Wichtige Figuren in der Game Theory

Es wurden in einem Tweet die folgenden Punkte als mit die wichtigsten  Punkte aus der Spieltheorie aufgeführt, die immer wieder auftauchen. Ich bespreche sie daher hier einfach mal (auch wenn ich einige gar nicht so direkt der Spieltheorie zuordnen würde, aber es kann trotzdem interessant sein, sie zu besprechen)kooper

 1. Prisoner’s Dilemma

Wurde hier schon häufiger diskutiert:

Zwei Gefangene werden verdächtigt, gemeinsam eine Straftat begangen zu haben. Beide Gefangene werden in getrennten Räumen verhört und haben keine Möglichkeit, sich zu beraten und ihr Verhalten abzustimmen. Die Höchststrafe für das Verbrechen beträgt sechs Jahre. Wenn die Gefangenen sich entscheiden zu schweigen (Kooperation), werden beide wegen kleinerer Delikte zu je zwei Jahren Haft verurteilt. Gestehen jedoch beide die Tat (Defektion), erwartet beide eine Gefängnisstrafe, wegen der Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden jedoch nicht die Höchststrafe, sondern lediglich vier Jahre Haft. Gesteht nur einer (Defektion) und der andere schweigt (Kooperation), bekommt der Geständige als Kronzeuge eine symbolische einjährige Bewährungsstrafe, der andere bekommt die Höchststrafe von sechs Jahren Haft.

Am günstigsten ist es also, wenn keiner gesteht. Da beide aber nicht wissen, was der andere macht, riskieren sie damit auch die ungünstigste Variante. Der andere gesteht, sie nicht, dann erhalten sie die Höchststrafe und der andere ist fein raus. Sie können das Risiko vermindern, wenn sie auch gestehen, dann bekommen sie entweder die mittlere oder die geringste Strafe.

Die Mafia versucht das Problem zu lösen, indem sie einen Ehrenkodex ausgibt und diesen damit unterstützt, dass Verräter umgebracht werden (was die Polízei mit Zeugenschutzprogrammen kontert)

Das Prisonersdilemma ist bei jeder Form der Zusammenarbeit wichtig und insbesondere auch dann, wenn man die Entstehung der Kooperation verstehen will, bei der das Spiel häufig nicht einmal gespielt wird, sondern mehrmals.

2. Race to the Bottom

In der Spieltheorie lässt sich ein race to the bottom als Version des Gefangenendilemmas beschreiben. Es stellt alle Handelnden insofern vor ein Dilemma, als dass es sich für den einzelnen Akteur nur dann lohnt zu kooperieren, wenn er sicher sein kann, dass alle anderen auch kooperieren; sobald ein Einzelner davon ausgeht, dass die anderen nicht kooperieren – etwa weil es keinen institutionalisierten Kooperationsdruck gibt –, ist es für ihn lohnender, ebenfalls nicht zu kooperieren und stattdessen den Abwärtswettlauf zu beschleunigen, indem er seinerseits Standards unterbietet. Anders formuliert stellt sich das Dilemma so dar: Die individuell vorteilhafter erscheinende Handlungsoption – nicht kooperieren – erzeugt am Ende ein für alle Handelnden unvorteilhafteres Ergebnis: Man trifft sich am Ende am „bottom“, beim kollektiv schlechtestmöglichen Ergebnis.

Auch Aufrüstungswettläufe zwischen Staaten oder die Ausbreitung von privatem Waffenbesitz in einer Gesellschaft lassen sich als race to the bottom beschreiben. Institutionalisierte Kooperation würde das bestmögliche Ergebnis erzielen: Ein Rüstungskontrollabkommen verhindert auf beiden Seiten ruinöse Ausgaben für Waffenarsenale, strenge Waffengesetze erzeugen eine niedrigstmögliche Zahl von Toten durch Schußwaffen. Wenn aber die einzelnen Akteure unsicher sind, ob die anderen Akteure auch kooperieren, weil es keinen institutionalisierten Druck zur Kooperation gibt, werden sie ebenfalls nicht kooperieren mit dem schlechtestmöglichen Ergebnis für alle: Die Gefahr eines nuklearen Holocaust, der Ruin ganzer Wirtschaftssysteme durch exzessive Rüstungsausgaben oder ein maximales individuelles Sicherheitsrisiko durch eine epidemische Verbreitung von Feuerwaffen

Das Race to the Bottom entsteht dabei immer, wenn sich zwei in einer Sache überbieten wollen, damit aber insgesamt die Lage immer schlechter wird. Meiner Meinung nach passt das auch gut zum intersektionalen Feminismus, der immer noch auf der Suche nach einer weiteren tieferen Ebene der Benachteiligung und des korrekteren Verhaltens ist um den anderen in politischer Korrektheit oder schlicht im Virtue Signalling überbieten zu können, damit aber gleichzeitig einen lächerlich hohen Standard des „Richtigen“ ermittelt, der so alles sexistisch, rassistisch, falsch sein lässt.

3. Free Rider Problem / Tragedy of the Commons / Collective Action

Tragik der Allmende (engl. tragedy of the commons), Tragödie des Allgemeinguts, Allmendeklemme oder Allmendeproblematik bezeichnet ein sozialwissenschaftliches und evolutionstheoretisches Modell, nach dem frei verfügbare, aber begrenzte Ressourcen nicht effizient genutzt werden und durch Übernutzung bedroht sind, was auch die Nutzer selbst bedrohen.

Das Beispiel ist eine Wiese, auf der Hirten ihre Tiere weiden lassen. Würden dies alle im vernünftigen Rahmen machen bliebe genug Zeit, das Gras nachwachsen zu lassen. Gleichzeitig hat aber jede einzelne einen Vorteil davon, dass er seine Tiere mehr Gras fressen lässt und sich die anderen zurücknehmen.

Auf eine andere Ebene übertragen geht es darum, dass Leute eine bestimmtes Ziel für die Allgemeinheit erreichen wollen (die Allmende soll von allen genutzt werden können), aber keiner die Kosten tragen möchte (jeder möchte nicht derjenige sein müssen, der sich zurückhält, sondern der, der möglichst viel mitnimmt).

Es kann beispielsweise auf das Problem übertragen werden, dass viele Frauen gerne mehr Frauen in den Spitzenpositionen sehen würden, weil sie sich davon eine Verbesserung der Stellung der Frau erhoffen, aber nur sehr wenige bereit sind, die Frau zu sein, die dafür eine 70 Stunden Woche auf sich nimmt, Kinder zurückstellt etc.

Das Trittbrettfahrerproblem oder die Free Rider Problematik geht in die gleiche Richtung: Wann immer etwas erreicht werden soll, was allen nutzt, muss es letztendlich durch bestimmte Personen umgesetzt werden. Wenn es aber umgesetzt ist, dann können es auch die Nutzen, die es nicht umgesetzt haben. Auch hier geht es also um Kostenvermeidung.

Das Problem hat natürlich jede große Gesellschaft. Die Frage, wer Trittbrettfahrer ist oder nicht wird von vielen anders interpretiert. So blicken die Armen auf die Reichen und werfen ihnen vor angesichts ihrer Leistungsfähigkeit zu wenig zu tun. Und die Reichen verweisen darauf, dass sie dank Progression der Steuer wesentlich mehr abgeben als die Armen. HartzIV Empfänger sind diesem Vorwurf ausgesetzt und die Flüchtlingsdebatte ließe sich auch wunderbar unter diesem Stichwort besprechen: Ein Wirtschaftsflüchtling, der selbst nicht arbeitet (nicht arbeiten darf), dafür aber staatliche Leistungen kassiert, ist im Verständnis vieler ein Trittbrettfahrer und Leute die zulassen, dass jemand ein Trittbrettfahrer ist, der noch nicht einmal zur eigentlichen Gruppe gehört und sich dann noch nicht einmal an die Regeln der Gruppe hält, verstoßen gegen die Gruppeninteressen.

Die Trittbrettfahrerproblematik und die Tradegy of the commons ist auch ein Grund, aus dem Heraus der Kommunismus nicht klappen wird, sowohl in der Form des Staatskommunismus als auch (oder sogar erst recht) in der Form des anarchischen Rätekommunismus:  Die Staatsform lädt dazu ein, Trittbrettfahrer zu haben und muss diese daher kontrollieren und bestrafen, sie lädt aber auch dazu ein, dass Leute sich mehr vom öffentlichen Gut nehmen als gut wäre, gerade weil alles öffentliches Gut ist und ein anderer Weg dazu nicht bereit steht.

4. Zero Sum vs. Non-Zero Sum

Ein wichtiger Unterschied gerade in der Geschlechterdebatte.

In Zero-Sum-Spielen gibt es einen festen Gewinn und es geht darum, welche Gruppe wieviel davon bekommt. Was die eine Gruppe gewinnt  muss die andere Gruppe verlieren, das Produkt ist immer Null.

Der Feminismus sieht üblicherweise das Verhältnis der Geschlechter als Nullsummenspiel an, in dem um Macht gekämpft wird. Gegenwärtig haben sie die Männer und die Frauen müssen sie ihnen wegnehmen, wenn sie selbst welche haben wollen

Ein Non-Zero-Sum Spiel ist hingegen ein Spiel, bei dem das Produkt der Zusammenarbeit größer ist als das, was ein Einzelner Gewinnen könnte.

Das ist das Modell der klassischen modernen Industriegesellschaft: Wenn ein Produkt aus den Komponetnen A und B besteht, dann kann es besser sein, wenn Gesellschaft 1 nur die Komponente A baut und Gesellschaft 2 nur die Komponente B, dafür aber beides sehr gut und mit niedrigen Kosten als das beide beide Komponeten herstellen.

Eine funktionierende Partnerschaft zwischen Mann und Frau kann für beide ein Non-Zero-Sum-Spiel sein, weil sie Arbeitsteilung betreiben.

5. Externalities / Principal Agent

Dabei geht es darum, dass in einem Spiel zum einen bestimmte Punkte der anderen Seite nicht bekannt sind, zum anderen aber auch darum, dass verschiedene Akteure eigene Interessen haben, die nicht mit den Interessen anderer übereinstimmen müssen.

Als externen Effekt (auch Externalität) bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre die unkompensierten Auswirkungen ökonomischer Entscheidungen auf Unbeteiligte, also Auswirkungen, für die niemand bezahlt oder einen Ausgleich erhält.[1] Sie werden nicht in das Entscheidungskalkül des Verursachers einbezogen. Volkswirtschaftlich gesehen begründen sie eine Form von Marktversagen und können staatliche Interventionen notwendig werden lassen. Negative externe Effekte werden auch als externe oder soziale Kosten, positive als externer Nutzen oder sozialer Ertrag bezeichnet. Extern heißt dabei, dass die Effekte (Nebenwirkungen) eines Verhaltens nicht (ausreichend) im Markt berücksichtigt werden

Ein Beispiel ist Müll, der bei einem Industrieprozess anfällt und an die Umwelt abgegeben wird als negative Kosten. Diese erscheinen dem Produzenten vielleicht unvermeidbar, er muss  sie in Kauf nehmen, um den Prozess durchzuführen, während die Kosten alle tragen.

Vielleicht könnte man als Beispiel auch anführen, dass die linke Politik als negativen externen Effekt eben auch zu einem Entstehen neuer rechter Parteien und besserer Wahlergebnisse für diese geführt hat.

Die Prinzipal-Agent-Theorie geht von Wirtschaftssubjekten aus, die in ihrer Entscheidungsfindung eingeschränkt sind, etwa durch asymmetrische Informationsverteilung. Sie verfügen nur über unvollständige Informationen, wenn sie das Handeln anderer beurteilen sollen.

Ferner wird den Beteiligten Opportunismus unterstellt. In einer weiten Definition liegt eine Prinzipal-Agent-Beziehung vor, sobald das Wohlergehen einer Partei (Prinzipal) von den Handlungen einer anderen Partei (Agent) abhängig ist.[1] Nach enger Definition gibt es einen Auftraggeber (Prinzipal), der einen Auftragnehmer (Agent) im gegenseitigen Einvernehmen gegen Entlohnung mit einer Aufgabe betraut. Da die beiden unterschiedliche Ziele verfolgen können, kann es zu Konflikten kommen.

Zudem werden Risikoneigungen berücksichtigt: Prinzipiell ist auf beiden Seiten Risikoneutralität, Risikoaversion oder Risikofreude möglich. Dies hängt von den Charaktereigenschaften und der jeweiligen Situation der Akteure ab.

Der Prinzipal beauftragt den Agenten in der Hoffnung, dass dieser seine Aufgabe im Sinne des Prinzipals erledigt. Er kann jedoch das Engagement und/oder die Qualitäten seines Agenten nur mit Einschränkungen erkennen und sieht – wenn überhaupt – nur das Ergebnis von dessen Bemühungen. Demgegenüber hat der Agent einen Informationsvorsprung, da er die eigene Qualität besser kennt und das eigene Verhalten selbst festlegen und entsprechend gut beurteilen kann. Er wird diese Informationsasymmetrie zu Ungunsten des Prinzipals ausnutzen, wenn dies seinen eigenen Zwecken dienlich ist (Moral Hazard und Drückebergerei).

Wissensunterschiede spielen ohnehin eine große Rolle in der Spieletheorie.

Weiß er, dass ich weiß, dass er weiß, dass ich weiß etc. kann zu einer Vielzahl von verschiedenen Handlungsoptionen einladen.

Dieses verschiedene Wissen kann sich natürlich auch aus den jeweiligen Rollen ergeben.

Das obige Problem ist ein Problem jeder Arbeitsteilung und kann damit auch bei den Geschlechtern zutreffen. Der Handelnde kann gegenüber dem, für den er handelt einen Vorteil haben, einfach weil er eher weiß, wie er handelt.

6. Diminishing Returns

Das Ertragsgesetz (auch Gesetz des sinkenden Grenzertrags) ist ein wirtschaftswissenschaftliches Modell, das die Relation von Einsatz (Input) und Ertrag (Output) beschreibt, wenn ein Faktor verändert wird und alle anderen gleich bleiben (partielle Faktorvariation). Es wurde ursprünglich von Anne Robert Jacques Turgot für die Landwirtschaft als Bodenertragsgesetz definiert: Erhöht man auf dem gleichen Stück Boden stetig den Arbeitseinsatz, so nimmt der Ertrag zunächst schnell zu, dann nur noch langsam, dann bleibt er gleich, und schließlich nimmt er sogar wieder ab.[1] Dieses Gesetz gilt nicht nur in der landwirtschaftlichen, sondern auch in der industriellen Produktion und in anderen Bereichen.[2]

Beispiel: Wird für das Produkt X oder die Partei Y bisher kaum oder wenig geworben und nun der Werbeaufwand stark erhöht, dann wachsen die Umsätze bzw. die Stimmanteile zunächst progressiv an. Ab einem bestimmten Punkt wachsen sie nur noch degressiv, bis sie schließlich asymptotisch gegen Null tendieren. Dieser Trend lässt sich bei gleichbleibender Qualität auch durch noch so große Aufwendungen nicht mehr umkehren.

Das ist mitunter auch auf zwischenmenschlichen Beziehungen anwendbar. Um so mehr man sich kennt, um so selbstverständlicher kann etwas an der anderen Person werden, was einen vorher begeistert hat. Es tritt eine gewisse „Abstumpfung“ ein.

7. Evolutionarily Stable Strategy / Nash Equilibrium

Das Lehrbuch-Beispiel der ESS – das Habicht-Taube-Spiel:

Individuen der gleichen Population werden als ‚Habichte‘ (aggressiv, stark) und ‚Tauben‘ (friedlich, ausweichend) eingeteilt. Stößt eine Taube zu einer reinen Tauben-Population, verändert sich nichts. Das Gleiche gilt, wenn sich ein Habicht zu anderen Habichten gesellt. Es gibt aber vier besondere Fälle:

  • Eine Taube stößt zu Habichten: Da die Taube den Konflikten – zum Beispiel ums Futter – ausweicht und so Kraft und Körperverletzungen einspart, fährt sie eine erfolgreiche Strategie. Dazu kann sie mittels Drohgebärden Aggressivität vortäuschen und kräftesparend Habichten Ressourcen abluchsen.
  • Ein Habicht stößt zu Tauben: Die Tauben machen dem Neuankömmling Platz und überlassen ihm kampflos alle Ressourcen. Der Habicht ist erfolgreich.
  • Eine Taube oder ein Habicht stößt zu einer gemischten Population, in der Tauben und Habichte im korrekten Zahlenverhältnis (entspricht der ESS!) vorkommen. Für den Neuankömmling spielt es nun eine Rolle, ob er häufiger auf eine Taube oder auf einen Habicht treffen wird. Hat sich die Population auf die geeignete Mischung eingependelt, kann es ihr egal sein, ob sich der Eindringling als Taube oder als Habicht verhält.
  • Die so genannte „Bürger“-Strategie (engl./franz. bourgeois) entwickelt sich zur ESS und sie ist weitgehend immun gegenüber einer unausgewogenen Habicht-Taube-Zusammensetzung der Population. Als „Bürger“ gilt: Wenn man sich verteidigt, ist man ein Habicht; greift man jemanden an, verhält man sich wie eine Taube.

Evolutionär stabile Strategien unterstreichen noch einmal, dass es nicht einen idealen Zustand geben muss, sondern gerade dadurch dass ein bestimmter Zustand im ganzen Günstig ist, auch andere Strategien interessant werden können (Ein Habicht kann leicht in eine Taubenkolonie eindringen) und auch ein Verhältnis bestimmter Unterarten (also im Beispiel Tauben und Habichte) stabil sein kann.

Appelle an das Wohl der Gruppe und Appelle an das Wohl des Einzelnen

Ich hatte bereits in einem Artikel etwas zu den Versuchen der SPD gesagt, sich über Gender Pay Gap etc zu profilieren:

Und selbst Bilder, die Frauen in technischen Bereichen zeigten und Lohngerechtigkeit herstellen wollten, also zeigten, dass die SPD da ganz modern denkt, halfen nicht:

SPD Frauen im technischen Bereich halfen auch nicht

SPD Frauen im technischen Bereich halfen auch nicht

Ich finde das Motiv eh interessant: Es ist in gewisser Weise ein Bekenntnis dazu, dass man Frauen natürlich auch technische Berufe zutraut. Nur arbeiten eben die wenigsten Frauen im Blaumann an Großmaschinen. Theoretisch schwächt es damit die Botschaft eher bei der typischen Wählerin ab: Sie arbeitet gerade nicht in einem technischen Bereich, sie arbeitet mit weitaus höherer Wahrscheinlichkeit in einem Büro mit sehr vielen weiblichen Kolleginnen, und das häufig eher Halbzeit. Sie ist sich wahrscheinlich sehr bewußt, dass männliche Kollegen auf einer 100% Stelle eben auch eher befördert werden als Frauen auf einer 50% Stelle. Sie nehmen für sich selbst auch keine Lohnungerechtigkeit in ihrem konkreten Job wahr, allenfalls für Frauen allgemein, aber das bringt ihnen selbst ja wenig. Es ist ein Wahlversprechen, welches der einzelnen Frau in ihrer konkreten Situation nichts bringt.

Man könnte das auch so formulieren:

  • Botschaften, die auf abstrakte Verbesserungen für die Gruppe ausgerichtet sind, können für viele Frauen, die von diesen Verbesserungen nicht profitieren, ein sehr geringes Gewicht haben
  • Botschaften, die nicht an die Gruppe gerichtet sind, aber dringende Probleme für viele lösen, können weitaus relevanter sein auch für die Angehörigen dieser Gruppe.

Das ist eigentlich banal. Aber es ist weniger banal, wenn man die Probleme falsch einordnet.

Wenn Leute tatsächlich glauben, dass alle Frauen 21% weniger verdienen, dann wäre es ein Problem für eine große Gruppe mit großer Bedeutung für das einzelne Mitglied.

Wenn aber tätsächlich die Gehaltsunterschiede in den gleichen Jobs marginal sind, dann verbessert ein weiteres Vorgehen quasi nichts für die jeweilige einzelne Frau. Die Sozialarbeiterin wird nicht plötzlich Ingenieur und verdient mehr. Sie erhält nach wie vor das gleiche wie der männliche Sozialarbeiter. Ein Anreiz die entsprechende Partei zu wählen besteht nicht.

Hingegen kann ein allgemeines Gefühl, dass die Flüchtlingskrise so nicht weitergehen kann und gelöst werden muss, weitaus mehr Leute bewegen oder auch abhalten, bestimmte Parteien zu wählen.

Solange man keine tatsächlichen Probleme hat, die ein Thema besonders brisant machen, kann man seine Wahl leicht an größeren Themen für die Gruppe ausrichten.

Nimmt man jedoch dringendere Probleme im eigenen Leben war, dann bringt ein Appell für allgemeine Ziele wenig.

Das gilt auch, wenn man sich persönlich für ein Modell entschieden hat, dass etwa mit den (vermeintlichen) Zielen für eine Verbesserung der Gruppe im Konflikt liegt:

Eine Frau, die sich bewußt für Teilzeit entschieden hat, weil sie Kinder betreut, hat kein Interesse daran, dass ihr Mann mit geringerer Wahrscheinlichkeit befördert wird. Denn ihr Lebensstandard leitet sich von ihrem Mann her und nur mit einem guten Verdienst von diesem kann sie ihre Planung umsetzen.

Die SPD betreibt insofern Virtue Signalling, dass sicherlich bei einigen verfängt. Es kann aber durchaus auch schlicht mit Interessen vieler Mitglieder der Gruppe, an die sie zu appellieren glaubt und die sie eigentlich umwirbt in Konflikt liegen, so dass diese lieber eine konservative Partei wählt, die keine Quoten will und immerhin Sicherheit etc ehe auf dem Programm hat.

Bei Arbeitsteilung wird es eben uninteressant das andere Geschlecht als Gegner zu sehen. Die Interessen mischen sich, eine Zuordnung ist wesentlich schwieriger. Sie verläuft nicht mehr bei den Geschlechtern, die in einem Nullsummenspiel um Macht kämpfen, sondern die Frage ist, wie die Einheit am ehesten profitiert und die eigene Position in dieser Arbeitsteilung abgesichert werden kann.

„Wann immer neue Nichtnullsummenspiele entstehen, entsteht Fortschritt“

In dem Buch „Nonzero“ wird die Theorie vertreten, dass Menschen immer wieder auf der Suche nach Spielen sind, die ihnen nicht nur erlauben, anderen etwas wegzunehmen, sondern mit anderen gemeinsam einen Mehrwert zu schaffen (was nicht ausschließt, dass man damit anderen damit etwas wegnimmt, weil man dadurch Vorteile hat)

Dazu noch einmal aus der Wikipedia:

Nullsummenspiele beschreiben in der Spieltheorie Situationen, also Spiele im verallgemeinerten Sinne, bei denen die Summe der Gewinne und Verluste aller Spieler zusammengenommen gleich null ist.[1]

Nullsummenspiele sind spieltheoretisch äquivalent zu den Spielen mit konstanter Summe (Konstantsummenspielen). Bei diesen Spielen ist die gemeinsame Auszahlungssumme nicht gleich null, sondern gleich einer Konstanten, betrachtet man jedoch die Auszahlung als im Voraus an die Spieler verteilt, so spielen diese um eine Umverteilung mit Summe null. Beispiele für Nullsummenspiele sind alle Gesellschaftsspiele und Sportarten, bei denen gegeneinander um den Sieg gespielt wird, beispielsweise Poker oder Schach. Es ist dabei zu beachten, dass die betrachteten Gewinne und Verluste außerhalb des Spieles verstanden werden – in einer Schachpartie verlieren beide Spieler gegenüber dem Partiebeginn in der Regel an Spielmaterial, es geht aber nur um die Auszahlung des Spieles „nach außen“, hier zum Beispiel als „ein Punkt in einem Turnier“.

Ein Nullsummenspiel im ökonomischen Sinne ist eine Konkurrenzsituation, bei der der wirtschaftliche Erfolg oder Gewinn eines Beteiligten einem Misserfolg oder Verlust eines anderen in gleicher Höhe gegenübersteht.

Der allgemeine Fall des Nicht-Nullsummenspiels wird oft als Coopetition bezeichnet. Man kann dabei noch unterscheiden, ob die Summe zu jedem Zeitpunkt null ist oder ob es bestimmte Zeiten während der Spielzüge gibt, in denen sie ungleich null oder unbestimmt ist. Ein besonderer Fall des Nicht-Nullsummenspiels ist das sogenannte Win-Win-Spiel, bei dem alle Beteiligten gleichzeitig gewinnen können, dieser Spielausgang aber dennoch nicht automatisch erreicht werden kann.

Ich habe das Buch erst angefangen, es klingt aber bisher interessant. Es versucht eine Schnittstelle zwischen Kultur und Biologie darzustellen.

