Ein neuer Hashtag wird durchs Dorf getrieben: #Stattblumen

Sally Lisa Starken, Mitglied im Bundesvorstand der Frauen der SPD und  dort stellvertretende Vorsitzende ist letztes Jahr nicht ins Europaparlament gekommen und versucht jetzt anscheinend über einen gelungenen Hashtag zusammen mit Cordelia Röders-Arnold  (“Head of Menstruation” bei einhorn, einem Berliner Start-Up für nachhaltige Kondome und Tampons und  Feministin aus vollem Herzen) etwas mehr Bekanntheit zu bekommen. Dazu haben sie einen Appell ausgearbeitet und diesen mit dem Hashtag #Stattblumen ins Rennen geschickt.

Der Appell hat ziemlich viele Allgemeinplätze und wenig konkretes:

AN DIE BUNDESKANZLERIN ANGELA MERKEL,

DIE BUNDESFAMILIENMINISTERIN FRANZISKA GIFFEY,

DEN BUNDESWIRTSCHAFTSMINISTER PETER ALTMAIER, 

DEN BUNDESARBEITSMINISTER HUBERTUS HEIL 

UND DEN BUNDESFINANZMINISTER OLAF SCHOLZ.

#stattblumen

1. STATT BLUMEN FORDERN WIR FAIRE UND ANERKENNENDE GEHÄLTER.

Pflege, Erziehung, Einzelhandel: Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung sind 75% der Beschäftigten in den als „systemrelevanten“ bezeichneten Berufen Frauen. Nicht erst seit Corona ist Fürsorgearbeit unverzichtbar. Es wird Zeit für eine Entlohnung, die der Systemrelevanz gerecht wird. Dafür verlangen wir bessere und sichere Arbeitsbedingungen, flächendeckende Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, damit Tarifverträge in jedem Unternehmen verbindlich werden und eine Anhebung des Einkommens.

Das Märchen von den 75% hatten wir hier ja bereits. Sie fordern dazu Tarifverträge, die flächendeckend sind und eine Anhebung des Einkommens.

Angesichts der Tarifautomonie können da die Politiker, die sie ansprechen allerdings wenig machen. Die Kanzlerin kann die Löhne von Arbeitnehmerin nicht anheben.Tarifautonomie bedeutet, dass Tarifverträge allein von den Tarifvertragsparteien selbst ausgehandelt werden. Eine Einflussnahme durch Regierung oder Verwaltung, Gesetzgeber und Rechtsprechung ist nicht zulässig. Vielmehr müssen staatliche Stellen ihre Neutralität wahren.

Tarifverträge können durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisation der Arbeitgeber und der Spitzenorganisation der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss für allgemeinverbindlich erklärt werden, wenn dies die Tarifvertragsparteien gemeinsam beantragen und wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint.

2. STATT BLUMEN FORDERN WIR EINE GERECHTE AUFTEILUNG VON ERWERBS- UND (UNBEZAHLTER) SORGEARBEIT. 

Solange Kitas und Schulen nicht im Regelbetrieb arbeiten, verschärft sich die Belastung in Familien jeder Konstellationen und insbesondere bei Alleinerziehenden. Die zusätzlich anfallende Sorgearbeit wird wie selbstverständlich auf die Schultern von Frauen verlagert. Das bedeutet für sie nicht nur ein akutes finanzielles Risiko, sondern kann auch berufliche Chancen beeinträchtigen. Deshalb fordern wir die Umsetzung von Entgeltgleichheit, um die Lohnlücke zu schließen, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Schulkindern, einen Rechtsanspruch auf Teilzeit – unabhängig von der Unternehmensgröße und eine partnerschaftliche Ausgestaltung des Elterngeldes sowie entsprechende Regelungen für pflegende Angehörige.

Entgeltgleichheit, ein hohes Wort. Eigentlich so nur forderbar, wenn man sich nicht wirklich mit dem Gender Pay Gap und seinen Ursachen beschäftigt hat.

Einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung kann man natürlich fordern, ein Rechtsanspruch auf Teilzeit scheint mir das ganze aber dann wieder eher zu entwerten, denn die werden dann eben überwiegend Frauen nehmen. Eine „Partnerschaftliche Ausgestaltung des Elterngeldes“ ist ja hübsch unbestimmt. Was soll das sein? Und eine entsprechende Regelung für pflegende Angehörige wäre dann eine Art anteilige Lohnfortzahlung, wenn man einen Angehörigen pflegt? Scheint mir auch eher den Gender Pay Gap zu fördern, da es ein Aussetzen einfacher macht.

3. STATT BLUMEN FORDERN WIR GLEICHBERECHTIGTE MITBESTIMMUNG.

Als die Leopoldina-Akademie erste Vorschläge für Lockerungsmaßnahmen in einer Studie veröffentlichte und vor allen Dingen für die mangelhafte Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien mit jüngeren Kindern in Kritik geriet, fiel der Blick auch auf die Expert*innengruppe: Von 26 Expertinnen, waren 24 männlich. Wir sagen: Representation matters! Wenn Entscheidungen in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft getroffen werden, dürfen Frauen nicht nur mitgemeint sein, sondern müssen auch an den Verhandlungstischen sitzen! Wir fordern Paritätsgesetze auf Bundes- und Länderebene, bessere gesetzliche Regelungen für mehr Frauen in Führungspositionen in Wissenschaft und Wirtschaft und eine Strategie, die Gleichstellung zum Querschnittsthema in allen Ressorts und bei allen Entscheidungsfindungen macht, um Frauen und marginalisierte Gruppen nicht weiter durch politische Entscheidungen zu benachteiligen.

Wäre interessant gewesen ob Repräsentation hier wirklich etwas geändert hätte. Wäre die Expertengruppe dann zu einem anderen Ergebnis gekommen? Und warum nicht einfach mit einer weiblichen Expertenrunde kontern, dann hätte man später zeigen können, wer die besseren Ergebnisse bringt oder wen die Leute überzeugender finden.

Paritätsgesetze dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sein. Und mehr Frauen in Führungspositionen ist auch so eine leere Klausel. Mit welchem Recht eigentlich? Natürlich muss Gleichstellung, nicht Gleichberechtigung“Queerschnittsthema“ in allen Bereichen sein und Frauen sind eine marginalisierte Gruppe.

4. STATT BLUMEN FORDERN WIR EINE KOPPELUNG ALLER HILFSMASSNAHMEN MIT GLEICHSTELLUNGSPOLITISCHEN MASSNAHME

Zur Überwindung der Pandemiefolgen werden finanzielle Mittel in nie dagewesenen Ausmaß mobilisiert. Damit nicht nur Frauen unter den finanziellen Folgen der Pandemie langfristig leiden, müssen die nun geschnürten Konjunkturprogramme nach einem klaren Grundsatz wirken: Dort wo der Staat fördert, wird Gleichstellung gefördert. Wir wollen, dass diese insbesondere im privaten Sektor an eine Gleichstellungsdividende gekoppelt werden: Ein individueller Auskunftsanspruch, bei dem Unternehmen offenlegen, inwiefern Frauen gerecht bezahlt, befördert und gefördert werden.

Ich hatte dazu schon einmal getwittert:

Bei den Hilfen geht es darum, dass die Wirtschaft überlebt und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Aber natürlich ist am wichtigsten, dass Frauen gefördert werden

5. STATT BLUMEN FORDERN WIR EIN RECHT AUF GEWALTSCHUTZ.

Viele Frauen* und ihre Kinder sind, insbesondere verstärkt durch Social Distancing, Gewalt ausgesetzt. Deshalb fordern wir jetzt ein Recht auf Schutz und schnelle Hilfe. Die Finanzierung von Frauenhäusern ist unzureichend. Deshalb fordern wir eine bundesweite und flächendeckende Finanzierung dieser Einrichtungen. Doch gerade jetzt, wo die Not groß ist, wird der Zugang zu Hilfesystemen oft durch verschiedene Diskriminierungsformen erschwert. Gerade geflüchtete Frauen und obdachlose Frauen, die im besonderen Maße auf Schutzräume angewiesen sind und Minderheiten, die von struktureller Gewalt betroffen sind, müssen in den Blick genommen werden.

