Weitere Kritik an Privilegientheorie und Deutungshoheit

Die Privilegientheorie bleibt nach wie vor ein wesentlicher Pfeiler im modernen (radikalen?) Feminismus. Ich hatte hier schon einiges an Kritik daran:

Anlässlich eines Vorfall, bei dem es darum ging inwieweit Kinder zu verbergen sind, weil sie Privilegien darstellen gab es noch einmal einige interessante Punkte, die ich hier noch einmal sammeln möchte:

Der Artikel „Privilegien“ bei Elitemedium:

Privileg kann nun eigentlich alles sein. Der Reiche ist privilegiert gegenüber dem Ärmeren. Der Gesunde gegenüber dem Kranken. Der Junge ist privilegiert gegenüber dem Alten… Moment. Hier wird es schon schwieriger. Der Junge kann Gegenüber dem Älteren nämlich gleichzeitig privilegiert (gesünder, schöner, längere Restlebenserwartung) aber auch unterprivilegiert (weniger Rechte, weniger Status, weniger Macht) sein.

Meiner Meinung nach in der Tat eines der größten Probleme: Es ist nicht eingrenzbar, gerade weil es ins subjektive ausgeweitet wird. Elitemedium dazu weiter:

Ja das ist wirklich perfide. Der Privilegierte ist also ”qua Definition” blind für sein Privileg, aber wenn er andere fragt, ist das supremacy Haltung. Sehr schön.

Hinzu kommt, dass der derjenige, der für sich eine Unterprivilegierung in Anspruch nehmen kann damit nach feministischer Denkweise diverse Forderungsrechte erwirbt:

  • das Recht von Privilegierten „Reflektion“ verlangen zu dürfen
  • das Recht von Privilegierten verhaltensänderungen verlangen zu dürfen
  • das Recht zur Kritik an Privilegierten ohne eigene Begründungspflicht

und das Beste von allem: Der Unterprivilegierte selber ist gegen jeden Vorwurf, er würde selber andere diskriminieren immun:

Das ist das gefährliche an dieser Theorie/Ideologie gerade im Feminismus:

Der Kommentator „Heiliger Bimbam“ bei „Leftist Elite“:

Unter die Nase reiben ist eine rein subjektive Wahrnehmung. Wie soll man darauf eingehen?

Wenn die Einen es vll. begrüßen würden, dass die Kinder nicht mitgebracht werden, empfinden Andere das möglicherweise als Sonderbehandlung und möchten gerade nicht, dass Menschen explizit “Schonhaltungen” einnehmen, weil sie sich damit in eine Betroffenenecke geschoben sehen. Wenn ich mir vorstelle, meine Anwesenheit würde Leute dazu veranlassen, bestimmte Themen und Verhaltenweisen zu vermeiden, wäre für mich sehr diskriminierend. Man würde mich nicht “normal” behandeln und mir mein Anderssein unter die Nase reiben. Der Tatbestand, dass in der Situation jemand sich als anders empfindet, bleibt in jedem Falle bestehen.

“Jemand zeigt ein Privileg auf und zieht damit die Abwehrhaltung der Priviligierten auf sich, weil diese ja auch Probleme haben.”

Das ist natürlich ein Totschlagargument. Damit wird es unmöglich, sich überhaupt gegen die Unterstellung eines Privilegs zu verteidigen und das Bestehen dieses Privilegs zu widerlegen.

Das zeigt eben wieder das Problem der fehlenden Begrenzung: Es ist unmöglich es alles recht zu machen, wenn man subjektive Unannehmlichkeiten, die auf angenommenen Privilegien beruhen, wertet. Mit der Privilegientheorie in Verbindung mit der Deutungshoheit und subjektiven Beeinträchtigungen orientiert man sich beständig nach unten: Die Gesellschaft wird nicht immer freier und sicherer, sondern immer handlungsärmer und anfälliger für Kritik: Es wird nicht besser, sondern schlechter, weil man eben alles als Beeinträchtigung sehen kann, auch die Gegenreaktion und den versuch es anderen Recht zu machen. Es ist unmöglich so zu handeln, dass niemand sich beeinträchtigt fühlen kann. Das Beispiel Kinder zeigt dies eigentlich besser als jedes andere Beispiel.

Dazu in einem weiteren Kommentar:

Vielleicht ist aber auch nur diese “Privilegientheorie” Unfug. Wie man hier sieht, führt sie dazu, dass nur noch das eigene Befinden ausschlagebend ist für die vermeintlichen Privilegien Anderer. Die Privilegien kann man denen, die einen an die eigenen Unzulänglichkeiten (wichtig hier: Unzulänglichkeiten haben alle!) erinnern, andichten und sich damit in eine moralisch überlegene Position begeben. Jemand mit dünnem Haar kann die “Privilegien” der mit üppigem Schopf ausgestatteten “sichtbar machen” und von denen verlangen, ihre Behaarung nicht zu inszenieren, um nicht getriggert zu werden durch volles Haar!?! “critical hairyness”?

Das ist absurd. Es wird Zeit, diese “Privilegientheorie” als das zu erkennen, was sie ist.

Und dann weiter:

es gibt probleme, die sind in einem sinne privatangelegenheit, als dass man nicht von der gesamten umwelt besondere rücksicht verlangen kann. oder anders gesagt, wenn jemand die anwesenheit von kindern (oder kleinfamilien) nicht aushält, dann haben nicht die kinder oder kleinfamilien den kontakt zu meiden, sondern der oder die betroffene muss selbst meiden, was ihn oder sie triggert.

Und das ist genau meine Meinung dazu. Man kann nicht jede persönliche subjektive Befindlichkeit über Verhaltensregeln für andere lösen.

Auch „NutellaBerliner“ geht dort in die gleiche Richtung:

Doch. Die Konsequenz von “ich fühle mich durch den Anblick von Kindern immer an meine Diskriminierung erinnert etc” kann doch nur sein: kein Anblick von Kindern für Lantzschi.

Wenn sie aber keine Kinder sehen will, sich dabei aber nicht einschränken will (auch das wäre wieder: Diskriminierung), ist die logisch zwingende Konsequenz: die Kinder müssen wegbleiben. Und damit auch die Eltern, die aus mannigfaltigen Gründen nur mit Kind kommen können. Diese Eltern werden dann diskriminiert. Und warum? Weil Lantzschi der Anblick von Leuten, die anders sind als sie, nicht passt.

Darauf läuft es im Kern hinaus.

