Frauenabwertung und hegemoniale Männlichkeit

Zwar ein etwas älteres Interview, aber es wurde über Twitter gerade noch mal verlinkt und ich finde es ganz interessant: Rolf Pohl über Sexismus „Männer haben Angst vor Frauen

Dort zu hegemonialer Männlichkeit:

Die australische Soziologin Raewyn Connell weist drei Bereiche aus: Wer dominiert in der Wirtschaft? Wer dominiert in der Politik? Und wer dominiert in den emotionalen Beziehungen? Wer bekommt Aufmerksamkeit, Geld oder Zuwendung, und welches Geschlecht wird eher diskriminiert? Besonders in den privaten Beziehungen gibt es eine sehr starke Ausprägung männlicher Vorherrschaft.

Die drei Bereiche erscheinen mir zunächst einmal recht zufällig. Warum nicht: Wer dominiert im Sorgerecht? Wer dominiert in gesicherten Jobs, die eine hohe Vereinbarkeit mit Familie haben? Wer muss weniger Erwerbsarbeit erledigen um sich den durchschnittlichen Lebensstil zu erwirtschaften? Oder „Welches Geschlecht erhält mehr Transferleistungen von dem anderen Geschlecht? Auch alles Fragen anhand denen man eine hegemoniale Weiblichkeit begründen könnte?

„Wer dominiert in den emotionalen Beziehungen?“ finde ich auch gar nicht so einfach zu beantworten. Ich würde meinen, dass es durchaus häufig die Frauen sind. Auch Aufmerksamkeit, Geld und Zuwendungen würde ich nicht als männlich dominiert ansehen.

Zu der Frage, wie Männer Macht generieren:

Männer generieren auch Macht in ihrer Beziehung, indem sie Aufmerksamkeit verweigern, hinhalten, Aufgaben vergessen, Bedürfnisse ihrer Partnerin ignorieren.

Schweigen und ignorieren scheint mir nun eher ein Taktik zu sein, die Frauen anwenden. Ebenso wie das Hinhalten. Und Bedürfnisse ihres Partners ignorieren: Das ist ja nur die Frage, was man als Bedürfnis anerkennt. Den Kneipenabend mit Freunden? Das Fußballgucken am Samstag? Der Blowjob zwischendurch? Das Zum-Sexobjekt-Machen, was viele Männer den Frauen so großzügig gewähren, selbst aber nicht bekommen? Alles kann von zwei Seiten betrachtet werden.

Zu Natur vs. Nature:

Man findet pseudorationale Begründungen dafür, dass das Geschlechterverhältnis ungleich bleiben muss. Dabei ist die Hirnfrage extrem strittig: Viel spricht dafür, dass die Hirnstrukturen nicht naturgegeben so sind, sondern sich in unserer Kultur so entwickelt haben. Vor allem ist interessant, worauf die Wissenschaft sich konzentriert. Plakativ ausgedrückt: Wir können gesellschaftliche Stereotype verändern, wenn wir wollen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf das, was die Geschlechtsunterschiede endgültig als natürliche erscheinen lässt. Das ist Vermeidungsverhalten. Dieser Biologismus ist so gesehen eine neue Form des Sexismus.

Das Gegenteil ist der Fall: Vieles spricht dafür, dass Gehirnstrukturen bei den Geschlechtern unterschiedlich ausgestaltet werden. Der Wunsch nach freier Veränderbarkeit wurde häufig geäußert, stellte sich aber immer wieder als Irrtum heraus. Natürlich können wir gesellschaftliche Strukturen ändern, aber eben nur im Rahmen unserer Biologie.

Zur Konstruktion der Geschlechter:

Das Problem ist: Männliche Identität ist so konstruiert. Zu dieser Identität gehört das unbewusste Bedürfnis, sich aufzuwerten, indem Frauen abgewertet werden. Sich als einzelner Mann von dieser Konstruktion abzugrenzen ist sehr schwer. Die Ambivalenz gegenüber Frauen prägt sich dem kleinen Jungen ein – und erfährt immer wieder Nachprägungen.

Richtig ist, dass Outgroups genutzt werden um den Wert der Ingroup zu erhöhen. Das ist bei Frauen und Männern so. Momentan scheint mir die Frauenaufwertung verbunden mit Männerabwertung allerdings eher salonfähig zu sein als der umgekehrte Fall.

Warum man was gegen Feministinnen haben kann:

Reagieren Männer deshalb so allergisch auf Feministinnen? Weil die sich der Kontrolle entziehen?

Ja, das ist eine mögliche Abwehrstrategie zur Bestätigung einer „intakten“ Männlichkeit. Feministinnen wurden und werden lächerlich gemacht

Auch eine hübsche Immunisierungsstrategie. Jede Kritik am Feminsmus ist eine Abwehrstrategie zur Bestätigung einer intakten Männlichkeit. Der Kritiker ist einfach nicht Mann genug, um es mit Feministinnen aufzunehmen. Dass man bestimmte Ideen aus dem Feminismus einfach bescheuert finden kann findet darin keinen Platz

Und zum „neuen“ Feminismus:

Der „neue Feminismus“ ist für mich zunächst ein medial inszeniertes Backlash-Phänomen. Junge, hübsche Gesichter werden hier zu den alten feministischen „Schlachtrössern“ in Konkurrenz gesetzt. Das dient erst einmal dazu, den „alten Feminismus“ abzuwerten. Aber diese Frauen analysieren die vorherrschenden Machtstrukturen nicht. Sie folgen eher dem allgemeinen Trend der Individualisierung, nach dem jeder seines Glückes Schmied ist. Das ist keine Kritik an der Geschlechterhierarchie. Ein Feminismus, der nichts verändern will, ist keiner.

Backlash ist so ein schönes Konzept! Man kann damit herrlich jede Kritik entwerten. Frauen, die meinen, dass man Feminismus anders gestalten muss? Backlash! Ein Feminismus muss ein ordentliches, männliches Feindbild haben.

Und zur Wirkung seiner Vorträge:

Bei meinen Vorträgen reagieren vor allem die Frauen positiv. Männer sind eher irritiert und oft peinlich berührt. Über seine Ängste nachzudenken anstatt sie als Bedrohung abzuwehren ist in der Männerrolle nicht vorgesehen.

Warum sollte man auch etwas als Bedrohung ansehen, was einem die Schurkenrolle zuweist und jede Kritik von vorneherein entwertet. Ich habe keine Ahnung, es muss wohl einfach die Angst vor Frauen und die Angst vor Machtverlust sein.