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Tag: 27. Mai 2020
Gender Data Gap
Ein neues Schlagwort macht gerade die Runde:
Der Gender Data Gap
Kurzgefasst ist es der Umstand, dass Produkte auf Männer zugeschnitten sein sollen und deswegen die Bedürfnisse der Frauen nicht hinreichend berücksichtigt sein sollen.
Ein Beispiel sollen Autositze sein, die eher auf Männer zugeschnitten sind, aber auch die Medizin, die Größe von Smartphones etc.
Lightyear hatte das mal hier in eine Diskussion eingestellt:
1. Warum sind Männer das Maß aller Dinge? Imagine a world where your phone is too big for your hand, where your doctor prescribes a drug that is wrong for your body, where in a car accident you are 47% more likely to be seriously injured, where every week the countless hours of work you do are not recognised or valued. If any of this sounds familiar, chances are that you’re a woman.
Crashtests, Medizinforschung, Architektur: Caroline Criado-Perez zeigt, dass weibliche Bedürfnisse in vielen Bereichen ignoriert werden. Die Folgen sind mal ärgerlich, mal lebensbedrohlich.
– https://www.spiegel.de/kultur/frauenfeindliche-alltagsnormen-warum-sind-maenner-das-mass-aller-dinge-a-00000000-0002-0001-0000-000169240337
– https://www.carolinecriadoperez.com/books
– https://orf.at/stories/3153287/2. Gender Data Gap: Fast alle Algorithmen setzen Männer als Norm und denken Frauen nicht mit:
https://time.com/collection/worlds-coolest-places-2019/5764698/gender-data-gap/
Mein Kommentar dazu war:
„Warum sind Männer das Maß aller Dinge?“
Sind sie nicht.
Und wenn sie es wären warum schlagen der Feministen eigentlich kein Kapital daraus? Da werden immer wieder gewaltige Marktlücken behauptet, aber sie werden nie genutzt. Wenn sie da recht haben, dann können sie da Milliarden machen.Könnt ihr dann ja alles der Anti Patriarchats Kriegskasse stiften, aber warum nimmt dann niemand das ja quasi auf dem Boden liegende Geld mit, welches die Patriarchaten liegen lassen?
Und das ist in der Tat eine Frage, die sich dann aus meiner Sicht stellt. Wenn Frauen diverse Produkte nicht passen, Männer das in diesem Gruppendenken nicht merken und nicht merken können, Frauen das aber auffällt, warum werden dann Frauen nicht unternehmerisch tätig und bringen massenhaft Produkte für Frauen heraus? Bei einem Smartphone ja so gesehen noch nicht mal schwierig: Das Betriebssystem stellt Google, alle Komponenten kann man zukaufen, in eine kleinere Hülle stecken, Bingo.
Aber dennoch ja mal interessant das ganze zu diskutieren:
ich greife mal ein paar Kommentare aus der Diskussion damals heraus:
Lightyear, der Contergan-Skandal ist entstanden, weil niemand schwangere Frauen als Versuchskaninchen einsetzen wollte.
Da es aussichtslos (und illegal) war, Frauen daraufhin zu befragen, ob sie schwanger sind, fand die Medizinforschung daraufhin nur mit männlichen Versuchskaninchen statt.
Sicher, man kann aus dem Dasein als Versuchskaninchen einen weiblichen NACHTEIL konstruieren.
Darf ich dir Östrogene gegen dein Herzinfarktrisiko applizieren?
Immerhin die Hälfte der männlichen Versuchskaninchen haben das überlebt.
Zu welcher Hälfte hättest du gerne gehört?Was sie sonst schreibt, ist ahnungsloser Blödsinn.
Es gilt: „In den Tabellen werden nicht nur die Durchschnittswerte, sondern vor allem das fünfte und das fünfundneunzigste Perzentil als statistische Extremwerte für die technische Gestaltung angegeben.
Bei der Körpergröße bedeuten die Hinweise:
5. Perzentil: nur 5 % sind kleiner
50. Perzentil: 50 % sind kleiner bzw. größer (Medianwert)
95. Perzentil: nur 5 % sind größer“
https://de.wikipedia.org/wiki/AnthropometrieUnd hier die Daten aus 2006:
Größe Frauen Männer
170–174 cm 17,6 % 19,2 %
175–179 cm 6,9 % 26,1 %
180–184 cm 1,8 % 23,9 %
185–189 cm 0,2 % 12,8 %
https://de.wikipedia.org/wiki/Körpergröße_eines_Menschen82% aller Männer sind größer als 1,7 m, aber nur 26,5% aller Frauen.
