Frauenquoten und daraus resultierende schlechte Aufstiegschancen für Männer

Arne berichtete über einen Bericht des Deutschlandfunk bezüglich der Auswirkungen von Quoten bzw der Frauenförderung in vielen Firmen für Männer:

Markus hat studiert, wohnt in einer deutschen Großstadt und arbeitet als Unternehmensberater. Eigentlich also hat der Ende 20-Jährige beruflich beste Chancen. Kürzlich aber hat sein Arbeitgeber eine Frauenquote eingeführt. Und das findet Markus ungerecht:

„Das ist so ein bisschen in Sippenhaft nehmen. Also weil quasi früher Frauen diskriminiert worden sind, diskriminieren wir jetzt andersherum. Und es kann natürlich immer bei einer Beförderung dann geschaut werden: Okay, die Quote haben wir noch nicht ganz erfüllt. Dann wäre das vielleicht ja doch eher besser, wenn wir eine Frau nehmen würden.“

Damit Markus in seinem Unternehmen durch diese Kritik keine Nachteile drohen, haben wir seinen Nachnamen weggelassen und seine Stimme verfremdet.

Die Quote in seiner Firma schreibt vor, dass auf der untersten Karrierestufe zu gleichen Teilen Frauen und Männer eingestellt werden. Auf höheren Ebenen sinkt die Zielvorgabe stufenweise ab, auf bis zu circa 20 Prozent. An die Umsetzung der Quote sind die Boni der Führungskräfte gekoppelt. Markus findet es grundsätzlich sehr gut, dass in seiner Firma Frauen gefördert werden. Die Quote aber werde nur zu neuen Ungerechtigkeiten führen, glaubt er:

„Ich finde das schon auch richtig, wenn die Firma da quasi wie vor der Quote agiert, mit entsprechenden Frauennetzwerken und das auch bei der Rekrutierung aktiv bewirbt. Ob das halt mit einer Quote so glücklich gelöst ist, finde ich eher nicht der Fall.“

Das ist eben das Problem einer Quote: Es gibt nur eine begrenzte Zahl neu zu besetzender Stellen und wenn mehr Frauen eingestellt werden müssen, dann müssen diese Stellen eben vorrangig mit Frauen besetzt werden, was umgekehrt bedeutet, dass für die Männer kaum noch Stellen zur Verfügung stehen.

Für „Markus“ persönlich ist das dann natürlich ein ernstes Problem.

Und das bedeutet eben auch: Langsam merken Männer die Folgen der Frauenförderung offenbar doch. Der Wiesbadener Personalvermittler Daniel Detambel betreut Führungskräfte, die zwischen 160.000 und fünf Millionen Euro pro Jahr verdienen, und erlebt das immer häufiger:

„Zunehmend muss man sagen, in den letzten Jahren kommen schon auch Männer zu uns und sagen: Naja, ich weiß, für mich geht es in dem Unternehmen nicht weiter. Weil bei uns wird das auch so offen kommuniziert, dass Frauen gefördert werden, dass ich mir einfach Alternativen außerhalb dieses Unternehmens suchen muss.“

Bisher betreffe das vor allem Führungspositionen bei großen Mittelständlern sowie das mittlere Management von Dax-Konzernen. Jene Ebenen also, wo durch die Frauenförderung der vergangenen Jahre inzwischen viele gut qualifizierte Managerinnen anzutreffen sind. Verlierer wiederum seien meist Männer um die 50 Jahre, sagt Detambel:

„Wenn man mit 50 noch nicht Vorstand oder Geschäftsführer ist, umso schwieriger wird es werden, dann diese Position noch zu erreichen. Und die merken einfach: Mir läuft die Zeit davon.“

Also Männer, die immerhin den Sprung in ein anderes Unternehmen wagen wollen, weil in ihrem Unternehmen die Stellen an Frauen vergeben werden. Und klar wird dann die Zeit knapp: Wo man sonst durchaus gute Chancen gehabt hätte zieht jetzt plötzlich eine Frau an einem vorbei

Quoten führen dabei in der Regel dazu, dass mittelmäßig qualifizierte Männer durch besser qualifizierte Frauen ersetzt werden – das zumindest zeigen Studien für den Politikbetrieb.

Leider sind diese Studien nicht verlinkt, sie hätten mich interessiert. Es ist ja eher zu vermuten, dass man an die Frauen geringere Anforderungen stellt, damit man die Quote erfüllen kann.

