Verpflichtende Vaterschaftstests ab Geburt?

Da es immer wieder mal als Position in den Raum geworfen wird, hier mal ein eigener Artikel zu der Frage der Vor- und Nachteile verpflichtender Vaterschaftstest bei Geburt.

Dabei gibt es im wesentlichen zwei Positionen:

  • Die einen sagen, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, sich hier einzumischen, insbesondere da es der Wunsch desjenigen sein kann, hier die Unklarheit bestehen zu lassen. Ich bilde mal einen Fall dazu:
    Ein Vater hat mit einer Frau 2 Kinder, bei einem vermutet er, dass es nicht seins sein könnte, er ist sich aber nicht sicher. Für den Fall, dass es nicht so ist, würde er das Vertrauen zu seiner Frau verlieren und die Beziehung würde scheitern. Dann aber würde er wahrscheinlich auch „seine“ beiden Kinder verlieren und die Frau, die er ansonsten liebt. Er zieht das Restriskio, dass es nicht sein Kind ist, dem Risiko vor, dass dadurch die Familie verliert und er beide Kinder verliert. Er sagt sich, dass es selbst wenn es nicht sein Kind ist, er jedenfalls der (soziale) Vater sein wird und insofern der Unterschied gering ist.
  • Die andere Position ist, dass so das Unterschieben von Kindern effektiv verhindert wird und damit solch tragische Momente, wo ein Vater erst später erfährt, dass er gar nicht der Vater ist, verhindert werden. Zudem hätte auch das Kind einen Anspruch darauf, dass es seinen tatsächlichen Vater kennt, zudem hätte der tatsächliche Vater auch ein Recht darauf, zu wissen, dass er ein Kind hat. All diese Interessen seien schutzwürdiger als die Interessen an einem „Leben mit einer Lüge“.

Kürzlich gab es auch zwei Kommentare, die die beiden Positionen eingenommen haben:

Einmal Carnofis:

“Verpflichtender Vaterschaftstest gleich nach der Geburt.”

Wäre ich gegen.
Hier würde der Staat dann – wieder einmal – eine rote Linie überschreiten, wo er ungerufen über die familialen Strukturen befindet.

Ich habe zwei Kinder und weiß – wie fast jeder Vater – nicht mit letzter Sicherheit, ob sie tatsächlich von mir sind.
Aber ich habe sie als meine Kinder anerkannt und ihnen – soweit dieser Staat es mir gestattet hat – die elterliche Liebe und Aufmerksamkeit des Vaters zukommen lassen.
Mit einem verpflichtenden Vaterschaftstest würde der Staat auch hier noch Gift in Familien spritzen, sie eigentlich sonst ganz gut funktioniert hätten.

Es genügt eigentlich, wenn der Staat bei begründetem Zweifel den Vaterschaftstest erlaubt.
Das derzeitige Konstrukt geht zwar in die Richtung, ist aber ebenfalls familienfeindlich, weil es den Vater zwingt, seine Zweifel gegenüber der Mutter zu äußern.

Und einmal Andena:

Tja. Wie umgehen mit einer Lebenslüge einer Person in einer Familie? Soll man das Recht auf Lüge dieser einen Person höher werten, als das Recht der anderen Familienmitglieder, die Wahrheit zu erfahren. Das ist des Pudels Kern.

Tragischer Weise haben wir noch ein Zweitdiskurs bei diesem Thema, denn den Part der Lebenslüge liegt ausschließlich bei der Kindsmutter – die Begriffe Scheinmutter oder biologische Mutter gibt es in dieser Diskussion nicht – den Part der Belogenen / Hintergangenen liegt immer und ausschließlich bei den vermeintlichen Kindsvater und natürlich den Kindern selbst. Wenn man diesen geschlechterspezifischen Aspekt außer Acht lässt wird das eigentliche Problem erst sichtbar: “Einer belügt alle anderen!”

Natürlich gibt es gehörnte Männer, die aus Unvernunft oder Untergebenheit sich der Lebenslüge der Frau unterordnen und ihrerseits ihre eigene Lebenslüge stricken a la “biologische Vaterschaft ist mir nicht wichtig” oder “es ist trotzdem mein Kind”, aber wir sollten diese Randerscheinungen nicht zu wichtig nehmen.

Der Grundsatz lautet, dass es in einer Familie keinen andauernden Betrug geben darf, zumindestens nicht ohne Zustimmung der Betroffenen. Eine Familie, die nur durch die Lebenslüge einer Frau “zusammen gehalten” wird, ist keine Familie, sondern bloß ein Lügenkonstrukt zur Ausnutzung des Mannes.

Die Lösung wäre relativ einfach.

1. Vor jeder Vaterschaftsanerkennung wird dem Mann ein staatlicher Abstammungstest gegen Gebühr angeboten. Dieses Recht kann er sofort oder auch zu jedem späteren Zeitpunkt annehmen.

2. Stellt sich nach der Vaterschaftsanerkennung heraus, dass die Vaterschaft zu Unrecht erfolgte, zahlt die Kindsmutter sämtliche Leistungen des Betrogenen zurück.

3. Ab 16 Jahren hat jedes Kind das Recht, seine Abstammung durch staatliche Test beglaubigen zu lassen. Kindsmutter und vermeintlicher Kindsvater sind verpflichtet daran teilzunehmen.