Dazu aus der Wikipedia:

The principal argument of Nonzero is to demonstrate that natural selection results in increasing complexity within the world and greater rewards for cooperation. Since, as Wright puts it, the realization of such prospects is dependent upon increased levels of globalization, communication, cooperation, and trust, what is thought of as human intelligence is really just a long step in an evolutionary process of organisms (as well as their networks and individual parts) getting better at processing information.[1]

Through this lens, and an overview of human and global history, Wright typifies the argument against the views of noted paleontologist Stephen Jay Gould. Gould wrote that „Humans are here by the luck of the draw.“ Wright acknowledges one aspect of Gould’s argument—that the evolutionary process was not such that it would inevitably create humans as we know them today („five fingers, five toes, and so on“) but that evolution would almost certainly result in the creation of highly intelligent, communicating organisms, who would in turn develop tools and advanced technologies.

Evidence for natural selection driving improvements in information processing is given throughout, including the case of the bombardier beetle, an insect that developed the ability to spray its attackers with harsh chemicals. This, in turn, favored predators via natural selection who had techniques to avoid the spray. As Wright puts it, „complexity breeds complexity.“ This is the often referred to evolutionary phenomenon of the „arms race,“ wherein competing organisms stack up their developments in competition with one another.

Via this increasing complexity, according to Nonzero, higher intelligence was thus destined to happen, perhaps even „inevitable“ (see discussion of inevitability below). Though the stated thesis is that evolution is headed in the direction of „non-zero-sumness,“ Wright argues that the realization of such prospects is dependent upon improvements in information processing, thus neatly carving out a reason for the creation and cultural evolution of the human species.

Evolution hat natürlich kein Ziel, weil es ein Prozess ist, der nicht gesteuert ist. Aber häufig ist es natürlich ein Ergebnis dieses Prozess, dass neue Möglichkeiten entstehen müssen, damit man mit der „anderen Seite“ mithalten kann. Gesteigerte Intelligenz ist dazu ein sehr gutes Mittel, insofern ist ein Selektion auf Intelligenz durchaus wahrscheinlich, wenn bei einer Spezies eine Konkurrenz in dem Bereich eintritt. Beim Menschen spricht einiges dafür, dass diese Konkurrenz auch über intrasexuelle und intersexuelle Konkurrenz geführt worden ist.

Im Buch heißt es dazu:

Wright argues that as complexity in human society increases, the ability to reap „non-zero-sum gains“ increases. For example, electronic communications enable trade at a global level, and allow various societies to trade in items they could not produce or obtain otherwise, resulting in benefits for everyone: new goods. Similarly, global governments allow global solutions to common problems. Were aliens to attack, or the Arctic glaciers to melt, the world would be able to use its communicative technologies to band societies together and defend itself at large. In fact, this view of the world as an organic entity itself is touched upon in the penultimate chapter of the book, and is similar to that of Gaia theory.

Of course, when societies band together to fight a common enemy, that enemy is not always an Arctic glacier, but rather, other human societies. Wright discusses this as well, arguing that war between nations often resulted in technological and cultural evolution. For example, World War II spurred the development of the Manhattan Project and, in turn, nuclear power and related research—a technology that may ultimately benefit the world at large. Further, societies with advanced governments were more likely to succeed in war, spreading government systems as a technology in and of itself.

Hohe Intelligenz erlaubt eine ganz andere Form von Wettkampf und natürlich auch eine höhere Form von Kooperaton. Gerade die Fähigkeit zur Kooperation, zur Zusammenarbeit, gibt die Möglichkeit kooperative Spiele statt Nullsummenspiele zu entwickeln. Wer es schafft mit anderen zusammen etwas zu entwickeln, was beiden Vorteile bietet, der wird zum einen als Bündnispartner interessanter und kann dieses „Mehr“ auch zu seinem Vorteil und gegen andere einsetzen.

 Das Buch scheint dabei etwas esoterisch zu werden, wenn es auf eine Gaia-Theorie abstellt, die aus meiner Sicht keinen Sinn macht, aber man wird sehen müssen, was tatsächlich dort dazu gesagt wird.

Die Grundtheorie finde ich aber sehr interessant: In der Tat bietet beispielsweise die schnellere Kommunikation über neue Technologie und der Umstand, dass Waren heute leicht und relativ billig um die ganze Welt transportiert werden können, ganz neue Möglichkeiten zu kooperativen Spielen: Ein Beispiel scheint mir dabei die Möglichkeit zu sein, in China billig Sachen herstellen zu lassen und sie dann in der ganzen Welt zu verkaufen.

Ironischerweise ist es ein ehemalig kommunistisches Land, welches den Zugang zu Produktionsmittel für alle möglich macht und damit die Theorien von Marx, dass diese die eigentliche Macht darstellen, auf den Kopf stellt: Heute kann jeder, der ein Produkt hat, Produktionsmittel in China oder in anderen Ländern nutzen und sein Produkt herstellen, dabei fallen Vorteile für beide Seiten an, die chinesischen Firmen die produzieren und die Unternehmer, die ihr Produkt herstellen und verkaufen können. Natürlich ist das nicht automatisch eine Win-Win-Sitution für alle: In bestimmten Ländern gehen im Gegenzug Arbeitsplätze verloren etc. Aber dennoch ist es ein klassisches kooperatives Spiel für die Beteiligten, welches ihnen einen Vorteil gibt.

Konfliktsoziologie

Ich finde den Begriff der Konfliktsoziologie interessant:

Konfliktsoziologie oder Soziologie des sozialen Konflikts wird einerseits als eine theoretische Perspektive auf die Gesellschaft,[1] andererseits als eine Teildisziplin der Soziologie[2] verstanden. Unabhängig von dieser Zuordnung wird der soziale Konflikt als ein zentrales Element des gesellschaftlichen Zusammenlebens und als eine Triebkraft des sozialen Wandels begriffen.

Als multidisziplinärer und theorieübergreifender Begriff bezeichnet der soziale Konflikt einen Grundtatbestand des Sozialen und findet sich folglich in den meisten sozialwissenschaftlichen Theorieansätzen[3] und Disziplinen wieder, auch wenn manche soziologische Schulen ihn als weniger zentral für die soziale Gesellung bewerten. Seine Erforschung steht unter der Fragestellung nach seinen gesellschaftlichen Ursachen und Folgen.

Soziale Konflikte können unterschiedliche Gegenstände haben; häufig treten sie als Verteilungs-, Macht- und Anerkennungskonflikte auf. Manifestationen des sozialen Konflikts sind Kampf, Streit, Klassismus, Agon und Konkurrenz, Streik und industrieller Konflikt, Klassenkampf und Rebellion, schließlich Krieg und Bürgerkrieg.

Im übertragenen Sinn wird sozialer Konflikt auch als Synonym für Gegensatz schlechthin, für Widerspruch oder Antagonismus verwendet.

Darunter dürften alle feministischen Theorien fallen, weil sie eben einen Verteilungskampf zwischen Männern und Frauen propagieren, oder eben im intersektionalen Feminismus zwischen einer Vielzahl weiterer Gruppen. (Kommunismus wäre auch eine Konflikttheorie, da eben zwischen den gesellschaftlichen Klassen).

Konflikttheorien haben aus meiner Sicht den entscheidenden Nachteil:

Sie wählen einen sehr engen Frame unter dem alle Interaktionen bewertet werden. Sie scheinen häufig von einem Nullsummespiel auszugehen, also einem Spiel im Sinne der Spieltheorie, bei dem ein Gewinn für die eine Seite immer auch ein Verlust für die andere Seite ist. Nimmt man diesen sehr engen Frame, dann stellt sich alles als Machtkampf dar, was vielleicht unter dem Frame einer Zusammenarbeit oder einer kooperativen Theorie ein Gewinn für beide sein kann.

Beispielsweise geht der Kommunismus davon aus, dass es eine Verteilung von Ressourcen gibt und derjenige der mehr hat, sie quasi dem anderen Weg genommen hat. Dabei kann es sein, dass es in einem System, welches besonderen Reichtum einzelner Personen erlaubt für beide bessere Bedingungen gibt, die sie ohne das System nicht hätten. Einfach weil ein derartiges System eine bessere Wirtschaft erlaubt, die dann eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellen kann.

Ebenso ist es beim Feminismus. Dort ist man anscheinend nach dem einfachem Prinzip vorgegangen, dass man

  1. Gebiete heraussucht, mit denen man „Macht“ verbindet
  2. schaut, welches Geschlecht in diesen Bereichen häufiger vertreten ist

Im ersten Punkt ist dann eben „Politik“ und „Positionen, die viel Geld bringen und bei denen man Leuten etwas zu sagen hat“ herausgekommen. Eine Gegenkontrolle, etwa darauf, dass in der Politik Frauen als Wählerinnen macht haben oder das solche Positionen eben nicht nur viel Geld bringen, sondern auch viel Stress und hohe Arbeitszeiten und erhebliche Bereitschaft Risiken in einer Konkurrenz einzugehen und den Beruf zum absoluten Mittelpunkt der Karriere zu machen, wurden hingegen nicht überprüft.

Ebenso wenig wurde bei der Frage, wer welche Ressourcen eher erhält, nicht daran gedacht, dass in einer (zumindest sehr reichen) Gesellschaft Freizeit und Zeit mit den eigenen Kindern oder die Möglichkeit am Erwerbseinkommen eines Partners zu partizipieren, ebenfalls eine gewisse Form von Wert darstellen kann, der verteilt wird.

Die Konflikttheorien machen aus meiner Sicht wenig Sinn, weil sie etwas herausgreifen, nämlich den Konflikt, gleichzeitig aber potentielle Vorteile und Kooperationsgewinne ausblenden. Sie sind insoweit nicht in der Lage ein vollständiges Bild der Lage zu bilden und können daher auch nur auf unzureichende Modelle zurückgreifen.

 

Soziobiologie (Besprechung von Elmars Artikel, Teil 2)

Der zweite Teil der Besprechung von Elmars Artikel, immerhin nur 1/3 so lang wie der erste Teil. Ich denke er ist auch weil er weniger Themen aufgreift etwas einfacher verdaulich.

III. Soziobiologische Rationalität – realistisch oder nicht?

Ganz offensichtlich versuchen Soziobiologen zur Verhaltenserklärung eine besondere Art von globaler Zweckrationalität zu konstruieren, von der sie behaupten,

  • (A) daß sie in der Natur und unter den Tieren im Hinblick auf die Reproduktionsrate günstig sei.
  • (B) daß ihre Folgen für eine erfolgreiche, individuelle Reproduktion der Tiere notwendig, aber nicht hinreichend sei.
  • (C) daß sie sich aus den Beobachtungen der erfolgreichen, individuellen Reproduktionabfolge der Tiere eindeutig rekonstruieren ließe.
  • (D) daß es sich bei Menschen genauso verhalte.

Das ist wieder einer der Punkte, bei denen es schön wäre, wenn Elmar mit tatsächlichen Thesen aus der Soziobiologie arbeiten würde. Er stellt immer wieder eigenständig formulierte Positionen zusammen, die er dann zerlegt, die aber mit den eigentlich dort vertretenen Positionen wenig zu tun haben.

Die Thesen sind aus meiner Sicht eher:

  • Das Gehirn und damit die Art und Weise zu denken ist ein Produkt der Evolution.
  • Es unterliegt damit den gleichen Selektionsregeln, die auch ansonsten in der Biologie gelten
  • Gene, die eine bestimmte Denkweise zur Folge haben, die eine Weitergabe der Gene in die nächste Generation fördern, auf denen sie beruhen, reichern sich damit im Genpool an.
  • Das Gehirn des Menschen ist nach den gleichen Regeln entstanden, wie auch die Gehirne der anderen Lebewesen, inklusive Säugetieren und Primaten.

Die Frage der Nachweisbarkeit, die Elmar hier hereinmengt, ist eine andere Frage. Der Nachweis einer These kann kompliziert sein, gerade in der Evolutionsbiologie, dass bedeutet aber nicht, dass deswegen die These falsch ist. Der Wert einer Theorie bestimmt sich zunächst erst einmal danach, wie gut sie beobachtete Phänomene erklären kann, ohne zu Unstimmigkeiten zu kommen. Aus dem fehlen eines endgültigen Nachweises daraus zu schließen, dass die Theorie falsch ist oder gar eine andere (ebenfalls nicht bewiesene) Theorie richtig ist, wäre ein Argument aus Unwissen. Der Erklärwert evolutionär begründeter Theorien ist dabei sehr hoch. Sie erklären beispielsweise, warum man bestimmte Verhaltensweisen weltweit vorfindet, gerade im Geschlechterbereich. Sie erklären auch, warum biologische Unterschiede wie zB abweichende pränatale Hormonspiegel, die sich auf das Aussehen nicht auswirken, zu erheblichen Verhaltensunterschieden führen oder warum Umerziehung von Jungs und Mädchen so schwierig ist. Sie erklären viele Sonderfälle, die über andere Erklärungen schlicht nicht abgedeckt werden können.

Was den letzten Punkt (D) angeht, variieren die Begründungen und es werden Gene, Hormone oder auch die Computeranalogie des Geistes bemüht.

Punkt (D) war das menschliche Verhalten. Hier ist es interessant, dass Elmar gleich an diesem Punkt springt, denn eines der Probleme aller anderen Modelle ist, dass sie für  den „Mensch-Tier-Übergang“ üblicherweise nicht sprechen, weil das sehr schnell zu Problemen führt. Denn abgesehen von der „Biologischen Kränkung„, dass der Mensch ein Tier sein soll, werden evolutionäre Erklärungen ja üblicherweise auch von Anhängern dieser Theorien akzeptiert, soweit sie Tiere betreffen. Wenn man anführt, dass Löwen bei der Übernahme eines Rudels die bereits vorhandenen Jungen töten und darstellt, dass dies entstanden ist, weil es ein evolutionär vorteilhaftes Verhalten war, da dann die Weibchen wieder schneller trächtig werden konnten und jeder Löwe der Gefahr ausgesetzt war, dass seine Zeitspanne, in der er das Rudel kontrolliert, kurz ist, dann wird niemand verlangen, dass „sich aus den Beobachtungen der erfolgreichen, individuellen Reproduktionabfolge der Tiere eindeutig rekonstruieren ließe“. Um so näher man dann an intelligentere Tiere kommt, beispielsweise Menschenaffen wie die Schimpansen um so stiller wird es werden. Das der Mensch im übrigen den gleichen Gehirnaufbau wie ein Schimpanse hat, gerade auch, was die „alten Teile“ angeht, wird vermutlich schon zu leichter Verärgerung führen.

Das zentrale – von den Soziobiologen übrigens hausgemachte – Problem an dieser global-teleonomen Rationalität dabei liegt auf der Hand:

  • Haben Sie schon einmal den Wunsch verspürt, zu überleben? Vermutlich nicht – es sei denn, Sie waren z.B. als Bergsteiger schon einmal infolge eines Wettersturzes in Lebensgefahr.

Auch hier und in den folgenden Beispielen merkt man, dass Elmar die Prozesse offensichtlich nicht verstanden hat. Warum sollte es für den Aufbau des Gehirns in irgendeiner Weise relevant sein, ob ein Mensch in der heutigen Zeit schon einmal „den Wunsch verspürte zu überleben“? Es ist aber auch eine interessante Formulierung: Hätte Elmar geschrieben „Hatten Sie schon einmal Angst, zB vor körperlichen Gefahren?“ dann wäre der von ihm gewünschte Effekt eben nicht erreicht geworden, denn es ist eine Frage, die die meisten Leute wohl mit Ja beantworten würden. Ein gutes Beispiel wäre schlicht Höhenangst. Sie ist häufig vollkommen irrational, etwa wenn wir von einem Turm mit hohem Geländer in die Tiefe schauen, aber sie ist dennoch vorhanden. Ein anderes Beispiel wäre Angst im Dunkeln, etwa wenn wir Schritte hinter uns hören. Oder kürzer gesagt: Angst ist eines der Mittel, mit denen die Evolution uns ausgestattet hat, um eine Weitergabe der Gene zu begünstigen. Ein anderes Mittel wäre Schmerz: Schmerz ist nicht per se logisch: Würden wir keine Nervenbahnen haben, die auf Beschädigungen reagieren, dann hätten wir auch keinen Schmerz. Wie selbstschädigend so etwas wäre sieht man an Menschen, die aufgrund einer Mutation keine Schmerzen haben. Wir brauchen keinen tatsächlichen „Wunsch zu überleben“, wenn wir uns unwohl fühlen bei Risiken und Gefahren und Schmerzen vermeiden wollen.

  • Hatten sie schon einmal den Drang, ihre Gene weiterzugeben? Vermutlich nicht – denn sie haben vermutlich noch nie den intuitiven Drang verspürt, eine Samenbank zu besuchen und Sie finden vermutlich auch die Vorstellung eher seltsam und nicht in spezifischer Weise befriedigend, daß eine Frau, die sie nicht kennen, von ihrem Sperma schwanger wird.

Auch hier baut Elmar ein Scheinproblem auf, welches Laien häufiger bringen: Wir haben keinen Fortpflanzungstrieb, weil das keine umsetzbare Handlung ist, sondern einen Sexualtrieb, der auf eine Handlung ausgerichtet ist, die unter evolutionär relevanten Bedingungen zu einer Fortpflanzung führt. Die Fortpflanzung ist der „ultimative Grund“ , aus dem die Selektion auf den Sexualtrieb stattgefunden hat. Der Grund hierfür ist auch recht einfach: Wie sollte eine Selektion auf „Fortpflanzungsverhalten“ denn sonst aussehen? Die Frage dann wiederum, ob wir schon mal den „Drang hatten Sex zu haben (weil dies unter evolutionär relevanten Bedingungen die Handlung ist, mittels der man sich fortpflanzt)“ werden aber wohl die meisten Leute jenseits der Pubertät bejahen.

  • Spürten sie schon einmal die schemenhaft bewußte Tendenz zu einer bestimmten Verhaltensvariante – z.B. Verzicht auf Verhütung – gegenüber einer anderen, weil sie die unerklärliche Gewißheit verspürten, daß diese Sie der Vaterschaft näherbringt? Vermutlich nicht – und wenn doch, dann waren Sie wohl in irgendeiner besonders verzwickten Lage und haben sich die Sache daher explizit überlegt oder Sie waren einfach nur erregt und haben gar nichts gedacht, sondern wollten einfach nur mit jemandem schlafen.

„Sie wollten nur mit jemanden schlafen“ ist in der Tat richtig. Was aber daran das „Nur“ ist, wenn man nur ein wenig von evolutionäre Biologie und Sexualaufklärung verstanden hat, wäre interessant. Eine effektive Verhüttung besteht eben erst bei evolutionärer Betrachtung seit Nanosekunden, also einer verschwindend geringen Anzahl von Generationen.

Soziobiologen müssen daraufhin einen Haken schlagen und antworten, daß keinerlei Bewußtsein der evolutionären Konsequenzen des eigenen Handelns erforderlich sei – solange diese eben nur einträten.

Das ist schlicht eine Folge davon, dass Gene nur zu einem Handeln, nicht zu „Konsequenzen eines Handeln“ selektiert werden können, auch wenn die Konsequenzen des Handelns natürlich das Merkmal der Selektion darstellen. Alles andere würde einen denkenden, vorausplanenden Prozess bedeuten. Etwa: „Sex ist nicht sicher genug, weil Menschen eine Verhütungsmethode entwickeln könnten, demnach müssen Menschen mit einem intuitiven Wissen um die Prozesse der Fortpflanzung versehen werden, die Sex daraufhin analysieren, wie sicher eine Verbindung von Sperma und Ei ist“. Dies wiederum müsste abstrakt umgesetzt werden, also für zukünftige Umstände, auf die eine Selektion nicht stattfinden kann. Etwas konkreter: Beim Dodo hätte ein vorausschauender Selektionsprozess der Art, wie er Elmar anscheinend vorschwebt, erkannt, dass ein „richtig umgesetzer Überlebensinstinkt“ nur dann besteht, wenn man auch den Umstand einplant, dass irgendwann Leute mit einem Schiff anlanden, für die man dann leichte Beute ist. Wie wir wissen fand auch hier eine Selektion auf Verhalten statt, bei dem die Vorteile, die kostenintensive Brustmuskulatur loszuwerden, sich durchgesetzt haben.

Sie ziehen sich mit folgenden Platitüten aus der Affäre:

Interessanter wechselt Elmar hier das Beispiel zu einem anderen Extrem statt etwa zu ergründen, wie eine Selektion bei seinen Beispielen Gefahren verringern könnte. Er wäre dann wahrscheinlich auch auf 1. Angst und Schmerz 2+3. Sex gekommen, was seine Argumentation vollends zerstört hätte.

  • Selbstaufopferung in Gemeinschaften sei nur eine Realisation von unbewußtem (und deshalb empirisch unzugänglichem) und verstecktem Eigennutz, da eben doch unbewußt mit einer Belohnung gerechnet würde – man sei eben nicht unumschränkt Herr im eigenen Haus. Als Faustregel gelte, daß kein Lebewesen in andere investiere, ohne irgendeine, wenn auch oft nur indirekte, Belohnung dafür zu erhalten: das Prinzip Eigennutz sei allgegenwärtig – wenn auch nicht immer beobachtbar.

Auch hier greift er leider nicht die tatsächlich vertretenen Erklärungen auf:

  • Do ut des: Gutes tun, damit andere dir Gutes tun
  • Kooperation: Zusammenarbeiten, damit man dadurch mehr erzielen kann als der einzelne es allein könnte
  • Signalling sowohl in Hinblick darauf, dass sich eine Zusammenarbeit mit einem lohnt als auch als Zeichen eigener Stärke
  • Verwandtenselektion

Natürlich sind dies. letzteres unter dem Gesichtspunkt egoistische Gene, alles Formen von Eigennutz. Allerdings braucht es aber eben dazu keinen konkreten Nutzen in der eigentlichen Interaktion, diese kann auch in anderen Interaktionen erst auftreten.

Der Grund, warum ansonsten eine Selbstaufopferung schwierig ist und eine Selektion gegen sich hätte sind Trittbrettfahrer. Es wäre immer günstiger der Trittbrettfahrer (oder auch: Parasit) zu sein als derjenige, der die Kosten trägt.

Etwas weniger tendentiös formuliert: Ist die von den Soziobiologen konstruierte global-teleonome Rationalität nunreal und in den Menschen wirksam oder nicht? Unterliegen Menschen in ihrem Verhalten wirklich den Kräften der Evolution oder ist es nur so, daß sie sich in einer Weise verhalten, die am Ende einer Menge komplexer Vorgänge Effekte hat, welche auch dann auftreten würden, wenn die Menschen von einer global-teleonomen Rationalität geleitet werden würden – aber in der Realität gar nicht werden? Ich nenne dies die Frage nach dem Realismus der Rationalität.

Da wird ein Gegensatz aufgebaut, der so gar nicht vorhanden ist: Natürlich ist die Entscheidung eines Menschen ein komplexer Vorgang, die Biologie determiniert nicht das Verhalten und innerhalb des integrierten Modells spielt die Biologie und die Sozialisation eine Rolle. Das bedeutet aber nicht, dass man die Biologie ausblenden kann, weil sie Grenzen vorgibt und die Sozialisation diese dann eben ausgestaltet. Das Problem ist schlicht, dass Elmars Modell geradezu binär ausgelegt ist und mit Verhaltensanteilen und Tendenzverstärkungen kaum umgehen kann. In einem Modell, in dem ein bestimmtes Verhalten einen bestimmten Wert Punktwert aus der Biologie bekommt und einen anderen aus dem Sozialen und freie Entscheidung bedeutet, dass man das Verhalten mit dem höchsten Wert durchführen möchte wirkt sich eine Wertzuweisung aus der Biologie natürlich aus.

  • Diese zweite Variante ist eine sehr ernste Alternative, weil sie besagt, daß der evolutionäre Erfolg eine emergente Eigenschaft eines komplexen und rückgekoppelten Systems aus kognitiv begabtem Individuum, endlicher Population, Genen und Umweltbedingungen ist, während die Soziobiologie den evolutionären Erfolg als direkte Konsequenz der einzelnen Handlungen Einzelner sieht – was es ihr ermöglicht, das Verhalten (wenigstens zum Teil) durch die Bedingungen seines evolutionären Erfolgs via Eigennutz zu analysieren. Die Soziobiologie lehnt emergente Eigenschaften keineswegs ab, aber das Prinzip Eigennutz würde in diesem Fall als tool für die Verhaltenswissenschaft unbrauchbar werden: Die Soziobiologie müßte sich neu erfinden.