Und das ist die Offenlegung des eigentlichen Kerns der Privilegientheorie in Verbindung mit der Deutungshoheit:

Wenn jemand anders ist und mir das nicht passt, dann muss er sich ändern, einfach weil es mir nicht passt.

Was natürlich erst einmal Kindergarten ist.

Anatol Stefanowitsch stellt auch bei Leftist Elite seine Sicht dar, die die Privilegientheorie eher stützt:

Zum ersten Punkt: Es muss allen Menschen erlaubt sein, sich sichere Räume zu definieren und diese müssen respektiert werden. Wenn Menschen, für die heteronormatives (oder als heteronormativ wahrgenommenes) Verhalten oder die Gegenwart von Kindern eine Diskriminierung darstellt, für sich einen sicheren Raum schaffen und sich dorthin zurückziehen, dann haben sich potenziell heteronormativ handelnden Menschen dort herauszuhalten und — auch wenn es den Kindern gegenüber ungerecht erscheinen mag — ihre Kinder von dort fernzuhalten.

(…)

Zum zweiten Punkt: Selbst dort, wo nicht für alle ein sicherer Raum geschaffen werden kann, sollten natürlich alle daran mitarbeiten, dass in der Öffentlichkeit die größtmögliche Sicherheit für alle besteht. Und hier müssen wir vielleicht unterscheiden zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren Bedrohungen und die Verantwortlichkeiten für den Umgang mit diesen Bedrohungen unterschiedlich verteilen.

Da ist die Gegenüberstellung wieder „Die einen müssen sich einen Raum schaffen, die anderen müssen das akzeptieren“. Warum ist es eigentlich so schwierig, sich einfach mal mit der naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, ob eine Forderung nach einem „sicheren Raum“ in dem konkreten Zusammenhang überzogen ist oder nicht? Und ob die Einschränkung der einen in einem Verhältnis zu der Bedrohung der anderen steht? Das scheint mir das Naheliegendste zu sein, was die Interessen der Personen zu einem angemessenen Ausgleich bringt: Man stellt die jeweiligen Positionen in eine Abwägung ein und nimmt einen Ausgleich vor. In diesem kann man dann natürlich auch einen Minderheitenstatus, Machtfragen und andere Punkte aufgreifen und berücksichtigen.

Das man dies nicht will hat wohl die folgenden Ursachen, die ja oben auch schon angesprochen worden sind:

  • Definititonsmacht ist eine tolle Sache, wenn man derjenige ist, der definiert
  • Es klingt so gut und moralisch, wenn man sich bedingungslos für die Schwachen einsetzt.
Das Sich-Aufbürden von besonderen Rücksichtsnahmepflichten ist natürlich -wie so oft – erst einmal ein Costly Signal: Um so mehr Lasten man auf sich nimmt, um so eher kann man Aufzeigen, dass man den Minderheitenschutz ernst nimmt. In der passenden sozialen Einordnung erscheint damit jeder, der nicht bereit ist diese Lasten auf sich zu nehmen und der Minderheit die bedingungslose Definitionsmacht zuzusprechen, als jemand, der der Sache nicht genug verpflichtet ist. Und damit kann man ihn auch eher aus der In-Group in die Out-Group einordnen, was auch in diesen Bewegungen einen erheblichen Gruppendruck erzeugt.

86 Gedanken zu “Weitere Kritik an Privilegientheorie und Deutungshoheit

  1. @Christian

    1. Du sprichst von Privilegientheorie. Gibt es eigentlich eine ausgearbeitete Theorie darüber? Oder ist das Deine Erfindung, gewisse Verhaltensweisen als Privilegientheorie zu etikettieren? Also zumindest im deutschsprachigen Raum (kleiner Check bei Amazon) gibt es offenbar kein schriftlich ausgearbeitetes Konzept einer solchen Privilegientheorie. Ein bisschen polemisch zugespitzt: Es scheint ein mehr oder weniger pragmatisch angewendetes Konzept einer kleinen Sekte (ohne Polemik könnte man es auch als ein subkulturelles Milieu bezeichnen) zu sein, ohne irgendwelche theoretische Ausarbeitung und Reflexion.
    2. Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, dass diese „Privilegientheorie“ ja vor allem von Frauen propagiert und gutgeheissen wird, die sich als Feministinnen sehen und nicht heterosexuell sind.
    3. Auf den ersten Blick scheint es auch so zu sein, dass diese feministische Frau, die nicht heterosexuell ist, auch quasi nur dann diese Privilegientheorie faktisch anwenden und in Anspruch nehmen will, wenn sie ihre eigene propagierte Diskriminierung (Frau sein und nicht heterosexuell sein) in Sonderrechte umwandeln möchte.
    4. Diese Sonderrechte sind: Deutungshoheit für sich beanspruchen (ich bestimme, wer privilegiert ist und wer nicht, ich bestimme, dass Du Busse tun oder Selbstreflexion üben musst, ich bestimme, wer sich als Opfer sehen darf, ich bestimme, wer sich im Verhalten zurücknehmen oder anpassen muss, ich bestimme, welches Leid wirkliches Leid ist etc.), eigene Räume für sich beanspruchen (sogenannte herrschaftsfreie Räume, Schutzräume etc.).
    5. Diese Privilegientheorie macht ev. theoretisch noch andere Privilegien oder Diskriminierungen fest (Ethnie, Klasse etc.), aber in der praktischen Umsetzung spielen dann diese Privilegierungen keine Rolle mehr; und dies aus gutem Grund, weil eine praktische Umsetzung das Konzept ad absurdum führen würde. Es wird nämlich nicht gefordert, dass es neben einem Raum für Frauen/Lesben/Trans etc. auch einen herrschaftsfreien Raum für Leute mit wenig kulturellem oder ökonomischem Kapital geben soll, es wird auch kein herrschaftsfreier Raum für Ethnien oder für Kranke oder Behinderte etc. gefordert. Wenn die Privilegientheorie dies machen würde, dann würde sehr schnell klar, dass eine praktische Umsetzung dieser Privilegientheorie nicht möglich ist und sich selbst ad absurdum führt, weil hier eben die vielbeschworene Intersektionalität zum Greifen kommt: Und wer die Intersektionalität ernst nimmt, sieht auch, dass jeder Mensch in einem bestimmten Bereich privilegiert, aber auch in vielen Bereichen unterprivilegiert sein kann. Damit es wirklich herrschaftsfreie Räume geben würde, müsste man dann quasi eine unendliche Anzahl von Räumen einrichten, damit die unterschiedlichsten Merkmalsgruppen als homogene Gruppe mit einheitlichen Privilegien und Diskriminierungen in einem Raum zusammengefasst werden können. Zum Beispiel es wird ein Raum eingerichtet für Menschen mit folgenden Merkmalen: Frau, krank, behindert, enorm hohes kulturelles und ökonomisches Kapital, wenig soziales Kapital, mittelmässig symbolisches Kapital, heterosexuell, weisse Hautfarbe etc.
    6. Das heisst somit: Diejenigen Personen, die diese Privilegientheorie propagieren, wollen primär und vor allem ihr „Geschlecht“ und ihre „sexuelle Präferenz“ als Diskriminierung sehen und fordern in der praktischen Umsetzung nur für diese beiden propagierten Diskriminierungen Sonderrechte/Privilegien. Theoretisch propagieren sie zwar das Konzept der Intersektionalität, aber weil dieses Konzept der Intersektionalität mit der praktischen Anwendung der Privilegientheorie (Sonderrechte für Diskriminierte) nicht umsetzbar ist, weil es sich selbst ad absurdum führen würde, machen sie selbstverständlich Halt vor dieser praktischen Umsetzung und fordern höchstens noch Sonderrechte für die Diskriminierungen, wo sie meinen, dass sie selbst am meisten unter diesen leiden: Geschlecht und sexuelle Präferenz.
    7. Fazit: Somit wird diese Privilegientheorie, die zwar theoretisch Intersektionalität propagiert, aber praktisch in ihrer Umsetzung nur das Geschlecht und die sexuelle Präferenz (aus nachvollziehbaren Gründen, weil es sich sonst ad absurdum führen würde) einbezieht, selbst zu einem Herrschaftsprojekt, weil es praktisch alle anderen Diskriminierungen eskamotiert, also faktisch negiert und unsichtbar macht! 😀

