Immerhin noch Samstag
Tag: 23. Mai 2020
Feministen, die alten Verräter, leben anscheinend auch die traditionellen Geschlechterrollen, wenn Nachwuchs kommt
Daniel Gerhardt ist entsetzt darüber, dass seine Mitfeministen bzw. „Unterstützer der feministischen Sache“ ihr eigenes privates Leben nicht politisch sehen und nicht hinreichend Opfer bringen:
Er beschreibt die dortigen Männer wie folgt:
Was gibt es über diese Twitter-Feministen zu wissen? Zunächst einmal, dass sie meine Jungs sind. Männer zwischen 30 und 40, fast alle weiß und heterosexuell. Sie haben überwiegend systemirrelevante Studiengänge abgeschlossen oder abgebrochen und arbeiten heute in der Medienbranche oder ihr nahestehenden Berufen. Sie wählen die Grünen oder gar die Linke und würden sich selbst als aufgeklärt und sensibilisiert für die Vorteile der eigenen Herkunft beschreiben. Feministen sind sie auch, wie gesagt, aber sie fänden es anmaßend, sich diesen Titel selbst zuzuschreiben. Lieber sagen sie: „Unterstützer der feministischen Sache.“
Was sie aber leider machten:
ie meisten Männer in meinem stramm auf Progressivität gebürsteten Bekanntenkreis nahmen nach der Geburt ihrer Kinder maximal das Mindestmaß an Elternzeit und kehrten anschließend unversehrt und ohne Abstriche in ihren Beruf zurück. Ein nennenswerter Unterschied zwischen ihren prä- und postnatalen Lebensumständen war für mich nicht zu erkennen. Auch in den sozialen Medien stritten sie weiterhin für das Gute und Gleichberechtigte. Ab und zu markierte ich einen ihrer Tweets zu #MeToo, Identitätspolitik oder der jüngsten Kolumne von Jan Fleischhauer mit zustimmenden Herzchen.
Wäre eigentlich ein interessantes Forschungsgebiet:
Wie leben Feministen und Feministinnen mit Kindern? Wie viele brechen mit den Rollen und welche Gemeinsamkeiten liegen dann vor?
Daniel Gerhardt kritisiert dann, dass man eher nach dem Motto „Do as i say, not as i do“ lebt und man einfach keine Opfer bringt:
Fast alle Männer, die ich kenne, begreifen sich als politische Menschen, aber nur die wenigstens davon begreifen auch ihr Dasein als Vater politisch. Ein Kind zu bekommen, sich darum zu kümmern und gemeinsam mit einer Partnerin Entscheidungen für dieses Kind zu treffen: All das scheint für die meisten mir bekannten Väter auf mysteriöse Weise abgekoppelt von sonstigen Ansichten und Überzeugungen zu geschehen. Wie sonst ist es zu erklären, dass man Gender-Pay-Gap und die überproportionale Altersarmut von Müttern für ungerecht hält, aber gleichzeitig in familiären Verhältnissen lebt, die den beruflichen Wiedereinstieg der Mutter bestenfalls auf Sparflamme ermöglichen?
Er stellt gleich erst einmal dar, dass seine Betrachtungen anscheinend nicht auf überprüfbare Fakten gestützt sind, sondern auf seiner Beobachtung beruhen:
Um Statistiken zu Teil- und Elternzeit soll es an dieser Stelle gar nicht gehen. Die sehen zwar ohnehin verheerend aus, sind aber auch wenig aussagekräftig, wenn es darum geht, welcher Einsatz tatsächlich erbracht wird. Ein Vater kann sieben Monate Elternzeit nehmen und trotzdem ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass sich seine Partnerin um alles kümmert, was einen größeren organisatorischen Aufwand erfordert. Genauso kann er in Teilzeit gehen, ohne die gewonnenen Stunden in die sogenannte Care-Arbeit zu investieren. Irgendjemand muss sich schließlich um all die Väterpodcasts da draußen kümmern.
Auch in typisch feministischer Art und Weise blendet er Frauen als Handelnde oder die Geschehnisse steuernde Subjekte vollständig aus und macht sie zu den Objekten der männlichen Partner. Er macht, sie trägt die Folgen. Ob er vielleicht auch die Folgen trägt, weil sie macht, dass wäre ja eine geradezu unfeministische Betrachtung.
Die Männer, die müssen einfach bereit sein für ihre Überzeugungen auch wirklich Opfer zu erbringen:
eins muss klar sein: Eine faire Aufteilung von Arbeits-, Betreuungs- und Freizeit ist nur mit Entbehrungen möglich. Durch einen Verzicht auf Teile der eigenen Karriere und Freiheit, den aufgrund der vorherrschenden Strukturen eben vornehmlich Väter leisten müssten. Nicht nur für einige Monate, sondern mindestens so lange, bis die Politik für Bedingungen gesorgt hat, die beiden Eltern eines Kindes die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben ohne Abstriche ermöglichen. Kühne Prognose: Wer jetzt zwischen 30 und 40 ist und voll im jobtechnischen Saft steht, wird das nicht mehr erleben.
