Selbermach Samstag LXXIX

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade? Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs oder auf den Blogs anderer? Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Männliche“ Wörter wie offensiv, durchsetzungsstark und analytisch schrecken Frauen ab

Im Spiegel findet sich ein Bericht über eine Studie, die insbesondere den Text einer Stellenanzeige betrifft und dabei gewisse Geschlechterunterschiede vorfindet:

Gesucht wird ein durchsetzungsstarker Kandidat, der Projekte selbständig und zielstrebig bearbeitet. Ein harmloser Satz, möchte man meinen, das übliche Stellenanzeigen-Blabla. Doch ein Unternehmen kann dieser Satz viele Bewerber kosten. Bewerberinnen, um genau zu sein.

Schon die Formulierung einer Ausschreibung entscheidet darüber, ob eine Frau oder ein Mann den Jobzuschlag bekommt – weil sich Frauen im Zweifel gar nicht erst bewerben. Sie fühlen sich von Begriffen wie „zielstrebig“ und „durchsetzungsstark“ weniger angesprochen, weil diese mit männlichen Stereotypen verbunden sind. Das haben Wissenschaftlerinnen der Technischen Universität München herausgefunden.

Es geht also darum, dass bestimmte Anforderungen Frauen eher dazu bringen, davon auszugehen, dass die Stelle nichts für sie sind. Zum weiteren Versuchsaufbau:

Sie zeigten rund 260 Studenten eine fiktive, aber realistische Anzeige, in der ein Förderprogramm für angehende Führungskräfte ausgeschrieben wurde. Die eine Hälfte der Probanden bekam eine Version der Anzeige gezeigt, in der viele Adjektive standen, die vermeintlich männliche Eigenschaften widerspiegeln, zum Beispiel durchsetzungsstark, selbständig, offensiv und analytisch. In der anderen Version wurden Bewerber gesucht, die engagiert, verantwortungsvoll, gewissenhaft und kontaktfreudig sind. Bei der Frage, welche Adjektive männlich und welche weiblich besetzt sind, orientierten sich die Forscherinnen an früheren Studien.

Das Ergebnis bestätigte die Vermutung der Wissenschaftlerinnen: Von der Version mit den männlich besetzten Formulierungen fühlten sich die weiblichen Probanden weniger angesprochen und wollten sich seltener auf das Stipendium bewerben. Für männliche Testpersonen machte der Ausschreibungstext keinen Unterschied.

Meiner Meinung nach springen sie da sehr schnell zu einer bestimmten Kausalkette, nämlich, dass die Anzeige als „männlich“ angesehen wird und insoweit Frauen sich nicht damit identifizieren können, weil sie ja weiblich ist.

Eine andere Kausalkette halte ich für wesentlich wahrscheinlicher:

  • Die potentiellen Bewerberinnnen haben eine zutreffende Einschätzung davon, was ihnen liegt und was nicht. Sie stellen eher als Männer fest, dass sie keine Arbeit wollen, in der man durchsetzungsstark, selbständig, offensiv und analytisch sein muss. Also beschließen sie, dass die Stelle nicht ihr Ding ist und bewerben sich nicht
  • Der Grund, dass dies bei Frauen häufiger geschieht als bei Männern liegt daran, dass Männer im Schnitt tatsächlich lieber in Berufen arbeiten, in denen sie durchsetzungsfähig, selbständig, offensiv und analytisch sein müssen.
  • Die früheren Studien haben ermittelt, dass durchsetzungsfähig, selbständig, offensiv und analytisch deswegen eher männlich besetzt sind, weil sie tatsächlich bei Männern häufiger anzutreffen sind

Hier bietet sich ein Vergleich mit den „Big Five“ an:

Cross-cultural research from 26 nations (N = 23,031 subjects) and again in 55 nations (N = 17,637 subjects) has shown a universal pattern of sex differences on responses to the Big Five Inventory. Women consistently report higher Neuroticism and Agreeableness, and men often report higher Extraversion and Conscientiousness. Sex differences in personality traits are larger in prosperous, healthy, and egalitarian cultures in which women have more opportunities that are equal to those of men; both men and women tend to grow more extraverted and conscientious and less neurotic and agreeable as cultures grow more prosperous and egalitarian, but the effect is stronger for men.

