Gastbeitrag zum Blogjubiläum: „Alles Evolution“ und ich (Anne Nühm)

Gastbeitrag zum Blogjubiläum von Anne Nühm

Als Ausdruck meiner Wertschätzung für das jetzt seit zehn Jahren bestehende Blog „Alles Evolution“ habe ich meine Erfahrungen damit und einige weitere Gedanken zusammengeschrieben.

Wie die allermeisten Menschen hierzulande bin ich im Glauben aufgewachsen, dass in unserer Gesellschaft Frauen benachteiligt seien. Mal ehrlich – wem von euch ging es nicht so? In sämtlichen  Medien wird man immer wieder und ausschließlich mit entsprechenden Behauptungen überschüttet. Da existiert kaum ein Hinweis, der Zweifel wecken würde.
Ich selbst merkte von solchen Benachteiligungen allerdings nichts. Ich kümmerte mich halt um meinen eigenen Kram, und scherte mich normalerweise nicht um das Wirken von Feministinnen. Ich erkannte ihre Berechtigung aber implizit an, denn schließlich verdankten wir Frauen ihnen doch z.B. das Wahlrecht. Ihre Forderungen sollten nur für eine ausgleichende Gerechtigkeit sorgen. Oder so ähnlich.

Dann – ihr erinnert euch sicher – gab es 2013 diesen medialen #aufschrei um das Dirndlgate des Politikers Rainer Brüderle. Mir erschien die Empörung darüber massiv übertrieben, die Brüderle schließlich die Karriere kostete.
Um diese Zeit herum war auch die Etablierung von Frauenquoten ein feministisches Ziel. Es war mir unverständlich, dass das Geschlecht ein wichtigeres Kriterium als Qualifikation und Eignung einer Person sein sollte.

Das waren die aktuellen feministischen Themen, die den Zeitgeist prägten, als ich im Frühjahr 2014 auf „Alles Evolution“ stieß.
Damals war es beim WordPress Reader noch Usus, dass auf der Seitenleiste zwei oder drei Blogs empfohlen wurden. Ich selbst bloggte damals noch auf einer anderen Plattform, hatte aber einen Account bei WordPress, auch weil ich die Augen offen für interessanten Lesestoff in anderen Blogs hielt.
Als ich etwas von „Evolution“ las, war mir das einen Klick wert. Es ging um Geschlechterthemen, auch Sex, was mich sehr interessierte. Ich folgte also dem Blog, und begann, regelmäßig erst mal nur mitzulesen.

Es wurden manchmal auch Themen behandelt, zu denen ich vorher noch keinerlei Bezug gehabt hatte, beispielsweise Väterrechte. Nach und nach eröffnete sich mir eine ganz neue Sichtweise. Immer öfter musste ich zugeben, dass an den Aussagen von Maskulisten (ein ganz neuer Begriff, von dem ich vorher nie gehört hatte), doch zumindest etwas dran war, und dass viele ihrer Anliegen durchaus nachvollziehbar waren.
Es gab damals bereits eine große Zahl aktiver Kommentatoren. Die Diskussionen waren zumeist lebhaft, insbesondere im Kontrast zu meinem eigenen kleinen Blog, bei dem es weit ruhiger zuging.
Einige dieser Kommentatoren gibt es hier immer noch, viele andere sind jedoch verschwunden, dafür sind aber wieder etliche neue hinzugekommen.
Insbesondere diskutierten damals auch noch mehrere Feministinnen häufig mit. Von dieser Seite her kommt inzwischen kaum noch etwas.

Nach vielleicht zwei Wochen reinen Mitlesens begann ich dann, selbst zu kommentieren.
Ich kann nicht behaupten, dass meine ersten Schritte in dieser für mich neuen Community einfach gewesen wären. Es gab da wohl ein paar Missverständnisse, und ich ging damals halt doch noch recht ahnungslos an die Sache heran.
Nachdem ursprünglich meine Einstellung zum Feminismus recht gleichgültig gewesen war, trugen die Diskussionen mit Feministinnen keinesfalls dazu bei, mir diese Ideologie sympathischer zu machen.