Ich hatte dazu auch schon einmal geschrieben:

Allerdings ist die Frage, ob sich der Staat auf diese Weise einmischen darf. Es gibt sicherlich Väter, dennen es lieber ist, es nicht zu wissen. Einen Pflichttest halte ich daher für einen sehr hohen Eingriff in die Privatautonomie, die dann eben auch Beziehungen zerstören kann. Klar kann man hier anfügen, dass ja nicht der Test die Beziehung zerstört, sondern der Umstand, dass die Frau mit einem anderen geschlafen hat, aber dennoch ist es erst einmal das Aufdrängen einer Information. Wenn ein Pflichttest erfolgt, dann sollte zumindest ein Recht des Vaters bestehen, die daraus folgende Information abzurufen oder eben nicht.

Gegen einen solchen Pflichttest spricht zudem, dass damit das genetische Profil jedes neu geboren Menschen und auch jedes Vaters in Staatshände gelangen könnte, was Datenschutz und ähnliche Probleme aufwirft. Klar wird eine Löschpflicht bestehen, aber wird man ihr auch sicher nachkommen? Zudem ist zu bedenken, dass die Vaterschaftstest eine gewisse Fehleranfälligkeit haben. Die Vaterschaft steht nicht zu 100%, sondern nur zu 99,9?% fest. Bei umfassenden deutschlandweiten Tests ist zwar die Wahrscheinlichkeit gering, aber es wird bereits aufgrund der Anzahl der Geburten pro Jahr immer wieder Fehler geben, die dann zu Beziehungsproblemen führen. Denn der Test kann eben mit einer gewissen geringen Wahrscheinlichkeit auch dazu führen, dass eine Nichtvaterschaft trotz bestehender Vaterschaft angezeigt wird.

Das Wahrscheinlichkeitsargument scheint mir nicht das Stärkste zu sein, das Argument, dass es erhebliche genetische Profile in die Hände des Staates geben könnte, halte ich hingegen nach wie vor für stark, ebenso wie die Frage, ob der Staat sich hier einmischen darf. Die Möglichkeiten sollte er allerdings unkomplizierter zur Verfügung stellen als er dies heute macht.

Sam Harris „The moral Landscape“ über Feminismus

Das Buch „The moral landscape“ von Sam Harris (hier im PDF Volltext) enthält auch einige schöne Stellen die gut auf feministische Theorien passen

Erst geht es um „Moralische Blindheit im Namen von Toleranz“, was sehr gut zum Thema Intersektionalismus passt:

Moral Blindness in the Name of “Tolerance”

There are very practical concerns that follow from the glib idea that anyone is free to value anything—the most consequential being that it is precisely what allows highly educated, secular, and otherwise well-intentioned people to pause thoughtfully, and often interminably, before condemning practices like compulsory veiling, genital excision, bride burning, forced marriage, and the other cheerful products of alternative “morality” found elsewhere in the world. Fanciers of Hume’s is/ought distinction never seem to realize what the stakes are, and they do not see how abject failures of compassion are enabled by this intellectual “tolerance” of moral difference. While much of the debate on these issues must be had in academic terms, this is not merely an academic debate. There are girls getting their faces burned off with acid at this moment for daring to learn to read, or for not consenting to marry men they have never met, or even for the “crime” of getting raped. The amazing thing is that some Western intellectuals won’t even blink when asked to defend these practices on philosophical grounds. I once spoke at an academic conference on themes similar to those discussed here. Near the end of my lecture, I made what I thought would be a quite incontestable assertion: We already have good reason to believe that certain cultures are less suited to maximizing well-being than others. I cited the ruthless misogyny and religious bamboozlement of the Taliban as an example of a worldview that seems less than perfectly conducive to human flourishing.

As it turns out, to denigrate the Taliban at a scientific meeting is to court controversy. At the conclusion of my talk, I fell into debate with another invited speaker, who seemed, at first glance, to be very well positioned to reason effectively about the
implications of science for our understanding of morality. In fact, this person has since been appointed to the President’s Commission for the Study of Bioethical Issues and is now one of only thirteen people who will advise President Obama on “issues that may emerge from advances in biomedicine and related areas of science and technology” in order to ensure that “scientific research, health care delivery, and technological
innovation are conducted in an ethically responsible manner.

Here is a snippet of our conversation, more or less verbatim:
She: What makes you think that science will ever be able to say that forcing women to wear burqas is wrong?
Me: Because I think that right and wrong are a matter of increasing or decreasing well-being—and it is obvious that forcing half the population to live in cloth bags, and beating or killing them if they refuse, is not a good strategy for maximizing human wellbeing.

She: But that’s only your opinion.

Me: Okay … Let’s make it even simpler. What if we found a culture that ritually blinded every third child by literally plucking out his or her eyes at birth, would you then agree that we had found a culture that was needlessly diminishing human well-being?

She: It would depend on why they were doing it.
Me [slowly returning my eyebrows from the back of my head]: Let’s say they were doing it on the basis of religious superstition. In their scripture, God says, “Every third must walk in darkness.”
She: Then you could never say that they were wrong.

(…)

While human beings have different moral codes, each competing view presumes its own universality. This seems to be true even of moral relativism. While few philosophers have ever answered to the name of “moral relativist,” it is by no means uncommon to find local eruptions of this view whenever scientists and other academics encounter moral diversity. Forcing women and girls to wear burqas may be wrong in Boston or Palo Alto, so the argument will run, but we cannot say that it is wrong for Muslims in Kabul. To demand that the proud denizens of an ancient culture conform to our view of gender equality would be culturally imperialistic and philosophically naïve.

This is a surprisingly common view, especially among anthropologists. Moral relativism, however, tends to be self-contradictory. Relativists may say that moral truths exist only relative to a specific cultural framework—but this claim about the status of moral truth purports to be true across all possible frameworks. In practice, relativism almost always amounts to the claim that we should be tolerant of moral difference because no moral truth can supersede any other. And yet this commitment to tolerance is not put forward as simply one relative preference among others deemed
equally valid. Rather, tolerance is held to be more in line with the (universal) truth about morality than intolerance is.