    • „Damit es wirklich herrschaftsfreie Räume geben würde, müsste man dann quasi eine unendliche Anzahl von Räumen einrichten, damit die unterschiedlichsten Merkmalsgruppen als homogene Gruppe mit einheitlichen Privilegien und Diskriminierungen in einem Raum zusammengefasst werden können.“

      Die Einrichtung solcher Räume ist eine Ghettoisierung und damit eine Diskriminierung. Es ist bereits eine logische Inkonsequenz nach einem „herrschaftsfreien Raum“ zu rufen, in dem sich eine Gruppe die „homogen diskriminiert“ wird, zusammenfindet: Dieser Raum wird dadurch nicht „herrschaftsfrei“, weil ja die Diskriminierung durch die „Herrschenden“ nach wie vor vorhanden ist.

      Anita Heiliger hat die Quintessenz dieser paranoiden Weltanschauung klar dargelegt:
      „Von den Männern selber zu erwarten, dass sie sich kollektiv vom Dominanzkonzept verabschieden, scheint illusorisch. Es verschafft ihnen zu viele Vorteile, das haben wir durch Robert Connell (1999) gelernt vom Konzept der hegemonialen Männlichkeit und der „patriarchalen Dividende“, die auch denjenigen Männern zukommt, die nicht machistisch sind, sogar frauenzugewandt und unterstützend. Aus dem kollektiven System der männlichen Dominanz ziehen aber auch sie Profit. Auf diesen Profit zu verzichten und dieses Dominanzsystem zurückzuweisen, darauf kommt es für Männer an, nicht nur im privaten Bereich, sondern öffentlich und politisch.“

      Selbst die Männer, die „frauenzugewandt und unterstützend“ sind, bleiben „die Herrschenden“, da sie eine „patriarchale Dividende“ qua Geschlecht haben, die können nicht einem „herrschaftsfreien Raum“ gehören, denn sie sind „die Herrschenden“. Immerhin, eine späte Bestätigung der überragenden Rolle des Mannes als Herr der Schöpfung ;-). Danke, Anita ;-)!

      Wenn Feminist.I.nnen von „herrschaftsfreie Räume“ sprechen, dann reden sie nur von Räume in denen sie selber ihren eigenen Gedanken nachhängen, also so etwas wie eine transzendentale Meditation praktizieren wollen. Das so etwas ein Rohrkrepierer ist, braucht ja wohl nicht besonders erwähnt werden: Dieser Art zu denken und zu leben fehlt eben das Lebendige, der Dialog!

      • Das Konzept der „patriarchalen Dividende“ ist eben auch unterkomplex, wenn man die feministische Theorie der Intersektionalität ernst nehmen will.
        Wie früher schon einmal ausgeführt, kann man eben nicht nur eine patriarchale Dividende oder männliche Dividende konzeptualisieren, sondern auch eine Ethnie-Dividende, Schicht-Dividende, Klassen-Dividende und viele andere Dividenden mehr.
        Die Frau aus der Oberschicht kann dann eben die Oberschichts-Dividende gegenüber dem Mann aus einer Unterschicht ausspielen.
        Zudem: Wenn es das Konzept des sekundären Krankheitsgewinns gibt, kann man gerade so gut argumentieren, es gibt die Opfer-Dividende oder die Diskriminierten-Dividende: Wer sich als Opfer, Kranker oder Diskriminierter glaubhaft inszenieren kann, kann eben ev. in unserer Gesellschaft wieder mit gewissen Privilegien rechnen; muss nicht so sein, kann aber so sein.

    • @Chomsky

      „Du sprichst von Privilegientheorie. Gibt es eigentlich eine ausgearbeitete Theorie darüber? Oder ist das Deine Erfindung, gewisse Verhaltensweisen als Privilegientheorie zu etikettieren? Also zumindest im deutschsprachigen Raum (kleiner Check bei Amazon) gibt es offenbar kein schriftlich ausgearbeitetes Konzept einer solchen Privilegientheorie.“

      Vielleicht hilft dir dieser Link weiter:

      http://en.wikipedia.org/wiki/Male_privilege

      Ich bin selbst nicht ganz sicher, woher genau die Theorie über Privilegierungen kommt, aber sie scheint mir sehr weit verbreitet zu sein. Eine diesbezügliche Aufschlüsselung der Herleitung würde mich aber sehr interessieren. Es ist ja leider so, dass „Male Privileg“ nicht als Theorie dargestellt wird, mit Herleitungen und Entwicklungen sondern absolut vorausgesetzt wird.

      • Ich bin selbst nicht ganz sicher, woher genau die Theorie über Privilegierungen kommt, aber sie scheint mir sehr weit verbreitet zu sein.