Dem Blog „Alles Evolution“ ist gelegentlich in diffamierender Absicht vorgeworfen worden, dass hier frauenfeindliche Meinungen vertreten werden. Dem kann ich nicht zustimmen.
Es gibt hier unter den Kommentatoren eine große Meinungsvielfalt, bei der halt auch mal etwas „speziellere“ Ansichten dabei sind. Für diese gibt es aber keinen Konsens. Üblicherweise wird ihnen widersprochen. Manchmal will man Trolle auch nicht füttern und ignoriert sie.
Es kommt auch vor, dass manche Aussagen übermäßig pauschalierend sind. Da sehe ich durchaus Verbesserungsbedarf. Andererseits weiß ich selbst, wie lästig es werden kann, in jedem zweiten Satz betonen zu müssen, dass eben nicht „alle“ gemeint sind. Ein gewisses Verständnis statistischer Verteilungen sollte man haben.

Für neue Kommentatoren kann es schwiergig sein, hier Fuß zu fassen. Aber es geht.
In der Zeit, in der ich „Alles Evolution“ lese, habe ich wiederholt beobachtet, dass „alteingesessene“ Kommentatoren Neulinge recht heftig angingen, wenn diese sich vielleicht nur ungeschickt ausgedrückt hatten. Bei einigen betroffenen Kommentatorinnen mag dadurch der Eindruck entstanden sein, sie würden aufgrund ihres Geschlechts angegriffen. Aber dem ist nicht so. Weibliche Sichtweisen sind stets willkommen.
Vermutlich haben es Männern, die in femistischen Blogs mitdiskutieren wollen, viel schwerer, als ebenbürtige Gesprächspartner akzeptiert zu werden – sofern ihre Kommentare überhaupt freigeschaltet werden.
Wer sich durchdacht und fundiert äußert, dem wird auch mit Respekt begegnet. Wer jedoch nur substanzlose Phrasen bringt, ist Lichtjahre (den kleinen Seitenhieb konnte ich mir jetzt nicht verkneifen, obwohl ich sonst keine Namen nennen wollte) davon entfernt, hier Zustimmung zu finden.

Seit zehn Jahren gibt es jetzt „Alles Evolution“. Seit gut sechs Jahren verfolge ich seine Beiträge, und möchte sie nicht mehr missen.
Mein besonderer Dank geht an Christian als Blogbetreiber. Jeden Tag stellt er unermüdlich mindestens ein neues Thema zur Diskussion, häufig mit weiterführenden Links und stichhaltigen Belegen. Mit bewundernswerter Geduld bleibt er auch nach gezielten Provokationen sachlich. Seine tolerante Moderationspolitik ist ebenfalls zu loben. Bei den regelmäßigen Selbermach-Tagen bietet er seinen Lesern die Möglichkeit, selbst Themen einzubringen, wodurch das Blog zu einer umfassenden Informationsquelle bezüglich Geschlechterthemen geworden ist.
Ebenso bedanken möchte ich mich bei den vielen engagierten und kenntnisreichen Kommentatoren, die immer wieder konstruktive, hilfreiche Anmerkungen und Erläuterungen schreiben. Ohne das breite Spektrum an Diskussionsbeiträgen – oft auf anspruchsvollem,  intellektuellen Niveau – wäre „Alles Evolution“ nicht zu dem zentralen Forum in der deutschsprachigen „Mannosphäre“ geworden.

Ich freue mich darauf, auch in den kommenden Jahren noch hier lesen zu können. Im Rückblick bin ich froh, dass ich hierhergefunden habe. Dieses Blog hat mir viele Denkanstöße gegeben, und damit geschafft, meine Einstellung zu manchen Dingen zu verändern. Es wäre schön, wenn es mehr derartige, unabhängige Medien gäbe, die die Meinungslandschaft bereichern.
Zum 10-jährigen Blogjubiläum wünsche ich „Alles Evolution“, dass es weiterhin hochleben, wachsen und gedeihen möge.