„Wenn du ein Mann* bist, muss es sich scheiße anfühlen, wenn dir die nichtmännlichen Leute um dich rum erklären, welche Privilegien du besitzt“

Franziska von Anarchie und Lihbe war auf einem Seminarwochenende zum Thema Körper – Geschlecht – Kapitalismus, (Teilnahme übrigens ab 15 Jahren) bei dem natürlich ganz feministisch vorgegangen wurde.

Interessant fand ich die Reaktion einiger männlicher Teilnehmer:

Männer* schilderten:

Sie haben sich angespannt gefühlt, hatten Angst, etwas falsches zu sagen oder zu tun, fühlten sich durch das als aggressiv empfundene Vorstellen des Definitionsmacht-Verfahrens vorverurteilt oder als Mann unter Generalverdacht gestellt. Die Definitionsmacht am ersten Abend und während der Begrüßung zu erklären, habe einen negativen Ausblick hergestellt, stattdessen hätte man sich vorfreudig auf die schöne gemeinsame Zeit berufen sollen. Dass der Umgang mit einer Grenzüberschreitung teilweise innerhalb der ganzen Gruppe stattfand, wurde als störend und bedrückend für das Gruppenklima empfunden. Manche Männer* und eine Frau* äußerten, dass sie das gesamte Wochenende über einen Zwang zu Political correctness und zu Harmonie empfunden haben und sich dadurch nicht frei fühlen konnten.

Kann ich gut nachvollziehen. Wenn gleich erstmal klargestellt wird, dass die Definitionsmacht beim Opfer liegt und man davon ausgehen kann, dass Frauen eh nur Opfer sein können, Männer hingegen wohl weniger und kleinste Fehler direkt vor der ganzen Gruppe besprochen werden, dann klingt das schon etwas anstrengend. Aber ich bin ja auch ein Mann und möchte nur nicht mit der Wahrheit konfrontiert werden um meine Privilegien nicht hinterfragen zu müssen.

Deswegen verkenne ich auch, dass es damit Männern nur so geht, wie es Frauen eh immer geht:

Ich füge hinzu: „Willkommen in unserer Welt.“

Wenn du mackerisch bist, muss es sich scheiße anfühlen, wenn andere dein Mackerverhalten angreifen. Wenn du sexistisch handelst, muss es sich scheiße anfühlen, wenn andere deinen Sexismus thematisieren. Wenn du Grenzen verletzt, muss es sich scheiße anfühlen, wenn die andere Person dir deine Grenzverletzung spiegelt. Wenn du ein Mann* bist, muss es sich scheiße anfühlen, wenn dir die nichtmännlichen Leute um dich rum erklären, welche Privilegien du besitzt. Wenn du breitbeinig dasitzt und mit deiner Stimme einen Raum beherrschst, muss es sich scheiße anfühlen, wenn andere dir schildern, wie ohnmächtig und verloren sie deine Dominanz machen kann.

Ich nehme an, dass der Hinweis darauf, dass möglicherweise auch Frauen Privilegien haben könnten und das Privilegienkonzept eh erhebliche Fehler hat wäre dort auch nur als Ausdruck der Privilegsverteidigung aufgenommen worden. Sitz gefälligst vernünftig und verstelle deine Stimme. Frauen fühlen sich bei einer solchen Stimme und einer Sitzhaltung (!) bereits ohnmächtig und verloren (!). Man möchte solche Punkte einmal in eine Diskussion um Vorstandspositionen einführen. Aber das Seminar war ja eh auch kapitalismuskritisch, da wird das nicht zählen.

Jedenfalls: Es muss sich scheiße anfühlen für dich als Mann, den Leid bringt Läuterung. Sitz einfach da, hör gut zu, und akzeptiere, dass deine Sitzhaltung Frauen unterdrücken kann. Halt aber bloß die Klappe, denn sonst störst du den Feminismus bei der Verbesserung der Welt. Ich wüsste wirklich gerne wie alt die Teilnehmer waren (das Mindestalter war ja 15 Jahre). Man kann einem Jungen schließlich nicht früh genug beibringen, dass er ein potentieller Vergewaltiger ist.

Ein Genosse antwortete zum Ende der Reflektionsrunde auf die Schmerzensschmerzen, worüber ich sehr froh war. Er sagte (sinngemäß), dass es ein Unwohlgefühl ist, wenn das eigene Geschlecht/Gender sichtbar gemacht wird, wenn das Verhalten in der eigenen Geschlechterrolle diskutiert wird, wenn Unterdrückungsmechanismen, an denen man selbst aktiv beteiligt ist, aufgezeigt und kritisiert werden. Dass das ein Gefühl von Unfreiheit, Anspannung, Unsicherheit und vielleicht sogar Angst hervorruft, ist normal. Frauen* und genderqueere Menschen sind fast immer und fast überall in genau dieser Situation. Sie müssen jederzeit damit rechnen, dass ihr Verhalten als Geschlechterrolle wahrgenommen und ggfs. abgewertet wird.

Ja, bei Männern ist das natürlich ganz anders. Ihr Verhalten wird nie als Geschlechterrolle wahrgenommen und abgewertet. ZB wenn sie zu breitbeinig sitzen, dass wird dann nicht als unterdrückendes Mackertum gewertet. Oder wenn sie mit einem Kind spazierengehen, da hat keiner abwertende Gedanken. Und allgemein ist der Vergleich männlichen Verhaltens mit Schweinen zum einen höchstens diskriminierend für Schweine und zum anderen auch verdient und damit kein Grund sich aufzuregen. Leben Frauen wirklich in einem beständigen Gefühl der Unfreiheit, Anspannung und Unsicherheit? Vielleicht kenne ich zu selbstbewußte Frauen, aber mir kommt es nicht so vor. Denn viele Frauen fühlen sich in ihrer Geschlechterrolle durchaus wohl, genau wie Männer sich in ihr wohlfühlen, andere Frauen fühlen sich unwohl, genauso wie bestimmte Männer sich unwohl fühlen. Dieses beharren auf der Opferrolle kommt mir insgesamt sehr gynozentrisch vor.

Immerhin folgt ein guter Rat: Eine Männergruppe gründen und in dieser dann gemeinsam lernen Privilegien abzubauen und zu verstehen, dass Mackertum und Mannsein an sich scheiße ist. Aber bitte strikt unter Männern, damit man Frauen mit deren Problemen nicht aufhält