Besprechung: Heinz-Jürgen Voss: Making Sex Revisited

Ich habe „Making Sex revisited“ von Heinz-Jürgen Voss durch. Einen ersten Eindruck hatte ich ja bereits in „Heinz Jürgen Voß zu pränatalen Hormonen“ mitgeteilt. Dieser ist nicht positiver geworden.

Es heißt, dass im wesentlichen Konzepte aus dem Poststrukturalismus angewendet werden und theoretischer Konstruktivismus, Dekonstruktion, Diskursanalyse, feministische Wissenschaftskritik und Systemorginasationstheorie den Hintergrund bilden. Es handelt sich damit im wesentlichen um ein ideologisches Buch.  Voss stellt gleich auf einer der ersten Seiten dar, dass er als wissenschaftliches Mittel die Diskursanalyse wählt und dabei die gesellschaftliche Ansicht, dass es strikt männlich und weiblich hinterfragen will.

Diese Annahme selbst ist allerdings, und das ist einer der großen Kritikpunkte, letztendlich ein klassischer Strohmann, denn auch in der Gesellschaft sind Transsexuelle und männliche Frauen und weibliche Männer bekannt. Es ist der Umstand, dass man bei wahrscheinlich 99,5% der Menschen recht problemlos dem Phänotyp nach einordnen kann, der dazu führt, dass man von Männern und Frauen ausgeht und die Zwischenfälle eben sehr selten sind und daher nicht so häufig besprochen werden, der dazu führt, dass diese Zwischenfälle im Alltag eine geringe Bedeutung haben. Wenn man allerdings einen nicht eindeutigen Fall präsentieren würde, dann würde ich vermuten, dass die meisten Menschen durchaus zugeben würden, dass dieser nur schwer einzuordnen ist und eine Mischung der Geschlechter darstellt.

Voss läßt auch unklar, was seine Diskursanalyse eigentlich genau ergeben soll. Da er ja davon ausgeht, dass „Geschlecht gemacht ist“ und anspricht, dass es darum geht, wie die Geschlechter auch biologisch entstehen, scheint er ermitteln zu wollen, wo die Trennlinien zwischen Mann und Frau eigentlich verlaufen und wo die Gesellschaft sie bildet. Er zieht dabei allerdings gemäß seinem Anspruch, Biologie und Philosophie in Einklang zu bringen, und das in dem Bereich des Poststrukturalismus, der keine Fakten akzeptiert und damit auch keine biologischen Ergebnisse, keine Linie zwischen Ansichten und biologischen Stellungnahmen und Theorien, so dass es ihm wohl durchaus darum geht, hier zu Ermitteln wie Geschlecht entsteht.

Das ist allerdings mit den Mitteln der Diskursanalyse nicht möglich, wenn Biologie tatsächlich einen biologischen Ursprung hat. Eine Diskursanalyse kann ermitteln, wie Leute Fakten präsentieren und welche sie Weglassen, wie sie trotz entgegenstehender Fakten eine Meinung erzeugen und wie ein Konsenz über ein Thema geschaffen wird. Sie kann aber Fakten nicht überprüfen und damit Ergebnisse über ein Thema ermitteln, dessen Fakten nicht durch den Diskurs hergestellt werden. Es kann also beispielsweise ermittelt werden, wodurch ein gesellschaftliches Konstrukt wie der Status einer Person durch diskursive Mittel geschaffen wird, indem zB eine Heldenlegende gestrickt wird oder das obligatorische Politker-küsst-Baby-Foto gemacht wird. Es kann ermittelt werden, wie beispielsweise Gerüchte um den Geburtsort eines Präsidenten geschaffen werden oder Zweifel hieran kommuniziert werden und welcher Effekt damit erreicht werden soll. Aber es kann die Frage, wo ein Präsident geboren ist, nicht beantworten, weil dieser Fakt außerhalb des Diskurses liegt.

Daran kranken die ersten zwei  Kapitel, die den Großteil des Buches ausmachen, und damit letztendlich das gesamt Buch. In diesen ersten zwei Kapiteln legt Voss verschiedenste Theorien zu den Geschlechtern dar, historische Überlieferungen solcher Theorien, die belegen sollen, dass es keineswegs so war, dass es immer zwei Geschlechter gab. Dabei reißt er die meisten Theorien nur kurz an, es erfolgt keine sehr tiefe Beschäftigung mit diesen. Es ist eher die Anzahl der Theorien, die zu dem Umfang des Buches beiträgt. Auch hierbei verkennt er, dass die Herleitung der Geschlechter zB die Auffassung, dass eine Frau nur ein minderbegabter Mann ist, nie dazu geführt hat, dass man die Unterteilung in Mann und Frau aufgegeben hat oder üblicherweise, also von Ausnahmefällen abgesehen, Probleme mit der Abgrenzung hatte.