The contradiction here is unsurprising. Given how deeply disposed we are to make universal moral claims, I think one can reasonably doubt whether any consistent moral relativist has ever existed. Moral relativism is clearly an attempt to pay intellectual reparations for the crimes of Western colonialism, ethnocentrism, and racism. This is, I think, the only charitable thing to be said about it. I hope it is clear that I am not defending the idiosyncrasies of the West as any more enlightened, in principle, than those of any other culture. Rather, I am arguing that the most basic facts about human flourishing must transcend culture, just as most other facts do. And if there are facts that are truly a matter of cultural construction—if, for instance, learning a specific language or tattooing your face fundamentally alters the possibilities of human experience—well, then these facts also arise from (neurophysiological) processes that transcend culture

Hier spricht er sich letztendlich gegen die feministische Theorie aus, dass man bestimmte kulturelle Praktiken nicht moralisch verurteilen kann, wenn sie von einer bestimmten Minderheit ausgeübt werden. Es wäre interessant, wie poststrukturalistische intersektionalistische Feministen auf sein Argument reagieren würden. Die Burka an sich wird ja dort auch als etwas gesehen, in das man sich nicht einmischen darf. Wobei dies im Feminismus ja noch etwas anders gehandhabt wird: Man dürfte auch in Boston oder Palo Alto nicht sagen, dass eine Frau keine Burka tragen darf, solange sie ein PoC wäre. Ich vermute allerdings, dass man Eingriffe an Kindern auch dort kritischer sehen würde. Gibt es intersektionelle Betrachtungen zur weiblichen Beschneidung in deutschen Blogs?

Dennoch finde ich die Gegenperspektive interessant, weil sie von einer umfassenden moralischen Bewertbarkeit ausgeht. Ich hatte ja auch schon einmal angeführt, dass ansonsten schnell Unstimmigkeiten auftreten, die jede moralische Wertung beliebig und unverbindlich machen.

Dann geht es um „Moral Science“

There are academics who have built entire careers on the allegation that the foundations of science are rotten with bias—sexist, racist, imperialist, Northern, etc. Sandra Harding, a feminist philosopher of science, is probably the most famous proponent of this view.

On her account, these prejudices have driven science into an epistemological cul-de-sac called “weak objectivity.” To remedy this dire situation, Harding recommends that scientists immediately give “feminist” and “multicultural” epistemologies their due.

First, let’s be careful not to confuse this quite crazy claim for its sane cousin: There is no question that scientists have occasionally demonstrated sexist and racist biases. The composition of some branches of science is still disproportionately white and male (though some are now disproportionately female), and one can reasonably wonder whether bias is the cause. There are also legitimate questions to be asked about the direction and application of science: in medicine, for instance, it seems clear that women’s health issues have been sometimes neglected because the prototypical human being has been considered male. One can also argue that the contributions of women and minority groups to science have occasionally been ignored or undervalued: the case of Rosalind Franklin standing in the shadows of Crick and Watson might be an example of this. But none of these facts, alone or in combination, or however multiplied, remotely suggests that our notions of scientific objectivity are vitiated by racism or sexism. 

Is there really such a thing as a feminist or multicultural epistemology? Harding’s case is not helped when she finally divulges that there is not just one feminist epistemology, but many. On this view, why was Hitler’s notion of “Jewish physics” (or Stalin’s idea of “capitalist biology”) anything less than a thrilling insight into the richness of epistemology? Should we now consider the possibility of not only Jewish physics, but of Jewish women’s physics? How could such a balkanization of science be a step toward “strong objectivity”? And if political inclusiveness is our primary concern, where could such efforts to broaden our conception of scientific truth possibly end? Physicists tend to have an unusual aptitude for complex mathematics, and anyone who doesn’t cannot expect to make much of a contribution to the field. Why not remedy this situation as well? Why not create an epistemology for physicists who failed calculus? Why not be bolder still and establish a branch of physics for people suffering from debilitating brain injuries? Who could reasonably expect that such efforts at inclusiveness would increase our understanding of a phenomenon like gravity? As Steven Weinberg once said regarding similar doubts about the objectivity of science, “You have to be very learned to be that wrong.” Indeed, one does—and many are.

Das finde ich eine schöne Stellungnahme zu der feministischen Standpunkttheorie. Es zeigt durch die Übertreibung der Theorie, dass diese wenig Gehalt hat, indem darauf abgestellt wird, dass Standpunkte verschiedener benachteiligter Gruppen eben nicht zu besseren Ergebnissen führen müssen. Der Schlußsatz „Man muss sehr gebildet sein um so daneben zu liegen“ passt aus meiner Sicht auch sehr gut in die Feministische Theorie: Es wird dort durch allerlei kompliziert klingende Texte versucht, relativ simple Theorien einen intellektuellen Hauch zu geben um sie gegen Kritik zu immunisieren und zu verschleiern, dass ihre wissenschaftliche Basis kaum vorhanden ist. Wer ein Beispiel will, der lese Judith Butler.

Feministische und maskulistische Standpunkttheorie

Die feministische Standpunkttheorie ist ein gutes Mittel, um andere Meinungen abzuwerten und ohne Prüfung des Inhalts abzuweisen. Kurz dargestellt aus der Wikipedia:

Eine Standpunkt-Theorie behauptet eine Abhängigkeit der Erkenntnisgewinnung von der Position innerhalb gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse. Sie sagt aus, dass es bessere und schlechtere Standpunkte gebe, von denen aus die Welt betrachtet und interpretiert werden könne. Tendenziell sei der Blickwinkel einer dominierten Gruppe für eine objektive Wahrnehmung besser geeignet als die Perspektive vom Standpunkt einer herrschenden Gruppe.

