„Warum Frauenquoten dreifach paradox sind“

Die Personalberaterin von Boyen argumentiert im Spiegel gegen die Frauenquote und führt drei Gründe an, warum diese Paradox ist:

Die erste Paradoxie der Quote besteht also darin, dass sie Frauen abwertet, bevor sie anderen Frauen helfen kann.

Nämlich die Frauen, die es bereits nach oben geschafft haben und deren Erfolge dadurch entwertet werden, weil sie mit Quotenfrauen in einem Topf geworfen

Die zweite Paradoxie der Quote lautet daher: Sie bringt eine Segnung, die zwar alle gut finden, die aber für sich selbst kaum eine Frau haben will.

Es ist bemerkenswert, wie oft dieses Argument auftaucht und wie selten es im Feminismus und an anderer Stelle aufgegriffen wird. Frauen haben meist eine Lebensplanung, bei der immer höherer beruflicher Status, auch um den Preis einer Einschränkung der sonstigen Lebensqualität eine geringere Rolle spielt als bei Männern. Was nicht so verwunderlich, da für Männer der Wunsch nach einem hohen Status wesentlich wichtiger war, da er über den Fortpflanzungserfolg entscheiden konnte.

Das Ganze war hier schon häufiger Thema:

Ich halte das für einen sehr wesentlichen Grund, warum gerade an der Spitze, in den stressigsten und zeitaufwändigsten Positionen selten Frauen zu finden sind
Und als drittes Paradox:
Es gibt eine dritte Paradoxie, die für Ärger sorgt: Die Quote will Gleichberechtigung durch Diskriminierung erreichen. Auf der Strecke bleibt eine Menge benachteiligter Männer. Man mag nun einwenden: Was sind schon einige Ungerechtigkeiten gegen die Jahrtausende der Unterdrückung, die Frauen erdulden mussten? Leider wollen aber die wenigsten Männer ihre Karriereentwicklung makrohistorisch deuten. Was sie wollen, ist eine Gehaltserhöhung!
Wir sind eben gerade keine Lebewesen, die ihre eigenen Ziele ohne Not den Zielen der Gruppe unterordnen. Vielmehr sind wir von Genen konstruiert, die daraufhin selektiert worden sind, sich entweder in dem jeweiligen Körper oder aber dem Körper von Verwandten weitergeben zu lassen. Unselbstnütziger Altruismus nützt diesem Ziel meist nicht. Die Frauenquote erfordert bei einer kurzfristigen Umsetzung, dass Männer sehr geringe Chancen auf eine Beförderung haben. Da es keine Kollektivschuld der Männer zugunsten der Frauen gibt ist das für den einzelnen Mann ungerecht. Insbesondere wenn man hinzunimmt, dass ein wesentlich geringer Anteil der Frauen die Jobs überhaupt will. Zu dem Problem auch: „Frauenquote bedroht Männerkarrieren“
Drei Tipps hat die Autorin auch noch:
  • Frauen sollten auch unverdiente Privilegien annehmen und in dieser Hinsicht „männlich denken“
  • Karriereunwillige Frauen sollen es sich noch mal überlegen, Karriere könne Spass machen
  • Männer sollten sich, wenn sie sich diskriminiert fühlen an ihren Gleichstellungsbeauftragten (sic!) wenden und etwas dafür tun, dass sie sich an den Frauen vorbeikämpfen können

31 Gedanken zu “„Warum Frauenquoten dreifach paradox sind“

  1. Unternehmen im kapitalistischen Patriarchat zeichnen sich nicht durch Achtung der Menschen aus sonder haben nur zwei Maxime: Wachstum und Profit. Und alles was diese steigern kann wird genutzt. Folglich spielt es keine Rolle, ob die Steigerung durch Frauen oder Männer erreicht wird. Da männliches Statusdenken für Unternehmen aber auch kontraproduktiv sein kann, bieten sich heutzutage Möglichkeiten an, dieses zu unterbinden oder zumindest einzuschränken.