Die modernen Theorien zu pränatalen Hormone und ihren Einfluss auf die Entwicklung der Geschlechter, die Stelle, an der es interessant geworden wäre, handelt er dann auf einer halben Seite ab (S. 232 ), er fasst sie so stark zusammen, dass jemand, der sich in diesem Bereich nicht auskennt, sich kein Bild von diesen Theorien machen kann, nicht verstehen kann, was sie eigentlich aussagen und auf welche Argumente sie sich stützen und warum sie den wissenschaftlichen Diskurs bestimmen. Ich hatte ihn hier bereits fast vollständig zitiert.

Würde man die Diskursanalyse von Voss auf ein anderes Gebiet, in dem es um naturwissenschaftliche Fakten geht, übertragen, dann würde sich das wie folgt lesen (leicht übertrieben):

„Was der Mond eigentlich ist, ist in der Geschichte umstritten gewesen. Ein Volk nahm an, dass es sich um die Göttin X handelt, die in eine Liebesgeschichte mit der Sonne verstrickt ist. Andere nahmen an, dass es der Hintern einer dicken Frau ist. Wieder andere sahen darin eine Riss im Himmelszelt, der das Licht des Paradises durchscheinen läßt, andere einen Käseleib, der von Mäusen angekabbert wird und sich beständig erneuert…. (232 Seiten später) Erst in neuerer Zeit trat aufgrund optischer Betrachtungen und einem aus dem USA stammenden Apolloprojekt die Meinung in den Vordergrund, dass es sich um einen Erdtrabanten aus Fels handelt.“

Wer mir mit Hilfe einer Diskursanalyse ohne Hinzuziehung von Fakten darstellen kann, dass die letzte Auffassung die richtige ist, der möge dies bitte in den Kommentaren tun.

Ich hingegen bin der Auffassung, dass über eine Diskursanalyse wie oben dargestellt eine Ermittlung der Fakten gerade nicht möglich ist. Der Mond ist nicht der Hintern einer dicken Frau, er ist ein Felsbrocken, der um die Erde kreist. Alle Diskurse dieser Erde können hieran nichts ändern. Dies ergibt sich daraus, dass wir den Mond mit Teleskopen beobachtet, mit Satelliten umflogen und auf ihm Gestanden und Proben zur Erde gebracht haben. Wir haben seine Gravitationskräfte gemessen und messen sie täglich und diese in eine schlüssige Theorie eingebunden. Eine Diskursanalyse käme allenfalls dann zum Zug, wenn man darstellen könnte, dass die Fakten gefälscht sind, also das Apolloprojekt eine Lüge ist und lediglich ein diskursives Mittel war um, um den Eindruck zu erwecken, dass der Mond ein Felsbrocken und nicht der Hintern einer dicken Frau ist. Dann aber müßte man auch die Fakten analysieren und nicht den Diskurs. Die Analyse der Fakten, die einem Diskurs zugrunde liegen erfolgt nicht im Diskurs, sondern außerhalb des Diskurses.

Das erste Kapitel kann daher seinen Zweck, die Geschlechterentstehung darzustellen, nicht leisten. Es kann allenfalls den Diskurs dazu wiedergeben, ohne das dies etwas über die Geschlechterentstehung aussagt.

 Voss folgert:

„Biologisch-medizinische Theorien über Geschlecht waren und sind in Gesellschaftliche Bedingungen eingebunden…. Herausgearbeitet wurde, dass die Merkmale, die in biologisch-medizinischen Theorien als kennzeichnend für Geschlecht angesehen werden, keineswegs fest und unveränderlich waren. Sie veränderten sich mit der Entwicklung von Wissenschaft und Gesellschaft und waren auch abhängig von der verfügbaren und eingesetzten technisch-wissenschaftlichen Instrumentarium“

Das sich die Forschung entwickelt hat ist richtig und fast eine Selbstverständlichkeit. Auch hier wird aber meiner Meinung nach ein falscher Eindruck erweckt.. Denn die Geschlechterzuordnung war keineswegs Problematisch, sofern es nicht um Sonderfälle ging. Die Unterscheidung „ein Penis=ein Mann, eine Scheide= eine Frau“ ist für den allergrößten Teil eine ausreichende Vorsortierung, die nur in wenigen Fällen falsch ist. Natürlich hat sich dies später verfeinert, wie es bei Wissenschaft nun einmal so ist und die Möglichkeit Chromosomen zu erkennen etc hat da sicherlich geholfen. Aber das bedeutet nicht, dass eine Grundeinteilung besonders viel Fachwissen erfordert – wir erkennen üblicherweise recht schnell, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist, von Sonderfällen abgesehen.