Die Abwertung anderer Meinungen erfolgt dann durch einen simplen Rückschluss: Ein Erkenntnisgewinn scheidet aus, wenn er von einem ungünstigen Standpunkt aus bestimmt wird, damit ist die Meinung, wenn man ihr diesen Standpunkt zuweisen kann, falsch.

Verbessert wird diese Methode dann dadurch, dass man bei der Bestimmung des Standorts keine Nachweise mehr verlangt und „cui bono„-Überlegungen ausreichen lässt oder mittels „Ein Teil könnte dem entsprechen, also ist alles so“-Argumentationen arbeitet.

Damit wird die ungewollte Meinung beispielsweise patriarchisch und weil sie patriarchisch ist, ist sie falsch.

Auf dieser Basis kann man sehr einfach alles abwerten.

Beispiele wären:

„Biologische Wissenschaft entspricht nicht der feministischen Theorie, also ist sie patriarchisch, demnach kommt sie vom falschen Standpunkt, also ist sie falsch“. 

Dass der Frauenanteil in der Biologie sehr hoch ist und das bestimmte, mit wissenschaftlichen Methoden ermittelte Fakten dafür sprechen, dass die Ergebnisse stimmen, spielt dann keine Rolle.

Ähnliche Argumentationen kommen auch gern aus dem Maskulismus:

„Im Bundesverfassungsgericht sitzt eine Feministin, also hat das Bundesverfassungsgericht insgesamt einem  feministischen Standpunkt, also sind nur noch feministische Entscheidungen von ihm zu erwarten, also ist auch diese Entscheidung Ausdruck der feministischen Verseuchung, was belegt, dass sie falsch ist“

oder

„Einige Artikel in der Wikipdia werden stark von Feministinnen bearbeitet, also hat die Wikipedia insgesamt einen feministischen Standpunkt, also ist alles, was in der Wikipedia steht als feministisch verseucht abzulehnen“.

Oder auch in der einfacheren Form:

„Es herrscht ein Staatsfeminismus, also gibt es nur noch einen feministischen Standpunkt, also ist alles was der Staat macht feministisch verseucht“

Nachweise für Kausalzusammenhänge oder auch nur das Einnehmen eines feministischen Standpunktes werden meist gar nicht mehr verlangt und ihr einfordern als Verteidigung des Feminismus oder als Überschwenken zum Feind gesehen.

In beiden Fällen wird der vermutete und unterstellte Standpunkt als ausreichend angesehen, um Vorgänge nicht mehr inhaltlich hinterfragen zu müssen, sondern per se ablehnen und Schuldzuweisungen vornehmen zu können.

Selbermach Samstag 129 (28.03.2015)

Welche Themen interessieren euch, welche Studien fandet ihr besonders interessant in der Woche, welche Neuigkeiten gibt es, die interessant für eine Diskussion wären und was beschäftigt euch gerade?

Welche interessanten Artikel gibt es auf euren Blogs? (Schamlose Eigenwerbung ist gerne gesehen!)

Welche Artikel fandet ihr in anderen Blogs besonders lesenswert?

Welches Thema sollte noch im Blog diskutiert werden?

Intersexualität

In der Wikipedia wird Intersexualität wie folgt definiert:

Mit Intersexualität bezeichnet die Medizin, wenn ein Mensch genetisch (aufgrund seiner Geschlechtschromosomen) und/oder anatomisch (aufgrund seiner Geschlechtsorgane) und hormonell (aufgrund des Mengenverhältnisses der Geschlechtshormone) nicht eindeutig dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Die Intersexualität wird den sogenannten Sexualdifferenzierungsstörungen (engl.disorders of sex development, DSD) zugerechnet.

Die Intersexualität wird im poststrukturalistischen Feminismus gern als Beleg dafür genommen, dass die „Geschlechterbinarität“ falsch ist. Allerdings betrifft dieser Bereich nur einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, ca 0,018%. Die meisten Menschen lassen sich sehr gut einem körperlichen Geschlecht zuordnen, aber ebenso wie auch im Genderbereich gibt es hier fließende Übergänge.

Das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es nicht per se einen Bauplan A für Frauen und einen Bauplan B für Männer gibt, voin denen einmal einer am Anfang ausgewählt, und dann beiseite gelegt wird. Vielmehr „wächst“ der Körper und der genetische Wachstumsplan enthält die Angaben für beide Geschlechter, mit Ausnahme einiger Sonderangaben auf dem Y-Chromosom. Während des Bauens muss immer wieder geprüft werden, welcher der beiden Wege nun zum Wachsen ausgewählt wird, es kann hier zu einer Vielzahl von Fällen kommen, in dem der für die Chromosomen falsche Wachstumsplanbereich aktiviert wird. Häufiger Botenstoff dafür, welcher Wachstumsplanbereich wie stark ausgebaut wird sind dabei häufig die Hormone.

Gleichzeitig liegt ein sehr hoher evolutionärer Druck auf der „richtigen Bauweise“, denn Gene, die einen nicht fortpflanzungsfähigen Körper bauen, gelangen nicht in die nächste Generation.

