Sexuelle Selektion, insbesondere intrasexuelle Selektion beim Menschen

Evolution wirkt über Mutation und Selektion. Mittel der Selektion sind dabei insbesondere die natürliche Selektion (vereinfacht: Mensch A kann aufgrund einer Mutation schneller laufen als Mensch B, der Säbelzahntiger frisst daher B, A gibt die Gene weiter) und sexuelle Selektion (kurz gesagt: Aufgrund bestimmter Mutationen kommt es bei Mensch A zu besseren oder häufigeren Fortpflanzungen als bei B).
Dabei wird sexuelle Selektion noch einmal in zwei Unterarten aufgespalten:
– intersexuelle Konkurrenz
– intrasexuelle Konkurrenz
Bei intersexueller Konkurrenz geht es darum, dass die Geschlechter sich auf eine bestimmte Weise entwickeln, weil das andere Geschlecht bestimmte Auswahlen trifft (kurz gesagt: Wenn Männer Frauen mit gleichmäßigen großen Brüsten bevorzugen, dann findet eine Zucht auf solche Frauen statt und eine weibliche Brust entwickelt sich)
Bei intrasexueller Konkurrenz geht es darum, sich selbst gegenüber anderen besser darzustellen oder anderen Fortpflanzungsmöglichkeiten zu Gunsten eigener Fortpflanzung einzuschränken. Ein klassisches Beispiel ist der Gorilla. Hier sammelt sich eine Gruppe von Frauen in einem bestimmten Gebiet mit guter Nahrung, etwa einem Fruchtbaum, und ein Männchen schirmt diese Frauengruppe dann gegen andere Männchen ab und monopolisiert sie. Intrasexuelle Konkurrenz hat überschneidungen mit intersexueller Konkurrenz, aber zeichnet sich insbesondere dann ab, wenn die Handlung des einen Geschlechts unabhängig von den Handlungen des anderen Geschlechts ist. Dieser Zustand wird in Reinform selten auftreten. Auch bei Gorillas kann es sein, dass die Weibchen einen Konkurrenten gegen den gegenwärtigen Silberrücken unterstützen, wenn ihnen dieser mehr zusagt. Aber dennoch ist das Modell für verschiedene Betrachtungen interessant.
Häufig werden beide Faktoren zusammenkommen: Weibchen bevorzugen ein statushohes Männchen, dies führt zu hoher intrasexueller Konkurrenz um einen hohen Platz in der Hierarchie, den die Männchen gewinnen, die sich aufgrund bestimmter Eigenschaften am besten an die Konkurrenzsituation angepasst haben, etwa durch höhere Körperkraft und Körpergröße oder durch eine schützende Mähne um den Hals. Gleichzeitig kann dann ein Merkmal wie Körpergröße wieder innerhalb der intersexuellen Selektion interessant sein und evtl. eine Bedeutung über die damit verbundene Kampfkraftsteigerung hinaus erfahren.
Ein Merkmal für die Entwicklung eines Merkmals aufgrund intrasexueller Konkurrenz ist, dass Männchen diesen Merkmal eine hohe Bedeutung beimessen, Weibchen aber nicht.
Beispielsweise spricht vieles dafür, dass das Interesse von Männern an sportlichen Wettbewerben darauf zurückzuführen ist, dass es ein Stellvertreter für intrasexuelle Wettkämpfe ist. In solchen Wettkämpfen ist es wichtig, welcher Gruppe man angehört, welche Gruppe besser ist und wie deutlich man mit dieser Gruppe verbunden ist. Denn eine starke Gruppenzusammengehörigkeit signalisiert automatisch eine gewisse Stärke, ein Konkurrent muss nicht nur die Kraft des anderen, sondern die Kraft der Gruppe bei einer Konfrontation einrechnen. Selbst wenn er sehr stark ist, wird er gegen eine eingeschworene Gruppe von drei Freunden in einem Kampf verlieren oder zumindest starke Verletzungen riskieren. Auch ansonsten kann ein Mißfallen einer großen Gruppe erheblich mehr Schwierigkeiten auslösen, etwa über den Verlust von Handelsprivilegien oder Handelsmöglichkeiten, über Hilfeleistungen, die einem Abgeschnitten werden oder über den Zugang zu deren sonstigen Ressourcen.
Dabei ist aber nicht nur das „Gorilla-Modell“ der Frauenabsicherung interessant, sondern eine solche Abschirmung kann auch zivilisierter und in einer gemischten Gruppe erfolgen.
Man stelle sich einen Königshof vor. Der König interessiert sich für eine Hofdame Y, die er als seine Mätresse gewinnen will. Bisher wurde sie von dem Höfling X umworben, was ihr auch durchaus recht wahr. Höfling X hört nun über die entsprechenden Kanäle von dem Interesse des Königs. Weil er seinen Kopf auf den Schultern behalten möchte und nicht vom Hof verbannt werden möchte, bricht er jeden Kontakt zu der Hofdame ab, wendet sich sogleich einer neuen Hofdame Y zu, die ihn nicht interessiert, der er aber nachgiebig den Hof macht, um deutlich zu machen, dass er keinerlei Interesse mehr an der Hofdame X hat. Hofdame Y, die bisher Zeichen der Zuneigung von verschiedenen Höflingen erfahren hat, macht allgemein die Feststellung, dass diese komplett aufhören und man überaus höflich, aber wesentlich distanzierter und formeller zu ihr ist. Sie ist flirttechnisch gesehen eine Aussätzige. Ihre Verwandten hingegen suchen ihre Nähe, weisen auf die Vorzüge des Königs hin und sind überaus nett zu ihr.