Im dritten Kapitel möchte Voss den Blick auf Chromosomen und Gene lenken und die ihnen zugeschriebenen Anteile an der Ausbildung von Geschlecht in der Embryonalentwicklungdarstellen. Es geht hauptsächlich darum, wie die primären Geschlechtsorgane entstehen und er verweist dabei darauf, dass dies recht kompliziert ist. Es würden viele genetische Faktoren zusammenspielen, die keineswegs nur auf dem Y-Chromosom angesiedelt sind. Es wird das SRY-Gen behandelt und verschiedene andere Abschnitte. Dabei geht es auch um die Entwicklung des Hodens, die in der Wikipedia wie folgt dargestellt wird:

Der Hoden-determinierende Faktor (abgekürzt TDF, von engl. testis determining factor) ist ein Protein, welches von dem Gen Sex determining region of Y, kurz SRY-Gen, auf dem kurzen Arm des Y-Chromosom codiert wird. TDF bestimmt, ob sich aus der zunächst indifferenten Gonadenanlage ein Hoden zu entwickeln beginnt. Fehlt er, entsteht aus dieser ein Ovar. Seine Anwesenheit bzw. Funktionsfähigkeit ist – abgesehen von der Frage, ob eine Samenzelle mit einem Y-Chromosom oder eine solche mit einem X-Chromosom die Eizelle befruchtete – der primäre Auslöser für die Entwicklung zu einem männlichen Individuum.

Genau diese Darstellung kritisiert Voss allerdings. Es wird dargelegt, dass das SRY-Gen auch einmal nicht auf dem Y-Chromosom liegen kann und das als Beleg dafür gesehen, dass alles bei der Geschlechterherausbildung undeutlich ist. Er stellt dar, dass weitere Gene nach und vor dem SRY-Gen bei der Erstellung der Geschlechtsorgane tätig sind und diese auch bei Frauen nicht einfach passiv erfolgt, sondern bestimmte Schritte erfordert.

Hier setzt sich einer der großen Fehler aus dem ersten Kapitel fort, nämlich der Umstand, dass Voss nie darstellt, was eigentlich gegenwärtig vertreten wird. Wenn er dargestellt hätte, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern durch pränatale Hormone, insbesondere Testosteron herausgebildet werden, dazu aber erst einmal durch die Gene etwas erzeugt werden muss, was Testosteron produziert, nämlich die Hoden, dann wäre dem Leser einiges deutlicher (allerdings Voss´ Theorie schwerer zu vermitteln) gewesen. Wenn er dargelegt hätte, dass bei Personen mit einem Y-Chromoson, aber fehlerhaften Testosteronrezeptoren innenliegende Hoden gebildet werden, aber ansonsten weibliche Geschlechtsteile (mit einigen Einschränkungen), dann wäre es leichter zu verstehen gewesen, warum nur ein Teil der Geschlechtsorgane , aber nicht die gesamte Entwicklung der Geschlechtsorgane über das SRY-Gen erfolgt. Wenn er dargestellt hätte, dass die primären Geschlechtsorgane teilweise nur Umformungen von einander sind, dann wäre auch verständlich, warum bestimmte Gene bei beiden Geschlechtern in Kraft treten müssen. Voss stellt sogar in einem Nebensatz dar, dass bestimmte Gene Hormongesteuert sind, aber er will damit nur darauf verweisen, dass alles von äußeren Faktoren abhängt. Das diese Faktoren Hormone sind, die bei funktionierenden Hoden in dem einen Geschlecht in einer deutlich höheren Menge vorkommen und daher die Entwicklung bei einer Steuerung durch diese auch geschlechtsbezogen ist, verschweigt er. Er listet eine Vielzahl von Genen auf, denen eine Bedeutung bei der Geschlechtsentwicklung zugeschrieben werden, ohne die Systeme im Grundsatz zu erläutern. Häufig geht es darum, wann das SRY-Gen aktiv ist, aber was genau an dieser Stelle bewirkt wird oder wie sich dies auf seine Theorie auswirkt, ja welche Theorie er eigentlich hat und welche insgesamt noch vertreten werden, bleibt unklar. Voss scheint im wesentlichen Aufzeigen zu wollen, dass die Wege noch nicht hinreichend klar sind und das Zusammenspiel der Gene noch besser erforscht werden muss.

