viele Leute schlicht der höhere Leidensdruck noch nicht vorhanden zu sein, der das Feststellen einer Unterdrückung rechtfertigt.