Gleichberechtigung muss wehtun. Sie wird nur durch die Aufgabe von väterlichen Privilegien und die Bereitschaft, daraus resultierende Konsequenzen anzunehmen, möglich sein. Anders gesagt: Mancher Überflieger muss den einen oder anderen Karriereknick ertragen können – und sich außerdem darauf einstellen, beim nächsten Vorstellungsgespräch einem Personalmanager gegenüberzusitzen, der „Betreuungszeiten“ als Synonym für „Lücke im Lebenslauf“ versteht. Im Zweifel können diese vermeintlichen Lücken einen Familienurlaub kosten, das Auto, das gerade jetzt so wichtig ist, um auch mal rauszukommen, oder eine bessere und auch kindgerechtere Wohnsituation.
Die väterlichen Privilegien sind weiter zu arbeiten und keinen Karriereknick zu erleiden. Das die wenigsten Menschen überhaupt Karriere machen ist dabei egal.
Halbtags zu arbeiten und dennoch über einen Partner, der Vollzeit arbeitet, einen hohen Lebensstandard zu haben, ist auch kein Privileg, sondern schlicht Ausbeutung.
Dementsprechend zurecht verächtlich blickt der Autor auf die „Twitter-Feministen“ herunter:
Kein Wunder also, dass sich viele der oben erwähnten Twitter-Feministen schwer damit tun, Haltung und Handeln in Einklang zu bringen. Die symbolische Unterstützung für gerechte Familienbilder und Arbeitsmärkte, mit der sie großzügig um sich werfen, erfordert keinerlei Anstrengung oder gar Einbußen. Sie tut höchstens Vätern weh, die sich regelmäßig die Hornhaut vom Absende-Daumen runterhobeln. In einem durchaus jungstypischen Lattenmessen überbieten sich diese Väter und viele ihrer Zeitgenossen darin, eigene Privilegien zu benennen. Kaum ein Twitter-Streit kommt ohne diesen Zwischenschritt aus. Kaum ein User aber wagt auch den nächsten Schritt und leitet aus seinem Bewusstsein für strukturelle Vorteile ein entsprechendes Verhalten ab.
Pfui, widerlich.
Aber ja interessant, dass auch der Umbruch nicht gelingt. Es ist ja gerade bei eher lebensfremden Theorien so, dass ihre Vertreter für sich gute Gründe finden, dass sie sie selbst nicht umsetzen müssen.
Hier bietet sich an, dass sie wegen der ganzen Unterdrückung der Frau eben weniger verdient, dass sie in diesem Fall, nach Abwägung aller Privilegien und ein wenig Selbstkasteiung des Mannes einvernehmlich entschieden haben, dass sie auf eine bestimmte Weise leben („sich von den Geschlechterrollen zwingen zu lassen, dass Gegenteil zu machen ist auch keine Befreiung von den Geschlechterrollen“)
Alternativ kann man sich zb auch diese Erklärung einer strickenden Feministin anpassen:
Was bedeutet das alles letztlich für uns? Menschen wie wir, die sich politisch äussern und weiterbilden, ziehen sich aus den üblichen Handarbeitskreisen zurück. Wir haben das Bedürfnis, uns abzugrenzen und zu rechtfertigen dafür, dass wir stricken oder spinnen. Für uns als Feministinnen ist Handarbeit auch immer politisch. Es kostet uns vielfach immer noch Überwindung, aber wir setzen uns bewusst in der Öffentlichkeit oder gar auf politischen Veranstaltungen hin und stricken oder spinnen. Wir wollen zeigen, dass das keine Widersprüche sind und dass “trutschige Hausfrauenarbeit” Handwerk ist. Andersrum lassen auch wir uns an manchen Tagen von den vorherrschenden Geschlechterbildern einschränken und bringen nicht die Kraft auf, mit Stereotypen zu brechen. Das sind die Tage, an denen wir in der Bahn lieber das Sachbuch als das Strickzeug auspacken, damit wir nicht wieder erklären müssen: “Ich stricke, aber…”
Jedenfalls sind irgendwie die Männer und das Patriarchat schuld.
Die Möglichkeit, überhaupt Entscheidungen treffen zu können, ist das wahrscheinlich größte Privileg, mit dem die Väter aus meinem Bekanntenkreis mehrheitlich ausgestattet sind. Viele der Fragen, um die der vorliegende Text kreist, stellen sich für die meisten Familien erst gar nicht – weil ihnen die Beantwortung ohnehin durch ökonomische Realitäten abgenommen würde. Gerade deshalb sollten sich Väter, die es können, aus jener symbolischen Unterstützung heraustrauen, die sie ihrem Twitter-Feed gönnen und ihren Partnerinnen zumuten. Wer dem eigenen progressiven Anspruch gerecht werden will, muss seine persönlichen Entscheidungen auch als politische begreifen. Alles andere sind nur Likes und Lebenslügen.
Mit dem letzten Satz hat er letztendlich Recht. Wer beständig Privilegien und toxische Männlichkeit bekämpft, der sollte nicht vor sich selbst halt machen.
Aber man selbst ist eben doch immer etwas anderes.