Er stellt dann fest, dass auch bei der Eierstockentwicklung bestimmte genetische Faktoren als notwendig erachtet werden. Aber wie sollen die Eierstöcke auch sonst entstehen? Bestimmte Gene müssen sie natürlich erstellen. Aber die Frage ist eben, wie diese aktiviert werden und ob es in diesem Zusammenhang wieder eine Steuerung durch andere Gene und Hormone gibt. Dies legt Forschung nahe, die aber von Voss nur kurz zitiert wird, weil er auf Hormone ja nicht eingeht: Bei Patienten mit CAH wurde zB nachgewiesen, dass die Gene, die Eierstöcke entwickeln nicht aktiv waren, sie war steril. CAH hat insbesondere den Effekt, dass mehr Testosteron vorhanden ist. Hier spricht also vieles für eine hormonelle Steuerung.

Voss folgert:

Für die zentrale Frage der Geschlechtsentwicklung ergeben sich die Folgerungen: Es reicht nicht aus, Chromosomen und Gene als beteiligt an der Geschlechtsentwicklung auszuweisen, sondern es gilt zu betrachten und zu untersuchen

  1. durch welche – auch äußere – Faktoren und Prozesse einzelne Gene im spezifischen Gewebe im bestimmten Maße exprimiert werden
  2. welchen Prozessabläufen die Produkte von Transkribtion und Translation unterliegen und
  3. welche Bedeutung anderen molekularen Komponenten als Genen zukommen. Außerdem ist
  4. die Abkehr von der Voraussetzung binärer Geschlechtlichkeit in Forschungsfragen und Methoden nötig
Bei dem ersten Punkt könnte es bereits helfen, wenn Voss sich mit Hormonen mehr beschäftigen würde. Bei dem letzten Punkt bin ich anderer Meinung: Es bringt nichts das Vorhandensein zweier Geschlechter zu leugnen.
Voss Abneigung gegen Hormone wird auch etwas in den folgenden Sätzen deutlich (S.306):
Für die Geschlechtsentwicklung wurden Interaktionen zwischen Embryo und maternalen Einflüssen bereits zu Beginn dieses Kapitels angedeutet. So erfolgte die als geschlechtlich bedeutsam angenommene Testosteron-Produktion zunächst angeregt durch das maternale Hormon Choriongonadotropin (hGG) (vgl. S. 243) solche Interaktionen gehören zu den Bedingungen, die die Embryonalentwicklung erst ermöglichen, und sie sind auch für die Geschlechtsentwicklung bedeutsam.
Die geschlechtlich bedeutsame Testosteronproduktion wird allerdings in dem Buch, wie bereits dargestellt, nicht weiter behandelt. Warum auch, wenn es um die Geschlechtsentwicklung geht?
Das neben der Mutter auch der männliche Fötus recht früh Testosteron produziert geht unter.Soweit ich weiß beginnt schon ab der achten Schwangerschaftswoche im Körper des männlichen Fötus die Produktion von Testosteron. Ab diesem Zeitpunkt ist der Testostonspigel bei männlichen Föten höher als bei weiblichen Föten und erreicht bis zum Zeitpunkt der Geburt den Testosteronwert eines 12-jähriger Jungen. Ein paar Monate später sinkt der Testosteronspiegel um etwa 80 Prozent ab und pendelt sich während der Kleinkindphase auf diesem niedrigen Niveau ein. Mit etwa vier Jahren verdoppelt sich dann der Testosteronspiegel wieder. All dies lässt Voss weg, geht nur auf äußere Einflüsse ein, weil das besser in seine Theorie passt. Ein männlicher Fötus ist pränatal einer wesentlich höheren Testosterondosis ausgesetzt. Und das hat seinen Einfluss auf die Geschlechtsentwicklung.

Voss führt zudem noch aus, welchen Einfluss die herrschende patriarchische Ideologie auf die Forschung hat. Dabei ist für ihn das Denken in zwei Geschlechtern an sich schon Beleg dafür, dass die Forschung ideologiegesteuert ist. Das damit die Forschung auf anderer Forschung aufbaut und diese Fakten dazu daher begründete Vorannahmen sind, blendet er aus. Er kritisiert sozusagen, dass man davon ausgeht, dass der Mond eine Felskugel, ein Erdtrabant ist, weil die Diskursanalyse doch ergeben hat, dass es auch der Hintern einer dicken Frau sein könnte.

