Ich habe noch einmal darüber nachgedacht, was mich eigentlich so an den Haltung von Franziska bei Anarchie & Lihbe stört und fand dabei einen Kommentar unter dem Artikel von Philippe Wampfler hilfreich, der die Prinzipien, die er dort erkennt, noch einmal zusammenfasst:
- Männer können nicht mit Anerkennung rechnen, wenn sie sich antisexistisch verhalten – und wenn sie nur erste Schritte in diese Richtung machen, müssen sie weiterhin kritisiert werden für ihr Verhalten.
- Wer sich unfrei oder unsicher fühlt, weil er/sie Grenzverletzungen begehen könnte, muss diese Möglichkeit ausräumen und sich nicht über das Gefühl der Unfreiheit und Unsicherheit beklagen.
- Männer sollten ihre Erfahrungen mit antisexistischem Verhalten unter Gleichgesinnten produktiv nutzen, anstatt sich darüber zu beklagen.
Dagegen verweißt Franziska darauf, dass es kein Imperativ sei, aber wie sie den da angesichts ihres Textes rausbekommen will, erläutert sie leider nicht. Sie stellt ja konkrete Anforderungen, die einem Imperativ gleichkommen.
Diese Prinzipien haben aus meiner Sicht erhebliche Schwachstellen:
- Über weiche Begriffe wie Mackertum oder patriarchalisches Verhalten wird gerade in Verbindung mit der Definitionsmacht eine unerfüllbare Hürde aufgebaut. Wer versucht, sie zu erfüllen, der wird allenfalls erleben, dass der Begriff immer weiter nach unten schraubbar ist. Es wird dann eben so etwas darunter fallen wie die Auffassung aufgrund seines Geschlechts Geschirr nicht abräumen zu müssen (was ich durchaus kritikwürdig finde), aber auch eine breitbeinige Sitzhaltung, wie der Artikel zeigt. Wenn er dann endlich geschlossen sitzt dann kann man ihm vorwerfen, dass er nicht genug lächelt und damit eine innere Abwehrhaltung gegen die Befreiung der Frau und die Abschaffung des Mackertums demonstriert und damit den Frauen Angst vor der Kontrarevolution macht. Lächelt er genug, dann vielleicht nicht ungezwungen genug etc. Es fehlt also ein limitierender Faktor.
- Diesen könnte man dadurch hereinbringen, dass man ein Feedbacksystem einführt, nachdem aus dieser Sicht gutes Verhalten angesprochen wird. Das ist aber gerade nicht erwünscht. Vielmehr soll man ihn nicht loben oder positives Feedback geben, denn seine Verbesserungsbemühungen sind selbstverständlich. Hingegen darf weiterhin vollständig kritisiert werden, eben bis hin zur Sitzhaltung oder seiner Art zu sprechen einschließlich der Stimmlage. Er wird also beständig weitere Anforderungen an sein Verhalten gestellt bekommen, dass es immer weiter vom „Mackertum“ entfernen. Es ist im auch nicht möglich, selbst ein Feedback einzufordern oder seine Sicht der Dinge darzustellen, denn damit würde er ja den Feminismus in seiner Arbeit behindern. Er muss sich also andere Männer suchen und mit diesen die „Mackertumbekämpfungsspirale“ weiter nach unten schrauben. Auf das beste, was er hoffen kann, ist dann das Fehlen der Kritik. Gleichzeitig wird eine sehr harte Eigenkritik verlangt: Wenn Zweifel vorhanden sind, ob etwas nicht doch mackerhaft ist, dann muss er es im Zweifelsfall lassen bzw. ändern. Und was bitte ist nicht mackerhaft in irgendeiner Form, wenn man es nur genug hinterfragt?
- Er ist also Sisyphos, der den Stein immer wieder den Berg hinauf rollt um ihn dann oben durch die Kritik seines Verhaltens wieder nach unten gestoßen zu bekommen. Aber wie uns Camus lehrt ist Sisyphos ja ein glücklicher Mann. So mag auch der männliche Profeminist durch die Kritik gestärkt den Berg hinunter wandern um auf neue die Kugel des unmackerhaften Verhaltens nach oben zu schieben, sich freuend, dass sie bald wieder heruntergestoßen wird und er sein Werk von neuen beginnen kann. In dem er die Absurdität seines Handelns anerkennt gibt er seinen Leben Sinn, das Universum ist, wie Camus schreibt, nicht mehr unfruchtbar und wertlos, der Kampf gegen das eigene Mackertum ist eine Welt für sich. Er vermag ein menschliches Herz auszufüllen. Wir müssen uns daher nach dieser Ansicht auch den Profeministen als einen glücklichen Menschen vorstellen.
- Im Idealfall ist es sogar er, der, wenn er den Fels hinaufgerollt hat die Strecke kritisch zurückblicken muss um den Fels dann wieder gen Tal sausen zu lassen. Den er ist ja selbst dafür verantwortlich weniger mackerhaft zu werden. Dieses Ideal der Selbstverpflichtung ohne erkennbares Ende im Kampf gegen das männliche Privileg macht die Situation dann noch brisanter. Er muss sich nicht nur den Vorwurf machen lassen, dass er ein Macker ist ohne den Vorwurf hinterfragen zu können, er muss auch noch schauen, was er genau falsch macht und darf nie zufrieden sein (das wäre nämlich auch mackerhaftes Mansplaining und ein Verstoß gegen die nicht ausgesprochene Definition, also eine Aberkennung der Definitionsmacht.
- Also: Was der profeministsche Mann auch macht, er wird immer weiter im Hamsterrad laufen. Und sich selbst noch dabei antreiben, obwohl er niemals ins Ziel kommen kann.
Würde mich persönlich nicht so begeistern. Aber jedem das Seine.
Mich würden an dieser Stelle aber Geschichten von Männern interessieren, die diesen Weg gegangen sind. Eine hatte ich ja schon verlinkt, aber sie enthält auch wenig konkretes. Hugo Schwyzer scheint gerade einmal der Auffassung gewesen zu sein, dass er das Hamsterrad unter Kontrolle hat und in seinem Tempo weiterlaufen kann, musste aber die Erfahrung machen, dass das bereits Mackerhaft ist und eine fehlende Selbstgeißelung für alle Verfehlungen, sofortige Rückversetzung in den Feindesstatus bewirkt. Kennt jemand noch andere Geschichten?