    Und Frauen sind eine Möglichkeit, weil sie a) auch auf den Chefetagen billiger sind; b) ihre weiblichen Fähigkeiten besser ausgenutzt werden können. Partizipieren mit dem System was ihnen aber nach wie vor die Gleichstellung verwehrt, kann für sie aber nur kontraproduktiv sein, weil sie es damit erhalten. Ein Knieschuss, den aber auch Männer machen, weil für sie das Gleiche gilt. Denn wenn sie für ein Unternehmen kontraproduktiv werden oder schon sind, werden sie eiskalt geköpft.

    Dass sie Opfer des Wachstums- und Profitdenkens sind und nicht eins durch Frauen werden, erkennen die meisten aber nicht oder wollen es nicht erkennen, weil sie ein Feindbild brauchen, damit sie ihren Frust abbauen können.

    Es ist also schlicht und ergreifend falsch, dass die Frauenquote Männerkarrieren bedroht.

    Willkommen in der Realität – Schönen Tag noch. 🙂

    • Die ersten drei Absätze stimmen (naja, fast, das „Pariarchat“ ist Quatsch). Ich bin überrascht, dass wir derselben Meinung sind. Vielleicht wird ja aus dir noch eine Kommunistin. Dann leg mal den Männerhass ab und verbünde dich mit Gleichgesinnten zum Kampf gegen das Kapital. Eine Konsequenz, die du anscheinend noch nicht ziehst, wäre, jetzt nicht für Frauenquoten einzutreten, sondern das Ende der Lohnarbeit zu fordern und es aktiv zu gestalten.

      • „Vielleicht wird ja aus dir noch eine Kommunistin.“

        Eine besondere Eigenheit zumindest dieser Art von Feministinnen ist es ja, gleichzeitig Antikommunistin und Antiliberale zu sein.

        Chapeau.

      • Was für ein unüberlegter Schnellschuss. Eigentlich hätte ich das erst posten dürfen, nachdem Lucia meine Nachfragen nicht beantwortet haben wird. Peinlich.

    • „Da männliches Statusdenken für Unternehmen aber auch kontraproduktiv sein kann, bieten sich heutzutage Möglichkeiten an, dieses zu unterbinden oder zumindest einzuschränken.“

      Wieso glaubst du, dass ausgerechnet in diesem Fall nicht die Markgesetze greifen und „männliches Statusdenken“ nicht vom Markt hinweggefegt wird?

      „Und Frauen sind eine Möglichkeit, weil sie a) auch auf den Chefetagen billiger sind;“

      Wieso sollten Frauen billiger sein? Eigentlich müssen sie in der Rechnung des Kapitals teurer sein, weil sie Kinder bekommen können, die sie betreuen müssten, und ihre Arbeitskraft somit unzuverlässiger in Anspruch genommen werden kann.

      „b) ihre weiblichen Fähigkeiten besser ausgenutzt werden können. “

      was sind „weibliche Fähigkeiten“?

      „Es ist also schlicht und ergreifend falsch, dass die Frauenquote Männerkarrieren bedroht.“

      Streich das „also“, dieser Schluß folgt nicht aus deinen Prämissen.

  2. Wir sind eben gerade keine Lebewesen, die ihre eigenen Ziele ohne Not den Zielen der Gruppe unterordnen. Vielmehr sind wir von Genen konstruiert, die daraufhin selektiert worden sind, sich entweder in dem jeweiligen Körper oder aber dem Körper von Verwandten weitergeben zu lassen.

    Die Menschen haben NUR überlebt, WEIL sie in den Anfängen GLEICHBERECHTIGT zusammengelebt haben.

    Und lass doch endlich mal die Gene aus dem Spiel, denn sie sind nicht die Ursache einer Kultur, die qua Macht- und Besitzdenken NUR Egoisten hervorbringt.