In der Wikipedia wird noch die folgende weitere Unterscheidung getroffen:

Abzugrenzen ist die Definition der Intersexualität von Transgender und Transsexualität:

  • Transgender sind Menschen, die sich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht falsch oder unzureichend beschrieben fühlen oder auch jede Form der Geschlechtszuweisung bzw. -kategorisierung grundsätzlich ablehnen. Manche intersexuelle Menschen sind Transgender. Während in einigen Organisationen und Bündnissen Transgender und intersexuelle Menschen zusammenarbeiten, da viele Gemeinsamkeiten gesehen werden, lehnen andere intersexuelle Menschen jede Zusammenarbeit mit Transgendern ab.
  • Transsexuelle Menschen wurden von der Medizin bisher als biologisch eindeutig definiert, empfinden sich selbst aber als einem anderen sozialen Geschlecht als dem bei der Geburt festgestellten zugehörig. Für die medizinische Diagnose „Transsexualität“ ist Intersexualität im ICD 10 daher formal ein Ausschlusskriterium. Mit dem DSM V und dem Begriff „Gender Dysphorie“ änderte sich dies und Intersexualität (DSD) wurde ins Buch der psychischen Störungen aufgenommen [11]. Die Diagnose „Intersexualität“ kann nur durch diverse Untersuchungen, unter anderem eine Chromosomenanalyse, erbracht werden. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass intersexuelle Menschen, welche die Geschlechtsrolle wechseln, gar nicht erfahren, dass sie eigentlich intersexuell sind, und daher medizinisch und auch juristisch (Transsexuellengesetz, kurz TSG) als transsexuelle Menschen behandelt werden.

Unter Transsexuelle wären also solche, die meinen einem anderen Geschlecht anzugehören, obwohl man sie dem äußeren nach einem bestimmten Geschlecht zuordnen würde. Transgender wären Menschen, die beispielsweise meinen, weder Mann noch Frau zu sein, was Interssexuelle umfassen kann, weil diese eben auch Merkmale beider Geschlechter enthalten können.

Zu den Ursachen führt die Wikipedia aus:

Uneindeutigkeiten des Körpergeschlechts können verschiedene Ursachen haben:

Chromosomale Variationen: Statt der durchschnittlich am häufigsten vorfindlichen Karyotypen 46,XX (weiblich) und 46,XY (männlich) gibt es unter anderem auch die Varianten 45,X, bekannt als Turner-Syndrom mit einem weiblichen Phänotypus, und 47,XXY, das Klinefelter-Syndrom mit männlichem Phänotypus, sowie Mosaike mos45,X/46,XX, mos45,X/46,XY und den Chimärismus chi46,XX/46,XY. Das chromosomale Geschlecht ist die Basis aller weiteren Geschlechtsausprägungen.
Gonadale Variationen: fehlende Entwicklung (Agonadismus); Ausbildung ganz oder partiell zu sog. Streifengonaden (nicht oder nur teilweise ausgebildete Gonadendysgenesien); ovarielle und testikuläre Gewebeanteile in entweder denselben (Ovotestes) oder getrennten Keimdrüsen (echter Hermaphroditismus/Hermaphroditismus verus).
Hormonelle Variationen: Auffällige Serumspiegel bei Geschlechtshormonen und deren Vorläufern, teils mit Folgen wie Gynäkomastie (Brustentwicklung bei Männern) oder Hirsutismus (sehr starke Körperbehaarung) bei Frauen, teils aber auch die sexuelle Differenzierung insgesamt betreffend. Diese kann unterschiedliche Ursachen (chromosomale, gonadale und nephrologisch bedingte Varianten, Enzymdefekte) haben.
Anatomische Variationen: Von geschlechtlichen Besonderheiten mit unspezifischen Ursachen bis zu eher kulturell bedingten Einschätzungen (Grundlage des sozialen Geschlechts) wie „zu kleiner“ Penis oder „zu große“ Klitoris sind sehr viele Variationen bekannt.

Viele intersexuelle „Syndrome“ bestehen nicht nur aus einer einzigen nachweisbaren Variation, sondern entstehen im Zusammenspiel mehrerer Faktoren, so zum Beispiel beim Androgenrezeptor-Defekt (AIS, Androgenresistenz). Hier sind komplette Androgenresistenz bzw. vollständiger AIS (CAIS, von complete AIS), partielle Androgenresistenz bzw. partieller AIS (PAIS) und minimale Androgenresistenz bzw. minimaler AIS (MAIS) zu unterscheiden. Bei kompletter Androgenresistenz (CAIS) entwickeln sich zum Beispiel bei einem Fötus mit XY-Chromosomen Hoden, die im Körper verbleiben können. Die Rezeptoren für Testosteron fehlen jedoch, so dass sich ein „weiblich aussehendes“ äußeres Genital (allerdings ohne weibliche innere Organe) entwickelt; das Erziehungsgeschlecht ist dann meist weiblich. Intersexuelle Menschen mit CAIS werden – anders als bei PAIS – oft erst in der Pubertät erkannt. Bei weniger ausgeprägter Resistenz kommt es laut dem medizinischen Wörterbuch Pschyrembel Wörterbuch Sexualitätzu unterschiedlichen Ausbildungen der männlichen Sexualorgane (Hypospadie, Kryptorchismus, Azoospermie) und körperlicher Feminisierung (z. B. Gynäkomastie, siehe Reifenstein-Syndrom).

Bei einem XY-chromosomalen Menschen mit Swyer-Syndrom aufgrund der Deletion des SRY-Gens sind auch Vagina und Uterus ausgebildet, in Gewebeproben findet sich allerdings kein Barrkörperchen, das bei jeder XX-chromosomalen Frau zu finden ist. Bei einem XY-chromosomalen Swyer-Syndrom ist also von einer männlichen Vagina und einem männlichen Uterus zu sprechen. Auch Menschen mit Swyer-Syndrom werden oft erst in der Pubertät auffällig.