        Ich vermute, diese Theorie lehnt sich an Connells Konzeption der „hegemonialen Männlichkeit“ und seiner „patriarchalen Dividende“ an. Schubladendenken. Zwei oder drei Merkmale – z.B weiss, männlich und heterosexuell – und der Mensch ist in die Kategorie „privilegiert“ schubladisiert. Das ist alles ziemlich einfältig, finde ich.
        Natürlich dürfen sich Menschen Räume schaffen, die „respektiert werden müssen“. Die Frage ist aber, ob sie anderen damit Räume nehmen, und das muss dann nicht einfach so respektiert werden.

      • Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Klassischer_Liberalismus findet man ein einziges mal Privilegien-Theorie. Muss allerdings nichts heissen, in der Rechts-„Theorie“ kennt man auch die umstrittene „Beweiswürdigungstheorie“ ;-).

        Es gibt allerdings eine Diskriminierungstheorie http://de.wikipedia.org/wiki/Diskriminierung#Diskriminierungstheorie_.28Soziologie.29, was aber vermutlich ebenfalls nicht weiter hilft, denn die Deutungshoheit liegt eben beim Feminismus.

      • @Christian

        Ich bin selbst nicht ganz sicher, woher genau die Theorie über Privilegierungen kommt, aber sie scheint mir sehr weit verbreitet zu sein.

        Ich würde der vermuten, dass es sich um eine Art Transformation der marxistischen Klassentheorie leninistischer Prägung handelt. Die funktioniert nämlich ähnlich wie die Privilegientheorie.

      • Ich würde der vermuten, dass es sich um eine Art Transformation der marxistischen Klassentheorie leninistischer Prägung handelt. Die funktioniert nämlich ähnlich wie die Privilegientheorie.

        @ Itsme
        Wobei die Klassentheorie von Marx sich bei der Einteilung der Klassen primär auf ökonomische Merkmale bezog, die weitgehend objektivierbar sind, während die Privilegientheorie, so wie hier dargestellt, mehr mit Befindlichkeiten als mit objektivierbaren Begebenheiten zu tun hat.

      • @Peter

        Das stimmt wohl. Tendenziell zumindest. Allerdings denke ich, wenn man sich den konkreten Aktivismus von Marxisten anschaut, dann wird man sehen, dass mit dem Wort „bürgerlich“ auch mehr eine Art Befindlichkeit oder Abneigung ausgedrückt wird. Man darf ja auch nicht vergessen: Die ausgearbeitete Theorie von Marx im Kapital enthält keine Theorie der Klassen. Das letzte Kapitel des 3. Bandes des Kapital heißt zwar „Die Klassen“, ist aber nur 1 1/2 Seiten lang und ist trotz allem sehr interessant, weil Marx dort über die Klassen in England nämlich sagt „Mittel- und Übergangsstufen vertuschen auch hier […] überall die Grenzbestimmungen“ (S.892). Das bedeutet aber in concreto, dass es gar keine klare Klassenzuschreibung zu Individuen geben kann. Die Frage „Was bildet eine Klasse?“ hat Marx zwar noch gestellt, aber das Manuskript bricht schließlich ab und das Buch ist zu Ende. Das sollte man sich eben ab und an mal klar machen: Die Geschichte mit dem Klassenkampf, die Klassenzuschreibungen im Klassenkampf sind Ausdrucksweisen einer politischen Ideologie, die eine bestimmte Bewegung angetrieben hat. Sie haben keine wissenschaftliche Basis in Marx ausgearbeiteter ökonomischer Theorie des Kapitalismus.

    • Damit es wirklich herrschaftsfreie Räume geben würde, müsste man dann quasi eine unendliche Anzahl von Räumen einrichten, damit die unterschiedlichsten Merkmalsgruppen als homogene Gruppe mit einheitlichen Privilegien und Diskriminierungen in einem Raum zusammengefasst werden können.

      @ Chomsky

      Es gibt rund 7 Milliarden Menschen. Diese können sich „Räume schaffen“, d.h Gruppen mit gemeinsamen „Leiderfahrungen“ schaffen sich ihre geschützten Bereiche, d.h sie bilden Untergruppen (Teilmengen) der Menge aller Menschen. Die Obergrenze, die Anzahl aller Teilmengen wäre dann 2^7 000 000 000. Ziemlich viele Räume, die dann ziemlich klein würden, da der Raum auf der Erde begrenzt ist. 🙂 hummm …

  2. Die inflationäre Verwendung des Begriffes „Privilegierung“ durch den Feminismus belegt, dass diese Bewegung gegen den Rechtstaat und gegen Rechtstaatlichkeit ist.

    Die heute herrschende Interpretation des Begriffes „Privileg“ http://de.wikipedia.org/wiki/Privileg ist ganz klar mit der Diskriminierung in Zusammenhang zu bringen: Eine Privilegierung einer Person oder einer Personengruppe führt zu einer Diskriminierung einer Person oder einer Personengruppe.

    Wenn also jemand postuliert, dass es Gruppen von Menschen gibt, für die „die Gegenwart von Kindern eine Diskriminierung darstellt“, dann gilt umgekehrt, dass die Kinder qua Abstammung durch diese Menschengruppe diskriminiert werden: Das ist allerdings durch Art 3, GG verboten!

    Somit ist die subjektive Wahrnehmung „Kinder stellen für mich eine Diskriminierung“ eine klarer Fall für den Psychotherapeuten, aber nicht für die Juristen oder Menschenrechtler. Würden diese Personen aber weiterhin auf die Ausgrenzung der Kinder pochen, dann ist es eine klare Diskriminierung der Kinder und ihrer Eltern und diese müssten auf Unterlassung verklagt werden.

    Der ultimative Zweck dieses inflationären Gebrauchs des Begriffes „Privilegierung“ ist eine Wandlung des sprachlichen Gebrauchs im Sinne des Orwellschen „Neusprech“!

    Hier soll lediglich eine feministische Deutungshoheit erreicht werden: „Wir, Feminist.I.nnen entscheiden was eine Privilegierung bzw. eine Diskriminierung ist.“. Es ist schön, dass diese Deutungshoheit endlich einen Fusstritt aus Strassburg bekommen hat: §1626 a BGB wurde klar als Väter diskriminierend erkannt und gebrandmarkt.

    Was kann mann aber von einer Bewegung erwarten, die sich eindeutig von den Prinzipien des Humanismus, „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verabschiedet hat? Die fordern doch nur Ungleichheit (Frauenquote), Unfreiheit und Schwesterlichkeit, siehe Alice Schwarzer: „Ich bin für ein partnerschaftliches Modell, das echte Teilen: die Hälfte der Welt für die Frauen, die Hälfte des Hauses (die Kellerräume, meine Ergänzung) für die Männer.“

  3. „Wenn jemand anders ist und mir das nicht passt, dann muss er sich ändern, einfach weil es mir nicht passt.“
    Gerade die von Lantschi diskutierten Fälle sind ja nicht anders, sondern normal. Kinder nimmt man als Eltern nunmal mit, wenn man länger weggeht.