Elmar hat also weder das integrierte Modell verstanden noch das egoistische Gen und was man unter „Eigennutz“ versteht. Damit kann er auch die Soziobiologie nicht verstehen. „Emergente Eigenschaft“ finde ich übrigens immer eine unnötig hochtrabende Formulierung. Grundsätzlich geht es dabei um die Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente:

Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf Eigenschaften der Elemente zurückführen, die diese isoliert aufweisen. So wird in der Philosophie des Geistes von einigen Philosophen die Meinung vertreten, dass Bewusstsein eine emergente Eigenschaft des Gehirns sei. Emergente Phänomene werden jedoch auch in der Physik, Chemie, Biologie, Psychologie oder Soziologie beschrieben. Synonyme sind Übersummativität und Fulguration. Analog zur Ausbildung von Eigenschaften spricht man bei der Eliminierung von Eigenschaften von Submergenz

Ich habe immer das Gefühl, dass sich dahinter der Versuch verbirgt, den Vorgang etwas mysteriöser darzustellen als er sein muss um so der „biologischen Kränkung“ zu entgehen. Die meisten Entscheidungen – auch logische – entstehen aus einer Gemengelage von verschiedenen Vor- und Nachteilen, die man in irgendeiner Weise wertet ohne die genauen Wertungen tatsächlich zu erfassen. Was daran liegt, dass wir die genauen Berechnungen im Gehirn (noch) nicht verstehen, sondern häufig nur das Endprodukt als Bauchgefühl wahrnehmen. Tatsächlich werden letztendlich alle Faktoren in das System Gehirn eingespeist und dort einer „Datenverarbeitung“ zugeführt.

Eine solche Entscheidung über den Realismus in der Soziobiologie kann natürlich nicht so mal eben getroffen werden, aber man darf dieses Problem keinesfalls vergessen – was ich auch nicht tun werde. Mit Frage nach dem Realismus von Rationalität hatten wir bereits zwei Mal Kontakt:

  1. Einmal in Form der direkten Entsprechung von einzelnen zerebralen und einzelnen intention Zuständen:Damals ging es um die Frage der wissenschaftlichen Haltbarkeit des Repräsentationalismus. Die Sache ging so aus, daß der Repräsentationalismus – das Computermodell der Geistes – zurückgewiesen wurde zugunsten des nicht-reduktiven Physikalismus.
  2. Und ein anderes Mal bei Dennetts Aufspaltung der empirisch-normative Theorie der Alltagspsychologie in die die realistische sub-personal-cognitive-psychology (SPCP) und die realismusfreie pure intentional system theory (IST).

Auch in den Bereichen ist das Hauptproblem, dass Elmar weniger auf konkrete Meinungen eingeht, sondern eher auf seine Vorstellungen davon, was bestimmte Meinungen besagen sollten.

Das Realismusproblem der global-teleonomen Rationalität wird von der Soziobiologie bisher nicht verstanden, ist aber definitiv aus hauseigener Produktion:

  • Auf der einen Seite behaupten Soziobiologen explizit, daß sie nur Wahrscheinlichkeitsaussagen über Vorkommnisse von Verhalten aufstellen würden. Solche Aussagen lassen aber die Ätiologie des Verhaltens offen, d.h. sie sind auch dann wahr, wenn das Verhalten zwar mit der angegeben Wahrscheinlichkeit vorkommt, aber die Gründe und die Entstehung völlig unerwartet sind.

Biologen stellen Punkte dar, aufgrund denen eine Entscheidung für ein bestimmtes Verhalten attraktiver wird, also ein höheres Gewicht in dem Entscheidungsprozess erhält. Dadurch erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, aber es ist nicht nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Die Ursache (das Gehirn ist auf eine bestimmte Weise ausgestaltet, die bestimmtes Verhalten attraktiver werden lässt) erhöht aufgrund dieser höheren Motivation dann die Wahrscheinlichkeit, dass man sich auch so verhält. Verhalten ist eben kein Zufallsereignis. Es ist eine Gemengelage verschiedener Interessen und ihrer Gewichtung. Sowohl in die Frage, was ein Interesse ist als auch in die Frage, wie man es gewichtet spielt die Biologie hinein, aber auch weitere Faktoren. Da die weiteren Faktoren und ihre Gewichtung komplex ist ist auch das Ergebnis nicht abschließend vorherzusagen. Wir kennen eben nur einen gewichtigen Faktor in der Gleichung.

Vielleicht kann man es mit anderen Preisbestimmungen vergleichen:

Nehmen wir an die Herstellungskosten eines Produkts sind 600 €.

Dann spricht vieles dafür, dass der Käufer es nicht für ein Angebot von 500 € verkaufen will. Den damit würde er sich auf Dauer ruinieren. Es kann aber sein, dass er es für 500 € verkaufen will, wenn er jetzt Geld braucht und mit den 500 €, wenn er sie sofort hat, in einem anderen Geschäft 1000 € machen kann. Er wird es auch an den Mafiaboss für 500 € verkaufen, wenn dieser andeutet, dass der Schulweg seiner Tochter sehr gefährlich ist. Und er wird es mit höherer Wahrscheinlichkeit für 1.000 € verkaufen, aber eben nicht, wenn ihm ein anderer 1.200 € bietet oder der Preis in Zukunft auf 5.000 € steigen wird. Vielleicht verkauft er sogar lieber für 600 €, weil er nicht in den Ruf kommen möchte, Leute mit Wucherpreisen auszunehmen und ihm sein Ruf mehr bedeutet.

Elmar sagt nun, dass die These „er wird über 600 € eher verkaufen, unter 600 € eher nicht und mit der Höhe des Preises wird ein Verkauf wahrscheinlicher“ schlicht eine Wahrscheinlichkeitsaussage ist, die die Ursache für die tatsächliche Entscheidung offen lässt. Das Element „Weil er einen Herstellungspreis von 600 € hat wird“ fällt damit aus der Betrachtung heraus und ist belanglos.

Nehmen wir nur beispielsweise die Studie von Udry:

Udry Testosteron und Erziehung

Hier sieht man, dass Mädchen mit einem hohen pränatalen Testosteronspiegel wesentlich schwerer zu „weiblichen Verhalten“ zu bewegen sind. Sie haben dafür sehr hohe „Herstellungskosten“ und die „Belohnung“ in Hinblick darauf, dass sie sich wohlfühlen fällt gering aus. Um so weiblicheres Verhalten man von ihnen verlangt um so weniger lukrativ ist das Verhalten für sie. Bei Mädchen mit einem besonders niedrigen pränatalen Testosteronspiegel sind hingegen die „Herstellungskosten“ gering und die Belohnung hoch, sie haben insofern einen hohen Gewinn, wenn sie diesem Verhalten nachgehen. Bereits mit geringen „Angeboten“ sind sie motiviert zu „verkaufen“, also Verhalten in die Richtung zu zeigen. Natürlich könnten sie sich auch dagegen entscheiden. Das Angebot erscheint ihnen aber wesentlich attraktiver als ein anderes Verhalten. Es besteht also kein Grund für eine andere Entscheidung.

  • Auf der anderen Seite aber sehen die Soziobiologen eine große Herausforderung in individuellen Verhaltensweisen, die der Neigung zur Sicherung der eigenen reproduktiven Eignung ganz offensichtlich widersprechen wie z.B. Selbstmordattentäter. Das ist aber eigentlich gar kein Problem, solange solche Verhaltensweisen selten sind und wird nur dann zum Problem, wenn eigentlich mehr als eine Wahrscheinlichkeitsaussage gemacht werden soll

Und der entscheidende Punkt daran ist, daß Soziobiologen zwar selbst versichern, daß z.B. Selbstmordattentäter zwar selten vorkämen, ihr Verhalten aber dennoch nicht von der Soziobiologie ignoriert werden dürfe, sondern durch via Eigennutz entschärftem Altruismus erklärt werden müsse (F.M. Wuketits: Was ist Soziobiologie? 2002)

Die Erklärung, die Wuketits unter der angegebenen Stelle angibt, hat Elmar dann erst einmal gar nicht behandelt. Sie scheint mir etwas in Richtung „Gruppenselektion“ zu gehen und ich würde sie insofern ablehnen. Auch hier wirkt sich aber wieder aus, dass Elmar sich mit den eigentlichen Gründen wie oben angeführt nicht auseinander gesetzt hat. Gehen wir die oben angeführten Gründe durch:

  • Do ut des: Gutes tun, damit andere dir gutes tun

Hier kommt der religiöse Aspekt hinein, den ich bereits in diesem Artikel angeführt habe. Wer es schafft, dass er ein „ewiges Leben nach dem Tod“ annimmt, der verändert die Kostenrechnung. Das bei der Religion mit den gegenwärtig meisten Selbstmordattentätern, dem Islam, gemachte Angebot, im Jenseits 72 fruchtbare Frauen zu erhalten lässt das Angebot evolutionär sogar sehr günstig erscheinen (mit dem Haken, dass es von falschen Voraussetzungen ausgeht und es kein Leben nach dem Tod gibt). Bei einem tatsächlich Gläubigen gilt „Drücke diesen Knopf und du erhältst Fortpflanzungsmöglichkeiten mit 72 Frauen an einem anderne (leider imaginären) Ort“

  • Kooperation: Zusammenarbeiten, damit man dadurch mehr erzielen kann als der einzelne es allein könnte
  • Signalling sowohl in Hinblick darauf, dass sich eine Zusammenarbeit mit einem lohnt als auch als Zeichen eigener Stärke

Ich fasse diese beiden Punkte zusammen, weil „Opfer bringen für die Gemeinschaft“ natürlich stark damit zusammenhängt, eine Kooperationsfähigkeit zu signalisieren und auf dieses Gefühl, dass wer der Gruppe würdig sein will eben auch bereit sein muss, sich für alle im Namen seinen Gott zu opfern (und dann im Paradies entlohnt zu werden) ein wichtiger Punkt ist. So starke Gruppensolidarität zu zeigen ist in dem Fall ein Zeichen von Stärke und Wert, man bringt das „höchste Opfer“ und steigt damit ihm Status (mit dem Ticket zum Paradies)

  • Verwandtenselektion

Natürlich bringt ein Selbstmordattentat auch in vielen Kreisen vorteilhaft für die Familie (indem es „Ehre“ bringt) und es kann ebenso vorteilhaft sein, seine Kinder einer entsprechenden Gehirnwäsche zu unterziehen.

Natürlich kommt ein weiterer bereits oben angesprochener Punkt dazu: Sprengstoff und das Drücken eines Knopfes macht die Selbstopferung abstrakt und ist ein Verhalten, gegen das die Evolution kaum etwas entwickeln konnte. Die üblichen Schutzmechanismen wie Angst und Schmerz greifen hier weit weniger bzw. können eher überwunden werden, weil es eben nur eine kurze Überwindung erfordert und „Drücken eines Knopfes“ eher gedanklich mit einem anderen Inhalt wie „Übergang ins Paradies“ verbunden werden kann. Müsste sich ein Selbstmordattentäter ein Bein absägen, um sich in die Luft zu jagen oder einen weniger abstrakten Vorgang durchführen, der insbesondere länger andauert (etwa den Knopf 30 mal im Abstand von 5 Minuten drücken, während ihm sein eigener Tod und die Nichtexistenz Gottes vor Augen geführt wird) hätten wir weniger Selbstmordattentäter.

Tja … wieviel Realismus in Sachen global-teleonomen Rationalität darf es denn nun sein? Diese Schlampigkeit ist den Biologen selbst übrigens schon lange ein Dorn im Auge und schlug sich in der nurture kinship-Debatte nieder.

In der „Nurture-Kinship“ Debatte geht es darum, ob soziale Bindungen nur über Verwandtschaft oder durch soziales Verhalten entstehen („Blut ist Dicker als Wasser“). Tatsächlich ist der „Verwandtschaftserkennungsmechanismus“ nicht in der Lage, tatsächliche Genanalysen anzustellen (wer hätte es gedacht), sondern vermutet Verwandtschaft insbesondere aufgrund von „um einen herum sein in den ersten Lebensjahren“ und weitere Faktoren wie Ähnlichkeit etc. Auch hier scheint mir einfach das Fehlverständnis von Elmar schuld daran zu sein, dass er hier einen „Dorn im Auge der Biologen“ sieht.

Wenn die Soziobiologie ihren metaphysischen Anspruch auf Letztbegründung einlösen will, brauchen wir natürlich so viel Realismus wie möglich – was übrigens eine der entscheidenden Gelenkstellen ist, an denen der Biologismus entsteht:

  • Erhöht man den Realismusgehalt nach gusto, dann sind z.B. Mode und Kosmetik auf einmal Signale, die eine reproduktive Eignung anzeigen sollen. Der Punkt ist: Das kann bei verschiedenen, einzelnen Individuen wirklich von Zeit zu Zeit der Fall sein, aber erstens kann es auch ganz andere Gründe dafür geben, zweitens können diese anderen Gründe sehr häufig sein und drittens es gibt keinen Grund, warum es im Sinne eines Widerstandes gegen die evolutionär vorgegebene, menschenliche Natur psychisch schwer sein soll, entweder seine Gründe für dieses Verhalten zu wechseln oder das Verhalten selbst zu ändern.

Ups … und schon ist die Erklärungskraft der Soziobiologie für intentionales Verhalten dahin, denn sie schwindet offenbar im Alltag präzise mit einem abnehmendem Realismus und schrumpft zu einer Vorhersage unbestimmter Wahrscheinlichkeit zusammen, weil – Voraussagen sind keine Erklärungen. Nimmt der Realismus und damit die Voraussagesicherheit aber zu, so nimmt auch der Grad an genetischer Determinination im Verhalten zu und zwar trotz des methodischen Individualismus bei allen Individuen derselben Population gleichförmig.

Das ist der alte Fehler von Elmar auf einen strikten Kausalitätsbegriff abzustellen, der Motivationen nicht einbeziehen kann.

Ich versuche es nochmal an einem zweiten Beispiel zusätzlich zu dem obigen zu erläutern:

A hat die Möglichkeit den Weg 1 oder den Weg 2 zu gehen. Der Weg 2 kostet ihn 1 Stunde und der Weg 2 kostet ihn 2 Stunden. Er wählt also üblicherweise ganz rational Weg 1. Nunmehr bietet ihm B an für die Wahl des Weges 2

a) 10 €

b) 100 €

c) 10.000 €

d) 100.000 €

zu zahlen.

Wir können nun Voraussagen machen, wie A sich jeweils entscheiden wird. Richtig ist, dass zB die Voraussage, dass sich A bei dem Angebot d) für den Weg 2 entscheiden wird, keine Erklärung ist. Die Erklärung ist, dass ihm 100.000 € geboten worden sind und das für eine Stunde Umweg ein gutes Geschäft ist. Elmar kann in seiner recht simplen Gleichung die 100.000 € nicht unterbringen, weil er verkennt, dass die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitskalkulation gleichzeitig Erklärungen für das Verhalten sein können. Das ist ein recht normaler Umstand bei der Betrachtung menschlichen Verhaltens und in der Betrachtung von Umständen, denen keine Entscheidung zugrundeliegt sicherlich anders: Wenn man die Frage klären will, warum eine in die Luft geworfene Münze auf Kopf oder Zahl landet, dann ist die Voraussage in der Tat keine Erklärung. Wenn man aber eine Motivation für ein Verhalten betrachtet, dann ist der Umstand, der diese Motivation bedingt, natürlich auch für die Frage, warum sich jemand auf eine bestimmte Weise verhält relevant.

Bei dem obigen Beispiel liegt keine Determination vor – A kann sich frei dafür entscheiden, die 100.000 Euro abzulehnen, etwa weil er sich seinen Weg von niemanden vorschreiben lassen will, selbst wenn das Verhalten aus Sicht vieler irrational wäre. Er kann auch andere Gründe haben, die für ihn die 100.000 € uninteressant machen ( er ist selbst Milliardär, der Weg 2 weist Gefahren auf, sein Kind wird in einer Stunde zur Welt kommen und das zu erleben ist ihm wichtiger als 100.000 €). Aber das alles lässt die Motivation nicht verschwinden. Auch werden die meisten Leute – wenn man sonstige Umstände weglässt – zugestehen, dass mit steigenden Angebot des B die Wahrscheinlichkeit immer größer wird für ein bestimmtes Handeln des A. Über eine Theorie, die darauf abstellt, dass die Angebote des B unbeachtlich sind, weil sie nur eine Wahrscheinlichkeit erhöhen, aber nicht determinierend sind würde man wohl nur müde den Kopf schütteln.

Das wir bereits Motivation (als Drang einem bestimmten Weg zu folgen) empfinden können ist dabei aber bereits ein hoch biologischer Vorgang. Wir erleben das beispielsweise bei dem Anblick von Süssigkeiten innerhalb einer Diät: Es ist logisch eine sehr einfache Entscheidung, die Süssigkeiten nicht zu essen, da die Kalorienzufuhr unseren logischen Zielen der Gewichtsabnahme nicht dienlich ist. Dennoch verspüren wir eine Handlungsmotivation und unser Gehirn erzeugt vielleicht sogar noch die passenden Ausreden, damit das logisch klingt (“ es ist eine besonders leichte Schokoladensorte, du wirst nur ein Stück essen, man muss sich auch mal für die vergangenen Tage entlohnen“ etc). Die Schokolade mag uns plötzlich als 10.000 € Versprechen für den etwas längeren Weg erscheinen. Einfach, weil unsere Biologie eine steinzeitliche Wertung von der Verfügbarkeit von Nahrung, insbesondere Zucker und Fett, hat.

  • Das ist besonders erstaunlich, denn wenn die Gene Verhaltenstendenzen vererben, sich aber die genetische Ausstattung der Individuen unterscheidet, warum sollte dann nicht auch der Grad des genetischen Determinismus unter den Individuen variieren? Schließlich ist „unflexibel“ ja auch eine Eigenschaft, ein Muster und eine Verhaltenstendenz und „vererbt aus genetischen Gründen kein Verhalten“ sollte in den Augen der Soziobiologe eine biologische Eigenschaft mit enormen Konsequenzen für die Reproduktionsrate sein. Kritiker der Soziobiologie hatten schon immer das Determinismusproblem im Visier – doch ihre Argumente waren bisher nicht scharf genug, weil die Lösung der Rätsel um den Determinismus zu den schwierigsten und hartnäckigsten in der Philosophie gehört.

Natürlich variert auch die Stärke von Tendenzen unter den Menschen, vergleichbar mit vielen anderen biologischen Faktoren. Aber was soll das Aussagen? Körpergröße ist zB ein Wert mit einer gewissen Schwankungen und starker Vererbbarkeit, dennoch sehen wir gewisse Korridore: Wenige Menschen sind unter 1,40 oder über 2,20, die meisten Menschen bewegen sich um einen gewissen Durchschnitt und Männer sind im Schnitt größer als Frauen. Ebenso gibt es bei Verhaltensausprägungen bestimmte Verteilungen mit gewissen Häufungen und Normalverteilungen, nach denen große Abweichungen eher selten. Das alles ist in der Biologie auch nicht ungewöhnlich, denn verschiedene Ausprägungen können eben für besondere Lagen oder Situationen Vorteile bieten. Beispielsweise kann ein Mann eher auf eine Kurzzeitstrategie ausgerichtet sein, also darauf, mit möglichst vielen Frauen zu schlafen und keine exklusiven Bindungen einzugehen. Dies ist eine riskantere Strategie, die aber viel Erfolg bringen kann etc. Ich hatte dies in dem ersten Artikel auch bereits an dem Beispiel der Tauben und der Falken dargelegt und es war auch innerhalb der evolutionären Theoriewoche ein eigenes Thema unter den Stichwörtern „Genpool, Variation und Kosten der Spezialisierung

Das alles macht es unvermeidbar, daß sich die Soziobiologie sich wie Odysseus zwischen Skylla und Carybdis ihrerseits zwischen Irrelevanz und Determinismus hindurchwinden muß – was normalerweise ein Indiz für eine systematische Fehlkonstruktion ist.

Oder so grobe Fehler zu finden könnte darauf hindeuten, dass man die Theorie selbst falsch verstanden hat. Es könnte helfen, wenn man dann einfach mal ein paar komplexere Bücher zu dem Thema liest. Ich empfehle diese hier.

Soziobiologie (Besprechung von Elmars Artikel, Teil 1)

Elmar hat eine kurze Zusammenfassung über Thesen aus der Soziobiologie geschrieben, die sich für eine Besprechung anbietet, weil in ihr eine Vielzahl von Problemen aufgeworfen werden und auch einige typische Verständnisproblemeauftauchen.

Niemand will wertvolle Zeit damit verschwenden, sich mit dummen und falschen Ideen auseinander zu setzen, aber dennoch muß man verstehen, was der Gegner behauptet. Und dafür reicht es in der Regel nicht, ihm zuzuhören: Bedauerlicherweise gehört die Soziobiolgie, deren Verzerrungen den Biologismus hervorgebracht haben, in weiten Teilen des Maskulismus zum Standard – was auch daran liegt, daß es z.B. in Sachen Geschlechterrollen an anderen Alternativen zum Feminismus fehlt. Der post referiert lediglich in kompakter Form, was es zu wissen gibt.

Dass sich die Soziobiologie immer mehr durchsetzt liegt nicht daran, dass es keine Alternativen gibt, sondern eher daran, dass sie einfach gegenwärtig die Theorie ist, die wissenschaftlich am besten belegt ist.

 Das soziobiologische Paradigma

1948 wurde anläßlich eines interdisziplinären Symposiums in New York nach Verbindungslinien zwischen den verschiedenen. verhaltenserklärenden Disziplinen gesucht und dabei die Idee einer Soziobiologie geboren, die durch vergleichende Arbeiten Verhaltensgesetzmäßigkeiten finden sollte, welche für alle Lebewesen gültig sind. Das erste bahnbrechende Buch dazu war Sociobiology – The New Synthesis (1975) des Zoologen E. O. Wilson, der behauptete, daß die menschlichen Sozialstrukturen im wesentlichen den tierischen isomorph und selbst das Moralverhalten auf evolutionäre und genetische Grundlagen zurückzuführen seien. In On Human Nature (1978) hat er seine Thesen weiter ausgebaut.

Wilson hat einiges an Aufsehen mit diesem Buch erreicht und er wurde für seine Thesen, die viele aufgrund der biologischen Kränkung als einen Angriff auf das Besonere des Menschen sahen, stark angegriffen. Dabei ist der Gedanke eigentlich recht schlicht und liegt auf der Hand: Wenn wir durch Evolution entstandene Wesen sind, dann müssen wir viele Parallelen zu unseren Verwandten, also zu anderen Tieren bei uns finden. Wilson zeigte sie in seinem Buch systematisch auf und das erstchreckte die Leute. Wie jeder weiß, der solche Theorien vertritt, ist das auch noch heute der Fall. Es beängstigt Leute, wenn man ihnen das Tierische im Menschen zeigt und zeigt, dass viele Strukturen noch vorhanden sind, sie fallen uns nur nicht so stark als die gleichen tierischen Strukturen auf, weil wir uns über diesen stehend sehen.

Die Soziobiologie sieht sich danach selbst als eine genetische Theorie des Verhaltens und damit als Subdisziplin der Verhaltensbiologie (siehe: T. Weber, Soziobiologie, 2003). Sie beruht auf der Annahme, daß das Sozialverhalten eine wesentliche Rolle in den Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsbemühungen der einzelnen Organismen spielt, und daher der optimierenden Kraft der natürlichen Evolution unterliegt – weshalb die Evolutionsbiologie der größere Rahmen für die Soziobiologie ist.

Es ist eigentlich erstaunlich, dass diese Theorie so viel Widerstand hervorruft. Wir sehen für eine Spezies typisches Verhalten bei allen Tieren und akzeptieren dort weitestgehend, dass es dort Biologie und allenfalls zu einem geringen Teil Kultur ist. Einem Tier nicht zu ermöglichen, dass es „seiner Natur nach“ lebt, gilt als grausam genau aus diesem Grund. Uns ist auch bewusst, dass an diese Natur durchaus kulturell formen und ausgestalten kann, was zum Beispiel bei jeder Zirkusnummer mit Löwen geschieht, bei denen der Dompteur als das neue Alphamännchen das Rudel übernimmt und von den anderen bestimmte Handlungen aufgrund dieser Rangfolge und aufgrund von Belohnungen verlangt.

Wir sehen viele Verhaltensweisen, die wir auch bei uns feststellen können, bei Tieren und ordnen sie da recht unproblematisch der Biologie zu. Ein wirklicher Grund dafür, dies dann nicht auch beim Menschen zu machen, besteht nicht.

Die Annahme, dass Verhalten ihr Grundlage in der Biologie hat, ist auch keine rein theoretische. Sie wird in vielen anderen Bereichen der Biologie und auch der Medizin bestätigt. Die Verhaltensgenetik beispielsweise hat über beispielsweise Zwillingsstudien oder Adoptionsstudien entsprechendes herausgefunden und in der Medizin haben gerade eine Vielzahl von „Sonderfällen“ wie beispielsweise auch CAH-Mädchen vieles zum Verständnis der Biologie des Menschen beigetragen und auch deutlich gemacht, dass hier die gleichen Modelle angewendet werden können, die man auch bei anderen Tieren vorfindet.