    • „Die Menschen haben NUR überlebt, WEIL sie in den Anfängen GLEICHBERECHTIGT zusammengelebt haben.“

      Im Gegenteil, schon in Steinzeitgräbern finden sich Männer mit Jagdwaffen und Frauen mit Werkzeugen zur Feldbestellung zusammen bestattet. Mal mehr wirkliche Forschungsergebnisse und weniger Ideologie bitte.

      „Und lass doch endlich mal die Gene aus dem Spiel, denn sie sind nicht die Ursache einer Kultur, die qua Macht- und Besitzdenken NUR Egoisten hervorbringt.“

      Damit es eine Kultur geben kann müssen zuerst mal Menschen da sein, in sofern kann man Kulturen garnicht ohne biologische Basis erklären.

      Halt das übliche gedankenlose Gefasel, das du immer ablässt.

      • Wo alle Menschen dank der Gnade der Göttin unsterblich waren, immer Glücklich und sowieso viel besser ^^
        Und dann kam das pöse Patriarchat und hat das alles kaputt gemacht.

        Sollen doch die Steinzeit-Feministinnen ihre Kleidung ausziehen und nakt auf dem Feld mit Steinwerkzeugen ihr Gemüse anbauen. Hält sie niemand von ab, auch das Patriarchat nicht.

      • @ Omti
        `
        *Sollen doch die Steinzeit-Feministinnen ihre Kleidung ausziehen und nakt auf dem Feld mit Steinwerkzeugen ihr Gemüse anbauen. Hält sie niemand von ab, auch das Patriarchat nicht.*

        Vorsicht mit solchen Forderungen!

        Die machen das noch und dann hamm‘ wer ein Problem.

        Meinst Du, ich will mir meine Sehnsucht nach Arkadien durch Slutwalkerinnen in Residence versauern lassen?!

        Hast Du Dir die mal angesehen?!!

    • „Die Menschen haben NUR überlebt, WEIL sie in den Anfängen GLEICHBERECHTIGT zusammengelebt haben.“

      Das könnte stimmen. Vielleicht gab es einen Urkommunismus. Gerade weil die Menschen gleichberechtigt waren, in der Not auch sein mussten, hat sich keine Gleichmacherei/Gleichstellung herausgebildet. Die Aufgaben wurden vielmehr nach den individuellen Fähigkeiten und Neigungen verteilt: Frauen eher im häuslichen/agrarischen Bereich tätig, Männer eher bei der Jagd.

      „Und lass doch endlich mal die Gene aus dem Spiel, denn sie sind nicht die Ursache einer Kultur, die qua Macht- und Besitzdenken NUR Egoisten hervorbringt.“

      Gene sind nicht alles, aber im Zusammenspiel mit einer kapitalistischen Ökonomie kommt es eben zu den bekannten Resultaten. Der Mensch kann seine partielle Determiniertheit durch die Gene nicht ablegen, aber damit intelligent umgehen. Die Opposition Altruismus–Egoismus ist keineswegs festgeschrieben, sie ist nur Ausdruck der materiellen Bedingungen. Noch bestimmt das Sein unser Bewusstsein. Die Bewegung zum Kommunismus verwirklicht die Umkehrung. Der sich seiner selbst bewusste Mensch gestaltet selbstbestimmt sein materielles Sein. (Da gab es vor ein paar Jahren mal einen Bericht, dass „egoistische“ Spinnen, die sich normalerweise in Nahrungskonkurrenz gegenseitig töten, ganz unerwartet „altruistisch“ friedlich nebeneinander lebten, weil Nahrung im Überfluss vorhanden war. Deshalb ist diese Opposition beim Menschen auch unsinnig. Menschen versuchen immer, nach ihren Interessen zu handeln, und die sind durch die Ökonomie weitgehend vorgezeichnet. Ob das nun altruistisch oder egoistisch erscheint, liegt nicht am einzelnen Menschen.)

