Der „Diversity DAX“-Index – Ist die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat ein Renditetreiber? (Gastbeitrag)

Gastbeitrag von Michael

Die Deutsche Börse möchte zusammen mit dem Beratungsunternehmen Bosten Consulting Group (BCG) und der Technischen Universität (TU) München einen „Diversity Dax“-Index kreieren, der später als Grundlage für sogenannte Indexfonds oder ETFs dienen könnte, wie im Manager Magazin berichtet wurde.

Als Basis für die Zusammensetzung des „Diversity Dax“-Indexes dienen die Daten des „BCG Gender Diversity Index 2018“. Aus der BCG Gender Diversity Studie wurden die Top 30 Unternehmen (von 100 betrachten Unternehmen) für den Index ausgewählt („Für den BCG Gender Diversity Index 2018 wurden die 100 größten börsennotierten Konzerne Deutschlands analysiert. Dabei stand sowohl die Verteilung der Geschlechter in Vorstand und Aufsichtsrat im Mittelpunkt wie auch die Vergütung der Mitglieder in beiden Gremien und nach der Diversity Gesamtbewertung gewichtet, d.h. desto höher die Bewertung je höher auch die Gewichtung im Indexportfolio. Die Unternehmen die im „Diversity Dax“ vertreten sind, sind auch entweder im DAX (große deutsche börsennotierte Unternehmen), MDAX (mittelgroße deutsche börsennotierte Unternehmen), SDAX (kleine deutsche börsennotierte Unternehmen)
und/oder im TecDax (deutsche börsennotierte „Technologiewerte“) vertreten.

Nun zeigte sich, dass in einem zwei Jahreszeitraum (März 2017 bis März 2019) der „Diversity Dax“ den DAX um rund 4,3 Prozentpunkte übertroffen hatte. In der Süddeutschen (SZ) war dazu folgendes zu lesen: „Die Deutsche Börse spielt gerade mit der Idee eines „Diversity Dax“, eines Index, für den sie die Aktien nach der Vielfalt der Manager der Unternehmen aussucht. Er hätte den normalen Dax innerhalb der vergangenen zwei Jahre um 4,3 Prozent übertroffen. Es ist beachtlich, dass der Chauvinismus der Entscheider bisher sogar ihren kapitalistischen Profittrieb übersteigt.“
Und auf Twitter las man: “Männer sind zu emotional für die Börse

Beruhen nun folgende Aussagen auf einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema oder doch eher auf dem Phänomen des “Confirmation Bias“? Also der Neigung, Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen/bestätigen

Ich möchte dabei vier Punkte zu bedenken geben:
1. Ist der Vergleich mit dem DAX fair?
Die Performance des „Diversity Dax“ wird mit der Performance des DAX verglichen. Allerdings stammen die Unternehmen/Aktien die im „Diversity Dax“ vertreten sind nicht nur aus dem DAX, sondern auch aus dem MDAX, dem SDAX und dem TecDAX.

Welche Performanz hatten diese Indizes also vom 1. März 2017 bis zum 1. März 2019:
 DAX: -3,3%
 MDAX: +5,1%
 SDAX: +9,2%
 TecDAX: +36,8%

Wie man erkennt, hatte der DAX die schlechteste Rendite in dem genannten Zeitraum. Ein Vergleich mit dem DAX lässt den „Diversity Dax“ besonders gut aussehen. Ein Vergleich mit dem DAX wäre jedoch nur redlich, wenn alle Werte aus dem „Diversity Dax“ auch aus dem DAX stammen würde und nicht auch aus den anderen Indizes.

2. Ist die Überrendite des „Diversity Dax“ überhaupt signifikant?

Der „Diversity Dax“ hat eine Überrendite von 4,3% im Vergleich zum DAX. Aber ist dieser Wert überhaupt außergewöhnlich? Wenn man rein zufällig 30 Aktien aus dem DAX, MDAX, SDAX und TecDAX zusammenstellen würde, wie viele der Portfolios würden eine bessere Rendite als der DAX aufweisen? Wie viele der Portfolios hätten eine Überrendite von mehr als 4,3% gegenüber dem DAX? Ohne eine solche Angabe ist eine Bewertung der Überrendite überhaupt nicht möglich.

3. Ein zu kurzer Zeitraum.

Um beurteilen zu können, ob der Diversity-Faktor tatsächlich eine Überrendite liefert, benötigt man Daten von deutlich mehr als zwei Jahren. Zugegeben wird eine Verlängerung der Studie auf fünf Jahre angestrebt („zufolge bietet sich auf Basis der Ergebnisse gemeinsam mit BCG und TU München eine Ausweitung der Studie auf weitere drei Jahre an, um das Konzept über einen längeren Zeitraum zu testen“ .

Aber auch ein fünf Jahres Zeitraum bleibt ein zu kurzer Zeitraum. In der Regel werden Zeiträume von deutlich mehr als 20 Jahren betrachtet, um zu beurteilen ob ein Faktor eine Überrendite produziert (siehe zum Beispiel Fama  French „The Cross-Section of Expected Stock Returns“, The Journal of Finance, 1992).

4. Ein internationaler Vergleich.
Ein recht bekannter weltweiter Aktienindex ist der „MSCI World“. Weniger bekannt ist der „MSCI World Womans Leadership Index“, welcher ein ähnliches Ziel verfolgt wie der „Diversity Dax“ (“The index aims to include companies which lead in their respective countries in terms of female representation in Board and in leadership positions”).

Wenn man nun die Performanz des „MSCI-World“ mit dem „MSCI-World Womens Leadership Index“ vergleicht, so zeigt sich im Zeitraum Mai 2016 bis März 2020, dass der „MSCI World“ eine bessere Performanz hatte als der „MSCI-World Womens Leadership Index“ (da alle Aktien im „MSCI-World Womens Leadership Index“ auch im „MSCI World“ enthalten sind, ist der Vergleich hier legitim/fair).

Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn man den „MSCI Europe“ mit dem „MSCI Europe Womens Leadership Index“ vergleicht. Der „MSCI Europe“ hat eine bessere Performanz als der „MSCI Europe Womens Leadership Index“.

Bei beiden ist der Unterschied in der Performanz jedoch noch nicht so groß, als dass man von einem eindeutigen Ergebnis sprechen könnte. Aber beide Ergebnisse stützen nicht die These, dass mehr „Women Leadership“ auch mit einer höheren Rendite korreliert.

Schluss:
Wenn man in Unternehmen/Aktien investieren möchte, die nach dem „BCG Gender Diversity Index“ einen hohen Wert aufweisen, kann ein solcher „Diversity-Dax“-Index natürlich helfen, aber ob man damit auch eine Überrendite erzielt…da wäre ich sehr skeptisch.