Bei Menschen mit 5α-Reduktase-Mangel entwickelt der Körper erst ab der Pubertät ausreichende Mengen an Dihydrotestosteron, um ein männliches Genital auszubilden und sich zum fortpflanzungsfähigen Mann zu entwickeln.

Zu berücksichtigen ist auch das Vorhandensein einer Prostata bei fast allen XY-chromosomalen Menschen mit intersexuellen Syndromen.

(Links ergänzt)

An den biologischen Gegebenheiten, die zu Intersexualität führen, sieht man auch häufig, dass diese kein eigentliches eigenes Geschlecht im biologischen Sinne darstellen, da eben bestimmte Merkmale nicht ausgebildet werden und sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit auswirken.

Es handelt sich insoweit auch nicht in biologischer Hinsicht um ein „drittes Geschlecht“, da hier keine biologische Funktion innerhalb der Fortpflanzung hinzukommt. Das sich ein solches „echtes“ drittes Geschlecht entwickelt ist auch bereits deswegen unwahrscheinlich, weil die Kosten der sexuelle Fortpflanzung mit jedem weiteren Geschlecht zunehmen und daher eine Selektion dagegen besteht.

Es findet sich dann in der Wikipedia noch eine interessante Tabelle:

Intersexualität – Wikipedia

Intersexualität – Wikipedia

Ich habe sie hier mal als Bild eingefügt, da sich die Tabellenstruktur schlecht übertragen ließ. Es zeigt die verschiedenen bekannteren Arten der Intersexualität und gibt damit einen guten Überblick.

Die Freundin sagt nicht, was sie stört

Beim Entspannungsbrowsen auf 9gag kam ich auf diesen Beitrag:

Dem Freund sagen, was einen stört

Dem Freund sagen, was einen stört

Das für dieses Bild verwendete Meme wird verwendet, wenn man ein merkwürdiges und untypisches Verhalten zugeben will

Die Bildüberschrift lautete:

Apparently, this is weird.. I guess some girls bottle it up and play mind games trying to get him to realize? Not me.

In der Tat ist das ja ein Klassiker im weiblichen Verhalten: Sie ist sauer und er hat keine Ahnung, was er eigentlich gemacht haben soll. Sie schweigt und gibt auch nicht an, was es war, während er rätselt.

Es ist aus meiner Sicht das Ergebnis davon, dass Männer eher lösungsorientiert denken und davon ausgehen, dass man ein störendes Verhalten mitteilen muss, während Frauen eher in Beziehungen denken und daher erwarten, dass er von selbst darauf kommt, wenn sie ihm etwas bedeutet. Zudem ist das Schweigen und die damit verbundene Ausgrenzung eben auch eine typisch weibliche Form der Bestrafung, die dann in dem Moment vielleicht wichtiger erscheint als eine Problemlösung.

Interessant dazu finde ich diesen nun schon wiederholt zitierten Absatz von Doris Bischof-Köhler:

Mädchen gehen eher indirekt vor. Sie suchen bei anderen Mädchen Anerkennung, die sie entweder erhalten oder die ihnen verweigert wird. Aggression äußert sich kaum brachial, sondern vor allem als sogenannte Beziehungsaggression, die im Wesentlichen auf soziale Ausgrenzung abzielt. Zwei reden beispielsweise abfällig über eine dritte oder ein Mädchen droht einem anderen Mädchen an, es nicht mehr mitspielen zu lassen oder es nicht zum Geburtstag einzuladen, um so seinen Willen durchzusetzen.

Da ist auch die soziale Ausgrenzung genannt, die eben ein Teil der weiblichen Statusbildung ist. Und das spielt dann auch in die Beziehung mit rein, wo sie dann aufgrund des Verstoßes subjektiv einen höheren Status einnehmen, den sie dann entsprechend ausspielen.

Wobei ich vermute, dass es weniger eine Strategie als ein unterbewußtes Vorgehen ist.

Vielleicht können ja weibliche Leserinnen Aufklärung bringen?

 

Wie häufig ist Homosexualität?

Die Wikipedia hat einen interessanten Abschnitt zur Verbreitung der Homosexualität in der Bevölkerung:

Schätzungen über die Häufigkeit von Homosexualität variieren beträchtlich und werden durch unterschiedliche, voneinander abweichende Definitionen des Gegenstands zusätzlich verkompliziert. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass Umfragen durch die sozialeStigmatisierung der Homosexualität und die damit einhergehende Tendenz zum Verschweigen eher nach unten als nach oben verfälscht sind. So schätzten sich etwa in einer repräsentativen Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2000 nur 1,3 bzw. 0,6 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten als schwul bzw. lesbisch sowie 2,8 bzw. 2,5 Prozent als bisexuell ein. Gleichzeitig gaben aber 9,4 Prozent der Männer und 19,5 Prozent der Frauen an, sich vom eigenen Geschlecht erotisch angezogen zu fühlen.[7] Bei einer im Jahr 2003 in Australien durchgeführten Umfrage bezeichneten sich 1,6 Prozent der Männer als homosexuell und 0,9 Prozent als bisexuell; 0,8 bzw. 1,4 Prozent der befragten Frauen gaben an, lesbisch bzw. bisexuell zu sein.[8] In Kanada stuften sich bei einer 2003 durchgeführten Umfrage unter Männern und Frauen im Alter zwischen 18 und 59 Jahren 1,0 Prozent als homosexuell und 0,7 Prozent als bisexuell ein.[9] In Großbritannien ergab eine Umfrage des Office for National Statistics aus dem Jahr 2011/2012, dass sich 1,1 Prozent aller befragten Personen als schwul oder lesbisch einschätzten, 0,4 Prozent bezeichneten sich als bisexuell, weitere 3,6 Prozent waren sich in Bezug auf ihre Orientierung unsicher.[10] Laut einer repräsentativen Untersuchung des Center for Disease Control and Prevention (CDC) vom März 2011 bezeichnen sich 1,7 Prozent der amerikanischen Männer zwischen 15 und 44 Jahren als homosexuell.[11] Gary J. Gates von der Universität Kalifornien untersuchte elf US-amerikanische und internationale Studien aus den letzten Jahren; danach ist der Anteil der sich als homosexuell und bisexuell identifizierenden Frauen und Männer in den USA 2004-2009 angestiegen. Im Schnitt lag der Anteil 2009 bei den nicht-heterosexuellen Frauen bei 3,3 % (1,1 % homosexuell) und 3,6 % bei den Männern (2,2 % homosexuell). Dies bedeutet in absoluten Zahlen, dass etwa 9 Millionen Amerikaner nicht heterosexuell sind.[12] Laut der US-Studie National Health Interview Survey (NHIS) von 2013 bezeichneten sich 1,6 % der US-Bevölkerung als homosexuell und 0,7 % als bisexuell.[13]