      • @ Zhen

        *Die Bewegung zum Kommunismus verwirklicht die Umkehrung. Der sich seiner selbst bewusste Mensch gestaltet selbstbestimmt sein materielles Sein. *

        Das Sein nennt sich dann GULAG und alle sind glücklich.

        Na, dann zieh ich doch lieber zu Lucia in’s nächstgelegene Matriarchat.

        Aua!!!

        Du kommst natürlich mit, Tippse, is‘ doch klar !

      • Roslin: „Das Sein nennt sich dann GULAG und alle sind glücklich.“

        Außer diffamieren, was du nicht verstehst, kannst du wohl nichts. Informier dich lieber, anstatt solche dummen Sprüche loszulassen.

      • @ Zhen

        Ich vertraue der Empirie.
        Geschichte ist ein einziges großes Verhaltensexperiment, das aufzeigt, was funktioniert, was nicht, was erfolgreich ist, was nicht.

        Es ist keine Diffamierung, festzustellen, dass ausnahmlos jede sozialistische Wirtschaft bisher gescheitert ist, Zwangsarbeit notwendig brauchte und das unter Hinterlassung von ca. 100 Mio. Toten.

        Und Du kommst hier an und verkündest Deine frohe Botschaft, man solle es doch wieder einmal mit Sozialismus versuchen.

        Hättest Du ein realistisches Bild vom Menschen, seinen Instinkten, seinem inhärenten, nicht hinwegsozialisierbaren Egoismus, dann wüsstest Du, warum Sozialismus NOTWENDIGERWWEISE scheitern muss.

        Das ist nicht nur theoretisch zwangsläufig, nein, es ist auch noch praktisch, im Experiment, wieder und wieder, bis zum Überdruss nachgewiesen worden.

        Sozialistische Experimente scheitern, so sicher wie Matriarchate, nur viel blutiger, weil Männer sich für sozialistische Experimente begeistern können.

        Wie sagte E. O. Wilson: „Karl Marx hatte Recht, Kommunismus ist machbar, nur versuchen Marxisten es mit der falschen Spezies.“

        Wilson ist u.a. Ameisenexperte.

        Menschen sind keine Ameisen, weil jedes Individuum bestrebt ist, sich fortzupflanzen (mit wenigen Ausnahmen) und bestrebt, seinen Nachkommen/Nahverwandten die meisten/besten Ressourchen zuzuschanzen, wo immer das gefahrlos möglich ist (mit wenigen Ausnahmen), von sich selbt ganz zu schweigen.

        Weil das den Menschen nicht abtrainierbar ist, MUSS eine sozialistische Wirtschaft von einem Polizeistaat flankiert werden.

        Da aber in einem sozialistischen Polizeistaat der Egoismuss nicht abgeschafft ist, gerade auch der von sozialistischen Menschen nicht, bilden sozialistische Ordnungen die Übel des Kapitalismus in Hochpotenz aus, ohne seine Vorteile.

      • „Wilson ist u.a. Ameisenexperte.“

        Na, dann wird er ja auch Fachmann der Ökonomie sein.

        „Es ist keine Diffamierung, festzustellen, dass ausnahmlos jede sozialistische Wirtschaft bisher gescheitert ist, Zwangsarbeit notwendig brauchte und das unter Hinterlassung von ca. 100 Mio. Toten.“

        Ausnahmslos jede? Da muss immer wieder das Beispiel Chile angeführt werde, wo ein demokratischer Sozialismus von neoliberal gesinnten Militärs zusammengeschossen wurde.

        Der Witz von solchen Todesopferrechnungen ist auch immer, dass die Opfer der weißen Armee im russischen Bürgerkrieg auch immer der Gegenseite zugeschlagen werden. Und Opfer des Kapitalismus (durch Hungersnöte usw.) gibt es ja auch nicht, da der Kapitalismus ja die „natürliche Ordnung“ darstellt und die Natur ja keine Opfer produzieren kann.