    Ich würde den Satz demnach härter formulieren als du:
    Wenn jemand mir nicht passt (sein Verhalten, seine Eigenschaften, Dinge, die er besitzt, seine Art zu reden, seine Fragen, seine dumme Fresse), muss er [oder sie] sich ändern, weil das mir nicht passt und weil ich diskriminiert bin.

  4. Das Konzept der Privilegientheorie müsste man selbstverständlich auch unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung diskutieren und reflektieren.
    Rechtsstaatlichkeit oder die Einführung von Gesetzen wurde ja immer auch von Minderprivilegierten gefordert: Das Recht soll quasi die Macht/Privilegierung brechen. Also nicht der, der Macht und Privilegien hat, soll sich bei Konflikten durchsetzen, sondern eine übergeordnete, quasi abstrakte Norm, die vom Staat durchgesetzt wird, soll Konflikte regeln. Der Staat spielt hier eben quasi Schiedsrichter: Aber die Norm soll weder Privilegierte noch weniger Privilegierte bevorzugen: Der Minderprivilegierte hat also in einem Rechtsstaat nicht die Deutungshoheit über einen Konflikt, sondern der Staat entscheidet darüber, ob ein Mord ein Mord ist und ob eine Person, die privilegiert ist, tatsächlich einen Mord an einer Person begangen hat, die unterprivilegiert ist.

    Mir scheint nun, dass das Konzept der Deutungshoheit quasi auch den Rechtsstaat aushebeln will: Nicht ein quasi „neutraler Schiedsrichter“, hier der Staat, entscheidet darüber, welches Verhalten legal oder illegal ist, sondern die Minderprivilegierten übernehmen nun quasi die Rolle des Rechtsstaates, also der, der die Normen aufstellt und der, der die Normen überwacht: Die Minderprivilegierten werden dann quasi zur Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person. Es scheint klar, dass ein solches Konzept der Deutungshoheit quasi rechtsstaatliche Gewaltenteilung ausser Kraft setzen will. Auch in diesem Kontext scheint dieses Konzept der Deutungshoheit und Privilegientheorie noch vollständig unreflektiert zu sein.

    • Das Konzept der Privilegientheorie müsste man selbstverständlich auch unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung diskutieren und reflektieren.

      Es ist länger klar, dass formale Chancengleichheit, d.h. rechtliche Abschaffung von Privilegien, und materielle Chancengleichheit, d.h. faktische Gleichstellung im Widerspruch zueinander stehen. Das ist ein Problem. Denn es gibt ja zwei Begriffe von Privilegien: Den des juristischen Privilegs (wo der Begriff ja auch ursprünglich herkommt), der mit den Revolutionen des Bürgertums langsam seiner Abschaffung entgegen ging. Und den des Machtprivilegs, der allerdings wesentlich schwieriger zu bestimmten ist. Das Problem besteht nun darin, dass die Einführung von Quoten natürlich eine Privilegierung von quotierten Personengruppen nach dem ersten Begriff von „Privileg“ darstellt.

      Die Minderprivilegierten werden dann quasi zur Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person.

      „Die Lehre vom Klassenkampf, von Marx auf die Frage des Staates und der sozialistischen Revolution angewandt, führt notwendig zur Anerkennung der POLITISCHEN HERRSCHAFT des Proletariats, seiner Diktatur, d.h. einer mit niemand geteilten und sich unmittelbar auf die bewaffnete Gewalt der Massen stützenden Macht.“

      Ein Zitat aus Lenins „Staat und Revolution“. Jede Ideologie, die so funktioniert, hat logischerweise etwas gegen Gewaltenteilung. Gewaltenteilung dient ja nur der Verschleierung der realen Herrschaftsverhältnisse, würde der überzeugte Leninist sagen. Wenn manche Feministin den Rechtsstaat daher als „männlich“ bezeichnet, dann sollte man das so verstehen, wie wenn Leninisten ihn als „bürgerlich“ bezeichnen.

  5. @ Chomsky

    * sondern die Minderprivilegierten übernehmen nun quasi die Rolle des Rechtsstaates, also der, der die Normen aufstellt und der, der die Normen überwacht: Die Minderprivilegierten werden dann quasi zur Legislative, Exekutive und Judikative in einer Person. *

    Das ist die Diktatur der Minderheiten.

    „Privilegientheorie“ mit „Definitionsmacht für die Unterprivilegierten“ läuft auf „Gerecht ist, was mir nützt“ hinaus, der ganz ordinäre, eigene Egoismus wird zum organisierenden Prinzip der neuen „Gerechtigkeit“ ernannt, ein den Feminismus kennzeichnendes Prinzip.

      • @ Adrian

        *Diktatur der Mehrheiten ist auch nicht besser.*

        Richtig.

        Genau darum wurde einmal der Rechtsstaat erfunden, genau darum wurde das Konzept unveräußerlicher Menschenrechte des Individuums erfunden, genau darum schrieb man Verfassungen, erfand die Gewaltenteilungen, das komplexe System von Checks and Balances, das Machtdiktate einzelner/weniger zu minimieren versucht.

      • Das Wohl von Vielen ist wichtiger als das Wohl von wenigen oder eines Einzelnen. Star Trek…kam gestern 😉

        So gibt es auf jeden Fall weniger Gelackmeierte als wenn Minderheiten regieren.

      • @Tino

        Das Wohl von Vielen ist wichtiger als das Wohl von wenigen oder eines Einzelnen. Star Trek…kam gestern 😉

        So gibt es auf jeden Fall weniger Gelackmeierte als wenn Minderheiten regieren.

        Nope, kann mir nicht vorstellen, dass das bei Stark Trek genauso kommuniziert wurde.
        Eine Unterdrückung einer Minderheit durch eine Mehrheit ist genauso wenig zulässig.
        Deswegen auch Rosslins Hinweis auf die Menschenrechte. Nur anscheinend gibt es ja auch einen Zusammen dass eine Gesellschaftspolitik nicht mehrheitsfähig wird, wenn sie zu unterdrückend für Teilgruppierungen ist bzw. ist die Gefahr für Unterdrückung durch forcierte Einzelinteressen größer. Mit andern Worten, eine Politik, die einer breiten Masse unterschiedlichster Individuen gerecht werden muss, wird das einzelne Individuum mit höherer Wahrscheinlichkeit mehr Rechte und Freiheiten genießen als bei einer Top-Down Politik die auf dem Reißbrett einzelner entworfen wird. Natürlich gibt es auch eine Gefahr der Mehrheitsdiktatur.
        Nur anscheinend geht es „Minderheiten“ in der derzeitigen Mehrheits“diktatur“ immer noch besser als andersherum.
        Man findet zwar immer noch genügend Beispiele für mediale Gleichschaltung etc. – aber ich bin doch positiv überrascht, wieviele sich trotzdem eine unabhängige Meinung bewahren und wieviel Toleranz und Solidarität auch ohne top-down Verordnung zu sehen ist.
        Oder gerade weil sie nicht top-down verordnet wird?