Gut, wollen wir mal die Mehrheitsverhältnisse klar stellen?
49% der Bevölkerung zu 82% und 51% der Bevölkerung zu 26,5% versus 49% der Bevölkerung zu 18% und 51% der Bevölkerung zu 73,5%.
40,2%+13,5% versus 8,8%+37,5% = 53,7% der Bevölkerung sind größer als 1,7 m und 46.3% kleiner.
Ist MEHRHEIT etwa das neue „frauenfeindlich“?Du willst die biologische Realität nicht wahrhaben, das es wirklich schwer ist, für diese Spannbreite etwas zu konstruieren, was beiden Geschlechtern gerecht wird.
Hier der Rest der Tabelle:
Größe Männer Frauen
<150 cm 0,6 % 0,1 %
150–154 cm 4 % 0,1 %
155–159 cm 12,7 % 0,3 %
160–164 cm 27,0 % 2,3 %
165–169 cm 29,1 % 9,0 %Mehr als die Hälfte aller Frauen ist zwischen 1,6 und 1,69 m groß, knapp die Hälfte aller Männer zwischen 1,75 und 1,84 m, zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Wert liegen 24 cm und eine Kaskade von verschiedenen Schwerpunktlagen, Länge der Extremitäten usw. usf.
Wollen wir uns nicht stattdessen wundern, dass beide Geschlechter in einen VW Golf oder whatsoever passen und beide Geschlechter gleichermaßen – laut normiertem Dummy – einen Crash-Test überleben?
Wenn ich Patriarchat gewesen wäre, dann hätten Frauen unter 1,7 m selbstverständlich keine identische Überlebenschance, denn – du wirst mir recht geben, lightyear – die dürftige Körpergröße ist ein Hinweis auf ein internalisiertes Patriarchat. Wären diese Frauen mit den adäquaten Vorstellungen zur Gleichberechtigung versehen, wären sie auch größer. D.h. im Sinne der Gleichberechtigung dürfen wir nicht aufhören, in die Evolution einzugreifen! 🙂
Ich hatte mal einen Kollegen, der kam aus einer Ärzte-Familie (Vater war Arzt, Schwester war Ärztin). Und mit dem habe ich über diesen Vorwurf gesprochen: Frau ist krank und bekommt vom Arzt / von der Ärztin eine Männer-Behandlung oder eine Männer-Medizin. Er hat mir folgendes gesagt:
– Männerbehandlung oder -Medizin gibt es in dem Sinne nicht, aber es gibt sehr wohl eine Frauen-unsensible Behandlung, also eine Behandlung / Medizin, welche die Besonderheiten der weiblichen Physiologie und Psychologie nicht in Rechnung stellt. Hier kommt es natürlich auf den genauen Befund an: Bei einer Hirnhautentzündung gibt es definitiv keine Frauen-sensible oder -unsensible Behandlung / Medizin, sondern bloß eine effektive oder aber ineffektive.
– Seinem Eindruck nach gibt es ein gewisses Desinteresse oder eine gewisse Gleichgültigkeit vieler Ärzte gegenüber Symptomen bei Frauen, die sich nicht klar diagnostizieren lassen. Sie wollen sich nicht die Zeit nehmen für solchen Beschwerden wie vielleicht-ja, vielleicht-nein – manchmal schon, aber eigentlich überhaupt nicht.
– Zudem sein Eindruck: häufig haben Ärzte gegenüber Frauen eine gewisse Scham nach bestimmten intimen Details zu Fragen. Z. B. hätten viele Frauen im Laufe des Monats undefinierbare Unterleibsschmerzen – einfach so, die können dann auch ausstrahlen. Wenn nun eine solche Frau zum Arzt geht und über bestimmte Symptome klagt, so müsste der Arzt eben auch fragen: Wann hatten Sie Ihren letzten Eisprung? Macht er aber nicht – es sei denn er ist Frauenarzt. Mein Kollege sagt, es gebe bei vielen Ärzten – Ausnahme Frauenärzte – eine Scheu, so einer Patientin als Frau zu nahe zu treten – sowas tut man einfach nicht, auch nicht in der Praxis. Die Intimität einer Frau muss respektiert werden.