      • @ Zhen

        *(Da gab es vor ein paar Jahren mal einen Bericht, dass „egoistische“ Spinnen, die sich normalerweise in Nahrungskonkurrenz gegenseitig töten, ganz unerwartet „altruistisch“ friedlich nebeneinander lebten, weil Nahrung im Überfluss vorhanden war. Deshalb ist diese Opposition beim Menschen auch unsinnig. Menschen versuchen immer, nach ihren Interessen zu handeln, und die sind durch die Ökonomie weitgehend vorgezeichnet. Ob das nun altruistisch oder egoistisch erscheint, liegt nicht am einzelnen Menschen.*

        Fällt Dir denn nicht auf, dass Dein Spinnenbeispiel gerade nicht auf den Menschen übertragbar ist?

        Spinnen werden „kommunsitisch“, wenn Nahrung im Überfluss vorhanden ist.

        Sie können sich das leisten, weil Spinnen sich nur vollfressen können, mehr geht nicht.

        Interindividuelle Konkurrenz unter Spinnen lohnte sich also gar nicht, die stellte nur Kosten dar ohne Nutzen, führte allerdings bald dazu (zuviele Spinnen, zu wenig Beute), dass bald wieder Knappheit herrschte und damit Konkurrenz.

        Beim Menschen ist der Zustand der Sattheit schon theoretisch nicht erreichbar, denn der Mensch ist NIE satt.

        Hat er genug zu essen, dann will er einen Fernseher, hat er einen Fernseher, dann will er einen Flachbildschirm usw.

        Der Mensch ist unersättlich, im Gegensatz zu Spinnen.

        Seit Menschengedenken versuchen Religionen/Philosophien, den Menschen Selbstbeschränkung zu lehren – vergebens.

        Insbesondere für Männer ist das Streben nach dem Höher/Weiter hochattraktiv, weil mehr Status unausweichlich bedeutet: mehr Frauen, jüngere Frauen, hübschere Frauen.

        Sie verbessern damit u.a. ihren Fortpflanzungserfolg.

        Denn: Frauen lieben Sieger, sind scharf auf Sieger, instinktiv, mit wenigen Ausnahmen, weil Sieger für sie und den Nachwuchs inididuell die besten Überlebenschancen bieten.

      • @ ichichich

        Das Zusammenschießen des chilenischen Sozialismus hätte man darum auch besser unterlassen.

        Nicht nur, weil es prinzipiell ethisch verwerflich ist, sondern weil dadurch auch der chilenische Sozialismus der Gelegenheit beraubt wurde, sich selbst zu runinieren.

        Allerdings hätte ich Allende ohnehin für Klug und unideologisch genug gehalten, noch rechtzeitig in Richtung Sozialdemokratie abzubiegen, bevor er gezwungen gewesen wäre, den Sozialismus polizeistaatlich zu sichern.

      • „Der Kommunismus ist deswegen un[se]rm Heiligen rein unbegreiflich, weil die [Ko]mmunisten weder den Egoismus gegen die Aufopferung noch die Aufopferung gegen den Egoismus geltend machen und theoretisch diesen Gegensatz weder in jener gemütlichen noch in jener überschwenglichen, ideologischen Form fassen, vielmehr seine materielle Geburtsstätte nachweisen, mit welcher er von selbst verschwindet. Die Kommunisten predigen überhaupt keine Moral, was Stirner im ausgedehntesten Maße tut. Sie stellen nicht die moralische Forderung an die Menschen: Liebet Euch untereinander, seid keine Egoisten pp.; sie wissen im Gegenteil sehr gut, daß der Egoismus ebenso wie die Aufopferung eine unter bestimmten Verhältnissen notwendige Form der Durchsetzung der Individuen ist. Die Kommunisten wollen also keineswegs, wie Sankt Max glaubt und wie ihm sein getreuer Dottore Graziano (Arnold Ruge) nachbetet (wofür ihn Sankt Max, Wigand, p. 192, einen „ungemein pfiffigen und politischen Kopf“ nennt), den „Privatmenschen“ dem „allgemeinen“, dem aufopfernden Menschen zuliebe aufheben – eine Einbildung, worüber sie sich Beide bereits in den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern“ die nötige Aufklärung hätten holen können. Die theoretischen Kommunisten, die einzigen, welche Zeit haben, sich mit der Geschichte zu beschäftigen, unterscheiden sich gerade dadurch, daß sie allein die Schöpfung des „allgemeinen Interesses“ durch die als „Privatmenschen“ bestimmten Individuen in der ganzen Geschichte entdeckt haben. Sie wissen, daß der Gegensatz nur scheinbar ist, weil die eine Seite, das sogenannte „Allgemeine“, von der andern, dem Privatinteresse, fortwährend erzeugt wird und keineswegs ihm gegenüber eine selbständige Macht mit einer selbständigen Geschichte ist, daß also dieser Gegensatz fortwährend praktisch vernichtet und erzeugt wird. Es handelt sich also nicht um eine Hegelsche „negative Einheit“ von zwei Seiten eines Gegensatzes, sondern um die materiell bedingte Vernichtung einer bisherigen materiell bedingten Daseinsweise der Individuen, mit welcher zugleich jener Gegensatz samt seiner Einheit verschwindet.“

