Verwandtenselektion, Gruppenselektion, Selektion des Einzelwesens in einer Gruppe

Ein alter Streitpunkt innerhalb der Evolution ist, auf welcher Ebene die Selektion stattfinden kann.

Hier zunächst die drei Definitionen aus der Wikipedia:

Genzentrierte Betrachtung:

The gene-centered view of evolution, gene selection theory, or selfish gene theory holds that evolution occurs through the differential survival of competing genes, increasing the frequency of those alleles whose phenotypic effects successfully promote their own propagation, with gene defined as „not just one single physical bit of DNA [but] all replicas of a particular bit of DNA distributed throughout the world“.[1] The proponents of this viewpoint argue that, since heritable information is passed from generation to generation almost exclusively by genetic material, natural selection and evolution are best considered from the perspective of genes.

This is in contrast to the organism-centered viewpoint adopted historically by biologists. Proponents of the gene-centered viewpoint argue that it permits understanding of diverse phenomena such as altruism and intragenomic conflict that are otherwise difficult to explain from an organism-focused perspective.

The gene-centered view of evolution is a synthesis of the theory of evolution by natural selection, the particulate inheritance theory and the non-transmission of acquired characters. It states that those genes whose phenotypic effects successfully promote their own propagation will be favorably selected in detriment to their competitors. This process produces adaptations for the benefit of genes that promote the reproductive success of the organism, or of other organisms containing the same gene (kin altruism and green-beard effects), or even only its own propagation in detriment to the other genes of the genome (intragenomic conflict).

Gruppen Selektion

In evolutionary biology, group selection refers to the idea that alleles can become fixed or spread in a population because of the benefits they bestow on groups, regardless of the alleles‘ effect on the fitness of individuals within that group.

Verwandtenselektion (Kin Selection)

Kin selection refers to changes in gene frequency across generations that are driven at least in part by interactions between related individuals, and this forms much of the conceptual basis of the theory of social evolution. Indeed, some cases of evolution by natural selection can only be understood by considering how biological relatives influence one another’s fitness. Under natural selection, a gene encoding a trait that enhan
ces the fitness of each individual carrying it should increase in frequency within the population; and conversely, a gene that lowers the individual fitness of its carriers should be eliminated. However, a hypothetical gene that prompts behaviour which enhances the fitness of relatives but lowers that of the individual displaying the behavior, may nonetheless increase in frequency, because relatives often carry the same gene; this is the fundamental principle behind the theory of kin selection. According to the theory, the enhanced fitness of relatives can at times more than compensate for the fitness loss incurred by the individuals displaying the behaviour. As such, this is a special case of a more general model, called inclusive fitness (in that inclusive fitness refers simply to gene copies in other individuals, without requiring that they be kin)

Und noch einmal mit eigenen Worten Nach der wohl deutlich vorherrschenden Ansicht in der Biologie ist auf der Ebene der Gene anzusezten. Danach erfolgt stets eine Selektion anhand der „Interessen“ der Gene des Einzelwesens und was als Gruppeneffekte hervortritt ist lediglich ein Ausdruck der egoistischen Interessen der Gene des Einzelwesens mit deren Hilfe diese Gene im Genpool angereichert werden. Das Bild des egoistischen Gens setzt dabei nicht voraus, dass die darauf beruhenden Wesen egoistisch sind. Vielmehr können diese von ihren Genen hoch kooperativ gebaut werden, wenn auf diesem Weg die eigenen Gene eher weitergegeben werden und sich daher im Genpool anreichern. Es verbleibt nach dieser Betrachtung dabei, dass sich entsprechende Strukturen nur über Selektion nur entwickeln können, wenn sie zu einer Anreicherung der Gene des Einzelwesens führen. Etwas verwirrend für viele ist dabei, dass diese Gene des Einzelwesens nicht in dem Einzelwesen selbst stecken müssen. Da Verwandte bei statistischer Betrachtung einen gewissen Anteil eigener Gene tragen lohnt es sich, die eigenen Gene auch in fremden Körpern zu fördern.

Dazu muss man sich die Prozentzahlen bewußt machen.