So die Antwort meines Kollegen aus der Ärzte-Familie. Das ist jetzt sicher erst mal nur eine subjektive Einschätzung. Aber man könnte dieser Spur ja weiter nachgehen …
Lustig finde ich, dass da teilweise Gender Medizin genannt wird, bei der dann plötzlich biologische Unterschiede akzeptiert werden, es so dargestellt wird, als wären Männer und Frauen quasi verschiedene Wesen, bei denen die Forschung an den Männern den Frauen gar nichts bringen würde, aber dann gleichzeitig ein reiner Sozialkonstruktivismus vertreten wird.
Ich kann mir auch vorstellen, dass Produkte, die typischerweise von Frauen genutzt werden, auch eher auf Frauen zugeschnitten sind. Auch dort wird man genug Beispiele finden, wenn man sucht.
In typisch feministischer Manier scheinen mir hier auch eine Menge von Sachverhalten vermengt zu werden, bei denen man an der Berechtigung erhebliche Zweifel haben kann. Etwa die Klimaanlage. Oder eben die Smartphonegröße (dazu hatte ich auch mal einen Artikel). Bei einigen werden Unterschiede vielleicht rein technisch sein. Wie weit kann man überhaupt einen Sitz für eine sehr kleine Person sicherer machen wenn in diese auch eine große Person passen soll? Bei anderen spielen vielleicht neben dem Design vielleicht ganz andere Faktoren mit hinein, die zu abweichenden Problemen führen: Verletzen sich Frauen bei einem Verkehtsunfall vielleicht nicht wegen der Sitze häufiger schwer, sondern weil sie weniger stabil gebaut sind, eher Beifahrer sind, ungünstiger sitzen oder was auch immer?
Das Buch, welches den Gender Data Gap wohl als erstes aufgegriffen hat, war „Invisible Women“
Interessant finde ich ein in dem Artikel aufgegriffenes Beispiel, welches vermutlich aus dem Buch stammt, welches mir bekannt vorgekommen ist:
Auch der behördliche Umgang mit Schnee kann diskriminieren. Die schwedische Stadt Karlskoga hat früher im Winter zuerst die Straßen geräumt, dann die Gehwege. Die vermutlich männlichen Entscheider des Schneeräumplans fuhren ja selbst mit dem Auto ins Büro. Doch wegen der glatten Bürgersteige verletzten sich häufig Fußgänger, und unter Fußgängern gibt es überproportional viele Frauen, weil sie beispielsweise noch die Kinder in die Kita bringen. Die Verletzungen der Frauen verursachten Kosten im Gesundheitssystem. Stadtpolitikern und Behördenmitarbeitern war das nicht bewusst – ein beispielhaftes sogenanntes „Gender Data Gap“. Es fehlten Informationen über geschlechtsspezifisches Verhalten im Verkehr. Seit 2011 kehrt die schwedische Stadt nun zuerst die Gehwege.
Da gab es ja wegen dieses Räumungsansatzes auch einen Bericht, dass diese Methode zu einem ganz erheblichen Chaos und mehr Verletzungen geführt hat.
Ob das ein einmaliger Vorfall war und es sonst gut klappt ist mir aber nicht bekannt. Andere Beispiele, die in der Presse herausgegriffen worden sind:
„Männerhände sind größer und deswegen haben Frauen mehr Schwierigkeiten beim Pianospielen“
Wäre interessant die Körper- bzw Handgröße berühmter Pianisten zu vergleichen. Aber auch da wäre ja dann in der Tat ein leicht zu erobernder Markt. Ich vermute die Behauptung eines bekannten Pianisten, dass Frauen es mit ihren kleinen Händen einfach nicht bringen können, wäre aber nicht auf feministisches Kopfnicken gestoßen.
Das nächste Beispiel war, dass Sheryl Sandberg bei Google Parkplätze für schwangere Frauen eingeführt hat und vorher noch niemand darauf gekommen ist, weil die Vorstände alle männlich waren. Wobei mir das eine ziemlich amerikanische Sache zu sein scheint, in Deutschland habe ich jedenfalls noch keine Parkplätze für Schwangere gesehen, was vielleicht auch schlicht an dem besseren Mutterschutzvorschriften liegt.