      • Eine Unterdrückung einer Minderheit durch eine Mehrheit ist genauso wenig zulässig.

        für einige genügt die schiere existenz einer mehrheit, um sich unterdrückt zu fühlen. die privilegienlisten sprechen da für sich:

        http://queersunited.blogspot.de/2008/10/heterosexual-privilege-checklist.html

        punkt 2 sinngem.: „ich kann als hetero sicher sein, dass meine sexuelle orientierung in zeitschriften, fernsehen und musik repräsentiert wird.“

        das ist ja auch kein wunder. wenn die mehrheit hetero, weiß, deutschsprechend etc. ist, dann wird sich das in der kultur niederschlagen. und zwar nicht als ausdruck von unterdrückung, sondern allein aufgrund der zahlenmäßigen präsenz.

  6. Mit der Privilegientheorie in Verbindung mit der Deutungshoheit und subjektiven Beeinträchtigungen orientiert man sich beständig nach unten: Die Gesellschaft wird nicht immer freier und sicherer, sondern immer handlungsärmer …

    genau das meinte ich nebenan: diese ideologie will nicht die schwachen stärken, sondern die starken schwächen. sie ist entwicklungsfeindlich.

    besonders perfide ist die immunisierung:
    wer privilegiert ist, bestimmen andere, da privilegierte ihre privilegien nicht erkennen. demnach würden die feministinnen ihre privilegien aber auch nicht erkennen und reflektieren können. um diese sollbruchstelle zu kitten, wird die standpunkttheorie herangezogen: die diskriminierte gruppe ist besser in der lage, einen objektiven standpunk einzunehmen. damit ist die kuh noch nicht vom eis, denn die intersektionalität lehrt uns, dass femnisitinnen auch privilegiert sein können. nun kommt die definitionsmacht ins spiel: wir definieren unsere diskriminierung selbst.

    mit diesem zirkelschluss sind feministinnen immer diskriminiert und damit immer im recht. auf diese weise haben sie – rein logisch betrachtet – ihre diskriminierung in ein privileg verwandelt. und dann stimmts wieder: dieses privileg können sie nicht erkennen, geschweige denn reflektieren.

    • Eigentlich ist das das, was Nietzsche schon in seiner Schrift zur Genealogie der Moral beschrieben hat. Das eigentlich Problem ist die Anmaßung moralischer Autorität und die Anmaßung von Erkenntnis über den Gesamtzusammenhang der Privilegien, die diese moralische Autorität stützt. Diese Anmaßung von Erkenntnis und moralischer Autorität muss man möglich gezielt angreifen und dekonstruieren, um ein schönes, modernes Wort zu gebrauchen. Denn es ist gar nicht klar, warum diejenigen, die von Benachteiligung betroffen sind, besser in der Lage sein sollten diese zu erkennen, als diejenigen, die davon nicht betroffen sind. Denn aus der Tatsache, dass ich mich von Benachteiligung betroffen fühle, folgt nicht, dass ich es bin. Aus der Tatsache, dass ich von Benachteiligung betroffen bin, folgt nicht, welcher Natur diese Benachteiligung ist. Aus der Tatsache, dass ich von Benachteiligung betroffen bin und ich weiß, welcher Natur diese Benachteiligung ist, folgt nicht, dass ich das Recht habe anderen Befehle zu erteilen – was übrigens, das sei hier angemerkt, die klassische Definition von Herrschaft nach Max Weber ist: Die Wahrscheinlichkeit auf einen Befehl Gehorsam zu finden. Wenn das so wäre, dann würde Benachteiligung nämlich ein Recht zur Herrschaft werden. Daran erkennt man, wieso Nietzsche, der den Begriff des Ressentiments stark gemacht hat, nicht Unrecht hatte. So verstanden beruht der ganze Zirkel lediglich auf Missgunst gegenüber dem Glück anderer. Wenn man das erkannt hat, dann bricht natürlich die ganze ethische Selbstbeweihräucherung zusammen. Aber es ist wichtig diese Erkenntnis immer und immer wieder zu machen, sie immer und immer wieder zu verbreiten, um eben diese Selbstimmunisierung zu stören und zu dekonstruieren.

      • Im Grunde genommen sprechen die Leute die den „privilegierten“ die Fähigkeit absprechen, die Probleme/Nachteile anderer Leute zu erkennen, ihnen die Menschlichkeit ab.
        Jeder Mensch sollte über empathie verfügen, jeder Mensch kann sich zu einem gewissen Grad in andere Menschen hineinversetzen solange denn Ideologie ihr oder ihm nicht das Gehirn vernebelt.

        Ich halte das ehrlich gesagt für einen der besonders perfiden Punkte des Feminismus. Nur weil ich ihrer Auffassung nach Privilegien habe, bin ich noch lange nicht unfähig die Probleme anderer zu erkennen.
        Nur weil die leiben Damen sich gern als ewige Opfer definieren wollen, bedeutet das noch lange nicht, dass der Ret der Menschheit unfähig ist benachteiligungen anderer Menschen zu erkennen. Diese Immunisierung: „Nur wir können erkennen wer diskrimminiert/priveligiert ist, denn wir sind diskrimminiert“, sollte jedem klar denkenden Menschen sofort als Lächerlich auffallen.
        Denn woher stammt diese Erkenntnis eigentlich? Bisher ist das einfach nur Kindergartenniveau. Ich habe Recht, weil mein Vater Rechtsanwalt ist. Ich habe Recht, weil mich meine Muschi schlauer als den Rest der Menschheit macht – ähm ne, nicht wirklich.
        Also, woher wissen die lieben Feministinnen eigentlich, dass nur der diskrimminierte über diskrimminierung bestimmen kann? Und woher weiß denn der diskrimminierte überhaupt, dass er/sie diskrimminiert ist? Sie/er könnte ja auch einfach eine gierige privilegierte Person sein.