Die Selbsterhaltung und die Fortpflanzungsbemühungen als wesentlichen Faktor anzugeben ist dabei etwas irreführend. Denn oberster Grundsatz ist eben, worauf Elmar auch später noch eingeht, die Weitergabe der Gene in die nächste Generation bzw. in viele weitere Generationen. Evolution spielt sich nur dann ab, wenn es um genetische Faktoren geht, die diesen Umstand betreffen. Selbsterhaltung ist damit kein absoluter Faktor, sondern steht in einer gewissen Konkurrenz mit anderen günstigen Faktoren: Es kann sich zwar nur fortpflanzen, wer lebt, aber vorsichtig zu sein kann einem andere günstige Chancen nehmen. Ebenso ist daher „Fortpflanzungsbemühungen“ ein ungünstiges Wort, weil das Verhalten nur dann relevant ist, wenn es auf genetischen Faktoren beruht oder wenn es zu einer Konkurrenz führt, die einen genetischen Selektionsdruck hervorbringt.

Die Folge ist, daß der Umstand, daß viele Lebewesen in Gruppen leben und ein gruppenspezifisches Verhalten entwickeln, ebenso wie das Verhalten der Individuen nach nichts weniger als einer Erklärung durch natürliche Kausalrelationen verlangt – ohne jedoch einem genetischen Determinismus zuzustimmen, emergente Phänomene zu leugnen oder dem Reduktionismus zuzustimmen.

Elmar hat leider die Tendenz zu solchen Sätzen, bei denen er Behauptungen aufstellt, die seiner Theorie dienlich sind und die bestimmte Richtungen für diese Theorien vereinnahmen, ohne sie wirklich zu begründen. Er arbeitet sehr stark mit einem Gruppendenken, welches nahezu alle seine Ausführungen durchzieht. Auf der einen Seite seine Theorien, die er unter immer neuen Namen vertritt, sei es der fundamentalistische oder der analytische Maskulismus, auf der anderen Seite die, die keine Ahnung haben und deren Theorien mit der Wahrheit unvereinbar sind, beispielsweise die Maskulisten. In seiner Darstellung sind die tatsächlichen Wissenschaften immer auf seiner Seite, stellt man dar, dass diverse Ansichten anderer Wissenschaftler nicht mit seinen Auffassungen in Einklang zu bringen sind, dann werden auch diese zu den Bösen.

Man sieht das beispielsweise an der Weise, wie er Dawkins in diesem Text darstellt. Momentan scheint mir Elmar in der Biologie auf der Suche nach etwas zu sein, was er in dieses Schema einordnen kann. Mitunter scheint er mir dabei schlicht nach „Gegenstimmen“ zu der in der Biologie etablierten Meinung zu suche, deren Gegenargumente er verwenden kann. Eine wirkliche Beschäftigung mit diesen Meinungen und ein wirklicher Abgleich, welche seiner Positionen er aufgeben müsste, wenn er sich auf diesen neuen Weg begibt, scheint er mir dabei nicht vorzunehmen, er greift eher bestimmte Argumente heraus, die er dann stichwortartig entgegenhält ohne sie wirklich darzustellen oder ihre Stellung in der Diskussion zu ermitteln, also sich wirklich damit zu beschäftigen, was für und was gegen sie spricht. Einige von ihnen tauchen auf, man bringt die Gegenargumente, und man hört nie wieder von ihnen. Das Neueste war das nur angedeutete Argument zur Anzahl der Gene. Das die andere Seite darauf bereits erwidert hatte, dass es ein eher schwaches Argument ist, dass alles interessiert ihn gar nicht oder hindert ihn jedenfalls nicht daran, dass Argument entsprechend als absolutes Argument darzustellen. Das ist in gewisser Weise ein Vorteil seiner Texte, weil es mir so Material bietet, bestimmte Punkte klar zustellen, es macht Diskussionen mit ihm aber sehr mühsam, weil eine Vielzahl seiner Argumente eben nur angedeutet werden und er selbst sie nie ausführt. Es kommen nur vage Andeutungen, dass beispielsweise „das X-Projekt das bereits widerlegt hat“, die auch auf Nachfrage nicht weiter ausgeführt werden.Weitere typische Elemente sind Sätze wie der Satz oben, die folgenden Schema folgen „Es ist hier so und so, was die von mir dargelegten wichtigen Grundsätze nicht verletzt“. Eine Begründung, warum diese wichtigen Grundsätze hier unangetastet bleiben, kommt aber nicht. Dabei wäre es in vielen Fällen durchaus interessant: Mir beispielsweise ist keineswegs klar, wie Elmar diese Prinzipien in der Soziobiologie eingehalten sieht.

Der Soziobiologie geht es beispielhaft um folgende Fragen:

Welche Vorteile z.B. haben die Arbeitsteilung im Insektenstaat und der Verzicht fast aller Mitglieder auf eigene Fortpflanzung? Wie kommt es, daß die Individuen einer Gruppe in oft erstaunlichem Maße kooperieren und einander helfen, gleichzeitig aber auch wiederholt in Konflikte miteinander geraten? Warum überhaupt schließen sich Individuen vieler Arten zu Gruppen zusammen, während Individuen anderer Arten als Einzelgänger leben?

Das sind in der Tat sehr spannende Fragen, auf die aus meiner Sicht die Evolutionsbiologie die besten Antworten gefunden hat.

Das Erkenntnisinteresse von Soziobiologen richtet sich auf die Aufdeckung derjenigen Kausalfaktoren und ihrer dynamischen Wechselbeziehungen, die für die Ausprägung jeweils spezifischer sozialer Verhaltenstendenzen verantwortlich sind. Aber die Aussagen der Soziobiologie sind im wesentlichen Wahrscheinlichkeitsaussagen: Soziobiologen behaupten nicht, daß sich jedes Lebewesen stets exakt nach einem bestimmten Muster verhalten muß, sondern daß es sich unter gegebenen Randbedingungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit so-oder-so verhalten wird.

Natürlich ist mit steigender Intelligenz von Lebewesen und je nach Handlung auch immer weniger eine Berechenbarkeit tatsächlichen Verhaltens gegeben. Was schon daran liegt, dass in einem Red Queen Race zwischen Jäger und Gejagtem eine absolute Berechenbarkeit ein entscheidender Nachteil wäre. Gleichzeitig sind Verhaltensspielräume vieler Insekten naturgemäß eingeschränkt. Sie haben bereits nicht die nötige Rechenleistung für „raffiniertere“ Gedanken.

Die Soziobiologie erhebt den Anspruch, tiefere stammesgeschichtliche Wurzeln und genetische Dispositionen im menschlichen Sozialverhaltens als letztbegründende Antwort auf grundsätzlichen Fragen nach dem Warum-überhaupt des menschlichen Verhalten aufzudecken – und erfüllt auf diese Weise metaphysische Sehnsüchte.

Die Erfüllung gewisser Sehnsüchte bedeutet allerdings nicht, dass die Theorien nicht zutreffend sind.

Denn der Soziobiologie geht es nicht um die Mechanismen der Verhaltenssteuerung und der Verhaltensentwicklung, die proximaten Ursachen des Verhaltens, sondern um die Funktionen von Verhaltensweisen oder ihre biologischen Angepaßtheit an evolutionäre Unabhänderlicchkeiten, die ultimaten Ursachen.

Ich finde die Abgrenzung da gar nicht so einfach: Natürlich sind evolutionäre Anpassungen unseres Denkapparates auch Mechanismen der Verhaltenssteuerung. Weil unser Gehirn auf eine bestimmte Weise aufgebaut ist und arbeitet, denken wir auch auf eine bestimmte Weise und Verhalten uns auch auf eine bestimmte Weise. Die Entschlüsselung, wie überhaupt ein bestimmter Gehirnaufbau unser Denken beeinflusse kann und wie das Gehirn in diesem Zusammenhang funktioniert, ist dann sicherlich wieder Gegenstand anderer wissenschaftlicher Disziplinen, wie etwa der Neurobiologie. Und natürlich kommt auch aus dieser ein Feedback zu evolutionären Theorien und ein besseres Verständnis der Neurobiologie wird uns auch eine Verfeinerung biologischer Theorien ermöglichen.

Natürlich muss man aber bei dem Verständnis von menschlichen Verhalten auch seine Funktion beziehungsweise seinen evolutionären Vorteil ermitteln, wenn man diese aus Sicht der Evolutionsbiologie betrachtet. So hat beispielsweise das menschliche Streben nach Status verschiedene Funktionen: Etwa die Reduzierung von internen Kämpfen durch Errichtung einer Hierarchie, die eine Einschätzung des anderen ermöglicht ohne ihn direkt angreifen zu müssen. Oder das Signalisieren wichtiger Eigenschaften, die einen auch als Verbündeter oder als Sexualpartner interessanter machen. Oder auch nur die Möglichkeit Ressourcen zu sichern, die einem aufgrund des Platzes in der Hierarchie eher zufallen. Aus dieser Funktion ergeben sich Handlungsmotivationen, die Thesen zu erhöhten Wahrscheinlichkeiten für bestimmtes Verhalten ermöglichen. Beispielsweise wird eben Signalling einer hohen Position bei Männern in der Anwesenheit interessanter Frauen eher zunehmen.

Diese metaphysischen Wünsche der Soziobiologie schlagen sich in ihrer Sichtweise auf das Verhältnis von Evolution und Individuum wie folgt nieder:

Hier wird es etwas konkreter:

methodologischer Individualismus: Das zentrale Problem aller Organismen ist das eigene, genetische Überleben. Es geht nicht um die evolutionäre Erhaltung der eigenen Art oder der eigenen Gruppe (i.e. eine früher verbreitete These der Gruppenselektion vgl. V. Wynne-Edwards: Animal Dispersion, 1962), sondern um die reproduktive Eignung jedes einzelnen Individuums nach einer evolutionären Kosten-Nutzen-Kalkulation – und zwar ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für die eigene Art oder Gruppe: Individuen, nicht Gruppen bilden in den Augen der Soziobiologie die Angriffsziele der natürlichen Selektion.

Richtig ist, dass das „egoistische Gen“ der Ausgangspunkt der Überlegungen ist und damit auch das Individuum eine wesentlich höhere Bedeutung bekommt. Die Weitergabe von Kopien der eigenen Gene, sei es über einen selbst oder durch Verwandte, ist der Weg über den Evolution stattfindet. Dazu habe ich auch bereits einiges ausgeführt ARTIKEL ERGÄNZEN

Es wäre hier sogar noch etwas präziser zu sagen, dass nicht Individuen, sondern die Gene des Einzelnen das „Angriffsziel“ bilden, denn ein Mensch kann einem beliebigen Selektionsdruck unterliegen, stellt sich bei seinen Genen keine Mutation ein, die selektiert werden kann, dann wirkt sich dieser schlicht nicht aus. Erforderlich für eine evolutionäre Veränderung ist damit zunächst eine Mutation in einem Gen, die Vorteile bietet, aufgrund denen das mutierte Gen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit weiter gegeben wird. Das macht auch deutlich, warum eine Selektion immer bei einem Gen ansetzen muss, also bei einem Individuum.

Richtig ist, dass Gruppenselektion in der Hinsicht nur eine Rolle spielt, wenn sie eine Folge des egoistischen Genes ist. Ein Gen, welches eine unkontrollierbare Mordlust gegenüber jedem Mitglied der eigenen Spezies zur Folge hätte, würde eine sehr geringe Chance haben, sich im Genpool anzureichern und damit eher eine negative Selektion erleben. Ein Gen für Zusammenhalt und Zusammenarbeit hingegen kann, wenn man einer Ausbeutung vorbeugt, durchaus für den Genträger selbst Vorteile bieten, die dazu führen, dass dieses Gen sich im Genpool anreichert. Ein egoistischen Gen kann daher höchst soziale Geschöpfe hervorbringen.

Organismen sind zwar Träger evolutionärer Angepasstheiten, nicht aber deren Nutznießer, denn der evolutionäre Nutzen phänotypischer Angepasstheit zeigt sich im Replikationserfolg der Erbinformation und nicht etwa unbedingt im Wohlergehen der Individuen oder gar Gruppen oder ganzer Arten (siehe E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, 2013 p.10).

Hier stellt sich bereits die Frage, wie man „Nutznießer“ definiert. Natürlich ist ein Organismus mit einer Mutation, die ihm erlaubt beispielsweise als Beutetier schneller zu laufen durchaus der Nutznießer. Ebenso vielleicht ein Mensch, der eine Mutation hat, die ihn intelligenter macht und ihm erlaubt in der Gruppe aufzusteigen und soziale Vorteile zu erlangen. Allerdings hat evolutionär gesehen das Leben keinen Sinn, Mutationen treten zufällig auf und Selektionen sind die zwangsläufige Folge des Systems der Vererbung innerhalb einer Konkurrenz. Ob ein Mensch ein gutes Leben hat ist einem zufällig stattfindenen Prozess mit nachfolgender Selektion mangels Bwußtsein egal, allerdings ist das Überleben der Art genauso egal. Das Überleben der Art spielt allerdings in dem Selektionsprozess eine geringe Bedeutung, weil die Selektion schlicht nicht in die Zukunft schauen kann und daher zB bei einer Überweidung auf einer Insel nicht einplanen kann, dass man zum Wohle der Art anders handeln sollte. Evolutionär setzt sich durch, was weiterhin eigene Gene in die nächste Generation bringt, eine Selektion zugunsten fremder Gene, seien sie auch innerhalb der selben Art, ist bereits als Prozess letztendlich nicht darstellbar. Wie sollen Gene dafür angereichert werden?

Ein klassisches Beispiel dazu wäre eine Mutation zu einem „perfekten Menschen“, die aber Sterilität zur Folge hat. Selbst der glücklichste Mensch könnte (abseits der Verwandtenselektion) damit nur eine (seine eigene) Generation weit kommen.

Diese Idee, daß der Erfolg eines Gens in der Evolution nicht davon abhängt, daß es seinem Träger nützt, sondern nur davon, daß es sich selbst nützt, geht bereits auf ein paper von 1964 von W.D. Hamliton zurück und wurde von ihm voll entwickelt in Selfish and Spiteful Behaviour in an Evolutionary Model (1970). Diesen methodologischen Individualismus haben die Verhaltensökologie nach N. Tinbergen und die Evolutionspsychologie nach J. Bowlby übernommen (Smith & Borgerhoff Mulder & Hill: Controversies in the evolutionary social sciences: a guide for the perplexed. in: Trends in Ecology & Evolution, vol.16 pp. 128– 135).

Der Gedanke ist aus meiner Sicht absolut zentral für die Evolutionsbiologie und taucht insoweit bereits bei Darwin auf, wenn er auch mangels Gene als solche noch nicht kannte. Die Kombination der Evolutionsbiologie mit der Kenntnis von Genen erlaubte dann ein wesentlich besseres Verständnis der dabei stattfindenden Vorgänge und ein besseres Verständnis, dass dies die Informationen sind, die weitergegeben werden und damit sie Basis darstellen, die wichtig ist. Der Gedanke, dass es lediglich die Gene sind ist denke ich für viele im Grundsatz klar, wenn man die genaue Bedeutung aber häufig noch einmal bewußt machen muss:

Es bedeutet, dass das Leben und deren persönliche Errungenschaften des Einzelnen sich nur sehr eingeschränkt auswirken: Der Sohn eines sehr starken Schmiedes wird nur dann ebenfalls eine Veranlagung zur Stärke haben, wenn der Schmied diesen Beruf seinerseits ergriffen hat, weil er eine genetische Veranlagung für körperliche Stärke hat. Hat er sie sich schlicht hart erarbeitet ohne das sonstige Faktoren genetischer Art hier mit hineinspielten, dann fängt der Sohn erneut bei Null an und muss es sich ebenfalls erarbeiten.

Soweit ist das erst mal eine naturwissenschaftliche These zum Verständnis der Evolution und sie ist von evolutionsbiologischer Seite auch unter Feuer genommen worden z.B. von D. S. Wilson, S. J. Gould, R. Lewontin und E. Sober. Damit ist belegt, daß die wichtigen Grundgedanken der Soziobiologie schon da waren, bevor der bei Tinbergen promovierte Dawkins ab 1976 begann, popularisierte Entstellungen der Soziobiologie als Biologismus in die Welt hinaus zu posaunen.

Es sind für mich solche Wertungen, die Elmars Texte vergleichsweise schlecht machen. Elmar hat erkannt, dass er die Ausführungen von Dawkins nicht mit seiner Meinung in Übereinstimmung bringen kann und damit müssen sie für ihn inhaltlich schlecht sein. Auf eine saubere Abgrenzung inwiefern bestimmte Gedanken zu Genen als wesentlichen Bezugspunkt „popularisierte Entstellungen“ sind oder wie sich die Ausführungn von Dawkins von anderen Vordenkern unterscheiden (die ja Dawkins auch ausführlich in „Das egoistische Gen“ in Bezug nimmt) verzichtet er und ich bezweifele, dass er sie vornehmen kann oder die Unterschiede wirklich durchdacht hat. Denn in vielen Bereichen sind die Unterschiede von zB Gould zu Dawkins marginal und beide stimmen in vielen Bereichen überein, die Elmar ebenso ablehnen würde.

Für Elmar reicht das wahrscheinlich,um Dawkins damit als „widerlegt“ anzusehen. Tatsächlich angeführt hat er lediglich, dass es hier einen wie auch immer aussehenden Unterschied in der Auffassung gibt ohne irgendwie inhaltlich geworden zu sein.

Die analoge Übertragung des methodologischen Individualismus auf die Kognition durch Dawkins Mem-Begriff wird u.a. von Scott Attran kritisiert.

Der Meme-Begriff ist aus meiner Sicht auch auch eine separate Theorie von Dawkins, mit dem er evolutionäre Prinzipien der „Informationsweitergabe“ auch abseits von Genen andenkt. Es geht dabei darum, dass auch erdachte Theorien sich leichter verbreiten, wenn sie Eigenschaften haben, die ihre Weitergabe in das nächste Gedächtnis erleichtern. Das zeigt sich beispielsweise bei Reimen oder bei Geschichten, die uns interessierende Inhalte haben: Es ist das ewige Problem, dass wir uns den Inhalt unsere Lieblingssoap leichter merken können als den Zitronensäurezyklus oder andere relativ abstrakte Sachinformationen. Sie hat mit eigentlicher Evolutionbiologie schlicht nichts zu tun und ist davon ohne Probleme zu trennen. Eine Kritik dieser Gedanken bleibt damit ohne Auswirkungen auf Dawkins restliches Werk. Wer den Mem-Begriff nicht kennt mag aufgrund der Schreibweise von Elmar hier eine fundierte Kritik vermuten, die etwas mit der Sache zu tun hat, was allerdings nicht der Fall ist.

Damit stellt sich die Frage, wie die Evolutionstheorie den Übergang in die Sphäre des Sozialen schaffen kann und

die Soziobiologie löst diese Aufgabe wie folgt:

Die Evolutionsbiologie schafft zunächst den Sprung in das soziale, indem darauf abgestellt wird, dass unser Gehirn ebenso ein Produkt der Evolution ist und die Art und Weise, wie es arbeitet ebenfalls dazu dient die Weitergabe der Gene in die nächste Generation zu ermöglichen. Das ist ein Gedanke, den wir unterhalb der Menschenebene auch ohne Probleme akzeptieren.

Ein Beispiel dazu:

Löwen leben in Rudeln, bei denen auf viele Weibchen üblicherweise ein Männchen, mitunter auch 2, häufig Brüder, kommen. Diese schirmen das Rudel der Weibchen gegen andere Männchen ab, Monopolisieren also die Weibchen. Demnach kann eine Genweitergabe nur dann erfolgen, wenn ein Männchen sich in der Konkurrenz durchsetzt. Da er sich in ständiger Konkurrenz befindet und täglich ein stärkerer Löwe ihn von „seinem“ Weibchen verjagen könnte muss er sich so schnell wie möglich fortpflanzen. Da aber stillende Weibchen nicht fruchtbar sind lohnt es sich für Löwen ein Verhalten zu entwickeln, bei dem er Löwenkinder anderer männlicher Löwen tötet. An diesem Beispiel kann man wunderbar durchspielen, ob man Evolutionsbiologie verstanden hat:

Es kann zweifellos ein Nachteil für die Art sein, wenn Löwenkinder getötet werden, die ansonsten gesund sind und sich ihrerseits fortpflanzen könnten. Eine Gruppenselektion würde wohl eher gegen in solches Verhalten arbeiten.

Es ist gleichzeitig für die Genweitergabe beim männlichen Löwen ein großer Vorteil, dass er auf diese Weise handelt, auch wenn es ebenso ein großer Vorteil für ihn wäre, wenn andere männliche Löwen nicht auf diese Weise handeln würden. Weil es aber auf seine Gene ankommt und das Handeln der anderen männlichen Löwen einsetzt, wenn er von einem Rudel vertrieben ist und damit ein Verzicht keine Vorteile für ihn bringt, erfolgt eine Selektion eher auf die egoistischen Interessen des jeweiligen Löwen. Dieser muss also insoweit lediglich die Kosten für die Mutter einkalkulieren, die sich in einer Gegenwehr niederschlagen, die für ihn gefährlich sein kann. Denn ihren genetischen Interessen muss es keineswegs entsprechen, wenn Löwenkinder, in die sie bereits Ressouren investiert hat, sterben. Allerdings sind männliche Löwen auf Kampf untereinander selektiert und weibliche Löwen weitaus weniger und bei Jagd etc könnte sie ohnehin die Jungen nicht dauerhaft beschützen. Zudem setzen (wahrscheinlich auch deswegen) Löwen auf einen vergleichsweise hohe Wurfzahl mit kurzer Tragezeit. Eine Selektion darauf, dass eher die Kinder früh lernen sich gut zu verstecken ist damit . effektiver und da es nur einen männlichen Löwen (evtl zwei, aber sie nehmen sich nichts) im Rudel gibt und der nächste ebenso mörderisch sein wird lohnt es sich auch nicht ihm böse zu sein und ihn zu meiden.

Hier werden wenige anführen, dass dieLöwen diese Kalkulationen bewusst durchführen oder erlernen, sie sind schlicht eine Folge ihres biologischen Programms. Auch hier kann es sich durchaus um eine komplexere Entscheidung handeln, die von vielen Faktoren abhängt und ein aktives Handeln erfordert, welches abzugleichen ist mit anderen wichtigen Aktivitäten, wie etwa Jagd etc.

Wir kommen in noch höhere Ebenen, wenn wir das Verhalten von Primaten beobachten. Schimpansen beispielsweise bilden Hierarchien aus und bilden komplizierte Allianzen, um nach oben zu kommen. Sie bestechen, sie handeln sozial, sie nehmen Bündnisse anderer zur Kenntnis und planen diese mit ein. Sie führen Kriege um Reviere und Ressourcen. Sie haben Vorstellungen von Gerechtigkeit oder etwa der Vergleichbarkeit von Entlohnungen für bestimmte Dienste.

Wenige Menschen haben Probleme damit, bei diesen Verhaltensweisen evolutionäre Erklärungen zu akzeptieren. Beim Menschen werden bei durchaus vergleichbaren Vorgängen hingegen weitaus schwierigere Probleme gesehen ohne das wirklich begründet werden kann, wo der wesentliche Umbruch geschieht. Wer meint, dass das Verhalten von Löwen oder Affen durch Biologie erklärt werden kann, das der Menschen aber nicht, der sollte zumindest seine eigenen Theorien daraufhin überprüfen, ob er damit seine Auffassung, dass das Verhalten von Löwen und Affen erklärt werden kann, aufrechterhalten kann oder nicht. Er muss also prüfen, ob seine Gegenargumente tatsächlich etwas urtümlich menschliches herausstellen oder er damit letztendlich Grundprinzipien der Evolutionsbiologie angreift. Wohlgemerkt: Dass diese Theorien falsch sind kann natürlich sein. Allerdings sollte man sich dann eben damit beschäftigen, ob die eigenen Theorien die entstandene Lücke füllen können oder ob nicht eher die eigenen Theorien die wackeligeren sind.

genetischer Verhaltensbegriff: Für die Übertragung der Verhaltensmuster – verstanden als Dispositionen zu einem Verhalten – sind im wesentlichen die Gene verantwortlich.