Das wird dann auch im folgenden Absatz deutlich:

Klingt zunächst fair. Und gegen fairen Wettbewerb mit mehr Frauen im Rennen hätte auch der Unternehmensberater Markus gar nichts einzuwenden. Er geht allerdings davon aus, dass die Quote in seinem Unternehmen nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zu neuen Verzerrungen führt. Bisher sei es nämlich so, dass viele Frauen die Firma bei der Familiengründung verließen, erzählt er:

„Wenn man bei uns quasi Zeit am Stück nehmen möchte, dann ist das einigermaßen okay, so lange es nicht zu lange ist. Aber was schwierig ist, sind solche Teilzeitmodelle wie: Ich arbeite nur drei Tage die Woche. Oder ich arbeite nur halbtags. Weil das eigentlich in dem Arbeitsmodell, das wir fahren, überhaupt nicht vorgesehen ist.“

Ich kann verstehen, dass das als unfair wahrgenommen wird. Weil die Jagd auf die bessere Stelle eben gerne mit einem Wettbewerb erkauft wird in dem man besondere Leistungen bringt, besondere Leistungsbereitschaft zeigt und besonders engagiert ist. Wenn dann jemand die Stelle bekommt, der Halbtags arbeitet und man selbst zu jeder Tag und Nacht Zeit ansprechbar war und bei wichtigen Projekten bis spät in die Nacht gearbeitet hat um alles perfekt zu haben, dann ist das natürlich nicht ganz fair.

Und das wiederum bedeutet aus Markus‘ Sicht: Wenn Frauen gehen und die Quote trotzdem erfüllt wird, müssten die Frauen, die in der Firma bleiben, quasi auf jeden Fall befördert werden. Ganz egal, ob sie besser oder schlechter qualifiziert seien als Männer. Mit dem eigentlichen Ziel, nämlich Chancengleichheit, habe das nur noch wenig zu tun, kritisiert er:

Und wenn das so ist, dann ist diese Kritik ja auch durchaus berechtigt.

„Und eigentlich war ja die Idee, wie es auch von der Firma kommuniziert worden ist, dass wir so unsere Vereinbarkeit von Familie und Beruf anpassen und verbessern, dass zum Beispiel die Frauen nicht überproportional häufig sich andere Berufsfelder suchen.“

Dass Markus mit seinem Verdacht Recht haben könnte, zeigt eine Studie der Europäischen Zentralbank. Die Bank hat kürzlich ihre Personalpolitik analysiert und festgestellt: Frauen bewarben sich dort in den vergangenen Jahren seltener auf Führungsstellen als Männer. Wurden, wenn sie sich bewarben, aber eher befördert. Das kann daran liegen, dass Frauen nur antreten, wenn sie sehr gut qualifiziert sind. Es kann aber auch Markus‘ Theorie bestätigen.

Oder Frauen bewerben sich nur dann, wenn sicher ist, dass sie die Stelle bekommen, weil sie a) sehr gut qualifiziert sind oder b) mann ihnen zugesagt hat, dass sie jedenfalls die am besten qualifizierte Frau sind und man auf jeden Fall eine Frau nehmen wird.
Dann würde beides in bestimmten Fällen zutreffen. Und es wäre immer noch eine starke Motivation auch schlechtere Frauen vorzulassen, wenn einfach deutlich weniger Frauen auf dem Markt sind, die überhaupt wollen.

Der Eliten-Forscher und emeritierte Professor Michael Hartmann weist zudem auf ein weiteres Problem hin. Damit Frauen überhaupt in Führungskreisen akzeptiert würden, müsse bei ihnen die soziale Herkunft stimmen. So lasse sich zum Beispiel in der Wissenschaft beobachten, dass Professorinnen deutlich häufiger aus Akademiker-Familien stammten als Professoren, sagt er:

Wäre gut damit zu erklären, dass Männer eher etwas von einem Statusgewinn haben als Frauen und Frauen vielleicht einfach nur eher keinen Abstieg wollen während Männer eher den Aufstieg wollen.

„Es gibt in den letzten Jahrzehnten eine kontinuierliche Steigerung der sozialen Exklusivität in diesen Positionen und wenn man sich anguckt: Die geht Hand in Hand mit einer Steigerung des Frauenanteils.“

Hartmann vermutet, dass das in der freien Wirtschaft auch so ist. Und er sagt auch: Gerade Manager aus einfachen Familien hätten es schwer, ihre Position gegenüber der neuen Konkurrenz zu verteidigen:

„Weil Arbeiterkinder schon vorher so eine kleine Minderheit waren, haben sie keine wirkliche Chance, sich aufgrund von Netzwerken wirklich durchzusetzen.“

Elitentöchter ersetzen Arbeitersöhne, das also vermutet Hartmann.

„In Interviews sage ich dann immer jetzt inzwischen provokativ: Wir bräuchten eine Arbeiterkinderquote.“

Das könnte damit zusammen hängen, dass Akademiker heute eher Akademiker heiraten und Intelligenz zu einem gewissen Teil erblich sind. Es ist aufgrund der gesunkenen schulischen Anforderungen inzwischen auch einfacher aus einem Akademikerhaushalt zu kommen.

