Verpflichtende Vaterschaftstests ab Geburt?

Da es immer wieder mal als Position in den Raum geworfen wird, hier mal ein eigener Artikel zu der Frage der Vor- und Nachteile verpflichtender Vaterschaftstest bei Geburt.

Dabei gibt es im wesentlichen zwei Positionen:

  • Die einen sagen, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, sich hier einzumischen, insbesondere da es der Wunsch desjenigen sein kann, hier die Unklarheit bestehen zu lassen. Ich bilde mal einen Fall dazu:
    Ein Vater hat mit einer Frau 2 Kinder, bei einem vermutet er, dass es nicht seins sein könnte, er ist sich aber nicht sicher. Für den Fall, dass es nicht so ist, würde er das Vertrauen zu seiner Frau verlieren und die Beziehung würde scheitern. Dann aber würde er wahrscheinlich auch „seine“ beiden Kinder verlieren und die Frau, die er ansonsten liebt. Er zieht das Restriskio, dass es nicht sein Kind ist, dem Risiko vor, dass dadurch die Familie verliert und er beide Kinder verliert. Er sagt sich, dass es selbst wenn es nicht sein Kind ist, er jedenfalls der (soziale) Vater sein wird und insofern der Unterschied gering ist.
  • Die andere Position ist, dass so das Unterschieben von Kindern effektiv verhindert wird und damit solch tragische Momente, wo ein Vater erst später erfährt, dass er gar nicht der Vater ist, verhindert werden. Zudem hätte auch das Kind einen Anspruch darauf, dass es seinen tatsächlichen Vater kennt, zudem hätte der tatsächliche Vater auch ein Recht darauf, zu wissen, dass er ein Kind hat. All diese Interessen seien schutzwürdiger als die Interessen an einem „Leben mit einer Lüge“.

Kürzlich gab es auch zwei Kommentare, die die beiden Positionen eingenommen haben:

Einmal Carnofis:

“Verpflichtender Vaterschaftstest gleich nach der Geburt.”

Wäre ich gegen.
Hier würde der Staat dann – wieder einmal – eine rote Linie überschreiten, wo er ungerufen über die familialen Strukturen befindet.

Ich habe zwei Kinder und weiß – wie fast jeder Vater – nicht mit letzter Sicherheit, ob sie tatsächlich von mir sind.
Aber ich habe sie als meine Kinder anerkannt und ihnen – soweit dieser Staat es mir gestattet hat – die elterliche Liebe und Aufmerksamkeit des Vaters zukommen lassen.
Mit einem verpflichtenden Vaterschaftstest würde der Staat auch hier noch Gift in Familien spritzen, sie eigentlich sonst ganz gut funktioniert hätten.

Es genügt eigentlich, wenn der Staat bei begründetem Zweifel den Vaterschaftstest erlaubt.
Das derzeitige Konstrukt geht zwar in die Richtung, ist aber ebenfalls familienfeindlich, weil es den Vater zwingt, seine Zweifel gegenüber der Mutter zu äußern.

Und einmal Andena:

Tja. Wie umgehen mit einer Lebenslüge einer Person in einer Familie? Soll man das Recht auf Lüge dieser einen Person höher werten, als das Recht der anderen Familienmitglieder, die Wahrheit zu erfahren. Das ist des Pudels Kern.

Tragischer Weise haben wir noch ein Zweitdiskurs bei diesem Thema, denn den Part der Lebenslüge liegt ausschließlich bei der Kindsmutter – die Begriffe Scheinmutter oder biologische Mutter gibt es in dieser Diskussion nicht – den Part der Belogenen / Hintergangenen liegt immer und ausschließlich bei den vermeintlichen Kindsvater und natürlich den Kindern selbst. Wenn man diesen geschlechterspezifischen Aspekt außer Acht lässt wird das eigentliche Problem erst sichtbar: “Einer belügt alle anderen!”

Natürlich gibt es gehörnte Männer, die aus Unvernunft oder Untergebenheit sich der Lebenslüge der Frau unterordnen und ihrerseits ihre eigene Lebenslüge stricken a la “biologische Vaterschaft ist mir nicht wichtig” oder “es ist trotzdem mein Kind”, aber wir sollten diese Randerscheinungen nicht zu wichtig nehmen.

Der Grundsatz lautet, dass es in einer Familie keinen andauernden Betrug geben darf, zumindestens nicht ohne Zustimmung der Betroffenen. Eine Familie, die nur durch die Lebenslüge einer Frau “zusammen gehalten” wird, ist keine Familie, sondern bloß ein Lügenkonstrukt zur Ausnutzung des Mannes.

Die Lösung wäre relativ einfach.

1. Vor jeder Vaterschaftsanerkennung wird dem Mann ein staatlicher Abstammungstest gegen Gebühr angeboten. Dieses Recht kann er sofort oder auch zu jedem späteren Zeitpunkt annehmen.

2. Stellt sich nach der Vaterschaftsanerkennung heraus, dass die Vaterschaft zu Unrecht erfolgte, zahlt die Kindsmutter sämtliche Leistungen des Betrogenen zurück.

3. Ab 16 Jahren hat jedes Kind das Recht, seine Abstammung durch staatliche Test beglaubigen zu lassen. Kindsmutter und vermeintlicher Kindsvater sind verpflichtet daran teilzunehmen.

Ich hatte dazu auch schon einmal geschrieben:

Allerdings ist die Frage, ob sich der Staat auf diese Weise einmischen darf. Es gibt sicherlich Väter, dennen es lieber ist, es nicht zu wissen. Einen Pflichttest halte ich daher für einen sehr hohen Eingriff in die Privatautonomie, die dann eben auch Beziehungen zerstören kann. Klar kann man hier anfügen, dass ja nicht der Test die Beziehung zerstört, sondern der Umstand, dass die Frau mit einem anderen geschlafen hat, aber dennoch ist es erst einmal das Aufdrängen einer Information. Wenn ein Pflichttest erfolgt, dann sollte zumindest ein Recht des Vaters bestehen, die daraus folgende Information abzurufen oder eben nicht.

Gegen einen solchen Pflichttest spricht zudem, dass damit das genetische Profil jedes neu geboren Menschen und auch jedes Vaters in Staatshände gelangen könnte, was Datenschutz und ähnliche Probleme aufwirft. Klar wird eine Löschpflicht bestehen, aber wird man ihr auch sicher nachkommen? Zudem ist zu bedenken, dass die Vaterschaftstest eine gewisse Fehleranfälligkeit haben. Die Vaterschaft steht nicht zu 100%, sondern nur zu 99,9?% fest. Bei umfassenden deutschlandweiten Tests ist zwar die Wahrscheinlichkeit gering, aber es wird bereits aufgrund der Anzahl der Geburten pro Jahr immer wieder Fehler geben, die dann zu Beziehungsproblemen führen. Denn der Test kann eben mit einer gewissen geringen Wahrscheinlichkeit auch dazu führen, dass eine Nichtvaterschaft trotz bestehender Vaterschaft angezeigt wird.

Das Wahrscheinlichkeitsargument scheint mir nicht das Stärkste zu sein, das Argument, dass es erhebliche genetische Profile in die Hände des Staates geben könnte, halte ich hingegen nach wie vor für stark, ebenso wie die Frage, ob der Staat sich hier einmischen darf. Die Möglichkeiten sollte er allerdings unkomplizierter zur Verfügung stellen als er dies heute macht.