Korrekter müsste es hier heißen: Für die Übertragung von Verhaltensmustern, die auf einer biologischen Grundlage beruhen, sind im wesentlichen die Gene verantwortlich. Natürlich gibt es Verhalten abseits genetischer Grundlagen, also einen sozialen Anteil. Verschiedene Verhalten können auch darauf beruhen, dass sie in dieser Situation aus den jeweiligen Verhaltensanlagen aller entstehen. Einem Dieb die Hand abzuhacken oder ihn zu brandmarken wird in einer primitiven Gesellschaft, in der Informationen nicht oder allenfalls mit zeitlicher Verzögerung oder enormen Aufwand und geringer Qualität übertragen werden können eine geeignetere Abschreckung sein als beispielsweise in einer modernen Gesellschaft, die eine Erfassung von Personen und eine relative Kontrolle dieser erlaubt und die genug Ressourcen für anderweitige Bestrafungsmöglichkeiten hat. Beides hat seine Ursache darin, dass wir „Besitz“ kennen und verstehen und auch „Konkurrenz um Ressourcen“ „Lernen durch Strafe“ und „Signalling asozialen Verhaltens“ verstehen und dies Teil unserer Biologie ist. Wie diese Komponenten genutzt werden um ein soziales System zu errichten ist wieder eine andere Sache.

In die evolutionäre Gesamtfitness eine Individuums (z.B. W.D. Hamilton in: The Genetical Evolution of Social Behaviour, 1964) geht deshalb nicht nur die Fitness der eigenen Nachkommen ein, sondern auch derjenige Beitrag, den das jeweilige Individuum in die Pflege von Verwandten investiert, soweit dies deren Fitness steigert und in Abhängigkeit davon, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie die gleichen Gene tragen.

Das wäre aus meiner Sicht ein Punkt, der sich nicht lediglich auf das Verhalten bezieht. Verwandtenselektion ist etwas, was theoretisch alle Aspekte betrifft, wie man beispielsweise an Theorien zur Heterosexualität und höherer Fruchtbarkeit bei zB weiblichen Verwandten sieht oder beispielsweise an der Vererbung eines ausdrucksvollen Kinns, welches männliche Verwandte attraktiver, weibliche Verwandte aber unattraktiver macht.

In Bezug auf das Verhalten wird also der gleiche Grundsatz ausgebildet, der auch sonst zum Tragen kommt, er ist nicht verhaltensbezogen. Natürlich kann sich dieser Punkt aber gerade bei dem Verhalten besonders stark auswirken.
Natürlich gilt auch hier: Es geht nicht schlicht um Verhalten, sondern lediglich um solches Verhalte, welches aufgrund einer biologischen Disposition erfolgt. Wer also einfach aufgrund einer bestimmten sozialen Praxis Verwandten fördert, dies aber beispielsweise aufgrund einer genetischen Disposition auf Egoismus ungern und nur unter sozialen Zwang macht, der gibt keine entsprechenden Gene weiter, es wäre allenfalls ein kurzfristiger Erfolg, der aber bei Betrachtung längerer evolutionärer Zeiträume durchaus ohne Auswirkungen bleiben kann. Theoretisch kann eine solche Praxis sogar zu einer genetischen Selektion auf das Gegenteil, also einen Egoismus, führen, wenn die Vorteile bei der besseren Weitergabe eigener Gene die Vorteile der Weitergabe der Gene über Verwandte überwiegt. Dabei muss man sich bewußt machen, dass Verwandtenselektion sehr schnell an seine Grenzen stößt: Das eigene Kind trägt nur ½ der eigenen Gene, dessen Kind wiederum nur ¼ (zumindest bei hinreichender Größe des verfügbaren genetischen Pools).

Daraus folgt: Allein viele Nachkommen zu haben, bedeutet noch keineswegs Fitness, wenn diese im sozialen und sexuellen Wettbewerb der nächsten Generation nicht bestehen können.

Hier wäre zunächst zu ergänzen, dass das zum einen zwar richtig ist, aber schnell falsch verstanden wird: Evolution erfolgt durch zufällige Mutationen, die selektiert werden. Eine Zukunftsbetrachtung ist nicht möglich, eine Auswertung der Vergangenheit auch nur sehr eingeschränkt. Ein gutes Beispiel dafür ist der Dodo, bei dem eine planende Instanz evtl darauf hingewiesen hätte, dass es vielleicht jetzt besser ist, stabilere Knochen zu haben und die teuren Flugmuskeln abzubauen und Fluchtinstinkte zu verlieren, das aber in der Zukunft teuer sein kann, weil evtl ein in der Vergangenheit bereits einmal vorhandener Vorteil des Fliegens und des Angst haben eine dauerhafte Weitergabe der Gene ermöglicht. Eine solche Instanz gibt es aber nicht, weswegen die Beachtung von Nachteilen für die nächste Instanz sich nur auf in vergleichsweise kurz Zeitabständen sich wiederholenden Umständen, die keinen zu starken Selektionsdruck gegen sich haben, erfolgen kann. Der Dodo war insofern Fit für die vorhandene Situation, aber nicht für die Zukunft.

Begriffe wie evolutionäre Angepasstheit und evolutionäre Fitness werden bestimmt durch eine kontextabhängige Vermehrungsrate, die ihrerseits abhängt von Fruchtbarkeit, Brutpflegeaufwand und Überlebenschancen der Nachkommen. Der Anpassungswert einer Verhaltensweise kann auch davon abhängen, wie viele andere Mitglieder der Population dasselbe Verhalten zeigen.

Auch hier schreibt Elmar wieder sehr knapp und scheint mir dabei die Prinzipien nicht verstanden zu haben.

Wesentlich für das Verständnis ist dabei zum einen der bereits oben dargestellte Ansatz, dass Evolution bei den Genen des Einzelnen ansetzt. Eine Spezies ist nicht gleich, sondern hat einen Genpool, mit einer Vielzahl von Unterschieden, die in Konkurrenz zueinander stehen.
Damit können evolutionär auch verschiedene Strategien innerhalb einer Spezies innerhalb verschiedener Situationen verschieden erfolgreich sein.
Dawkins führt dies beispielsweise mit dem in der Evolutionsbiologie bekannten Beispiel der „Falken“ und der „Tauben“ aus:

Dabei stehen diese Bezeichnungen für Vertreter innerhalb einer Spezies, die verschiedene Dispositionen zu bestimmten Verhalten haben:

  • Falken kämpfen um bestimmte Ressourcen und müssen daher die Kosten eines Kampfes tragen aber können auch deren potentielle Vorteil für sich gewinnen.
  • Tauben fliehen vor einer Auseinandersetzung und verlieren die Vorteile (etwa bestimmte Ressourcen), tragen aber auch keine Kosten (beispielsweise Verletzungen).

Es leuchtet ein, dass eine Mutation zu einem Falken in einer Kolonie von Tauben sehr lukrativ ist: Alle weichen einem Kampf aus, man hat also keine Kosten und alle Nutzen. In einer Kolonie von Falken sind hingegen die Kämpfe so erbittert, dass es sinnvoll sein kann, eher zu fliehen und etwa möglichst schnell Ressourcen wie Futterquellen zu vereinnahmen, bevor man vertrieben wird. Jedes vorteilhafte Verhalten reichert sich innerhalb der Spezies an, wodurch sich aber die Kosten verändern können: Wenn die Mutation hin zu einem Falken einem eine höhere Vermehrung erlaubt, dann verschwindet dieser Vorteil, um so mehr sich das Gen aufgrund dieser höheren Vermehrung innerhalb der Kolonie durchsetzt. Irgendwann werden die Kosten durch beständiges Kämpfen evtl so hoch, dass nunmehr die Tauben im Vorteil sind und sich damit stärker vermehren.

Interessant ist, dass sich hier bestimmte Gleichgewichte bzw evolutionär stabile Strategien herausbilden können, bei denen keine der Strategien im Vorteil ist.

Mit diesem zweiten Punkt begibt sich die Soziobiologie bereits in Teufelsküche. Denn einerseits besteht kein Zweifel daran, daß genetisch vererbtes Verhalten nicht erst erlernt werden muß. Andererseits aber will die Soziobiologie eine große Klasse sozialer Verhaltensweisen erfassen, die zweifelfrei erst erlernt und vor allem richtig gemacht werden müssen, damit sie sich evolutionär auszahlen können wie z.B. Babypflege, Erziehung, sexuelles Werbungsverhalten oder sozialer Einsatz für die Familie.

Auch hier scheint mir das Problem weitaus eher darin zu bestehen, dass Elmar sich nur oberflächlich mit den Theorien beschäftigt hat, die er hier bespricht. Und es ist denke ich auch ein gutes Beispiel dafür, dass er in seiner Besprechung der Evolutionsbiologie nur vom Menschen her denkt und nicht zunächst erst einmal versucht, die Prinzipien auch bei Tieren nachzuvollziehen.
Ein Löwenjunges muss beispielsweise zweifellos die Jagd lernen und seine Fähigkeiten in dem Bereich kalibrieren, hat aber die biologischen Voraussetzungen dafür und deren Grundlagen, wie die Art, wie man schleicht oder die Lust am Verfolgen von Objekten ererbt. Die Art und Weise, auf die er lernt, ist Imitation, Beobachtung, Ausprobieren etc. Und auch hier gibt es Lernmechanismen, die das Verstehen und Aneignen dieser Fähigkeiten begünstigen.

Etwas alltäglicher als der Löwe kann man das bei einer Hauskatze beobachten, die mit Katzenfutter versorgt vielleicht nie eine Maus oder andere typische Beute gesehen hat. Man wird sie dennoch dabei beobachten, wie sie schleicht, wie sie einen Laserpointerpunkt oder einen Faden jagt oder anderweitige Tätigkeiten übernimmt, die unter anderen Bedingungen dazu dienen würden, dass sie das jagen erlernt. Bei allen lernfähigen Tieren ist die Kindheitsphase dazu da, dass sie bestimmte Fähigkeiten in Übereinstimmung mit ihrer Biologie ausbilden und verfeinern, sprich: durch ihre Dispositionen zu verhalten verleitet werden, mit welchem sie Fähigkeiten für das Erwachsenenleben ausbilden sollen.

Bei Babypflege beispielsweise gibt es Studien, die nachweisen, dass Östrogen eine stärkere Affinität für das Kindchenschema bewirkt, positive Reaktionen des Kindes werden damit auch stärker aufgenommen, was eine Beschäftigung mit dem Kind stärker belohnt. Im Prinzip würden hier stärkere Dopaminausschüttungen, die das Belohnungsssytem auf bestimmte Reize hin stimulieren ausreichen.

Sexuelles Werbeverhalten muss auch nicht als solches bewusst ausgebildet sein, es reicht, wenn bestimmtes Verhalten sich gleichzeitig gut anführt und einen begehrenswert macht, etwa einen hohen sozialen Status zu haben oder viele Ressourcen zu besitzen. Und bei sozialen Einsatz für die Familie ist ebenfalls recht gut bekannt, dass eine bestimmte Bindung in den ersten Lebensjahren erfolgt, die ebenfalls über das Belohnungssystem eine Form von Sucht bewirkt.

Das Zauberwort für die Soziobiologie heißt an dieser Stelle Disposition. Wer nun erwartet, daß die Soziobiologie als seriöse, interdisziplinäre Wissenschaft eine eigenständige Theorie zur Analyse von Dispositionen vorlegt, der wird enttäuscht.

Wie bestimmte evolutionäre Vorgänge ablaufen wird durchaus erforscht. Es ist Bestandteil derr Neurologie, Psychologie und der Medizin. Gerade im Geschlechterbereich sind bestimmte Ausgestaltungen in ihren Grundlagen anhand verschiedenster Sonderkonstellationen wie Transsexualität, CAH etc. in der Forschung bekannt, auch wenn man die genaue Art und Weise, wie das Gehirn in der Hinsicht funktioniert, noch nicht entschlüsselt ist.

Was auch immer in diesen Diskussionen ausgeblendet wird: Selbst wenn man nicht wüsste, wie diese Mechanismen funktioniern, bedeutet das nicht, dass die evolutionären Theorien falsch sind. Das ist etwas, was Elmar immer wieder vorbringt, aber es bleibt ein Argument vom Nichtwissen, was ein reines Scheinargument ist.

Das ist um so bedauerlicher, weil Elmar die Kriterien, die er hier an andere Theorien anlegt noch nicht einmal ansatzweise selbst erfüllen kann. Soweit dieser anscheinend auf „Freien Denken“ aufbaut dürfte dies an Komplexität kaum zu überbieten sein. Eine eigenständige Theorie dazu, wie dies tatsächlich funktionieren soll hat er nicht ansatzweise. Langt ihm die von ihm bisher mitgeteilten Informationen, dann wäre „es ist durch evolutionäre Selektion entstanden“ auch in diesem Fall vollkommen ausreichend.

Stattdessen appelliert man hoffnungsfroh an den unreflektierten Alltagsverstand, der eben nicht intuitiv widerlegen kann, daß Dispositionen anders als Begabungen funktionieren, welche aber zweifellos eine genetische Komponente haben.

Auch so ein Satz, wo man nicht wirklich weiß, was Elmar eigentlich genau an Kritik vorbringt. Was meint er denn wie Begabungen funktionieren und warum sollten diese möglich sein, aber Dispositionen nicht? Warum ist eine Begabung, die einen etwas leichter lernen lässt, denkbar, eine Disposition, die einen etwas lieber machen lässt, aber undenkbar? Nach Elmar wohl einfach, weil das eine in das freie Denken eingreift und das andere nicht. Dabei ist ein Belohnungssystem über Dopamin etc recht unzweifelsfrei vorhanden und wäre recht einfach mit einem „Begabungssystem“ zu verküpfen.

Auch die unterschiedliche Ausprägung von „Begabungssystemen“ je nach Hormonen ist insoweit gut in Studien nachgewiesen.

Das zweite Problem liegt darin, daß nicht alles intentionale Verhalten von Indivuduen auf diese Weise erfaßt wird. Hier muß sich die Soziobiologie etwas Besonderes einfallen lassen.

Niemand behauptet, dass alle intentionalen Verhalten auf diese Weise erfasst wären. Aber auch hier scheint Elmar nicht zu verstehen, dass es nicht für jedes einzelne Verhalten eine komplette Disposition geben muss, sondern es ausreicht, wenn bestimmte Grunddispositionen vorliegen, die dann in verschiedensten Situationen und auch im Zusammenspiel ein typisches Verhalten bewirken. Beispielsweise reicht eine Disposition dafür einen hohen Status zu haben und in intrasexueller Konkurrenz Herausforderungen anzunehmen, um ein Verhalten zu bewirken, welches sich nach einem bestimmten Schema in vielen Bereichen auswirkt und auch entsprechend ausgenutzt werden kann.

Theorie der Gen-Kultur-Koevolution: Phänotypen inklusive ihrer Verhaltensmerkmale entstehen immer aus einer Wechselbeziehung zwischen dem Genom und seiner Umgebung. Die Gene bestimmen dabei die Reaktionsnorm auf äußere Entwicklungsbedingungen. Das Sozialverhalten wird daher entsprechend durch den Mechanismus der natürlichen Selektion evolutionär angepasst, weshalb nur die tendentiell erfolgreichen Sozialstrategien via Sexualität an die nächste Generation weitergereicht: Soziobiologen begreifen eine Verhaltensstrategie als eine evolvierte Regelsammlung, die festlegt, mit welcher Wahrscheinlichkeit welches Verhalten unter welchen Bedingungen gezeigt wird. Es setzen sich folglich nur diejenigen individuellen Verhaltensmuster durch, die die besten individuellen Reproduktionschancen realisieren. D. P. Barash z.B. formuliert das in Soziobiologie und Verhalten, p. 85 so: „Eine genetisch bedingte Neigung zur Kinderlosigkeit hätte keine große evolutionäre Zukunft.“.

Der letzte Satz ist jedenfalls sehr richtig und man wird ihm auch kaum widersprechen können.

Richtig ist zunächst, dass soziales Verhalten auch eine Selektion bewirken kann, und diese Selektion wiederum das soziale Verhalten.

Ein klassisches Beispiel wäre die Laktosetoleranz, also die Verträglichkeit von Milchzucker. Diese hat sich nur in einigen Völkern und verhältnismäßig spät entwickelt, weil sie die kulturelle Praxis erfordert, einen gewissen Viehbestand zu haben und sich der Vorteil wohl auch insbesondere bei Nomaden zeigt, die schwerer Ackerbau betreiben können. Hier könnten einige zunächst einen Nischenvorteil durch eine Mutation gehabt haben, die ihnen in bestimmten Zeiten über das Nutzen der Milch oder die bessere Verträglichkeit der Milch einen Vorteil brachte. Dieser Vorteil kann zu einer Anreicherung der entsprechenden Gene geführt haben, was auch bedeutete, dass immer mehr Menschen Milchprodukte nutzen konnten und diese damit ein größerer Bestandteil der verfügbaren Nahrung bildeten und sie damit nicht verwerten zu können auch einen immer größeren Nachteil darstellte. Hier haben sich Kultur und Biologie gegenseitig beeinflusst.

Ein anderes Beispiel wäre das Kochen/Braten von Speisen. Dazu schrieb ich schon einmal:

Hätte unser früher Vorfahre, der vor rund einer Million Jahren lebende Homo erectus, sich genauso ernährt wie die heutigen Menschenaffen, hätte auch er mindestens neun Stunden täglich für die Nahrungssuche benötigt, so die Forscherinnen. Für andere Tätigkeiten wie das Werkzeugmachen oder soziale Kontakte wäre dann kaum mehr Zeit geblieben. „Unsere Daten sind eine direkte Bestätigung der Theorie von Wrangham“, konstatieren Fonseca-Azevedo und Herculano-Houzel. Allein mit Rohkost hätten unsere Vorfahren ihr großes Gehirn nicht entwickeln können. „Wenn Nahrung gekocht wird, liefert sie mehr Kalorien, weil die Nährstoffe besser verdaut und vom Körper aufgenommen werden können.“

Hier sieht man auch ein gutes Beispiel zwischen Kultur und Umwelt. Weil eine Kulturtechnik wie das Kochen des Essens Zeit schafft, um andere Tätigkeiten zu übernehmen. Zudem waren dadurch auch weitere Möglichkeiten für eine weitere körperliche Veränderung vorhanden. Weil Nahrung leichter verdaut werden konnte, wenn sie gekocht war, konnte die Verdauung anders gestaltet werden und das Abkochen dürfte auch die Krankheitserreger eingeschränkt haben. Inbesondere aber konnte man sich damit ein so kostspieliges Organ wie das Gehirn leisten. Selbst wenn man nicht den ganzen Tag für die Nahrungsaufnahme verwendete, konnte man das Gehirn mit hinreichend Nahrung versorgen.

Auch hier liegt eine Koevolution vor. Kochen erlaubte weniger Zeit auf Nahrungssuche zu verwenden und damit ein größeres Gehirn zu entwickeln. Um so mehr sich dadurch der Magen anpasste, um so mehr musste gekocht werden, da der Magen rohes Fleisch etc nicht mehr in der gleichen Weise verarbeiten konnte. Heute ist Kochen nicht mehr wegzudenken aus der menschlichen Gesellschaft.

Soziale Strategien in die nächste Generation weiterzugeben ist dabei relativ unwesentlich. Sie werden nur dann relevant, wenn sie sehr lange anhalten, was wohl meist einen bestimmten Vorteil bieten muss. Eher werden bestimmte Gene, die ein bestimmtes Verhalten günstiger machen, in die nächste Generation weitergegeben, zB die Fähigkeit Milchzucker zu verdauen. Natürlich könnte eine Kultur dennoch das Leben als Nomade mit Vieh aufgeben, welches dadurch begünstigt wird. Vielleicht sind dann – wie bei uns heute durch moderne Viehzucht und Kühlmöglichkeiten – dennoch Milchnutzungen auf andere Weise sinnvoll. Die Gen-Kultur-Koevolution oder Dual inheritance Theory legt erst einmal nur einen Entwicklungsweg dar. Aus ihm kann folgen, dass auch bestimmte Verhaltensweisen attraktiver werden.

Man kann sicherlich sagen, dass auch soziale Verhaltensweisen insoweit einer Art Evolutionsprozess unterliegen: Sie werden selten vollkommen gleich weitergegeben und Verbesserungen setzen sich dann häufig durch. Da sie jedoch nicht wie Gene „verfestigt“ sind, sind sie relativ leicht zu ändern, wenn damit nicht Vorteile verbunden sind oder bereits eine besondere Selektion auf bestimmte Vorteile davon sie nach wie vor besonders attraktiv macht.

Eine wesentliche Selektion auf soziale Prozesse dürfte auch auf einer „Metaebene“ bestehen, nämlich den Routinen für das  Erkennen von sozialen Regeln und dem Einschätzen von deren Wichtigkeit, zB indem man erkennt, welche Regeln als Tabu ausgestaltet sind, so dass ein Verstoß erhebliche Folgen hat.

Besteht der unterschiedliche Reproduktionserfolg der Individuen zumindest zu einem Teil auf genetischen Unterschieden, kommt es zu Verschiebungen von Genfrequenzen in einer Population, und evolutionärer Wandel einer Art findet statt. Die Erbinformation mit den besseren Selektionseigenschaften ist vermehrt an der Herausbildung der anatomischen, physiologischen und ethologischen Merkmale ihrer Mitglieder, der Phänotypen, beteiligt, während die Erbinformation der Verlierer in der Darwinischen Konkurrenz abnimmt.

Es ist dabei noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, dass sich nicht die Gene der Art ändern, in dem Sinne, dass nunmehr alle Wesen dieser Art die Änderung übernehmen, sondern das sich Einzelwesen aus der Art mit einer vorteilhaften Mutation  aufgrund dieser Vorteil stärker fortpflanzen und damit in jeder weiteren Generation mehr von diesen Genen im Genpool vorhanden sind. Gut vorstellen kann man sich das zB bei einer Umgebung in der Milchzucker zu verwerten vorteilhaft sind: Der erste Mensch hat eine entsprechende Mutation, die er an seine Kinder weitergibt. Er kann evtl bereits mehr Kinder zeugen oder die Kinder sterben seltener, weil sie eine neue Nahrungsquelle haben und auch bei deren Kindern ist es wiederum so. Bei anderen Menschen, die Milchzucker nicht verdauen können, sterben vielleicht mehr Kinder oder sie haben eine schwächere Konstitution oder sie sind anderweitig im Nachteil und deswegen werden sie nicht mehr oder jedenfalls nicht im gleichen Maße. Bei Mischehen überleben dann vielleicht eher die Kinder, die Milchzucker verdauen können, also das passende Gen erhalten haben oder sie entwickeln sich besser, werden größer und stärker, während ihre Geschwister ohne dieses Gen eher sterben und kleiner und schwächer sind (etwa vereinfacht dargestellt). Entsprechend wird das Gen für die Verwertung von Milchzucker entsprechend zahlreicher im Genpool.

Diese Ansicht ist zunächst mal wenigstens missverständlich. Denn erstens findet Evolution nicht durch Selektion, sondern durch Mutation statt, zweitens ist Selektion nicht primär sexuelle Selektion und drittens diskutieren Biologen schon seit Langem, welche besonderen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein Merkmal selektiert wird – ein Problem, das einen eigenen post verschlingen wird.

Evolution findet durch Mutation und Selektion statt. Ein Mutation, die keinen Vorteil bringt, kann sich nicht durchsetzen. Eine Mutation, die einen Vorteil bringt, aber aus anderen Gründen aus dem Genpool verschwindet (der Träger des Milchzuckerverwertungsgens wird von einer zahlenmäßig überlegenen Gruppe angegriffen und mit seiner Familie ausgelöscht) wird sich ebenso wenig durchsetzen. Nur wenn eine Selektion ansetzen kann, kann auch eine Anreicherung im Genpool stattfinden. Und verschiedene Formen der Selektion erzeugen auch wiederum selbst einen gewissen Selektionsdruck, etwa sexuelle Selektion, die zu einer run-away-selection, einem Selbstläuferprozess, führen kann. Das ist etwa der Fall, wenn eine Selektion dazu führt, dass ein „Mehr“ als sexuell attraktiv wahrgenommen wird, etwa bei einer langen Schwanzfeder eines Goldfasans. Da dann rein aufgrund dieser genetischen Fixierung, den männlichen Vogel mit der längsten Feder attraktiv zu finden, ein Selektionsdruck gestartet ist, wären verschiedene Formen der Evolution ohne die Berücksichtigung von Selektion gar nicht vorstellbar. Ein reines Abstellen auf Mutation ist ein typisches Fehlverständnis etwa von Kreationisten, die anführen, dass ein Wirbelsturm auf einem Schrottplatz nicht einfach zu einer Boing 747 führen kann und daher Evolution nicht der Grund für komplexere Wesen sein kann. Sie unterschätzen dabei die Bedeutung von Selektion und deren Möglichkeit durch eine Form von „Trial and Error“ günstige und komplexe Ergebnisse zu erreichen.