Die Frage, an welcher Stelle Quoten legitim oder gar nötig sind, beschäftigt auch Matthias Becker. Der Sozialpädagoge ist Ansprechpartner für Männer bei der Stadt Nürnberg, also quasi ein Gleichstellungsbeauftragter mit anderem Fokus. Becker beobachtet, dass es auch für Männer berufliche Tabuzonen gibt – etwa im Erziehungsbereich, in Grundschulen oder Jugendämtern. Er stellt daher die Frage: Bräuchte es dort nicht umgekehrt Männerquoten?

„Und dann heißt es, es bewerben sich ja keine qualifizierten Männer. Hm. Woran liegt das, dass das unattraktiv ist? Also da wäre es spannend, da auch mal da Quoten einzuführen, weil da wenden sich Eltern hin und Kinder. Das sollte erst mal auch ausgewogen sein.“

Wäre ja auch mal ein interessanter Ansatz: Eine Jugendamtsquote oder eine Grundschulquote hätte etwas.

Denn dass der Männermangel allein am Gehalt liegt, glaubt er nicht. So würden Männer als Paketboten zum Beispiel auch nicht besser bezahlt. Überhaupt, sagt Becker, seien Männer mitnichten so privilegiert wie oft behauptet wird: Sie sterben im Schnitt früher, sind öfter einsam und inzwischen schlechter ausgebildet als Frauen, zählt er auf. Und: Auch Männer seien in ihrer gesellschaftlichen Rolle gefangen. So würden sie derzeit vor allem über beruflichen Erfolg definiert – mit weitreichenden Konsequenzen:

„Solange wir als Gesellschaft noch die Erwartung haben, dass Männer die Familienernährer sind, ist Karriere ganz wichtig, dann müssen Männer diese Vollzeitstellen besetzen. Dann sind eben Führungspositionen nur in Vollzeit denkbar. Und da komme ich dann in die Spirale, die das dann immer unmöglich macht.“

Immerhin mal etwas aus der Perspektive von Männern gedacht und nicht nur aus der von Frauen.
Meine Vermutung ist aber, dass man die Hoffnung, dass man eine Führungsposition als Halbtagsstelle ausüben kann, eher aufgeben sollte. Es liegt nicht nur an den Männern, es bringt eben auch eine gewisse Verantwortung mit sich und gerade auch der hohe Einsatz rechtfertig dann auch wieder ein hohes Gehalt

Becker erlebt dabei immer wieder, dass Männer mit diesem Modell keineswegs immer glücklich sind: So falle vielen Managern früher oder später auf, dass sie für ihre Karriere einen hohen Preis bezahlten, sagt er. Nur werde das bisher als „Midlife-Crisis“ verniedlicht:

„Ich kenne ganz viele Männer zwischen 50 und 60, die unzufrieden sind und sagen, jetzt habe ich gar nicht mitbekommen wie meine Kinder groß geworden sind. Ich habe zwar Karriere gemacht, aber Geld ist dann eben doch nicht alles.“

Auch etwas, was üblicherweise in der Gender Pay Gap Diskussion zu kurz kommt: Der Preis des höheren Einkommens.

Mehr Zeit mit der Familie zu verbringen, diesen Wunsch scheinen also durchaus einige Männer zu haben. Dennoch zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, DIW: Bisher nehmen nur vier von zehn Männern überhaupt eine Auszeit nach der Geburt; viele davon nur zwei Monate. Genau wie Frauen schwer in Chefetagen gelangen, scheint also für Männer der Weg zu mehr Familienzeit nicht leicht zu sein. Laut DIW liegt das teils daran, dass diese nach wie vor oft mehr verdienen als ihre Partnerinnen. Männer-Ansprechpartner Matthias Becker erlebt aber zudem, dass Männer Auszeiten oft nur schwer durchsetzen können:

„Das scheitert oft am System, aber auch an Personen, an Chefs, die da manchmal sind und sagen: Nö, das genehmige ich nicht. Bei uns wird so und so gearbeitet. Das war bei mir auch so. Ich habe mir da auch keine Sperenzchen …  man muss sich schon entscheiden: Privatleben oder eben Karriere.“

Zugespitzt gesagt sind Männer also derzeit in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite schwinden durch Frauenquoten ihre klassischen Karrierechancen. Auf der anderen Seite wird es ihnen schwer gemacht, eine tragende Rolle in der Erziehung einzunehmen – sich also mehr über ihre Familie zu definieren. Daher müsse künftig stärker über neue Rollenbilder für Männer diskutiert werden, sagt Becker. Und es brauche Vorbilder:

„Man kann zum Beispiel in der Elternzeit messen, wenn jemand aus der Führungsetage, sag ich mal, aus dem Vorstand , das macht, dass dann die Quote rapide ansteigt um ein Drittel bei den Mitarbeitern, bei den männlichen, die das dann auch in Anspruch nehmen.“

Wobei es ja dann meist die Kurzen Elternzeiten sind, etwa 2 Monate oder so. Das lässt sich noch ganz gut abfangen.