      • Im Grunde genommen sprechen die Leute die den “privilegierten” die Fähigkeit absprechen, die Probleme/Nachteile anderer Leute zu erkennen, ihnen die Menschlichkeit ab.

        Ja, sie sprechen ihnen nämlich die Fähigkeit ab, etwas wahres zu sagen. Alles was sie sagen, wird auf das Interesse am Erhalt der Privilegien zurückgeführt.

        Also, woher wissen die lieben Feministinnen eigentlich, dass nur der diskrimminierte über diskrimminierung bestimmen kann?

        Ich glaube das wissen sie gar nicht, sie definieren allerdings Diskriminierung so, dass das Erlebnis der Diskriminierung durch die Diskriminierten ausreicht für Diskriminierung. Hinzu kommt die Auffassung, dass bestimmte Gruppen „strukturell“ diskriminiert sind – wobei natürlich niemand sich die Mühe macht, was das für das konkrete Individuum bedeutet. D.h. sie maßen sich an, eine bestimmte Erkenntnis über einen gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang zu besitzen: Z.B. „wir leben in einer patriarchalischen Gesellschaft“. Aus dieser Erkenntnis folgt dann, dass diejenigen, die von der Diskriminierung betroffen sind, immer wenn sie sich diskriminiert fühlen, es auch tatsächlich sind, und dass sie alles dürfen, was dazu dient diese Diskriminierung zu beenden. Oder anders gesagt, dass alle Maßnahmen, die man trifft um diese Diskriminierung zu beenden, gut sind und jeder, der etwas dagegen sagt, böse. In moderner Sprache: Er reproduziert die Diskriminierung, weil er sie nicht anprangert (ich liebe dieses Wort, es hat so etwas mittelalterliches) und sich nicht mit den „Opfern“ solidarisiert.

        Der Effekt ist natürlich in letzter Konsequenz die Herrschaft der Opfer. Erscheint paradox, ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass „Opfer“ kein objektiver Status mehr ist, sondern ein Ort in einer subjektiven Ideologie, der einem selbst absolute moralische Autorität verleiht.

        Also: Wenn einem seine eigene Freiheit lieb ist, dann macht man sehr deutlich und sehr radikal eine Gegenargumentation auf gegen solche Menschen, sobald sie einem über den Weg laufen. Der Schwachpunkt den man treffen muss ist der epistemologische Standpunkt, den sich diese Leute aufbauen.

        Daher: Man muss die Frage von Interessen auf die Frage nach der Wahrheit lenken, wobei man einen Skeptizismus vertreten muss, d.h. die Unsicherheit der Wissensansprüche aufdecken muss. Und dann muss man klarstellen – wenn nämlich das offensichtliche Gegenargument kommt: damit stärke man nur die Privilegierten – dass die Anmaßung andere Menschen zur Reflexion zu verpflichten oder ihre Privilegien kritisch zu reflektieren, eine moralistische Anmaßung ist, die demjenigen, der sie erhebt in eine Position legitimierter Machtausübing, d.i. zu Herrschaft, verhelfen soll. Denn moralische Autorität lässt sich definieren als das Recht andere Menschen dazu zu verpflichten, was sie zu tun haben und was sie zu unterlassen haben auf Grund von ethischen Normen. Das aber ist niemals emanzipativ, weil nämlich diejenigen, die angeblich Emanzipation wollen vielmehr sagen: Wir sollten herrschen an Stelle der Herrschenden! Also ist der Gedanke auf diese Weise Emanzipation zu betreiben ist in sich widersprüchlich. Und das sollte man sooft wiederholen, bis alle es kapiert haben, außer die ganz unbelehrbaren.

        Sie/er könnte ja auch einfach eine gierige privilegierte Person sein.

        Solche Fragen können natürlich nur privilgierte Menschen stellen, nicht privilegierte Menschen kämpfen für viel hehrere Ziele, nämlich die Abschaffung der Diskriminierung. Wie kannst Du nur denken, dass das irgendwas mit Gier oder Lust nach Macht zu tun haben könnte? 😀

      • @Itsme

        Man könnte sich ja auch folgende Fragen stellen!

        Soll man denjenigen Leuten, die das Konzept der Deutungshoheit gutheissen, vorbehaltlos

        – das Recht auf die alleinige Wahrheit zubilligen (im erkenntnistheoretischen Sinne)?
        – das Recht auf die alleinige moralische Wahrheit zubilligen?
        – das Recht auf die alleninge Wahrheit im politisch philosophischen Kontext zubilligen?

        Ich denke: Alle drei Fragen sind mit nein! zu beantworten und somit hat sich dann das Konzept der Deutungshoheit für mich auch erledigt! 🙂

      • Ja, das ist richtig, so wie Du das formulierst – also als „sollen“ – bin ich Deiner Ansicht. Aber Kämpfe um Deutungshoheit gibt es natürlich und man muss mit den Leuten rechnen, die solche Kämpfe unbedingt führen wollen und die dann Institutionen und Mechanismen schaffen, um ihre Deutungen gegen Kritik abzuschirmen. Die Botschaft, dass man sich von solchen Leuten besser nicht vereinnahmen lässt, kann man nicht oft genug wiederholen. Denn die, die vielleicht zum ersten Mal damit konfrontiert werden, müssen verstehen können, um was es sich dabei handelt.

  7. Das Sich-Aufbürden von besonderen Rücksichtsnahmepflichten ist natürlich -wie so oft – erst einmal ein Costly Signal..

    *rofl*

    „Das Weib ist, von seinem Wesen her, erdverbundener, der Natur näher. Seine Emotionen, von denen es sich wesentlich stärker leiten lässt als der Mann, sind Ausdruck einer unergründlichen, oft paradox erscheinenden tiefen inneren Wahrheit.

    Der Gentleman muss diese Emotionalität, auch wenn sie ihm oft höchst irrational erscheint, er sie in seinem Drang, die Welt in eine wohlgeordente Systematik zu fassen nicht begreifen kann, wohlwollend aushalten.

    Er muss ihr einen Rahmen schaffen, in dem sie ihre für das Wohlergehen von Familie und Gesellschaft höchst überlebensnotwendigen Anlagen entfalten kann.

    Gelingt ihm das nicht, so ist er ihrer inneren Anmut nicht würdig“

  8. Vielleicht sollte man das „priviligiert“ in Anführungszeichen setzen bzw. das „nicht-priviligiert“.
    Die kompensatorischen Maßnahmen werden ja in diesem Fall nicht von tatsächlich unterpriviligierten eingefordert und erhalten, sondern von denen die sich am meisten benachteiligt fühlen und am lautesten fordern und klagen.
    Es ist wie so oft, nicht das Küken, das den meisten Hunger und ihn am nötigsten hat, bekommt den Wurm von den Eltern, sondern das, welches am lautesten schreit und den Schnabel am weitesten aufreißt.