        (Marx, Engels: Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 229)

      • @ichichich: „Und Opfer des Kapitalismus (durch Hungersnöte usw.) gibt es ja auch nicht, da der Kapitalismus ja die „natürliche Ordnung“ darstellt und die Natur ja keine Opfer produzieren kann.“

        Du würdest also alle die im Feudalismus verhungert sind als Opfer des Feudalismus begreifen? Alle die im Urkommunismus verhungert sind als Opfer des (angeblichen) Urkommunismus?

      • @ Robert Michel

        Ich zitiere ungerne aus der Wikipedia, aber:

        Chomsky hat entsprechend zu den „Opfern des Kommunismus“ kommentiert:

        „Critics have argued that capitalist countries could be held responsible for a similar number of deaths. Noam Chomsky, for example, writes that Amartya Sen in the early 1980s estimated the excess of mortality in India over China due to the latter’s „relatively equitable distribution of medical resources“ at close to 4 million a year. Chomsky therefore argues that, „suppos[ing] we now apply the methodology of the Black Book and its reviewers“ to India, „the democratic capitalist ‚experiment‘ has caused more deaths than in the entire history of … Communism everywhere since 1917: over 100 million deaths by 1979, and tens of millions more since, in India alone.““

        http://en.wikipedia.org/wiki/The_Black_Book_of_Communism

        Also: Spricht man von den Opfern des Kommunismus, muss man auch von den Opfern des Kapitalismus sprechen. Wenn nicht, dann nicht.

        Der Feudalismus war zu seiner Zeit die Gesellschaftsordnung, die dem Stand der Produktivkräfte entsprach. Mit dem langsamen Aufkommen der Geldwirtschaft und spätestens mit der industriellen Produktion hatte der Feudalismus sich überlebt.

        Generell halte ich eine Kommunismuskritik à la die rote Gefahr eher für uninteressant. Interessanter wäre ein Beweis oder eine Widerlegung des tendenziellen Falls der Profitrate.

        Ich habe aber kein Stalinposter an der Wand und gestehe ohne weiteres zu, dass Stalin, Mao, Pol Pot und Konsorten blutrünstige Tyrannen waren.

      • Indien ist ein ganz schlechtes Beispiel, da dort 1980 eine Politik betrieben wurde, die sich stärker an Sozialistischen denn an Kapitalistischen Ideen orientierte. Der „Stand der Produktivkräfte“ entsprach eher vorkapitalistischen Verhältnissen, dürfte man dürfte deiner eigenen Argumentation zufolge Indien in solchen Bilanzen noch nicht einmal berücksichtigen.