Auch hier zeigt sich wieder, dass er die herrschenden Theorien hätte darstellen sollen, weil er sie kritisiert, ohne sie zu nennen. Die Wissenschaft gehe davon aus, dass die Entwicklung zur Frau passiv und automatisch, die Entwicklung zum Mann aber aktiv ablaufe. Das tut sie natürlich nicht. Sie geht davon aus, dass bestimmte Prozesse über Gene gesteuert sind und ein bestimmter Teil über Hormone. Ein Teil der Steuerung über Hormone erfolgt dabei so, dass bei dem Vorhandensein von Testosteron das „männliche Bauprogramm“ und bei dessen Nichtvorhandensein oder Nichtwirksamkeit das „weibliche Bauprogramm“ gewählt wird. Dies ist bei CAIS-Frauen auch gut nachzuvollziehen. Voss versucht jetzt über seine Darlegungen zu den nichthormongesteuerten GENEN nachzuweisen, dass die Steuerung bei den HORMONEN nicht passiv ist. Damit macht er aber allenfalls deutlich, dass er das System nicht verstanden hat und Äpfel mit Birnen vergleicht.

Zur Begründung verweist er des weiteren auf ein Einzelfallbeispiel, eine Studie von Nef. Da ich diese nicht vorliegen habe, kann ich zu den Einzelheiten nichts sagen, aber auch hier scheinen mir einfach die Ansätze auseinander zu gehen. Nef möchte nicht nachweisen, dass es keine Abweichung von Mann und Frau gibt. Er möchte bestimmte allgemeine Grundsätze bei Mann und Frau überprüfen.

Aus dem Umstand, dass eine komplexe Anzahl von Prozessen notwendig ist, um die primären Geschlechtsorgane zu errichten, schließt Voss, dass dies dann aufgrund der Komplexität ein nicht mehr gesteuerter, zufälliger Prozess ist. Der Schluß hat allerdings den Denkfehler, dass komplexe Abläufe gesteuert ablaufen können. Aus der Komplexität eines Vorganges läßt sich nur ableiten, dass dieser Komplex ist.

Im Folgenden wirft dann Voss ohen auf die Grundlagen näher einzugehen noch schnell ein paar Begriffe wie Epigenetik etc in den Raum und behauptet, dass diese ebenfalls eine Zufälligkeit hineinbringen. Wie diese Zufälligkeit aber aussieht und innerhalb welchen Spektrums sie sich bewegt erläutert Voss allerdings nicht. Er führt keine Studien oder zumindest Einzelfälle an, in denen ein epigenetischer Effekt statt zu einer männlichen Entwicklung zu einer weiblichen Entwicklung der Geschlechtsorgane geführt hat. Solche Effekte sind meines Wissens nach auch nicht bekannt, obwohl ansonsten entsprechende Fälle, etwa bei CAIS-Frauen etc nachhaltig untersucht werden.

Voss weist auch nicht nach, dass bestimmte gesellschaftliche Einflüsse zu einer Veränderung führen. Er behandelt eben nur einen sehr schmalen Bereich, die Geschlechtsorgane, und deutet Schwachstellen in biologischen Theorien, die aber aufgrund seiner Ausblendung der Hormone eher Strohmanntheorien sind und den tatsächlichen Forschungsstand nicht wiedergeben, an. Das biologisches Geschlecht „gemacht“ ist, gar gesellschaftlich gemacht ist, ist aus dem Buch nicht herzuleiten.

Dennoch heißt es in den Schlußfolgerungen auf Seite 313 dann:

Naturphilosophische und biologisch-medizinische Geschlechtertheorien sind eingebunden in gesellschaftliche Zusammenhänge zu betrachten. Sie werden gesellschaftlich hergestellt.

Es ist erstaunlich, dass Voss im Vorfeld bestimmte Genwirkungen darstellen kann, die er nicht in gesellschaftliche Zusammenhänge einbettet und dann ausführt, dass die Geschlechtertheorien gesellschaftlich hergestellt werden, also eine reine Konstruktion sind. Damit beraubt er seine Arbeit jedes Aussagegehalts, da sie ja auch nur einen gesellschaftlichen Herstellungsprozess abbilden. In gewisser Weise widerspricht er sich damit selbst.

Das Buch bespricht Unterschiede zwischen Mann und Frau nicht. Es geht auf die wesentlichen Unterschiede weder in körperlicher noch in psychischer Hinsicht gar nicht ein. Es stellt lediglich die irgendwann einmal vertretenen Theorien zur Abgrenzung der Geschlechter dar und macht dann Ausführungen zur Entwicklung der primären Sexualorgane, die die dazu vertretenen Theorien nicht darstellen und fehlerhaft auf sie eingehen.

Weil Voss konsequent Hormone ausblendet, kann er die Entstehung der primären Geschlechtsorgane und insbesondere die Geschlechtsentwicklung nicht nachvollziehen