Aufgrund intrasexueller Konkurrenz bleibt ihr entweder die Option des Königs Mätresse zu werden oder sich vom Hof zu entfernen bzw. das Risiko einzugehen den König zu verärgern, indem sie ihn abweist bzw. darauf zu hoffen, dass sich sein Interesse auf eine andere verlagert.
Das gleiche Beispiel ist auch in weniger extremer Form in der Steinzeit möglich. A gehört einer Gruppe der besten Jäger/Kämpfer/Händler des Stammes an. Die Gruppe sitzt an den Machtstellen der Sippe und gibt im wesentlichen deren Entscheidungen vor, verteilt die meisten Ressourcen, es ist ihr Erfolg, der die Gruppe durch den Winter bringt und andere Gruppen von Angriffen abhält. Sie haben gute Kontakte zu allen Nachbargruppen, deren Anführer meist mit Töchtern von Personen dieser Gruppe verbunden sind. Jäger B „ehelicht“ nun eine neue Frau, die teile ihrer Familie mitbringt. In dieser auch die Frau X in einem für A passenden Alter. A flirtet mit ihr. Wer immer ebenfalls mit ihr flirtet wird darauf hingewiesen, dass er, wenn er sich gegen A stellt, sich ebenfalls gegen die Gruppe stellt,d er A angehört und davon ausgehen kann, dass diese die Unterstützung für den Flirtenden (und evtl seine Familie) stark zurückfahren können, weil sie es als Angriff gegen eines ihrer Mitglieder ansehen. Wenn es demjenigen gelingen könnte das Herz der X zu erobern, dann müßte er im Gegenzug den Hass des A und damit auch den Hass der Gruppe in Kauf nehmen. Vielleicht müßte er sogar die Gruppe verlassen. Das erhöht den Preis einer Brautwerbung, dazu noch eine mit ungewissen Ausgang, erheblich. Auch X braucht etwas bis sie versteht, warum keiner der Männer ausser A um sie werben (im alten Stamm hatte sie reichlich Verehrer). Ihr bleibt letztendlich auch keine wirkliche Option außer A.
Das Problem ist natürlich heute, mit größeren Bevölkerungsgruppen und wesentlich höherer Freiheit und Anonymität nicht mehr in diesem Maße vorhanden. Aber das ein eigentlich interessierter Mann sich stark zurückhält, weil ein andere Mann, mit dem er es sich nicht verderben will, auf eine bestimmte Frau steht (der Chef etwa oder der Sohn des Chefs oder der beste Freund oder ein anderer aus der Gruppe, der „ranghöher“ ist) dürfte immer noch häufig genug vorkommen.
Unter intrasexueller Konkurrenz könnte man auch Väter fassen, die ihre Töchter nur an ihnen genehme Männer herausgeben und damit ebenfalls mit entsprechender Macht oder Kraft unliebsame Bewerber verschrecken. Auch dies dürfte in der Geschichte häufig genug vorgekommen sein.
Dieses Verhalten mag zunächst kulturell erscheinen. Es führt aber ebenfalls zu einer Zucht in eine bestimmte Richtung. Denn es pflanzen sich jeweils die am wenigsten fort, die am schlechtesten an die Konkurrenzsituation angepasst sind und daher in dieser am häufigsten verlieren. Dies führt dazu, dass eine Selektion auf genau diese Eigenschaften, die innerhalb der Konkurrenz wichtig sind, eintritt. Männchen werden daher innerhalb einer intrasexuellen Konkurrenz meist größer und stärker als Frauen und haben eher das Bedürfnis Machtkämpfe auszufechten um in einer Hierarchie weiter oben zu stehen. Vieles spricht dafür, dass genau dies auch beim Menschen der Fall war. Wäre es nicht der Fall gewesen, dann wären Männer und Frauen eher gleich groß und kräftig. zudem spricht auch die Vorliebe für große Männer und ebenso die für Männer mit Status bei Frauen hierfür. Weitere Indizien sind, dass Männer in allen Bereichen mit erheblicher Konkurrenz um Status weitaus zahlreicher vertreten sind als Frauen. Auch körperliche Reaktionen, etwa die Fight or Flight Reaktion bei Männern im Gegensatz zu tend and befriend bei Frauen ist eher auf ein Konkurrenzmodell zugeschnitten. Spieletheoretische Überlegungen bzw. Überlegungen der Sexual Strategies Theory sagen zudem voraus, dass Frauen ihre Sexualpartner kritisch aussuchen als Männer (im Schnitt) und daher unter Männern eine höhere Konkurrenz um die Frauen und ein höherer Druck zur Profilierung herrschen sollte. Dies wird zudem auch durch Genanalysen bestätigt, die zeigen, dass sich zwar ein Großteil der Frauen, aber nur ein deutlich geringerer Teil der Männer erfolgreich fortgepflanzt hat.