        Und mal ganz Grundsätzlich zu Kapitalismus und Kommunismus. Es macht Sinn von den Opfern des Kommunismus zu reden, weil der Kommunismus ein Politisches Programm war, das gewaltsam durchgesetzt wurde und dessen Implementierung zu unsäglichen Leid geführt hat. Den Opfern des Kommunismus stehen Täter gegenüber, die identifiziert werden können und die persönliche Schuld auf sich geladen haben. Der Kapitalismus hingegen ist jedoch kein politisches Programm, sondern eine Wirtschaftsordnung. Es gibt keine Personen die den Kapitalismus politisch durchgesetzt haben, er hat sich vielmehr aus den gesellschaftlichen Bedingungen des Spätmittelalters entwickelt. Wenn überhaupt müsste man von den Opfern des Liberalismus sprechen. Und da bin ich mal gespannt wie die Bilanz aussieht.

      • Ps: Was Noam Chomsky natürlich vergisst dazuzusagen ist, dass im Schwarzbuch nicht willkürlich irgendwelche Hungersnöte zusammengewürfelt wurden, sondern Hungersnöte, die aus Zwangsmaßnahmen gegen die eigene Bevölkerung resultierten.

      • @ Robert Michel

        „Indien ist ein ganz schlechtes Beispiel, da dort 1980 eine Politik betrieben wurde, die sich stärker an Sozialistischen denn an Kapitalistischen Ideen orientierte.“

        Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Klar, für einen echten Liberalen/Liberalisten (wie heißt’s genau?) ist jede staatliche Intervention Sozialismus. Kommunismus „orientiert sich“ aber nicht „stärker an sozialistischen Ideen“, sondern beinhaltet die Abschaffung von Privateigentum (an Kapital).

        „dürfte deiner eigenen Argumentation zufolge Indien in solchen Bilanzen noch nicht einmal berücksichtigen.“

        ich habe nicht gesagt, man dürfe dies oder jenes nicht berücksichtigen.

        „Es macht Sinn von den Opfern des Kommunismus zu reden, weil der Kommunismus ein Politisches Programm war, das gewaltsam durchgesetzt wurde und dessen Implementierung zu unsäglichen Leid geführt hat.“

        Vorher war der liebe Papa Zar ganz lieb zu allen seinen Kindern.

        „Den Opfern des Kommunismus stehen Täter gegenüber, die identifiziert werden können und die persönliche Schuld auf sich geladen haben.“

        Mit der Opferbilanz haben die Antikommunisten in ihrem Schwarzbuch des Kommunismus begonnen. Wenn diese sich entschieden haben, u.a. Opfer von Hungersnöten zu inkludieren, dann steht denen eben kein benennbarer Täter gegenüber.

        „Es gibt keine Personen die den Kapitalismus politisch durchgesetzt haben, er hat sich vielmehr aus den gesellschaftlichen Bedingungen des Spätmittelalters entwickelt.“

        Sehr lustig. Da ist aber die Französische Revolution ausgeklammert und nicht nur die.

      • @ ichichich

        Die Hungersnöte in der Sowjetunion und in China waren ORGANISIERTE Hungersnöte, gewollte Folge staatlicher Politik, keine Naturkatastrophen, sondern Menschenvernichtung, Klassenmord.

        Die Hungersnot in Indien war Folge der Schwerfälligkeit des Ghandisoziailismus, der staatwirtschaftlichen Konzepte der Kongresspartei, die ja erst seit den 90’er Jahren zu marktwirtschaftlichen Reformen umschwenkte, mit durchschlagendem Erfolg, genau wie in China, nicht ganz so dramatisch wie in China, weil Indien ethnisch-kulturell viel heterogener ist als der Staat der Hanchinesen.

        Es ist ein starkes Stück, intellektuell unredlich, wenn Naom Chomsky die indischen Hungertoten den Liberalen in die Schuhe schieben will, denn der Kongress war eine SOZIALISTISCHE Partei bis Anfang der 90’er Jahre

        http://en.wikipedia.org/wiki/Indian_National_Congress#Economic_policy

        In beiden asiatischen Riesenstaaten gibt es noch erschreckende Armut, aber mittlerweile auch sehr viel Reichtum, dank Marktwirtschaft und Liberalisierung.