Was Elmar damit sagen will, dass Selektion nicht primär sexuelle Selektion ist verstehe ich nicht. Wie man am Milchzucker sieht können bestimmte Koevolutionen auch abseits sexueller Selektion stattfinden. Die Bedingungen für eine Selektion sind in ihren Grundsätzen auch nicht gerade sehr umstritten: Ein Merkmal mit genetischen Grundlagen wird dann selektiert, wenn es Vorteile bei der Weitergabe von diesen Genen in die nächste Generation bringt und sich so im Genpool anreichern kann. Hier wird man wohl Elmars nächsten Artikel abwarten müssen.

Das zweite Problem besteht – wie erwartet – darin, daß die Soziobiologen als Verhaltenswissenschaftler versagen: Denn zweifellos gibt es Verhalten, daß nichts anderes als die Instantiierung einer Regel darstellt. Wer z.B. an einem Stopschild im Verkehr anhält, macht das genauso regelhaft, wie jemand, der eine monoton wiederholte Tätigkeit als Mittel einsetzt, um einen Zweck zu erreichen.

Niemand behauptet, dass es eine genetische Regelung für Stopschilder gibt. Allenfalls sind wir darauf evolviert bestimmte Regeln der Gesellschaft zu erlernen und haben zusätzlich ein „Sparprogramm“ entwickelt, welches uns bei immer wiederkehrenden Handlungen kein logisches Denken abverlangt, weil diese anderweitig abgespeichert werden und einem gewissen Automatismus unterliegen. Das es hierfür einen eigenen biologischen Apparat gibt kann man beispielsweise auch daran sehen, dass Leute, die ihr Langzeitgedächtnis dauerhaft verloren haben, also nur noch über ein Kurzzeitgedächtnis verfügen, häufig dennoch noch bestimmte Handlungen, die Gewohnheit waren, ausführen können, beispielsweise die ewig gleiche Runde mit ihrem Hund gehen können auch wenn sie sich ansonsten ihn der Stadt, in der sie 20 Jahre gewohnt haben, nicht mehr zurechtfinden.

Doch ein Großteil unseres Verhaltens sieht völlig anders aus: Wer z.B. einen abgenudelten Dosenöffner samt Raviolidose unter erbostem Knurren „Dir zeige ich es!“ lustvoll aus dem Fenster schleudert, der folgt keiner Regel.

Elmar wählt immer Beispiele für seine Widerlegungen aus, bei denen nie jemand angeführt hat, das sie als solche genetisch verankert ist. Dass wir aber dazu neigen Objekte zu personifizieren und bei dem Stück Metall und Plastik, welches für uns einen Dosenöffner darstellt, einen Verrat zu sehen, also ein vollkommen unlogisches und widersinniges Verhalten zu praktizieren, folgt keiner Regel, ist aber ebenfalls ein (übereifriges) biologisches Programm, welches immer versucht „Motive“ zu finden. Elmar scheint sich einfach mit Dispositionen und Motivationen nicht wirklich anfreunden zu können, er versucht daher immer evolvierte Handlungen als eine Form von aktiv geschriebenen Code für genau diesen Prozess zu sehen, was gar nicht diskutiert wird. Eher müsste man sich den Menschen als teilweise schlecht programmierten Roboter vorstellen, bei dem ein Unterprogramm die „Handlung“ des Dosenöffners als „Verrat“ erkennt und bestimmte Handlungsoptionen unter diesem Aspekt eingeblendet werden (teminatorstyle, wenn man ein entsprechendes Bild haben will), die einem unter der Annahme, dass der Dosenöffner „schuld“ ist logisch erscheinen. Der Betreffende in Elmars Beispiel entscheidet sich anscheinend für die Option „bestrafen“.

Noch bedeutend kritischer wird es, wenn man sich Verhalten vornimmt, daß man nicht verstehen kann, ohne diejenigen Sätze zu berücksichtigen, die davor und während dem zu erklärenden Verhalten geäußert werden. Auch darüber wird man also noch ausführlich nachdenken müssen.

Was auch immer nicht verstanden wird: Die Gene entscheiden nicht, sie müssen nicht komplexe Handlungsweisen für Raviolidosen vorsehen. Sie haben ein hochkomplexes System geschaffen, dessen Ressourcen sie nutzen können, um Informationen aufzunehmen und zu bewerten. Natürlich auch vorherige Sätze. Nehmen wir den Satz „Gehen wir raus“. Dieser mag von einem bärtigen Rocker, den man aus Versehen ein Glas Bier über den Kopf gegossen hat und der dies mit deutlichen Anzeichen für Verärgerung sagt, einen Fluchtreflex auslösen, den Schließmuskel lockern und einen dazu bewegen den Kopf einzuziehen, sich kleiner zu machen, die Augen aufzureißen und sich tausendmal zu entschuldigen. Der gleiche Satz ins Ohr gehaucht von der Dame an der Bar, mit der man die letzte Stunde geflirtet hat, mag das Erregungsprogramm aktivieren, so dass man fortan weitere Aktionen unter diesem Gesichtspunkt sieht. Das Gene einen Einfluss auf das Denken haben, bedeutet nicht, dass die Gene denken müssen. Das Gehirn kann diese Aufgabe natürlich übernehmen und wertet beispielsweise Daten wie Bedrohlichkeit einer Situation oder Wahrscheinlichkeit für Sex aus, ohne das dies logisch durchdacht werden muss. Je nach dem werden wir auch andere Handlungsoptionen interessanter finden.

Ein anderes Beispiel wäre Hunger, wenn wir leckeres Essen riechen oder sehen, in Abhängigkeit davon, ob wir länger nichts gegessen haben. Unser Gehirn wertet die Erkenntnis aus, dass Essen in der Nähe verfügbar ist und es kann bei längeren Zeiten seit der letzten Mahlzeit eine Motivation entstehen, ebenfalls essen zu können. Also wertet unser Verstand aus, welche Optionen dafür bestellen, beispielsweise den Kellner in der Kneipe, der an den Nebentisch gerade Speisen gebracht hat, herüberzurufen und eine Bestellung aufzugeben. Die Frage „Soll ich etwas bestellen“ ist dabei eine, die als Folge der Erkenntnis, dass Essen verfügbar ist und wie man es erlangen kann, aufgrund der Weise, wie unser Gehirn arbeitet, in uns aufgetaucht und kann dringender oder weniger dringend (in dem Terminatormodell klein im unteren Bildschirmrand oder in blinkenden sehr großen Buchstaben in der Mitte des Displays) ausgestaltet sein. Unser Verstand mag dann einwenden, dass wir eigentlich eine Diät machen wollen, aber der Rest unseres Gehirns signalisiert uns, welche Glücksgefühle uns die Aufnahme von Fett und Zucker und Kohlehydraten machen würden, unser Gehirn stellt uns tadellos arbeitend auch bereits Auswahlmöglichkeiten für interne Ausreden bereit: Hatte man zum Mittagessen nicht etwas kleines? Hatte man heute nicht einen harten Tag, bei dem man eine Ausnahme verdient hat? Soll man sein Leben nicht auch Leben und reicht es nicht die Diät morgen zu starten? Die Vernunft mag dann siegen oder nicht siegen, wir haben unsere aus der Biologie stammende Motivation bemerkt.

Dieses Zusammenspiel von Aufnahme und Auswertung von Daten und Aktivierung bestimmter Verhaltungspräferenzen wird dabei gerne ausgeblendet und so getan als wäre unser Gehirn nicht zu komplexen Berechnungen im Dienste der Gene in der Lage (aber dennoch zu den komplexen Berechnungen, die „freies Denken“ erfordert).

Zunächst mal aber geben wir der Soziobiologie Gelegenheit, ihre eigene Reichweite erkennbar zu machen:

IV) genetische Priorität: Da die Gene biologische Merkmale und Verhaltensweisen des Phänotyps des Genträgers während der Ontogenese in Abhängigkeit von den Lebensumständen und der jeweiligen Umwelt generieren, ist das Verhalten niemals nur rein genetisch bestimmt, sondern immer auch durch die Umwelt geprägt. Verhaltensmuster und Verhaltesnneigungen können also nicht generell in erbliche und erworbene eingeteilt werden, sondern die neurobiologisch begründeten Verhaltenstendenzen haben erbliche Anteile.

Da wird einiges durcheinander geworfen, was man vielleicht klar stellen muss.

  • Gene sind erst einmal ein Wachstumsplan. Genau wie bei einer Pflanze hängt das Wachstum natürlich auch von anderen Faktoren ab, bei einer Pflanze etwa von dem Boden, der Lage, der Sonneneinstrahlung, dem Dünger, dem Regen und dem Vorhandensein von Fressfeinden ab. Gene, die einen mächtigen Eichenbaum hervorgebracht hätten, werden in einem schlechten Boden, ohne Wasser und mit wenig Sonne, vielleicht nur ein recht kümmerliches Exemplar hervorbringen, selbst wenn sie unter idealen Umständen einen sehr schönen Baum hervorgebracht hätten.
  • Das ist bei Menschen natürlich noch extremer, weil sie anderen Einflüssen unterliegen als eine Pflanze.
  • Zum einen ist zu bedenken, dass wir als Säugetiere in einer Gebärmutter starten, in er uns die Mutter die Umgebung stellt, in der wichtige Entwicklungen stattfinden. Dies betrifft die Versorgung mit Nahrung aber auch die Zuführung bestimmter Hormone etc. Hier spielen auch die in diesem Blog häufig erwähnten pränatalen Hormone eine erhebliche Rolle. Aber auch ohne die richtigen Nährstoffe kann das Gehirn nicht entsprechend ausgebildet werden und auch ein Gehirn, welches seitenes der Mutter bestimmte Stressbotenstoffe erhält bildet sich anders aus

Zum anderen wird auch ein Kind, welches nach seiner genetischen Ausstattung friedlich ist, eben nicht friedlich sein, wenn man es im starken Maße in eine andere Richtung erzieht. Wie so etwas aussehen kann sieht man beispielsweise auch sehr gut in der regelmäßigen Lesern des Blogs gut bekannten Studie von Udry, aus der ich hier eine Grafik kurz einfügen möchte:
Udry Testosteron und Erziehung
Hier sieht man gut, wie sich verschiedene biologische Dispositionen zu einem Verhalten (oder einem Bündel bestimmter Verhalten, hier männlicher und weiblicher) und Erziehung gegenseitig beeinflussen: Hier haben die Mädchen bestimmte Gene, die ihren Körper auf auf eine bestimmte Weise aufgebaut haben. Deswegen produzieren sie auch eine bestimmte Menge von Hormonen. Auch die Umwelt spielte eine Rolle, zum einen darüber, wie viele Hormone über die Mutter in der Gebärmutter bereit gestellt worden sind, aber auch, wie sich das Kind ansonsten dort entwickeln konnte. Später beim Aufwachsen kommen eine Vielzahl weiterer Umweltaspekte dazu, natürlich auch die Erziehung. Die Frauen mit einer sehr starken Disposition zu einem weiblichen Verhaltens, bedingt durch die Hormone, reagieren hier sehr stark auf diese Einflüsse, Frauen mit einer starken Disposition (für Frauen) in die andere Richtung reagieren hingegen sogar mit verstärkter Ablehnung auf entsprechende Erziehungsversuche. Berücksichtigt ist noch nicht, dass hier weitere genetische Einflüsse vorliegen könnten, da Mütter, die besonders weiblich sind, ihre Töchter vielleicht auch besonders weiblich erziehen, und ihre Töchter einen Teil ihrer Gene haben und insofern auch abseits er Erziehung weiblicher sind. Man sieht, dass hier eine große Spannbreite vorhanden ist, die allerdings insbesondere in eine bestimmte Richtung und wesentlich weniger in die andere besteht.

Denn weil die individuellen Verhaltensmerkmale durch Anpassung an die Umwelt während der Ontogenese ausgebildet werden, müssen sie durch erbliche Anlagen vorbereitet werden. Die während der Ontogenese erworbenen z.B. kulturellen Verhaltensmerkmale selbst vererben sich nicht. Die Erblichkeit misst daher nur denjenigen Anteil der Varianz eines Merkmals, der durch unterschiedliche genetische Ausstattungen zustande kommt.

Und das Wort „unterschiedliche“ ist hierbei das zentrale Wort. Es geht darum, inwiefern die Unterschiedlichkeit eine genetische Grundlage hat.

Doch daraus folgt natürlich nicht, daß ein invariantes Merkmal mit Erblichkeit nahe Null – wie z.B. die Fünffingerigkeit – in einer Population nicht vererbt werden würde.

Das ergibt sich eben damit, dass mit Vererblichkeit hier der Unterschied erfasst wird und nicht die Frage, zu welchem Anteil die Gene für ein bestimmtes Merkmal verantwortlich ist. Das wäre häufig auch schon deswegen schwierig, weil es zB bei Verhalten schwierig ist, einen Nullpunkt zu bilden, ab dem man einen Anteil bestimmen kann. Was ist zB „Aggressivität 0“?

Insgesamt ist es unter Soziobiologen Standard (vgl. z.B. W. Irons in: Natural selection, adaptation, and human social behavior – An anthropological perspective, 1979) Verhaltensunterschiede in erster Linie durch flexible Reaktionen ähnlicher Genotypen auf verschiedenartige Lebenskontexte zu verstehen. Und kein Organismus reagiert auf ausnahmslos alle Aspekte seiner Umgebung oder in jedem Punkt seines Verhaltens. Die Folge ist, daß evolvierte Mechanismen der Verhaltenssteuerung nur insoweit biologisch funktionale Ergebnisse liefern, wie die Umwelt, in der sie wirksam werden, identisch ist mit derjenigen Umwelt, in der sie entstanden sind.

Ich bin nicht ganz sicher, dass ich es richtig verstanden habe, was Elmar hier meint, weil er es sehr kurz fasst. Ich vermute aber, dass sich sein Fehlverständnis von weiter oben hier fortsetzt. Es ist natürlich auch gar nicht notwendig immer auf alle Aspekte einer Umgebung zu reagieren, aber gleichzeitig haben wir ein Gehirn, welches beständig die Umgebung auf wichtige Informationen auswertet. Ein einfaches Beispiel wäre, dass Bewegung unser Auge stark anzieht, weil das früher ein Überlebensvorteil war. Ebenso werten wir andere Signale aus, etwa schätzen wir den Partnerwert, also unter anderem die Schönheit der Menschen um uns herum ein , ebenso wie ihren sozialen Status und ihre potentielle Gefährlichkeit. Natürlich machen wir das mit mehr oder weniger Intensität, befinden wir uns gerade in einem intensiven Gespräch mit unserem Gegenüber, dann wird weniger Aufmerksamkeit auf die übrige Umgebung gerichtet sein.

Zudem ist es auch keineswegs erforderlich, dass die Umgebung identisch ist, es reicht vollkommen, wenn die Situationen ein gleiches Muster aufweisen. Das ist etwas, was als Gedanke vielen schwerfällt, auch wenn es eigentlich recht einfach ist. Es hängt häufig mit der Denkweise zusammen, dass ein auf Biologie beruhendes Verhalten in Bezug auf seinen biologischen Anteil quasi auf sich selbst gestellt ist und alle Informationen seiner „Programmierung“ entnehmen können muss, ohne das es ausreicht bestimmte Muster zu aktivieren in Abstimmung mit Auswertungen aus der Umgebung.

Ein weiterer Umstand, der oft nicht bedacht wird, ist, dass die Gen-Umwelt-Koevolution, eben auch dazu führt, dass sich die Kultur auch nach der Biologie richtet. Das ist vergleichbar damit, dass sich die Mode zumindest dem Grunde nach nach dem Körper richten muss. Das Muster einer Hose mag sich dem Grund nach ändern, hat aber üblicherweise zwei Beine. Ebenso gibt es beim Menschen Muster, die man immer wieder dem Grunde nach erkennt. Beispielsweise haben menschliche Gesellschaften eben bestimmte soziale Hierarchien, Menschen zeigen Status auf bestimmte Weise an, beispielsweise durch Ressourcen oder durch bestimmte Kleidung. Angesichts der Kurzlebigkeit von Mode kann in den Genen nicht abgespeichert werden, welche Kleidung Status ausdrückt. Es kann aber eine Mustererkennung darauf ausgebildet werden, dass man erkennt, welche Leute einen hohen Status haben und was diese tragen oder sonst als Zeichen angesehen wird.

Für primitive Lebewesen oder schlicht physische Merkmale des Phänotyps ist das eine ziemlich plausible Hypothese. Doch je stärker man in Richtung Primaten und ihr soziales Verhalten geht, desto fraglicher ist es, ob man die zunehmende Komplexität der Verhaltensentstehung durch die neu hinzukommenden, kognitiven Fähigkeiten einfach so unter den Tisch fallen lassen kann.

Ich hatte an anderer Stelle schon einmal das Bild der „Führung durch Auftrag statt Befehl“ verwendet. Dabei geht es darum, dass einem Soldaten nicht genau vorgeschrieben wird, was er zu tun hat, sondern er einen Auftrag erhält, den er dann aufgrund seiner Erfahrung und seine Intelligenz und den in dem Training erworbenen Fähigkeiten umsetzt. Dieser Auftrag kann Zwischenziele enthalten und muss auch nicht das tatsächliche Endziel „Gewinne den Krieg“ umfassen, sondern kann dazu notwendige Etappen zum Ziel haben.

Ein tatsächlicher Befehl, der alle einzelnen Handlungen vorwegnimmt wäre, gerade bei einer komplexeren Kommandoaktion kaum zu geben, wenn er alle Schritte und alle Handlungen der Gegenseite vorwegnehmen würde. Und so etwas schwebt Elmar anscheinend vor.

Bei einem Handeln nach Auftrag bleibt das eigentliche Ziel hingegen gleich, egal wie intelligent  der Soldat ist und wie clever seine Gegner. Vermutlich könnte man das Ziel sogar kürzer fassen, wenn er entsprechend intelligent ist, weil er die Zusammenhänge versteht.

Die Biologie gibt in vielen Fällen die Bewertungen vor und lässt bestimmte Ziele attraktiv, andere als unattraktiv erscheinen. Mit dem alten Satz „Der Mensch kann tuen, was er will, aber nicht wollen, was er will“ ist das entsprechend wiedergegeben. Es ist demnach nicht so, dass komplexere Denkvorgänge zwangsläufig dazu führen müssen, dass Befehle komplexer sind oder nicht mehr wirksam werden.

Dieses Problem haben Soziobiologen ebenfalls bemerkt und suchen daher in diesem Punkt die Nähe zur evolutionären Psychologie:

V) radikale Komplexitätsreduktion: Bei Menschen ist es genauso wie bei allen anderen Tieren. Kulturelle Traditionen können generell nur dort entstehen und von Eltern auf die Kinder durch Lernen weitergegeben werden, wo sie gleichzeitig den reproduktiven Erfolg unterstützen.

Langfristig mag das so sein, kurzfristig ist das nicht der Fall. Wir können beispielsweise heutzutage kulturelle Praktiken wie Verhütung aufrechterhalten und mit hohen und langen Ausbildungszeiten kombinieren, die dazu führen, dass sich eine Vielzahl von Kindern, die eine Familie sicherlich ernähren könnte, sich schlicht nicht lohnt. Eine Vielzahl von Familien liegt unterhalb der Reproduktionsgrenze von 2 Kindern. Natürlich: Wenn die Menschheit insgesamt dies übernimmt, dann wird dies zu einer Reduzierung der Menschen führen, aber angesichts der Überbevölkerung würden wir das durchaus eine Zeit lang durchhalten und es könnte dennoch den einzelnen damit gut gehen.

Kulturelle Anpassungen bewirken auf diese Weise immer auch einen biologischen Reproduktionsteilerfolg, von der einzelne Gene indirekt profitieren (multilevel selection). Der Mensch kann also immer nur soviel Kultur produzieren, wie seine genetische und hormonelle Natur es ihm erlaubt.

Hier driftet Elmar ab in einen Bereich, der in der Evolutionären Biologie eher umstritten ist, nämlich „Multi-Level-Selektion“ auch besser bekannt als Gruppenselektion.

Diese Theorie ist zunächst erst einmal ein Widerspruch zu der Theorie der egoistischen Gene, weil sie eine weitere Ebene neben den egoistischen Genen errichtet, die hier wirksam sein soll. Das Fehlverständnis ist, dass der Effekt des Zusammenlebens in der Gruppe ebenfalls auf die egoistischen Gene reduziert werden kann.

Aus der Wikipedia ein Beispiel, was Wilson für diese Multi-Level-Selection anführt:

Wilson beschreibt an einem anderen Beispiel, wie man ein Gehege von 20 Hennen erhält, die in der Summe die meisten Eier legen (Wilson 2007,33f). Früher suchten Züchter die produktivsten Hennen aus einer größeren Gruppe heraus, selektierten wiederholt die Auswahl der ein oder zwei Dutzend besten Legehennen einige Generation lang bis nach einer Reihe von Generationen die besten bestimmt waren. Dies hatte jedoch den unter Züchtern bekannten unliebsamen Effekt, dass die verbleibenden besten Legehennen in der Gruppe keinerlei Konkurrenz duldeten und sich töteten. Die Zusammenhänge hat der Amerikaner William Muir [4] entdeckt: Wenn jeder sein Bestes gibt im Staat, dann ist das nicht zwingend das Beste für alle.

Wilson führt hier an, dass deswegen die Gruppe eine eigene Selektionsebene wäre, tatsächlich hat er aber lediglich zwei verschiedene Selektionen auf das egoistische Gen betrachtet, die einen verschiedenen Selektionsdruck betreffen. Einmal wird nur auf Legeleistung selektiert und das soziale spielt keine Rolle. Bei der anderen Selektion wird der bessere und sozialere Umgang mit den anderen Hennen selbst zu einem Selektionsdruck für die egoistischen Gene. Es ist damit keine weitere, auch keine kulturelle Ebene, vorhanden, auf der die Selektion stattfindet.

Soziobiologen behaupten aber nicht, jedes einzelne Verhaltensmerkmal eines individuellen Menschen erklären zu können: Individuelle Vorlieben und Abneigungen können viele Ursachen haben, die aus der persönlichen Biographie von Menschen – aus bestimmten Erlebnissen, Assoziationen und so weiter – verständlich sind. Allerdings formuliert E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, 2013 p.215 es für einzelne Individuen sogar so: „Lernen ist ein biologisch detailliert geregelter und häufig eng gebahnter (»bereichsspezifischer«) Vorgang, und deshalb kann der Mensch auch nicht unbegrenzt formbar sein. Man lernt nur, was man [in einem teleonomen Sinne] lernen soll (Heschl 1998, Tooby et al. 2005)!“.

Ein klassisches Beispiel dafür wäre der Versuch, Affen die Angst vor Blumen beizubringen. Forschung zeigt, dass man Affen, die noch nie im Leben eine Schlange gesehen haben, Angst vor Schlangen beibringen kann, indem man ihnen einen zusammengeschnittenen Film zeigt, in dem andere Affen auf eine Schlange mit Angst und Warnrufen reagieren. Filme nach dem gleichen Prinzip bewirken aber keine Angst vor Blumen, auch wenn diese Affen diese ebenfalls noch nicht gesehen haben.

Das Lernen ebenso ein biologischer Vorgang ist, den man erklären muss und der erst einmal sehr kompliziert ist, hatte ich hier auch bereits häufiger angeführt. Leute, die sich gegen eine biologische Grundlage aussprechen machen sich darüber häufig keine Gedanken.

Es wäre eine interessante Frage an Anthropologen, Historiker und Kulturwissenschaftler, ob die kulturellen Entwicklungen tatsächlich so gleichförmig verlaufen sind. Noch interessanter wäre es, zu untersuchen, ob die kognitiven Fähigkeiten von Menschen oder Primaten in dieses simple Bild hinein passen – eine Sache, der ich auf jeden Fall eingehend nachgehen werde.

Wir dürfen gespannt sein

II. Elterninvestment

Im Paradigma der Soziobiologie (F.M. Wuketits: Was ist Soziobiologie? 2002) gibt es drei große Themenfelder:

a) soziale Kooperation innerhalb und zwischen Gruppen: Die Antwort auf die Frage, wie in der Tierwelt durch natürliche Auslese soziale Verbände mit fremdnützigen Verhalten entstehen können, wird durch das Prinzip der Verwandtenselektion beantwortet, das ebenfalls von W.D. Hamliton stammt. Durch Altruismus gegenüber der genetischen Verwandtschaft erhöhen die Verwandten die evolutionären Überlebenschance der eigenen Gene oder zumindest für Genesätze, die den eigenen sehr ähnlich sind. Zwischen Gruppen hingegen herrscht evolutionäre Konkurrenz auf genetischer Ebene, was z.B. den Fremdenhass erkläre.