Die These, dass es da zu gesteigerter Gewalt kommt wäre ja noch zu belegen. Aber erst einmal mehr fordern .

„Gerade obdachlose Frauen“ –> ein Klassiker.

 

6. STATT BLUMEN FORDERN WIR SEXUELLE SELBSTBESTIMMUNG.

Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Wenn jedoch ein Schwangerschaftsabbruch eine Beratung voraussetzt und Beratungsstellen in einer Krise nicht ausreichend handeln können, zeigt sich, dass die derzeitigen Regelungen zu §§ 218 und 219a die Rechte von Frauen gefährden. Wir fordern eine Streichung des § 219a StGB aus dem Strafgesetzbuch.

Dazu hatte ich auch schon mal getwittert:

Wohlgemerkt: ich habe gar nichts gegen ein liberales Abtreibungsrecht. Es kommt ja Männern durchaus zugute.

Aber es unter der Rubrik Gleichberechtigung laufen zu lassen ist schon dreist.

Unsere Forderungen betreffen alle Menschen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Benachteiligungen erfahren. Gewalt, Armut, Gefährdungen am Arbeitsplatz und massive Mehrbelastung durch zusätzliche Care-Arbeit in der Corona-Krise betreffen neben Frauen, nicht-binär geschlechtliche Personen und auch trans Männer gleichermaßen und sie werden zu oft unsichtbar gemacht und als Frauen vereinnahmt. Auch das wollen wir nicht länger hinnehmen.

„Unsere Forderungen betreffen alle Menschen (….), neben Frauen, neben Frauen, nicht-binär geschlechtliche Personen und auch trans Männer gleichermaßen“

Finde nur ich diesen Satz komisch? Irgendwie fehlen da die Männer und es klingt fast so als könne man sich da nicht vorstellen, dass Männer Menschen sind, die aufgrund ihrer Geschlechteridentität Benachteiligungen erfahren. Nur das man für sie eben keine Schutzhäuser hat, dass es unwichtig ist, ob ihre wichtigen Arbeiten gut bezahlt sind und das man ihnen mehr Rechte im „Carebereich“ zuweist, etwa über ein Wechselmodell etc, wer sollte so etwas vorschlagen?

 

Die Corona-Krise trifft uns alle, aber sie trifft uns nicht alle gleichermaßen.

Stimmt, Männer sterben überpropotional oft.

Der Blick unserer Forderungen ist explizit auf das Zusammenwirken  sowie die Verschränkung verschiedener Diskriminierungskategorien (Intersektionalität) gerichtet, denn gerade Frauen marginalisierter Gruppen, z.B. Frauen of Color, Schwarze Frauen und Frauen mit Behinderung, sind von Ungleichbehandlung betroffen. Sie arbeiten häufiger in prekären Beschäftigungsverhältnissen, Fürsorgeberufen und erleben zusätzliche Hürden beim Zugang zu bspw. Frauenhäusern oder medizinischer Betreuung. Das muss bei politischen Entscheidungen grundsätzlich berücksichtigt  werden.

Frauen of Color, Schwarze Frauen, Frauen mit Behinderungen, Frauen mit Fluchterfahrung, Frauen in prekären Arbeitsverhältnissen, Frauen ohne Krankenversicherung oder ältere Frauen benötigen in dieser Krise gezielte Aufmerksamkeit, damit ihre Belange in den Mittelpunkt gerückt werden.

Das ist dann also der Blick der Frauen-SPD. Klassischer intersektionaler Feminismus.