        In ihren sozialistischen Phasen gab es NUR Armut.

        Das ist der Unterschied.

        Und Hunger.

        Politisch organisierten wie nach dem großen Sprung Maos mit seinen Hinterhofstahlwerken, die zu betreiben die Bauern verdonnert worden waren, mittels staatlichen Terrors, politisch unorganisierten wie in Indien (der Kongress war keine totalitär sozialistische Partei, eher eine Planwirtschaft favorisierende Sozialdemokratie, an indische Verhältnisse angepasst, d.h. angemessen korrupt, was die Misere noch verschlimmerte).

      • Eigentlich hatte ich präventiv das hier geschrieben, um genau so einige schwammige Diskussion zu vermeiden:

        „Generell halte ich eine Kommunismuskritik à la die rote Gefahr eher für uninteressant. Interessanter wäre ein Beweis oder eine Widerlegung des tendenziellen Falls der Profitrate.

        Ich habe aber kein Stalinposter an der Wand und gestehe ohne weiteres zu, dass Stalin, Mao, Pol Pot und Konsorten blutrünstige Tyrannen waren.“

        Jetzt kommst du im Prinzip an, nachdem ich gesagt habe: „Stalin, war ein blutrünstiger Tyrann“ und sagst mir: „Ja, aber du vergisst, dass Stalin ein blutrünstiger Tyrann war.“ – Was soll das?

        Generell gibt es eine Diskrepanz zwischen der theoretischen Grundlage (Marx) und dem real existierenden Sozialismus. „Das Kapital“ ist im wesentlichen eine Analyse des Kapitalismus. Marx hat nie ausformuliert, wie eine kommunistische Gesellschaft aussehen wird, weil er das, als Hegelianer an eine Zwangsläufigkeit des geschichtlichen Verlaufs denkend, gar nicht für nötig hielt.

        Ganz zentral ist dennoch der Eigentumsbegriff, jede Revolution eine Umwälzung der Eigentumsverhältnisse (bürgerliche Revolution: das Feudaleigentum wird abgeschafft).

        Der Chomsky-Vergleich vergleicht das kommunistische China mit dem kapitalistischen Indien, und auch mit einer sozialistischen Partei an der Spitze kommt der Kommunismus aufgrund besserer Versorgung besser weg. Du könntest also sagen: Indien war „sozialistisch orientiert“, aber offenbar nicht genug, denn das sozialistischere China produzierte weniger vermeidbare Tode.

        „Die Hungersnöte in der Sowjetunion und in China waren ORGANISIERTE Hungersnöte, gewollte Folge staatlicher Politik, keine Naturkatastrophen, sondern Menschenvernichtung, Klassenmord.“

        Darf ich an die Große Hungersnot in Irland im 19. Jahrhundert erinnern, wo die liberale Regierung eine staatliche Verteilung von Lebensmitteln als Eingriff in den Markt abgelehnt hat? War das keine organisierte Hungersnot?

    • @ Lucia

      Die Menschen haben NUR immer besser und besser überlebt, WEIL sie eine immer verfeinertere Arbeitsteilung entwickelten.

      „Frau, putz Höhle – ich mach Mammut putt.“

      So sah Gleichberechtigung in der Ugah-Ugah-Urgesellschaft aus.

      (natürlich ohne Gedankenstrich, weil…ach, das wird jetzt zu kompliziert)

      Erzähl einem Pavianpatriarchen mal was von Gleichberechtigung, der guckt Dich bestenfalls verständnislos an.

      Mit seinem Allerwertesten.

  3. Erzähl einem Pavianpatriarchen mal was von Gleichberechtigung, der guckt Dich bestenfalls verständnislos an.

    Mit seinem Allerwertesten.

    *lol* und dazu braucht man nicht mal in den Zoo zu gehen.

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