Dazu hatte ich oben bereits etwas geschrieben: Verwandtenselektion ist lediglich ein Faktor, aufgrund dessen Altruismus entstehen kann. Es lohnt sich auch gegen über Fremden altruistisch zu sein, wenn man dadurch einen Kooperationsgewinn erhält oder annehmen kann, dass diese einen bei entsprechender Gelegenheit ebenfalls unterstützen oder aber wenn man damit anderen gegenüber signalisieren kann, dass es sich lohnt mit einem Zusammenzuarbeiten, weil man zu einem Altruismus bereit ist. Gleichzeitig muss jeder Altruismus vor Ausbeutung geschützt werden und ähnlich wie bei den Falken und den Tauben gibt es hier verschiedene Ansätze, wie man vorgehen kann, härter oder weicher, mehr auf Signalling setzend oder mehr auf Bestrafung von Trittbrettfahrern und Parasiten. Eine wesentliche Bedeutung hat hier zum einen unser Gedächtnis, das Anzapfen von Wissen Dritter (Ruf) und die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Interaktion. Um so wahrscheinlicher es ist, dass man nur einmal in Kontakt ist um so geringer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass der andere die Großzügigkeit erwidern kann. Gleichzeitig kann aber auch hier noch Signalling betrieben werden, es kann insofern sogar ein stärkeres Signal sein (seht, ich helfe jedem, also könnt ihr auch mir helfen, ich werde erwidern und auch „ich kann es mir leisten, dass auch bei Fremden zu machen“).

Hier bringt Elmar zudem wieder die Gruppenselektion hinein, die recht überwiegend abgelehnt wird. Es herrscht keine evolutionäre Konkurrenz zwischen Gruppen, sondern nur zwischen Genen an sich, die Umstände, die dort wahrgenommen werden sind nur Folgen des egoistischen Gens und der Verwandtenselektion.

Es ist etwas ungünstig, dass Elmar einen Überblick über die Evolutionsbiologie geben möchte und dann  in diesem stark auf Meinungen, die dort kaum Anhänger haben, abstellt. Eigentlich sollte ein solcher Überblick ja gerade die Meinungen darstellen, die hauptsächlich vertreten werden, aber das war wahrscheinlich mit Elmars Hass auf Dawkins und Co nicht vereinbar.

b) Geschlechterrollen (inklusive Fortpflanzung): Sie entstehen nach dem – weiter unten diskutierten – Prinzip der elterlichen Investition.

Deswegen wird es auch dort besprochen

c) sozialer Altruismus: Er wird im Grunde konplett geleugnet.

Sozialer Alturismus wird nicht geleugnet, er hat nur keine Bedeutung für evoltuionäre Theorien, weil es dort um die biologoischen Grundlagen des Verhaltens geht. Natürlich kann aber der soziale Altruismus nach diesen Grundsätzen betrachtet werden, wie jede soziale Ausformung biologischer Grundlagen.

Stattdessen wird versucht, in den üblichen Fällen altruistischen Verhaltens einen versteckten Eigennutz im Hinblick auf evolutionäre Vorteile für die eigenen Gene zu finden. Dies geschieht entweder als reziproker Altruismus nach R.L. Trivers oder als indirekter reziproker Altruismus, bei dem die Gegenleistung nicht um Altruismus-Adressaten, sondern von anderen Mitglieder der gleichen sozialen Gruppe kommt, die ihrerseits aus reziprokem Altruismus handeln.

Dieser „Versteckte Eigennutz“ lässt sich ja auch gut in Experimenten nachweisen. Es ist im wesentlichen ein Problem der Spieltheorie und daher auch in diesem Bereich erforscht worden. Sehr bekannt geworden ist eine Computersimulation dazu:

Computerturnier von Axelrod
Der amerikanische Politologe Robert Axelrod veranstaltete zum mehrmaligen Gefangenendilemma zu Beginn der 1980er Jahre ein Computerturnier, in dem er Computerprogramme mit verschiedenen Strategien gegeneinander antreten ließ. Die insgesamt erfolgreichste Strategie, und gleichzeitig eine der einfachsten, war besagte Tit-for-Tat-Strategie, entwickelt von Anatol Rapoport.[22] Sie kooperiert im ersten Schritt (freundliche Strategie) und den folgenden und „verzichtet auf den Verrat“, solange der andere ebenfalls kooperiert. Versucht der andere, sich einen Vorteil zu verschaffen („Verrat“), tut sie dies beim nächsten Mal ebenfalls (sie lässt sich nicht ausbeuten), kooperiert aber sofort wieder, wenn der andere kooperiert (sie ist nicht nachtragend).[23]

Evolutionsdynamische Turniere
Eine Weiterentwicklung des Spiels über mehrere Runden ist das Spielen über mehrere Generationen. Sind alle Strategien in mehreren Runden gegeneinander und gegen sich selbst angetreten, werden die erzielten Resultate für jede Strategie zusammengezählt. Für einen nächsten Durchgang ersetzen die erfolgreichen Strategien die weniger erfolgreichen. Die erfolgreichste Strategie ist in der nächsten Generation am häufigsten vertreten. Auch diese Turnier-Variante wurde von Axelrod durchgeführt.

Strategien, die zum Verraten tendierten, erzielten hier zu Beginn relativ gute Resultate – solange sie auf andere Strategien stießen, die tendenziell eher kooperierten, also sich ausnutzen ließen. Sind verräterische Strategien aber erfolgreich, so werden kooperative von Generation zu Generation seltener – die verräterischen Strategien entziehen sich in ihrem Gelingen selbst die Erfolgsgrundlage. Treffen aber zwei Verräter-Strategien zusammen, so erzielen sie schlechtere Resultate als zwei kooperierende Strategien. Verräter-Strategien können nur durch Ausbeutung von Mitspielern wachsen. Kooperierende Strategien wachsen dagegen am besten, wenn sie aufeinandertreffen. Eine Minderheit von miteinander kooperierenden Strategien wie z. B. Tit for Tat kann sich so sogar in einer Mehrheit von verräterischen Strategien behaupten und zur Mehrheit anwachsen. Solche Strategien, die sich über Generationen hin etablieren können und auch gegen Invasionen durch andere Strategien resistent sind, nennt man evolutionär stabile Strategien.

Tit for Tat konnte erst 2004 von einer neuartigen Strategie „Master and Servant“ (Ausbeuter und Opfer) der Universität Southampton geschlagen werden, wobei dazugehörige Teilnehmer sich bei gegenseitigem Aufeinandertreffen nach einem Initial-Austausch in eine Ausbeuter- bzw. eine Opferrolle begeben, um dem Ausbeuter (individuell) so eine Spitzenposition zu ermöglichen. Betrachtet man das Ergebnis des Ausbeuters und des Opfers zusammen (kollektiv), so sind sie bei den o. g. Auszahlungswerten schlechter alsTit for Tat. Nötig für die individuell guten Ergebnisse ist aber eine gewisse kritische Mindestgröße, d. h., Master and Servant kann sich nicht aus einer kleinen Anfangspopulation etablieren. Da die Spielpartner über ihr anfängliches Spielverhalten codiert kommunizieren, besteht der Einwand, dass die Master-and-Servant-Strategie die Spielregeln verletzt, wonach die Spielpartner isoliert voneinander befragt werden. Die Strategie erinnert an Insektenvölker, in denen Arbeiterinnen auf Fortpflanzung gänzlich verzichten und ihre Arbeitskraft für das Wohlergehen der fruchtbaren Königin aufwenden.

Notwendige Bedingungen für das Ausbreiten von kooperativen Strategien sind: a) dass mehrere Runden gespielt werden, b) sich die Spieler von Runde zu Runde gegenseitig wiedererkennen können, um nötigenfalls Vergeltung zu üben, und c) dass nicht bekannt ist, wann sich die Spieler zum letzten Mal begegnen.

Das reale Leben ist komplexer als die Computersituation und bezieht damit auch andere Faktoren wie Ruf und Wahrscheinlichkeit, dass jemand etwas merkt mit ein. Die entsprechenden Modelle zum Verständnis der Evolution von Altruismus sind insoweit in der Spieltheorie vorhanden,

Erklärungen durch einen ausschließlichen Nutzen für die eigene Art werden abgelehnt.

Gruppentherorie kann nicht funktionieren, das sie das Trittbrettfahrerproblem nicht in den Griff bekommt (wenn die Gruppe einen Nutzen hat, dann ist es immer besser derjenige aus der Gruppe zu sein, der den Nutzen, aber nicht die Kosten hat) und daher entsprechende Selektionen dagegen stehen.

Dabei geht es Soziobiologen keineswegs um Bewertungen, sondern nur darum zu zeigen, daß evolutionäre Letztbegründungen die komplizierte Annahme edler Motive überflüssig macht (Wickler & Seibts: Das Prinzip Eigennutz, 1977).

Es geht ihnen insbesondere darum, dass Gruppenselektion nicht funktioniert.

Letzteres ist übrigens ebenfalls keine neue Idee: Bereits der englische Philosoph H. Spencer – von dem Darwin den slogan survival of the fittest übernahm – sprach von ego-altruistischen Gefühlen und brachte damit zum Ausdruck, daß auch der Altruist allein eigennützige Motive haben kann.

In der Tat war das Buch des Philosophen Spencer zu Darwins Zeiten sehr populär, es hatte allerdings eher einen Standpunkt, den man heute als Vorläufer eines Sozialdarwinismus sehen würde.

Wir verfolgen nun die Theorie der elterlichen Investition weiter, die 1972 ursprünglich von R.L. Trivers in Parental Investment and Sexual Selection vorgeschlagen wurde, um Geschlechterrollen und Mechanismen der sexuellen Selektion vorherzusagen. Mit Elterninvestment wird in der Soziobiologie die Gesamtheit der Maßnahmen bezeichnet, die Lebewesen jeweils ergreifen, um Nachkommen zu zeugen und deren eigene reproduktive Eignung zu gewährleisten. Diese Theorie besagt, daß zwar beide Geschlechter ihre indivduelle Nachkommenschaft sichern wollen, für dieses Ziel aber unterschiedlich viel Aufwand treiben müssen. Die unterschiedlichen Verhaltensmerkmale der beiden Geschlechter seien zudem verbunden und begründbar durch ein unterschiedliches Investment (z.B. E. Voland: Grundriss der Soziobiologie, p.127ff, 2013):

Der Brutpflegeaufwand für das weibliche Geschlecht ist größer als für das männliche. Schon die Produktion der viel größeren und wenig zahlreichen Eier kostet mehr Energie als die Erzeugung einer Unzahl von Spermien, die daher als billig gelten können. Hinzu kommen bei Säugetieren Schwangerschaft und die anschließende Versorgung des Nachwuchses. Während dieser langen Zeitspanne kann das Weibchen keinen weiteren Nachwuchs bekommen, wodurch ihre Reproduktionschancen und damit ihr evolutionärer Erfolg verringert sind. Das Männchen hingegen kann während dieser Zeit theoretisch unbegrenzt weitere Nachkommen zeugen. Weibchen sind daher bezüglich ihres Sexualpartners besonders wählerisch und an Treue mehr interessiert als Männchen. Sie achten insbesondere auf Kriterien, die die Bereitschaft eines Männchens signalisieren, in den gemeinsamen Nachwuchs mehr als nur die Samenspende zu investieren. Männchen, die sich als gute Verteidiger und Ernährer präsentieren, dem Weibchen wertvolle Ressourcen bieten, werden bevorzugt. Bei Säugetieren herrscht durch lange Tragzeiten und die alleinige Versorgung des Nachwuchses durch die Weibchen ein besonders großes Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern.

Studien ergeben, daß für Menschen insofern nichts anderes gilt, als Frauen weltweit dazu tendieren, eher ältere, gesellschaftlich und beruflich erfolgreiche Männer mit guten finanziellen Ressourcen bevorzugen, die häufig einen höheren Status als sie selbst haben. Männer jeden Alters wählen hingegen mit größerer Wahrscheinlichkeit jüngere und körperlich attraktive Frauen, die noch eine lange Fruchtbarkeit signalisieren.

Das sind in der Tat so ziemlich zentrale Gedanken. Mal sehen, was Elmar daraus macht.

Vom Standpunkt der Soziobiologen ist damit geklärt, daß große Abweichungen des bisher von Männern und Frauen gezeigten Verhaltens unwahrscheinlich, weil evolutionär disfunktional sind. Männerbewegungen wie sie vom Maskulismus unterstützt werden, sind daher eher von kosmetischer Bedeutung und „biologistischer Maskulismus“ im Grunde ein Widerspruch in sich.

Ich vermute mal, dass das aus Elmars Sicht ein Gegenargument ist: Wenn man gewünschte Ziele wegen bestimmter Fakten nicht erreichen kann, dann müssen die Fakten falsch sein.

Eine Änderung wäre im übrigen nicht unwahrscheilich, weil sie evolutionär dysfunktional ist, sondern weil bestimmte Grundlagen abgespeichert sind, insbesondere Partnerwahlkriterien. Ob etwas dysfunktional aus evolutionärer Sicht wäre, wäre relativ egal, da nicht der Grund oder das Ziel abgespeichert wird, sondern nur die eigentliche Funktion.

Warum das einen „biologistischen Maskulismus“ ausschließen soll erschließt sich mir nicht. Man kann nicht änder, dass Frauen Männer mit Status und Männer schöne, junge Frauen attraktiv finden, aber man kann natürlich trotzdem für ein allgemeines Sorgerecht ab Geburt auch bei unverheirateten Eltern sein, man kann deswegen dennoch andere Regelungen im Zugewinn und im Unterhalt  für richtig halten, man kann dennoch darauf hinweisen, dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt sein können, man kann auch dagegen sein Männer zu verteufeln und man kann besonders effektiv dagegen argumentieren, dass die Geschlechterrollen vom Patriarchat künstlich angelegt worden sind um Frauen zu unterdrücken.

(weiter in der Besprechung demnächst in Teil 2)

Kooperationsgleichgewichte und Konfrontation zwischen Mann und Frau

Elmar schreibt in einem Kommentar zu dem Artikel Appell an Männerrechtler etwas, was ich durchaus interessant finde:

Mit Neid hat das nichts zu tun. Worum es uns geht, ist die Tatsache, daß im Grunde jeder Feminismus eine Metaphysik des Sozialen betreibt. Dies geschieht, indem er implizit auf die Fragen “Worin besteht die wahre Realität?” und “Was sind die ersten Ursachen und Gestaltungsprinzipien der wahren Realität?” antwortet:

1. Die wahre Natur der sozialen Realität besteht in einem Konflikt derjenigen sozialen Klassen, die durch Geschlechter gebildet werden. (Durch den Ansatz der Intersektionalität wird die Sache später verfeinert.)

2. Die ersten Ursachen der sozialen Realität sind alle auf ein Machtgefälle zwischen den Geschlechtern zu Gunsten der Männer zurückzuführen (deren Ursache von den verschiedenen Wellen des Feminismus mal in der Rolle der Mütter und mal im hetereosexuellen Begehren gesehen wird) und ihre Gestaltungsprinzipien sind Beeinflussungen der persönalen Autonomie durch Geschlechterrollen sowie ökonomische oder rechtliche Strukturen.

Das beef, daß der Maskulismus mit dem Feminismus hat, dreht sich gerade um diese Frage “Wie kann man die soziale Realität charakterisieren?” und viele Maskulisten sind der Meinung, daß statt der vom Feminismus behaupteten Konkurrenz in Wahrheit Kooperationsgleichgewichte die zentrale Rolle bei der Analyse der sozialen Realität spielen. Das bedeutet: Was der Feminismus kritisiert, sind Eigenschaften von Kooperationsgleichgewichten, er möchte andere Kooperationsgleichgewichte, doch die Mittel des Feminismus sind auf Konfrontation hin designed – was die Gesellschaft nach Meinung vieler Maskulisten auf Dauer zerstören wird. (Und der Streik der der Männer liefert erste Hinweise darauf, daß es genauso kommt.)

Ich würde das etwas anders ausdrücken, wie ich auch dort in einem Kommentar bereits geschrieben hatte:

Feministinnen sehen die Beziehung der Geschlechter als Nullsummenspiel um Macht, während es aus meiner Sicht in der Tat eher ein kooperatives Spiel ist, indem bestimmte Konstellationen aufgrund evolutionärer Selektionsprozesse besonders beliebt sind und kulturelle zu Geschlechterrollen ausgeformt worden sind, die aber durchaus mit gewissen im Schnitt der Geschlechter bestehenden Unterschieden übereinstimmen.

Die Ausgestaltung als Nullsummenspiel wird dabei in den Theorien sogar binär ausgestaltet. Entweder eine Gruppe hat Macht oder sie hat keine Macht. Da bleibt nicht viel Spielraum für differenzierte Betrachtungen.

Die Geschlechterrollen sind deswegen weltweit vorhanden, weil die Biologie bestimmte Prozesse geschaffen hat, die zu bestimmten Strategien passen, die sich nach der Sexual Strategies Theorie betrachten lassen. Beide Geschlechter können ihre evolutionär erfolgreiche Fortpflanzungsstrategie durchaus zu Lasten des anderen Partners optimieren, zB Männer in dem sie möglichst viele Frauen schwängern, Frauen indem sie sich Versorgung sichern, aber dennoch optimales Genmaterial mitnehmen. Diese Strategien verhindern eine kooperative Strategie und damit diese dennoch attraktiv ist verlieben wir uns und können so überhaupt erst eine Langzeitstrategie mit Arbeitsteilung und hohen Kosten der Fortpflanzung tragen, die unser großes Gehirn erforderte und damit die Arbeitsteilung klappt haben sich auch unsere Gehirne und Körper spezialisiert und sind mit Vorlieben ausgestattet.

Viele der „Kooperationsgleichgewichte“ werden deswegen von vielen Männern und Frauen als durchaus passend empfunden. Andere, gerade Leute mit einer vom Schnitt in die Richtung des anderen Geschlechts abweichenden Gehirnausrichtung sehen das nicht so. Darunter sind eben zB auch viele Feministinnen. Sie erleben dann zB eben diese Strategien nicht als kooperativ, sondern als etwas, was ihnen aufgezwungen wird und meinen, dass es deswegen allen Frauen aufgezwungen wird.

Die feministische Theorie kann kooperative Strategien aufgrund der Betonung des Gruppenfaktors und des Kriteriums Macht gar nicht erkennen, weil die feministische Theorie so etwas gar nicht vorsieht. Bei ihr kann es dieses alles gar nicht geben, weil sie alles als soziale Konstruktion sehen, die durch Macht aufrecht erhalten wird, wo es tatsächlich gesellschaftliche Normen sind, die beiden Geschlechtern nutzen.

Der „Beef“ beginnt bereits früher, Feministinnen sehen eben eine soziale Konstruktion der Realität (was Elmar sieht bleibt aus meiner Sicht unklar), die ohne Mann und Frau auskommen könnte und bei der jede Konstruktion, die auf Kooperation zwischen den Geschlechtern aufbaut, bereits weil sie häufig an dem Geschlecht festmacht, falsch sein muss, da sie die angeblich überflüssige Konstruktion erhält.

Der Familienvater und die Frau, die für die Kinderbetreuung aussetzt sind dann erst einmal Ausdruck von Geschlechterrollen und Macht, eben der Macht der Männer, die Frauen von der Erwerbsarbeit und der damit verbundenen finanziellen Unabhängigkeit und höheren gesellschaftlichen Position abzuschneiden. In dem Denkmodell kann das als bewußte freie Entscheidung, die beiden gefällt, gar nicht wahrgenommen werden. Auch der Gedanke, dass Erwerbstätigkeit nicht per se Freiheit bedeutet, sondern auch Einschränkung sein kann, oder der Gedanke, dass Unterhalt, Zugwinnausgleich und Versorgungsausgleich diese Freiheit wieder einschränken und Erfolge an die Frau übertragen, wenn beide verheiratet sind, kommt in dieser Betrachtung nicht vor.

„Warum ich über Männerprobleme schreibe“

Ein interessanter Artikel dazu, warum auch Männerrechte relevant sind:

Having done my M.A. in Literature I encountered the phrase ‘writing women back into history’ more than once. In the same vein people claim that Men’s Studies is not needed as every history class is men’s studies as it recounts men’s lives in the past. But that is not true. It only recounts the lives of men in certain glorious roles and says nothing about the hardship they suffered under strenuous conditions.

Das wäre in Prinzip der „Gipfeltrugschluß„: Man achtet nur auf die Männer an der Spitze, aber man sieht nicht, dass die übrigen Männer ebenso unbeachtet bleiben wie die Frauen. Dagegen wird man im Feminismus sagen, dass man ja auch nur „Gipfelfrauen“ sichtbar machen will, aber da sind eben schlicht weniger in der Vergangenheit vorhanden, weil da die Geschlechterrollen noch stärker waren. Man würde also in dem Fall doch „unwichtigere“ Frauen sichtbarer machen.

Yes, we need to write some of women’s achievements back into history books, as they were not always appreciated. But at the same time we need to write men’s suffering back into history books.

Das finde ich grundsätzlich einen interessanten Ansatz, der mehr Verständnis für das damalige Leben begründen könnte. Wobei Geschichte eh schon ein großes Feld ist. Es wäre die Frage, ob es da nicht irgendwann zuviel wird.

And if someone now thinks that this is a big whining contest in the run up for the oppression Olympics they are still not aware of the real world implications of ignoring men’s suffering.

Es wäre, soviel würde ich jedenfalls sagen, aus meiner Sicht für eine feministische Betrachtung der Geschichte sehr wichtig, sich bewußt zu machen, dass auch für Männer das Leben kein Honigschlecken war.

As shown above they are deadly. While men always lived slightly shorter lives than women the life expectancy gap has widened globally in the past 100 years from one year to seven years in the worst affected countries. The male suicide rate is 4 times as high as the female suicide rate in most western countries. In India a married man takes his life every 8 minutes. And while suicide is a sin and considered a crime in many Muslim countries (and thus difficult to get numbers) evidence points to men outnumbering women in Pakistan as well. In western countries it is quite clear that these high numbers are not due to ‘male egos’ as Feminists like to claim. Men are certainly not exactly encouraged to come forward with their problems in a society where if they do so they are called cry babies, laughed at for their ‘male tears’ by journalist Jessica Valenti and told to go to a psychiatric ward instead when calling a domestic violence shelter hotline. Our natural inclination to focus on women and black out men has furthermore led us to make gender specific laws in the name of equality, that clearly have put men under severe hardship. 

Der „Focus auf Frauen“ ist etwas, was im Feminismus ausgeblendet wird: Frauen als Opfer erhalten mehr Unterstützung als Männer, eben weil die Gesellschaft viele Regeln für den Schutz von Frauen enthält. Ein anschauliches Beispiel hat Arne gerade zitiert: Ein Mann wirft sich vor eine Frau, um sie vor Messerstichen zu schützen und bleibt dann am Tatort liegen ohne das ihm jemand hilft. Man könnte das bei Einordnung in die feministische Theorie als „Privileg“ bezeichnen, dort wird man es aber wohl eher unter „benevolent Sexism“, also wohlwollender Sexismus. einordnen, ein Konzept welches eine klare Einteilung der Welt in Opfer und Bevorzugte mittels einer Form von Doppelsprech erlaubt, denn auch hier wird eine Bevorzugung in eine Benachteiligung umgewandelt.

Globally we now have the UN’s HeforShe campaign that once again asks men to don the armor to be the shining knight and enter the service of women’s protection. Knowing that western NGOs operating in developing countries already heavily favour women even when something affects mainly men I was rather shocked by this campaign that asks men once again to shut up about themselves and help women.

#Heforshe ist scher in den poststrukturalistischen Feminismus einzuordnen, der diese Form ja auch kritisiert hat. Denn es fehlt dort eben das Element der Unterordnung und der Reue und des Aufgebens der Geschlechterrollen, welches diese Form des Feminismus verlangt. Auch eine der „Botschaftlerinnen“, Emma Watson, hat entsprechende Kritik erhalten, dass sie da die Geschlechterrollen nur scheinbar hinterfragt, eigentlich in ihrem eigenen Leben aber anders handelt. Aber dennoch wird auch in dieser Form des Feminismus mühelos damit gespielt, dass der Mann der gute Beschützer sein soll und seine Schlechtigkeit ablegen soll.

Feminists and some anti-feminists alike like to claim that women in the ‘third world’ need Feminism. No one would deny that women in developing countries, such as Pakistan, are suffering. But Feminism will certainly not help them bring food on their table or protect their sons and husbands from being wrongfully incarcerated or killed in a fake police encounter.

Auch ein interessanter Gedanke. Geschlechterrollen einfach so aufzulösen ist auch in solchen Ländern nicht ganz einfach, man muss erst Frauen mit der passenden Ausbildung haben und diese müssen ein Umfeld haben, in denen sie arbeiten, Geld verdienen können und sicher sind. Wenn die Umstände dafür nicht bestehen,dann bringt es wenig

It is men and women who are struggling in these countries and focusing on improving the lives of only one group and claiming that the other is responsible for their hardship is the last thing the people in these countries need.