Frauen sind hiernach also im Schnitt gefühlsbetonter und verträglicher, Männer eher extrovertiert und wollen eher aufsteigen.

Wer eher Zustimmung möchte, der ist weniger offensiv, wer extrovertierter ist, der wir auch eher bereit sein, selbständig und durchsetzungsfähig sowie offensiv zu sein.

Zudem erhöht Testosteron die Risikobereitschaft:

Die Verbindung von Testosteron und riskantem Verhalten ist schon seit langem bekannt. (…) [Es zeigt sich], dass der Testosteronspiegel sowohl mit finanzieller Risikobereitschaft als auch mit der Berufswahl korreliert. Personen mit mäßig hohem Hormonspiegel gehen finanzielle Entscheidungen weniger vorsichtig an und sind in großen Zahlen im Finanzwesen tätig. (…) Bei Personen, deren Testosteronspiegel oberhalb eines bestimmten Wertes lag, war die Wahrscheinlichkeit, dass sie die ungewisse Lotterie dem sicheren Gewinn vorzogen, genauso groß wie der umgekehrte Fall. Aber unterhalb dieses Grenzwertes ließ sich eine starke Verbindung zwischen finanzieller Risikobereitschaft und Testosteron feststellen – sowohl bei der Lotterie als auch in der Berufswahl der Probanden. Besonders bei Frauen zeichnete sich bei der Lotterie ein klarer Trend ab. Ein niedrigerer Hormonspiegel – hierbei handelte es sich meistens um Frauen – ging einher mit größerer finanzieller Vorsicht.

Da Selbstständigkeit, Offensivität und Durchsetzungsvermögen eben auch ein Risiko darstellen (man kann eben gegen denjenigen, gegen den man sich durchsetzen muss, verlieren), dürften auch hier weitere Zusammenhänge bestehen.

Es erinnert mich an eine Studie, die ich bei Cordelia Fine gefunden hatte. Dort hatte man allerdings männlich besetzte Eigenschaften, die negativer und fordernder waren als die weiblichen, angesetzt.

Im Spiegel hieß es dazu:

Aber was hilft es, die Adjektive in einer Stellenanzeige zu tauschen, wenn später doch Leute gebraucht werden, die eben genau das sind: offensiv und durchsetzungsstark? Peus hat keine Zweifel daran, dass auch Frauen diese Eigenschaften besitzen – sie glauben es nur selbst nicht.

Frauen trauen sich selbst und anderen Frauen die Rolle als Chef weniger zu als Männer. Zu diesem Ergebnis kamen die Münchner Forscherinnen in einer zweiten Studie in Zusammenarbeit mit der New York University. Die 600 Befragten hielten Frauen und Männer für grundsätzlich gleich kompetent, produktiv und effizient. Trotzdem stuften sie die Führungskompetenz der Männer höher ein.

Ich habe die Studie nicht gefunden. Hier im Artikel ist die Darstellung aber sehr einfach: Sie hat keinen Zweifel daran. Ich hoffe sie stellt das in der Studie selbst auf etwas solidere Füße. Ergänzend sie erwähnt, dass diese Eigenschaften ja nicht absolut sind: Es ist die Frage, in welchem Maße man sie besitzt und wie gerne man in einem Job, der dieses Anfordernis stellt, arbeiten möchte. Die Einschätzung anderer ist dabei aus meiner Sicht nicht so viel wert.

Beim Suchen nach der Studie habe ich noch andere interessante Studien aus der gleichen Ecke gefunden:

Wirtschaftswissenschaftlerinnen der TUM erforschen deshalb, welche Mechanismen bei der Auswahl und Beurteilung von Führungskräften in Wirtschaft und Wissenschaft wirken und wie Verzerrungen in der Wahrnehmung entgegengewirkt werden kann. Bei einer Tagung des Projekts stellten sie heute erste Ergebnisse vor.