Eine Zahl um die 4% für männliche Homosexualität und 2% für weibliche Homosexualität war etwas, was ich schon häufiger gehört habe und was mir insoweit auch realistisch vorkam, 2% und 1% kommen auch immer wieder vor.

Ich kann mir vorstellen, dass Eigenbezeichnung so seine Nachteile hat um so konservativer die Gegend ist, insofern sollten die Zahlen bei Umfragen in „moderneren Zeiten“ genauer werden, zumindest in toleranten Gesellschaften.

Was das tatsächliche Sexualverhalten angeht, kam der Kinsey-Report 1948 zu dem Ergebnis, dass 37 Prozent der männlichen US-Bevölkerung nach Beginn der Pubertät „zumindest einige physische homosexuelle Erlebnisse bis zum Orgasmus“ haben und weitere 13 Prozent „erotisch auf andere Männer“ reagieren, „ohne tatsächliche homosexuelle Kontakte“ zu unterhalten.[14] Zusammengerechnet seien daher nur 50 Prozent der männlichen erwachsenen Bevölkerung ausschließlich heterosexuell und gar nur vier Prozent ausnahmslos – und über ihr gesamtes Leben hinweg – homosexuell.[15]

Ich könnte mir vorstellen, dass gerade in ältere Umfrageergebnisse auch eine Ausweichsexualität hineinspielt, da eben die weibliche Sexualität wesentlich behüteter war. Vielleicht war es da für viele einfacher mit einem Freund etwas auszuprobieren, selbst wenn man eigentlich auf Frauen stand. Das wäre dann aber aus meiner Sicht keine Homosexualität, da das Begehren nicht tatsächlich auf Männer ausgerichtet ist.

Schon bei Kinsey war der Anteil von Homosexualität an der „Gesamt-Triebbefriedung“ nichts Festes, sondern hing in hohem Maße von der jeweiligen Klassenzugehörigkeit ab. So pflegten Angehörige der unteren Schichten in dieser Zeit wesentlich mehr homosexuelle Kontakte als das Bürgertum und die Eliten.[16]

Vielleicht auch, weil da die Heiratschancen und die Überwachung besser waren?

Jüngere Studien zeigen darüber hinaus, wie sehr diese Zahlen dem historischen Wandel unterliegen können. So gaben in einer Studie zur Jugendsexualität, die 1970 vom Hamburger Institut für Sexualforschung durchgeführt wurde, 18 Prozent der befragten 16- und 17-jährigen Jungen an, gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen gemacht zu haben. Zwanzig Jahre später waren es nur noch zwei Prozent – ohne dass sich der Anteil von Jungen mit heterosexuellen Kontakten dadurch signifikant erhöht hätte.[17]

Gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen wären aus meiner Sicht nicht per se ein Anzeichen für Homosexualität. Das Absinken ist dann vielleicht eher dem Umstand zu verdanken, dass man eher ein eigenes Zimmer hat und vielleicht auch Zugang zu Pornographie. Auch gemischte Klassen und eine weniger strenge Überwachung der Sexualität dürften ihren Teil beigetragen haben

Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch erklärt diesen Einbruch gleichgeschlechtlicher Jugenderfahrungen u. a. mit der wachsenden öffentlichen Thematisierung von „Homosexualität“ und der damit verbundenen Befürchtung der Jungen, aufgrund solcher Handlungen „womöglich als ‚Schwuler‘ angesehen zu werden“.[18] Allerdings verharrte der Anteil der Mädchen mit homosexuellen Kontakten im selben Zeitraum konstant bei sechs Prozent.[19]

Ich würde vermuten, dass die Zeiten da eher liberaler geworden sind, insofern wäre ein Abschreckungseffekt merkwürdig. Ich würde ihn insofern eher mit anderen Formen der Ersatzbefriedigung erklären, was auch angesichts des schwächeren weiblichen Sexualtriebs das verharren des weiblichen Anteils erklären würde.

Ähnlich stellte auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in ihrer repräsentativen Wiederholungsbefragung zwischen 1980 und 1996 eine Halbierung des Anteils 14- bis 17-jähriger Jungen fest, die zugaben, „enge körperliche Erlebnisse“ mit dem eigenen Geschlecht gesammelt zu haben (von zehn auf fünf Prozent), während sich umgekehrt der Anteil der Mädchen, die von solchen Erlebnissen berichteten, zwischen 2001 und 2005 von acht auf 13 Prozent erhöhte.[20]

Wäre interessant, was ein „enges körperliches Erlebnis“ wäre. Das Party-knutschen mit einem anderen Mädchen, weil es irgendwie Aufmerksamkeit verschafft und kein großes Ding ist?