Auch das halte ich für einen zutreffenden Gedanken: Es ist der große Nachteil des Feminismus, dass er so einseitige Schuldzuweisungen vornimmt, die alle auf ein Nullsummenspiel und nicht auf ein kooperatives Spiel ausgerichtet sind, in denen Mann und Frau zusammenarbeiten.

With a lot of sectarian and communal strife that is already taking so many lives and putting psychological strain on people what is needed are strong communities and a rebuilding of trust in one’s neighbour! The very opposite of what feminist ideology aims for. What we need across the globe is respect for human lives, which grows out of empathy for each other. Claiming that a group of people somehow has privilege makes it impossible for us to have empathy towards them and consequently makes us blind to the fact that they are spending considerable less time in this world than the so called oppressed group.

Also ein Appell dahingegend, dass man die Gemeinsamkeiten und die Zusammenarbeit betonen muss, das Gemeinschaftsgefühl stärken muss, statt Schuldzuweisungen vorzunehmen. Und das man eben für das Leiden beider Geschlechter sensibilisiert sein muss.

 PS: Feminists like to claim that speaking about men’s issues as long as women’s suffering has not been eliminated is ‘derailing’. As someone from a rail family I do not find this metaphor apt. I would rather say that people working on men’s issues are ‘expanding the network’ and bringing the rail system from 1848 into the 21st century: more lines, affordable fares and more frequent trains, so that anyone can go anywhere at any time they wish

Auch das ist ein interessantes Bild: in einem Nullsummenspiel, indem man nur bei der jeweiligen Gruppe die Plus und die Minus zählen darf, ist eben automatisch jedes Minus bei einem Mann, dass man zu einem Plus macht ein Ausbauen des Vorsprungs. Sieht man das ganze als verschiedene „Strecken“ oder jedenfalls als verschiedene Bereiche, dann ist jedes beheben von Störungen gut für den allgemeinen Ausbau des Netzes, selbst wenn diese Strecke nur von bestimmten Passagieren oder bestimmten Wagen befahren wird: Wenn das Netzt insgesamt schneller ist, dann kann eben in einem kooperativen Spiel ein Vorteil für beide entstehen.

 

Die Vorteile der Ehe

Ein Artikel in der Süddeutschen fasst die Vorteile der Ehe in rechtlicher Hinsicht zusammen:

Wenn ein verheiratetes Paar ein Kind bekommt, hat das Baby rechtlich gesehen ganz automatisch Mutter und Vater. Das Sorgerecht liegt bei beiden gemeinsam. Sind die Eltern allerdings nicht verheiratet, muss der Vater seine Vaterschaft beim Jugendamt oder einem Notar erst anerkennen lassen. Außerdem muss das Paar eine gemeinsame Sorgeerklärung abgeben. Waren die Aussichten lediger Väter nach einer Trennung früher reichlich düster, wurden ihre Rechte 2013 gestärkt. Das Gesetz geht jetzt davon aus, dass das gemeinsame Sorgerecht auch bei fehlender Heiratsurkunde der Idealfall ist.

Also zumindest der Vorteil, dass man innerhalb der Ehe keine besonderen Anerkenntnisverfahren braucht und alles gleich geregelt ist (Nachteil: Man ist auch dann der Vater, wenn man es eigentlich nicht ist)

Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist in Deutschland nur verheirateten Paaren möglich. Ist ein Paar nicht verheiratet, kann nur einer von beiden das Kind adoptieren – wobei viele Jugendämter in Deutschland Adoptivkinder generell nur an Eheleute vermitteln. Männer und Frauen in eingetragenen Lebenspartnerschaften können dank einer Gesetzesänderung vom Mai 2014 das Adoptivkind des Partners nun auch als ihres annehmen.

Das Adoptionsrecht setzt voraus, dass man verheiratet ist. Der Gedanke dahinter ist, dass man dem Kind eine gewisse Verlässlichkeit der elterlichen Paarbindung geben will.

Egal, wie lange man zusammenlebte: Wenn der Lebenspartner stirbt und es gibt keine standesamtliche Beglaubigung dieser Beziehung, ist der Hinterbliebene für das Gesetz unsichtbar. Das heißt, er hat keinerlei Anspruch, etwas zu erben. Zwar verfassen viele Menschen deswegen ein Testament – doch selbst dann sind nicht Verheiratete deutlich schlechter gestellt. Während für Eheleute und eingetragene Lebenspartner bei einer Erbschaft ein Freibetrag von 500 000 Euro gilt, liegt dieser bei nicht Verheirateten bei 20 000 Euro, obendrein entfallen Steuervorteile.

Steuerbegünstigungen in der Erbschaft können erhebliche Vorteile bringen, wenn beispielsweise der eine Partner in einem Haus leben möchte und man in der Hinsicht kein gemeinsames Eigentum hatte oder andere Vermögen übertragen werden sollen. Die Freibeträge in der Schenkungssteuer sind ebenfalls höher.

Mieten und Wohnen

Wer darf mit in die Mietwohnung? Wer seinen Ehepartner einziehen lassen will, muss den Vermieter vorher nicht um Erlaubnis bitten – wer nicht verheiratet ist dagegen schon. Allerdings hat der Vermieter praktisch keine Chance, dieses Anliegen zu verwehren, es handelt sich also vor allem um eine Formsache.

Also ein eher kleiner Vorteil.

Auch bei Wohneigentum kann eine Heiratskurkunde einen Unterschied machen. Vielerorts verbreitete Einheimischenmodelle, die auch für Bürger mit mittlerem Einkommen Wohneigentum erschwinglich machen sollen, berücksichtigen bei der Vergabe von Immobilien nicht nur die Finanzlage des Haushalts und wie viele Kinder dort leben. Mitunter ist auch ausschlaggebend, ob die Interessenten verheiratet sind.

Erscheint mir auch eher ein geringer Vorteile. Allerdings bin ich ja auch kein Bayer, wo es diese Modelle wohl gibt.

Unterhalt und Rente
Unverheiratete Paare können sehr wohl eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Gesetzes bilden, wenn es zum Beispiel um den Zugang zu Sozialleistungen geht. Unterhaltsrechte gelten zwischen Partnern ohne Trauschein zunächst jedoch keine – außer, sie haben gemeinsame Kinder. Dann hat, wer sich um das Kind kümmert, einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich.

Das ist etwas simpel gefasst: Das Kind hat Anspruch auf Unterhalt. Beim Betreuenden kommt es auf das Alter des Kindes an.

Bis vor wenigen Jahren gab das Gesetz Verheirateten eindeutig den Vorzug, stellte die Ansprüche einer kinderlosen Ex-Frau zum Beispiel auf eine Stufe mit denen unehelicher Kinder. 2008 wurde diese Ungleichbehandlung mit dem neuen Unterhaltsgesetz abgeschafft. „Ehefrauen und Partnerinnen sind allesamt eine Reihe nach hinten gerutscht“, sagt Almuth Zempel, Familienrechtlerin aus Saarbrücken, „Kinder, egal ob eheliche oder uneheliche haben Vorrang.“ Allerdings gibt sie zu bedenken, dass die Lage vieler Eltern durch das Gesetz auch unsicherer geworden ist, da es auf allgemeine Entscheidungen verzichtet und auf Einzelfallgerechtigkeit setzt.

Die Rangfolge im Unterhalt ergibt sich aus § 1609 BGB:

§ 1609 Rangfolge mehrerer Unterhaltsberechtigter
Sind mehrere Unterhaltsberechtigte vorhanden und ist der Unterhaltspflichtige außerstande, allen Unterhalt zu gewähren, gilt folgende Rangfolge:

1. minderjährige unverheiratete Kinder und Kinder im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 2,
2. Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder im Fall einer Scheidung wären, sowie Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer; bei der Feststellung einer Ehe von langer Dauer sind auch Nachteile im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 zu berücksichtigen,
3. Ehegatten und geschiedene Ehegatten, die nicht unter Nummer 2 fallen,
4. Kinder, die nicht unter Nummer 1 fallen,
5. Enkelkinder und weitere Abkömmlinge,
6. Eltern,
7. weitere Verwandte der aufsteigenden Linie; unter ihnen gehen die Näheren den Entfernteren vor.

In der Tat sind hier die Ehefrauen und Partnerinnen nach hinten gerutscht. Ist allerdings für den Fall, dass man nur Kinder von einer Partnerin hat, für diese relativ egal, da das Geld ja eh auf ein Konto geht

Wer nicht verheiratet oder verpartnert ist und seinen Partner auch im Fall des eigenen Ablebens absichern möchte, muss dies privat tun. Weder in der gesetzlichen Renten- noch in der Unfallversicherung kommt der standesamtlich nicht erfasste Partner vor. Der Hinterbliebenenschutz der Riesterrente steht ebenfalls nur Ehegatten und Kindern zu.

Das ist ein sehr erheblicher Nachteil und sicherlich auch ein Punkt, der einige Männer, die ohne Trauschein mit Partnerin und Kind leben, dazu bringt, doch noch zu heiraten: Was ist, wenn man stirbt und die Partnerin, die bisher die Kinder betreut, dann nichts hat? Will man nicht für ihre Absicherung sorgen? DAs kann schon ein erheblicher Druck sein.

Briefgeheimnis
Ob das ein Vorteil gegenüber einer nicht-amtlichen Beziehung wäre, sei dahingestellt: Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass das Briefgeheimnis in der Ehe nicht gilt. Tatsächlich aber haben auch verheiratete Partner nicht das Recht, die Post des anderen zu öffnen. Das hat der Bundesgerichtshof schon vor 24 Jahren klargestellt. Zwar schütze das Briefgeheimnis in erster Linie private Korrespondenz vor staatlicher Überwachung, hieß es in der Entscheidung 1990. Doch ganz generell diene es auch „der Abschirmung gegen die Neugier Dritter“. Ein Dritter, das kann die neugierige Nachbarin sein – oder die Ehefrau.

Letztendlich ein eher wenig bedeutsames Recht. Viel daraus herleiten kann man nicht, auch wenn eine Strafbarkeit bei ungeöffneten oder weggeschlossenen Briefen besteht.

Krankenhaus
Wer nicht offiziell verwandt ist, kann es schwer haben, wenn es darum geht, von Ärzten oder Krankenhäusern Auskunft zu erhalten. Informationen über den Gesundheitszustand eines Patienten, so die weiterverbreitete Regel, werden nur Angehörigen erteilt. Eine Vorsorgevollmacht (hier alle Informationen dazu) ist hier besonders hilfreich.

Das kann im Ernstfall auch noch mal interessant sein, ist aber immerhin durch eine entsprechende Vollmacht zu lösen.

Es gibt Friedhofsordnungen, in Berching im Altmühltal oder in Rosenheim zum Beispiel, laut derer in einem Familiengrab nur unmittelbare Verwandte bestattet werden dürfen. Wer seinen Lebenspartner – oder jemand anderen – in einem solchen Grab beisetzen möchte, müsse dies extra beantragen. Die Rechtslage sieht jedoch anders aus. „Jeder, der das Nutzungsrecht für ein solches Wahlgrab kauft, kann entscheiden, wer dort bestattet wird“, sagt der Bestattungsrechtler Torsten Barthel. „Ganz egal, ob verheiratet, unverheiratet, lesbisch oder schwul, oder gar nicht verwandt.“ Die einzige Ausnahme sei, dass mancherorts nur Einwohner der Stadt oder der Gemeinde auf einem Friedhof beigesetzt werden dürften.

Das wäre auch ein eher ein kleineres Problem aus meiner Sicht. Aber ich gebe zu, mich damit auch noch nicht beschäftigt zu haben.

Nicht angesprochen sind hier aus meiner Sicht die Vorteile einer gemeinsamen Veranlagung gerade für den Fall, dass einer der beiden über längere Zeit wegen der Kinderbetreuung aussetzt. Das kann für diesen Fall bei einem höheren Einkommen des anderen einen erheblichen Vorteil bringen und wäre aus meiner Sicht neben der Alterversorgung bzw. der Versorgung mit Todesfall der maßgeblichste Vorteil.

Würde man bei diesen Vorteilen eine anderweitige Lösung finden, sei es durch eine „Ehe light“ oder eine andere Form der Absicherung für diese Fälle könnte ich mir vorstellen, dass die Heiratsraten erheblich sinken.

So ist es eben für den Mann, der nicht heiraten will, weil er sonstige Nachteile fürchtet, aber in einer glücklichen Beziehung mit Kind lebt, ein gewisses Dilemma: Er will natürlich, dass Freundin und Kind versorgt sind, selbst wenn ihm etwas passiert und möchte vielleicht auch das Familienleben auf eine bestimmte Weise ausgestalten, etwa weil es sehr stressig sein kann, wenn beide Vollzeit arbeiten und man ein oder mehr sehr kleine Kinder hat und man auch ansonsten kein gutes Gefühl dabei hat, das Kind mit einem Jahr in den Hort zu bringen. Aber in diesen Fällen benachteiligt es den Partner, der aussetzt bzw. es entsteht dann dort eine gewisse Unsicherheit, an der man sich hochziehen kann: Was ist, wenn was passiert? Willst du wirklich, dass dein Kind dann nichts hat? (es hätte eine Waisenrente, aber weniger als bei einer Hochzeit) Ist es fair, wenn sie weniger in ihre Rente einzahlt und für die Familie aussetzt?

Ehe ist erst einmal ein kooperatives Spiel. Wenn einer von beiden deutlich macht, dass er nicht darauf vertraut, dass sein Partner ebenfalls kooperativ spielt, dann lohnt es sich auch für den anderen nicht, sondern auch dieser sollte dann unkooperativ spielen. Wenn man nur das dumme Gefühl hat, dass man ja nie sicher sein kann, ob der andere nicht doch irgendwie sich irgendwann trennt, dafür aber gegenwärtig keine Grundlage hat, dann fühlt sich das schlecht an. Und der andere kann auch zurecht fragen, warum man ihm nicht traut. In diesem Dilemma kann das Mißtrauen dann eine sich selbst erfüllende Prophezeiung werden oder zu einer mit einem schlechten Gefühl eingegangenen Ehe führen.

„Feminismus und Maskulismus haben dasselbe Ziel“

Via Genderama wurde ich auf diesen Artikel von Yonni Meyer aufmerksam, indem ich einige Passagen durchaus interessant finde:

Feminismus ist eine durchwegs gute Sache. Wenn er denn dem dient, was er soll: Den Frauenrechten und zwar soweit, bis sie mit denen des Mannes überein stimmen. Also keine Bevorzugung der Frau, sondern eine Gleichstellung beider Geschlechter.

Der Kampf für Männerrechte – Maskulinismus – soll genau dasselbe bewirken: Dass Männer da, wo sie heute benachteiligt sind, mit den Frauen gleichgestellt werden. Zum Beispiel bei Sorgerechtsfragen oder bezüglich Militärdienst.

Wenn sie hier „rechtliche Gleichstellung“ oder „Gleichberechtigung“ meint, und Benachteiligung nicht nur nach den reinen Zahlen („Mehr Frauen sind im Vorstand, weniger Männer bekommen Unterhalt“) bemisst, dann wäre das ja durchaus eine vernünftige Position. Ein klassischer Humanismus muss beiden Geschlechtern gleiche Möglichkeiten geben und ungerechtfertigte Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts verhindern. Da werden wohl die meisten zustimmen.

Feminismus und Maskulinismus haben, auch wenn viele Leute sie für grundverschieden, wenn nicht gar gegensätzlich halten, dasselbe Ziel: Gleichstellung.

Dass uns der Ausdruck Feminismus geläufiger ist als Maskulinismus, liegt wohl hauptsächlich daran, dass in der Vergangenheit und zum Teil auch noch heute leider bei den Frauen mehr Nachholbedarf betreffend Gleichstellung bestand und besteht als bei den Männern, das ist geschichtlicher Fakt. Dafür kann aber der moderne Mann (oder die meisten von ihnen) nichts und er verdient es deshalb nicht, heute noch grundsätzlich in die Rolle des Unterdrückenden gesteckt zu werden. Wir Frauen sind nicht mehr dieselben wie früher, die Männer aber auch nicht. Darf man nicht vergessen.

Wer nun mehr benachteiligt ist, dass ist in der Tat Ansichtssache und ich vermute, dass Yonni da recht unbefangen in die Diskussion hereinkommt. Sie wird viele der hier gängigen Studien etwa zum Gender Pay Gap oder zu anderen Punkten wie der unterschiedlichen Berufswahl nach Interessen nicht kennen und andere Sorgen von Männern vielleicht auch anders einordnen. Das macht aus meiner Sicht nichts, solange man gesprächsbereit ist und bereit sich Argumente anzuhören. Das scheint mir bei ihr durchaus der Fall zu sein.

Trotzdem erlebe ich mich und meine Freundinnen immer wieder im Kampf mit Rollenmodellen – und dies hauptsächlich, wenn’s um Liebesbeziehungen geht. Wenn man sich, wie ich zum Beispiel, in eher männerdominierten Domänen bewegt und dort kein Problem hat, mit den Jungs mitzuhalten und auch mal offen seine Meinung sagt, traut man sich manchmal fast nicht mehr, in den Armen eines Mannes auch einmal schwach zu sein, auch wenn man das gerne wäre. Man traut sich kaum noch zu sagen, dass man es schön findet, wenn einem die Tür aufgehalten wird – zu oft kamen Sprüche wie «Du wolltest doch gleichberechtigt sein, halt’ deine Tür selber auf!»

Da spricht sie ein Problem einiger moderner Frauen an: Das Gefühl, dass sie immer emanzipiert sein muss und sich insofern keine Schwäche erlauben kann, während in anderen Bereichen, gerade im Bereich der Beziehung und des Sexuellen, der starke Mann und das Werben um die Frau nach wie vor attraktive Rollen sind. Das alte Beispiel beider Seiten dafür ist das Aufhalten der Tür. Es ist ja in der Tat schön und auch eine Form der Wertschätzung, die man gerne hat und insofern ungern aufgibt. Sie ist auch Symbol dafür, dass man als Frau wahrgenommen und abseits der Arbeitsbeziehung auf ein kleines Podest der Höflichkeit gestellt wird. Es ist insofern Anerkennung der Person als Frau. Im Gegenzug wird ein Mann denken, dass es keinen Grund für eine Vorzugsbehandlung gibt, wenn sie auch ansonsten die Rollen ablehnt und ihm ihrerseits nicht als Gentlemann behandelt, dem man in diesem Spiel auch einen gewissen Status als Mann zugestehen muss, damit das Spiel Spass macht.

Dazu heißt es in dem Artikel:

Doch solche Gesten haben mit der Emanzipation wenig zu tun, sondern mit der Freude am Gegenüber und mit dessen Wertschätzung. Oder haben Sie von einer Frau schon einmal den Spruch gehört: «Wir sind jetzt gleichberechtigt, ich schminke mich nur noch, wenn du dich auch schminkst und High Heels gibt’s übrigens auch in 44, kein Problem»? Also ich nicht.

Mit ihrer ersten Einschätzung hat sie Recht: Es ist eine Freunde am Gegenüber und eine Wertschätzung. Sie beschäftigt sich aber aus meiner Sicht nicht damit, warum es dem Gentlemann gefällt, die Tür aufzuhalten. Das ist eine Frage beiderseitigen Respekts und der Wertschätzung und man darf dabei eine Seite nicht zum Diener degradieren, der die Tür aufhält.

Interessant ist aber der Vergleich mit der Schminke. Der Fehler liegt aus meiner Sicht darin, dass sie ja durchaus verlangt, dass der Mann gut aussieht oder auf andere Weise attraktiv ist. Schminke gehört da aber für einen Mann nicht dazu.

Das (emanzipierte) Grundverständnis von Mann und Frau als gleichwertige Menschen muss nicht bedeuten, dass man in einer Beziehung nicht traditionelle Rollen einnehmen möchte/darf. Im Gegenteil: Ich finde es super, mich für ein Date hübsch zu machen, ich freue mich, wenn ich meine Weiblichkeit bewusst leben kann und sie beim Gegenüber auf Freude stösst. Und es gibt Männer, die finden es toll, einer Frau die Tür aufzuhalten oder sie zum Essen einzuladen. Nur weil er mir die Tür aufhält, entmündigt er mich nicht – und nur, weil ich mich für ihn schön mache, unterwerfe ich mich ihm nicht.

Auch hier ist durchaus vernünftiges drin: Die traditionellen Geschlechterrollen funktionieren, weil sie halt bieten und bestimmte, einfache Botschaften transportieren. Und sie sind in diesem Fall eben teilweise auch einfach angenehmer für sie: Es machen sich ja beide hübsch für das Date (wobei sie meist mehr Arbeit hat). Ich würde aus Pickupsicht nicht empfehlen eine Frau beim ersten Date zum Essen einzuladen. Es ist ein viel zu formelles Setting. Besser ist es etwas trinken zu gehen, es ungezwungen zu halte und zB dabei abwechselnd zu zahlen. Aber auch das ist Geschmackssache. Es ist aus einer „Return of investment“-Sicht eher dann geeignet, wenn man schon ziemlich sicher ist, dass sie interessiert ist. Allerdings kann man alles, was man beim Essen besprechen kann, auch bei einem Bier besprechen und es entsteht dann ein wesentlich geringerer sozialer Druck zur Abwehr des Eindrucks der Geizigkeit die Rechnung zu übernehmen.

Wir sollten aufhören, Zuneigung zwischen Mann und Frau als Kampf anzusehen.

Das finde ich einen wichtigen Punkt. Die meisten Männer und Frauen spielen zumindest mit ihren Partnern und Freunden des anderen Geschlechts ein kooperatives Spiel oder planen das am Anfang, auch wenn es am Ende nicht gelingt. Wichtiger noch ist vielleicht auch der Umstand, dass man erkennt, dass Gleichheit nach Köpfen in vielen Bereichen nicht wegen entgegenstehender Diskriminierung scheitert, sondern weil Männer und Frauen verschiedene Ziele, Vorlieben und Lebensplanungen haben und insofern bewußt ihr Leben in die eine oder andere Richtung gestalten.

Gleichberechtigung dreht sich, wie das Wort schon sagt, um die Rechte von Mann und Frau. Für diese lohnt es sich wirklich, Kämpfe auszutragen! Es ist jedoch nicht das Ziel der Gleichberechtigung, uns in Neutren zu verwandeln, die bloss keinem Geschlechterstereotypen mehr entsprechen dürfen, weil uns das sofort wieder in die Steinzeit zurück katapultieren würde – weder Männer noch Frauen. Stellen Sie sich mal vor, wie seltsam die Welt wäre, wenn Männer und Frauen sich auf einmal geschlechtsneutral verhalten würden.

Das ist in der Tat eine interessante Frage: Wie wäre die Welt, wenn wir uns alle geschlechtsneutral verhalten würden? Vermutlich würden beide Geschlechter das erst einmal sehr merkwürdig finden. Was wäre überhaupt geschlechtsneutrales Verhalten? Hätten Frauen und Männer die gleiche Einstellung zu Sex? Was wäre in dieser Hinsicht dann neutral? Ein mittlerer Weg? Neutrale Menschen sind glaube ich wirklich schwer vorstellbar. Und „männlich“ und „weiblich“ können ja auch durchaus ihre gegenseitige Anziehungskraft haben, auch wenn sich jedes Geschlecht Punkte vorstellen kann, die es an dem anderen nerven. Also die Zusatzfrage: Was wäre geschlechterneutrales Verhalten? Würden Frauen genervt sein, wenn Männer „unmännlicher “ werden? Würde sich die Rollenverteilung ändern, wenn beide ein mittelmäßiges Interesse an beruflichen Status und ein mittelmäßiges Interesse an Zeit mit den Kindern hätten? Würden Männer es vermissen, dass Frauen sie in bestimmten Bereichen für Helden und starke Männer halten? Wobei dieser Wunsch nach Anerkennung ja auch nicht geschlechtsneutral ist.

Mein persönliches Fazit: Emanzipation ist nicht gleich Dominanz der Frau, sie bedeutet nicht, dass wir nun immer und überall «die Hosen anhaben» müssen – Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass alle Männer nun zu Softies werden und uns die Füsse küssen müssen.

Emanzipation und Gleichberechtigung bedeuten Freiheit – die Freiheit, dass wir, Männlein und Weiblein, gemeinsam das Beziehungsmodell leben dürfen, das für uns stimmt.

Freiheit – das ist ja in der Tat ein hübsches Fazit. Natürlich wird man sich darüber streiten, was Freiheit eigentlich ist und was man braucht, um sein Beziehungsmodell frei wählen zu können. Da sind nach wie vor spannende Fragen zu klären.