  • Mutter: 1/2 –
  • Vater: 1/2 –
  • Geschwister 1/2 –
  • Onkel oder Tante: 1/8 –
  • Großeltern: 1/4 –
  • Cousins 1/8 –
  • Couisin 2. Grades: 1/32
  • Cousin 3 Grades 1/128

Ein Gen, dass Altruismus gegenüber seinen Eltern und seinen Geschwister bzw. seinen Kindern fördert, hat gute Chancen sich im Genpool anzureichern. Es handelt sich hier nur um eine Abwandlung des „egoistischen Gens“, welches weiterhin der Maßstab für die Selektion bleibt. Bei inzestiösen Verbindungen steigt der Verwandtschaftsgrad weiter. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hinzuzurechnen, dass die Förderung der eigenen Gene in einem anderen Körper noch zu einer weiteren Anreicherung der Gene im Genpool über das bereits bestehende hinaus führt. Ein Großmutter beispielsweise hat nach der Menopause keine Möglichkeit mehr weitere Kinder zu produzieren, aber ein Interesse daran, die Geschwister, Enkel etc zu fördern. In Zeiten mit hoher Kindersterblichkeit mag die Förderung der eigenen Eltern mehr bringen als die Förderung von noch jungen Geschwistern (wenn diese nicht gerade die Kindersterblichkeit stark verringert).

Nach der Theorie der Gruppenselektion hingegen werden nicht mehr Einzelwesen, sondern Gruppen selektiert. Es kommt nach dieser Definition nicht mehr auf die Gene des Einzelwesens an, sondern darauf, dass die Gruppe insgesamt Vorteile hat, unabhängig davon, ob diese Fitness auch alle Mitglieder der Gruppe erreicht. Es soll also die Gruppe selbst eine Basis der Selektion sein, die damit über die Interessen ihrer Einzelmitglieder hinauswächst. Logisch abzugrenzen ist dies von der Individualselektion nur, wenn man eine Selektion findet, bei der einzelne Mitglieder Nachteile für die Gruppe eingehen ohne kompensierende Vorteile zu haben. Dem stehen meiner Meinung nach eine Vielzahl von Argumenten entgegen: – Das erste ist, dass eine Gruppenselektion aus Sicht der Einzelwesen keine stabile evolutionäre Strategie sein kann. Wenn ein Wesen Nachteile eingeht, die anderen zugute kommen, ohne damit seine Gene zu fördern, dann verringert sich die Anzahl seiner Gene im Genpool. Es steigt hingegen die Anzahl der Gene derer, die Vorteile mitnehmen, aber die Nachteile nicht eingehen. Die Strategien haben daher ein automatisches Freerider-Problem. Die beste Strategie für das Einzelwesen zerstört die Gruppenselektion.

Ein Einwand ist, dass sich aber erfolgreiche Gruppen gegen unerfolgreichere Durchsetzen und die Nachteile für alle aus der Gruppe eben ausgeglichen werden, indem die erfolgreichere Gruppe die weniger erfolgreichere ausbeuetet. Aber auch hier hat man es meist damit zu tun, dass nicht hinreichend beachtet wird, dass Einzelinteressen mit Gruppeninteressen übereinstimmen können und dadurch ein Gruppeneffekt entstehen kann, der aber nichts mit Gruppenselektion zu tun hat. Nehmen wir an eine Gruppe ist aufgrund eine Selektion hierauf besonders kriegerisch und unterwirft dabei alle anderen Gruppen, die friedlicher sind. Auch eine solche Gesellschaft muss aber entstehen, was man nicht ausblenden darf. Sie wird nur dann biologisch aggressiver, wenn sich die entsprechenden Gene anreichern. Dazu muss es vorteilhaft sein, aggressiver zu sein, und dies wieder auf der Ebene des Individuums. Den Kampf der Gruppen untereinander kann man dann wieder als Selektion der Einzelwesen untereinander abbilden. Eine echte Gruppenselektion würde erfordern, dass einige die Nachteile des kämpfens auf sich nehmen, dies aber keine anderweitigen Vorteile bringt. Viele Insekten schaffen dies mit einer sterilen Kämpferkaste, allerdings haben diese den Vorteil, so eng verwandt zu sein, dass sie diesen Altruismus vollständig auf Verwandtenselektion stützen können. Bei menschlichen Kämpfern hingegen ist dies nicht der Fall. Sie kämpfen üblicherweise für Verwandte, für Luxus, für Ruhm, für ihre eigenen Interessen. Eine menschliche Gesellschaft, die ihre genetischen Kämpfer schicht opfern würde, würde deren Gene schlicht aus dem Genpool entfernen und wäre dann eine Gesellschaft ohne solche genetischen Kämpfer. – Die Abgrenzungsproblematik: Nimmt man Gruppenselektion ernst, dann müßte man auch fragen, was überhaupt eine sinnvolle Gruppe ist. Die Kleingruppe im Sinne eines Stammes? Die Großgruppe der näheren Umgebung? Die Subspezies? Die Spezies? Die Gattung? Löwen und Gazellen sind beide Säugetiere, also auch Bestandteil einer Gruppe. In der Löwen-Gazellen-Säugetier-Gruppe wäre es daher eine Form der Gruppenselektion, wenn der Löwe Vögel fressen würde. Das ist natürlich ein sehr weitgehendes Argument, aber eine logische Abgrenzung innerhalb der Theorie der Gruppenselektion zu finden, erscheint mir schwierig. Gruppenselektion hätte unsere Vorfahren dazu bringen sollen nicht das letzte Mammut zu erlegen oder auf der Osterinsel sparsamer mit dem Holz zu sein. Spieletheorie besagt hingegen, dass es dem egoistischen Gen nichts bringt, dass letzte Mammut zu verschonen, weil es sonst lediglich von einem anderen Jäger erlegt wird. Die Geschichte zeigt, dass Tiere und Menschen immer wieder auf diese Weise gegen ihre Gruppeninteressen verstoßen haben und keine Schonung zugunsten der Gruppe vorgenommen haben. Lediglich in jüngster Geschichte der Menschheit scheitn dies in Gesellschaften, die eh einen Überfluss haben, möglich zu sein, wenn auch nur sehr eingeschränkt. Zur Abgrenzung von Verwandtenselektion und Groupenselektion auch noch das folgende bei Dawkins aus „Das egoistische Gen“S. 94:

E. O. Wilson, in his otherwise admirable Sociobiology: The New Synthesis, defines kin selection as a special case of group selection. He has a diagram which clearly shows that he thinks of it as intermediate between ‚individual selection‘, and ‚group selection‘ in the conventional sense—the sense that I used in Chapter 1. Now group selection—even by Wilson’s own definition—means the differential survival of groups of individuals. There is, to be sure, a sense in which a family is a special kind of group. But the whole point of Hamilton’s argument is that the distinction between family and non-family is not hard and fast, but a matter of mathematical probability. It is no part of Hamilton’s theory that animals should behave altruistically towards all ‚members of the family‘, and selfishly to everybody else. There are no definite lines to be drawn between family and non-family. We do not have to decide whether, say, second cousins should count as inside the family group or outside it: we simply expect that second cousins should be 1/16 as likely to receive altruism as offspring or siblings. Kin selection is emphatically not a special case of group selection.* It is a special consequence of gene selection.

18 Gedanken zu “Verwandtenselektion, Gruppenselektion, Selektion des Einzelwesens in einer Gruppe

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    • @breakpoint

      ich dachte eigentlich ich hätte sie von Dawkins, aber ich habe sie wohl falsch abgeschrieben. 😦

      Having located the common ancestor(s) of A and B, count the
      generation distance as follows. Starting at A, climb up the family tree
      until you hit a common ancestor, and then climb down again to B.
      The total number of steps up the tree and then down again is the
      generation distance. For instance, if A is B’s uncle, the generation
      distance is 3. The common ancestor is A’s father (say) and B’s
      grandfather. Starting at A you have to climb up one generation in
      order to hit the common ancestor. Then to get down to B you have to
      descend two generations on the other side. Therefore the generation
      distance is 1 + 2 = 3.
      Having found the generation distance between A and B via a
      particular common ancestor, calculate that part of their relatedness
      for which that ancestor is responsible. To do this, multiply 1/2 by itself
      once for each step of the generation distance. If the generation
      distance is 3, this means calculate 1/2 x 1/2 x 1/2 or (1/2)3. If the
      generation distance via a particular ancestor is equal to g steps,
      the portion of relatedness due to that ancestor is (1/2)g.

      Habe es im Ausgangsartikel jetzt geändert

      • Danke, @Christian.
        War mir intuitiv klar, dass für die Vorfahren n-ten Grades der Anteil bei 2^(-n) liegen muss (Inzest vergessen wir mal).

        Die Liste ist aber noch immer inkonsistent:
        Es kann z.B. nicht sein, dass der Anteil bei Cousins genauso groß ist wie bei Onkel/Tante, da bei Cousins ja auch noch das Genmaterial des Partners von Onkel/Tante hinzukommt.

        Hab aber jetzt keine Zeit, mir das genauer zu überlegen.

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