Die tatsächliche Häufigkeit von homosexuellen Erfahrungen hängt also zu einem großen Teil von gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen ab und kann nicht überzeitlich und für alle sozialen Schichten einheitlich bestimmt werden.

Die Häufigkeit homosexueller Erfahrungen ist sicherlich kulturell ausformbar. Die Häufigkeit tatsächlicher Homosexualität wird vermutlich eher konstant geblieben sein.

Leugnung weiblichen Aggressionspotentials

Bei Onyx werden gerade einige interessante Diskussionen geführt. Ich greife da mal zwei Kommentare raus.

Lezek führte aus:

Anne Wizorek blendet den Forschungsstand zu weiblicher Täterschaft aus, für sie sind fast ausschließlich Männer Täter und das sagt sie auch unmissverständlich. Zitat Anne Wizorek:

„Untersuchungen belegen, dass sexuelle Gewalt fast ausschließlich von Männern verübt wird und der Anteil von Frauen als Täterinnen unter ein Prozent beträgt (…)“
(aus: Anne Wizorek – Weil ein Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute, Fischer, 2014, S. 115)

Hätte Anne Wizorek ernsthaft in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema recherchiert, wäre schnell deutlich geworden, dass das nicht stimmt und dass der Anteil an weiblichen Tätern höher ist als in der pseudowissenschaftlichen radikal- und gender-feministischen Literatur behauptet.
Anne Wizoreks Unsichtbarmachung weiblicher Täter ist ein Schlag ins Gesicht für männliche und weibliche Opfer sexueller Gewalt durch weibliche Täter.

An anderer Stelle des Buches heißt es:
„Bei Vergewaltiger_innen sind zu über 90 Prozent keine psychologischen Auffälligkeiten zu finden. Es gibt keine biologische, psychische oder physische Ursache, die dafür sorgt, dass gerade Männer ihr Sexualverhalten nicht im Griff haben könnten – davon abgesehen, ist das „Argument“ der hilflosen „Triebgesteuerten“ diskriminierend gegenüber Männern.“
(aus: Anne Wizorek – Weil ein Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute, Fischer, 2014, S. 117)

 

Leszek dann weiter:

“Du kannst Feministinnen vorwerfen, dass sie sich teilweise nicht von dieser Vorstellung gelöst haben. Es ist aber keine Position die primär dem Feminismus anzulasten wäre.”

Niemand außer Geschlechtertraditionalisten und Mainstream-Feministinnen hat solche Schwierigkeiten damit weibliche Täterschaft anzuerkennen.
Konservative Geschlechtertraditionalisten sind aber wenigstens so ehrlich, dass sie ihre stockkonservativen Positionen nicht noch versuchen als “progressiv” und “emanzipatorisch” zu verkaufen

Marget antwortete:

Ich dagegen beobachte, dass das Leugnen weiblichen Aggressionspotenzials ein ganz wesentlicher Bestandteil antifeministischer Diskurse ist. Keine Diskussion um Frauen in Führungspositionen oder auch nur Frauen im Beruf, in der nicht behauptet wird, Frauen würden gerne und freilwillig auf Beruf und Karriere verzichten, weil sie eben nicht “mit der Ellenbogengesellschaft” zurechtkämen.

Nein, ich präzisiere: Weibliche Agressionen werden dort anerkannt und thematisiert, wo es zu ungunsten von Frauen ausfällt: Im Täterkontext. Sie werden aber dort geleugnet oder heruntergespielt, wo es um Gleichstellungsfragen geht. Ich würde dies als zutiefst frauenfeindlich bezeichnen.

Das regt ja zu einem selbstkritischen Hinterfragen an:

Ist es ein Problem Frauen einerseits den „Schneid“ abzuerkennen, weil man meint, dass sie Wettbewerb meiden und ihnen ansonsten, wenn es für sie ungünstig ist, eine Täterrolle zuzuweisen?

Ich würde sagen nein, denn beides sind durchaus verschiedene Positionen: Man kann einen Wettbewerb meiden aber dann, wenn man sich sicher ist, dass der andere sich nicht wehrt, dennoch die Konfrontation suchen.

Ein klassischer Fall wär körperliche Gewalt der Frau, bei der sie auf den eigentlich stärkeren Mann einschlägt und sich dieser nicht wehrt.

Dazu auch:

Man kann das auch noch anders betrachten, nämlich dann, wenn man Täterschaft als Verantwortung sieht und nicht nur als Täterschaft im Sinne von körperlicher Gewalt. Wenn man Frauen also einen Anteil an gesellschaftlichen Strukturen und Anforderungen an andere Menschen zurechnet und sie nicht nur als Spielball von „struktureller Diskriminierung“ oder „gesellschaftlichen Rollen“ sieht, die alleine von Männern oder einer patriarchischen Gesellschaft errichtet werden, sieht. Wenn man sie selbst als planend, aktiv Ziele verfolgend und ihre Interessen umsetzend ansieht. Sprich: Wenn man sie als Subjekte und nicht als Objekte sieht, mit denen die Gesellschaft etwas macht, die durch Geschlechterrollen gesteuert sind.

Das kommt mir im Feminismus zu kurz.

Vgl auch:

Nirgendwo sind Frauen passiver als im Feminismus. Was eigentlich schon erstaunlich ist, weil er sich ja genau dagegen ausspricht.