Das ganze scheint mir genutzt zu werden um Frauenquoten zu fordern, denn die Idee ist, dass nur Frauen eben dafür sorgen können, dass solche Daten auch erfasst werden und die Bedürfnisse von Frauen berücksichtigt werden.
Interessanterweise wird dem Buch „The invisible Women“ welches den Gender Data Gap zum zentralen Thema hat auch dafür kritisiert zu einseitig auf Frauen zu schauen:
The book spend an ENORMOUS amount of time talking about the trials and tribulations faced by women with children quite as if, the concept of female was entirely interchangeable with mother. I got the impression that women who do not have children are quite as invisible to this author as she claims women on the whole are to most men. When the author started advocating 12 month maternity leave for mother only I gave up on it. What about those individuals with minor or moderate physical disabilities who would also benefit from parking closer to the building, and more paid time away from the job to tend to their very REAL healthcare needs, these women and men are clearly invisible to this author, I work in a hospital and from what I have observed the out of all the departments in the hospital, including outpatient surgery, the OB has the healthiest patients and one of the lowest mortality rates, so why does a two day stay in the OB garner a minimum of 6 weeks paid leave when end stage renal disease gives you four days a year tops before you have to be back to work? It sound great to say that women should have 12 months off to spend with their new children, but don’t these children have fathers wouldn’t the fathers like to spend some time with them as well? The author merrily ignores the co-workers of the new parents who are routinely „asked“ to cancel vacations sacrifice time with their families and freinds and put their personal lives on hold to contribute to this state of maternal bliss, the childless, the elderly who are past childbearing and might want to start cutting back the hours a day they work or who are already partially retired are invisible non-entities in this model that elevates motherhood to goddess like status in the workplace. This book has it’s own bias similar to that which I have observed to often in the medical profession, when it says „woman“ it means uterus, breasts, and children, and not the people who make up the female half of the population, some of whom will not have uteri, some of whom will not have breasts, and many of whom will not have young children.
Andere Kritik greift Beispiele heraus:
The first page tries to say air conditioner is sexist because officers are set to a „male“ temperature. Well newsflash women, men are hotter than you so we need less clothes. If you’re cold put more on. We can’t rip off our skin to get colder.
Und natürlich auch eine interessante und typisch intersektionale Besprechung:
TLDR: Average book suffers from exclusion of trans people.
I read this book after the author was interviewed on the podcast 99% Invisible. While overall, this book was very interesting and clearly written, it suffers from lack of inclusion of LGBT (particularly trans) identities. I did not understand while reading how someone could write a whole book on the way that gender influences life and not even mention trans people. When I researched a bit further, I discovered that the author ascribes to views of trans exclusionary radical feminism. This fact makes me doubt many of the facts presented in this book and the conclusions that the author draws from it. (Review copy and pasted from goodreads)
Und auch diese Besprechung finde ich noch ganz interessant:
I really liked that book and totally buy its premise: there is a lack of data on women and that there needs to be more sex (and race) disaggregated data and research from transport, to medicine, to tax system . etc. The world experienced by a single working pregnant woman is difficult at best. One needs to think from that vantage point. However, I am somewhat disappointed by the author’s style and cherry picking when it comes to citing research.
A case in a point is the paper on how the change in UK subsidies from male paycheck to direct payment to women impacted expenditure on children’s and women’s clothing.
Lundberg, Shelly J., et al. “Do Husbands and Wives Pool Their Resources? Evidence from the United Kingdom Child Benefit.” The Journal of Human Resources, vol. 32, no. 3, 1997, pp. 463–480”. The authors of that paper limited the analysis to families with children and concluded that households don’t pool their resources a case that Criado-Perez makes.However, a 2014 paper in the same journal “Hotchkiss, Julie L. “Do Husbands and Wives Pool Their Resources?: Further Evidence.” The Journal of Human Resources, vol. 40, no. 2, 2005, pp. 519–531” casts doubt on these claims. The author finds that during the same study period, there was an increase in spending on women’s clothing by households without children and therefore not impacted by the transfer. The author then offers alternatives explanation including female labor participation. These explanations are consistent with pooling.
In summary, this is academic cherry picking, Criado-Perez picks the citations that are aligned with her hypothesis. There is no doubt that there is a lack of data on women and that there needs to be more sex (and race) disaggregated data and research from transport, to medicine, to tax system … etc. However, the author needs to report alternative explanations rather than cherry pick the ones that fit her hypothesis.