In mehreren Studien stellten die Wissenschaftlerinnen zufällig ausgewählten Personen verschiedene Szenarien mit (potenziellen) Führungskräften und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor. Anschließend fragten sie die Wahrnehmung und Erwartungshaltung der Testpersonen ab.

Dabei zeigte sich, dass das gleiche Verhalten von Frauen und Männern in Führungspositionen unterschiedlich beurteilt wird: Bekamen Angestellte in einem Szenario eine Aufgabe übertragen, erwarteten die Testpersonen eine bessere Leistung, wenn ein Mann die Arbeit delegiert hatte.

Autorität ist sicherlich eher mit der männlichen Geschlechterrolle vereinbar und es gibt bei Männern auch mehr Zeichen, die wir – aus meiner Sicht aus evolutionären Gründen – mit Autorität verbinden: das fängt bei der tieferen Stimme an, geht weiter über breitere Schultern, Körpergröße etc.

Auf der gleichen Seite weiter:

In einem anderen Szenario gaben Vorgesetzte beim Delegieren von Aufgaben ihren Mitarbeitern mal mehr, mal weniger Entscheidungsfreiheit. Aus der Sicht der Mitarbeiter wünschten sich alle Testpersonen Führungskräfte, die mehr Freiheit lassen. Im Gegensatz zu den männlichen Testpersonen unterschieden Frauen allerdings nach dem Geschlecht der Bosse: Weibliche Vorgesetzte, die wenig Freiraum ließen, schnitten bei ihnen noch schlechter ab als männliche Chefs mit dem gleichen Verhalten.

„Männern in Führungspositionen wird nach wie vor mehr Durchsetzungsfähigkeit gegenüber ihren Mitarbeitern zugetraut“, sagt Prof. Isabell Welpe. „Überraschend ist, dass manche Stereotype gegenüber Frauen bei den Frauen selbst sogar ausgeprägter sind – wenn sie etwa einen dominanten Führungsstil bei Männern eher akzeptieren.“

Dazu schrieb ich in einem anderen Artikel bereits einmal:

Weil Männer und Frauen Status und Attraktivität auf eine andere Art bilden kann es ihnen leichter fallen zusammenzuarbeiten ohne Revierkämpfe ausfechten zu müssen. Die Statusebenen sind damit geklärt und das kann das zusammenleben erleichtern. Weiblicher Chef und weibliche Sekretärin hingegen können wesentlich mehr ungeklärte Statusebenen haben. Beispielsweise Attraktivität, Familienleben etc. Hinzu kommt, dass weibliche Gruppendynamik wesentlich mehr auf Gleichheit ausgelegt ist, was Anordnungen schwieriger machen kann, weil damit die Gleichheitsebene immer wieder durchbrochen wird und eine Statusebene danebengestellt wird. Das kann auch klappen. Aber gerade in Rechtsanwaltsbereich, also einen Bereich, in dem Interessen durchgesetzt werden und eine dominantere Verhaltensweise auch ansonsten gefragt ist, kann ich verstehen, dass es zu Problemen führt

Die Rolle des Mannes ist wesentlich einfacher mit der Rolle eines Chefs vereinbar, weil das Erreichen eines möglichst hohen sozialen Status genau das ist, was einem Mann die meisten Nachkommen brachte, so dass dieses Verhalten evolutionär bevorzugt war. Ein Mann hat demnach als Chef viele Eigenschaften, die ihn attraktiv erscheinen lassen. Die Arbeit einer Sekretärin hingegen ist die Erledigung der Zuarbeiten, des Aufbereitens, des Ausführens und des Rückenfreihaltens. Gleichzeitig bietet sie ihm ein weibliches Publikum, vor dem er sich auf die Brust trommeln kann Rechtsfälle gewinnen kann.

Insbesondere den Umstand, dass Frauengruppen eher auf Gleichheit und nur subtile Hierarchien ausgelegt sind könnte hier den intrasexuellen Wettbewerb anders gestalten und komplizierter machen.