    Ansonsten muss ich auch mal eine Lanze für Lantzschi brechen. Was sie anspricht, kann ich zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Neurreiche Kleinfamilien, die Räume von weniger begüterten einnehmen, gibt es ja tatsächlich und die können ätzend sein. Stichwort „Gentrifizierung“. Insofern ist der Kinderboom in manchen Stadtteilen durchaus unterschiedlich bewertbar.
    Dass sich ausgerechnet Frau Rönicke getroffen fühlt, ist auch kein Zufall. Gehört sie doch allen Anschein nach auch in die Gruppe, die Friedrichshain zum neuen Prenzlauer Berg machen. Und darüber kann auch kein „alternatives“ Gendergeblödel hinwegtäuschen.

    • Ansonsten muss ich auch mal eine Lanze für Lantzschi brechen. Was sie anspricht, kann ich zu einem gewissen Grad nachvollziehen.

      anhand von lantzschis „getriggert sein“ von „heterokleinfamilien“ tut sich noch ein weiterer grundwiderspruch auf:

      queerfeminismus leugnet die zweigeschlechtlichkeit des menschen, behauptet, das biologische geschlecht wäre „gemacht“ und jeder könne sich sein geschlecht aussuchen.
      nun merkt lantzschi am eigenen leibe, was das für ein bullshit ist. sie kann sich kein anderes geschecht aussuchen und sie kann ohne männliches zutun kein kind bekommen. auch nicht, wenn sie eines adoptiert, hat es wie jedes kind 2 verschiedengschlchtliche eltern und ist das ergebnis der zweigeschlechtlichkeit des menschen. es wird also ein (TRIGGERWARNUNG!!!!) heterokind sein.

      • @hottehü

        nun merkt lantzschi am eigenen leibe, was das für ein bullshit ist. sie kann sich kein anderes geschecht aussuchen und sie kann ohne männliches zutun kein kind bekommen.

        Sie ist halt von Kindern genervt, die Ursachen und Begründungen sind da zweitrangig. Es macht auf mich schon ziemlich stark den Eindruck, sich da irgendeine Theoriefundierung nur nach eigenem Maß zurechtzulegen. Der ganze Queer- / Genderfeminismus kam doch bis jetzt auch ohne Konsistenz aus. Plötzlich hat man mal was gefunden, wo zwei Leutchen der Mädchenmannschaft unterschiedlicher Auffassung sind und die Welt geht unter – und das auch nur, weil es mal einen davon selbst betrifft.
        Und die wollen Politik (=> für alle) machen bzw. machen es die ganze Zeit?

        Im Grunde sind die bekannten Vertreter dieser Richtung wahrscheinlich selbst auf einem gewissen Entwicklungslevel der Kindheit stehengeblieben. Und auch das ist nervig.
        Dieses „ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“. Trotzdem kann man so anscheinend recht gut leben. Ein Ingenieur oder jeder praktisch Arbeitende würde mit so einer Einstellung sehr bald an der Realität scheitern. Anscheinend sind die „Sozialwissenschaften“ dieser Prägung derart irrelevant / unnötig, dass ein Widerspruch mehr nicht weiter ins Gewicht fällt.
        Klientelpolitik wäre ja noch ein geschmeichelter Ausruck, denn das Klientel besteht hier aus exakt einer Person.

      • @gedankenwerk:
        Anscheinend sind die “Sozialwissenschaften” dieser Prägung derart irrelevant / unnötig, dass ein Widerspruch mehr nicht weiter ins Gewicht fällt.

        Es ist ja immerhin ein relativ großes Netzwerk von Pöstchen, das sich gegenseitig mit Referenzen versorgt.

        Gendercamps sind dazu da, um neue Unterstüzer und Kader zu rekrutieren.

        Da muss man natürlich aufpassen, dass man das Heft in der Hand behält, dass das Ganze „auf Linie“ bleibt.

        Wenn die Muttis mit ihren „Problemchen“ – in Anbetracht der „Großen Revolution gegen das Patriarchat“ haben sie nur „Problemchen“ – zu frech werden und irgendwann den ganzen Laden dominieren, dan verwandeln sie ihn in einen „unpolitischen Hausfrauenverein“, der eher nicht bereit ist, die abstruse Weltsicht der Genderisten zu teilen.

        Klientelpolitik wäre ja noch ein geschmeichelter Ausruck, denn das Klientel besteht hier aus exakt einer Person.

        Vielleicht ist der Ausdruck „Kaderpolitik“ besser.

    • Naja, wenn man mit seinem Bugaboo über den Kollwitzplatz stolziert und jedem sein neues „Projekt“ auf die Nase bindet, dann kann das imho durchaus eine „nervige Inszenierung eines Privileges“ sein.

      Das Motiv ist ja dann tatsächlich, seinen sozialen Status zu markieren.

      Ich glaube aber kaum, dass das Händchenhaltende Elternpaar beim Gendercamp den anwesenden Lesben sowas wie „Ätschibätschi“ unter die Nase reiben will. Es ist doch eher umgekehrt so, dass latent der Vorwurf der „kontrarevolutionären Reproduktion patriarchaler Familienverhältnisse“ im Raume schwebt.

      Insofern würde ich eher davon ausgehen, dass Lantzschi mit ihrem Rant ihren (subkulturellen) Status, der ihr ja als „Zweifachdiskriminierte“ ein höheres epistemologisches Privileg sichert, markiert 😉

      Wer weiß, vielleicht haben sie nicht mit der gebotenen Scham Händchen gehalten, und so ganz klar den Hierarchiekonsens herausgefordert 😉

      Ein Machtkampf im Schuztraum.

      • @Nick

        Ich glaube aber kaum, dass das Händchenhaltende Elternpaar beim Gendercamp den anwesenden Lesben sowas wie “Ätschibätschi” unter die Nase reiben will.

        Meiner Ansicht nach haben Kinder auf einem Gendercamp auch nichts zu suchen – aber aus anderen Gründen als Lantzschi angibt.
        Vielleicht ist es auch unterschwellige Besorgnis, dass die genderkonforme Lebensweise wohl doch nicht unbedingt so gut für jeden ist. Und Kinder können nunmal nicht voll für sich selbst entscheiden und somit trägt man auch Verantwortung für sie.
        Es macht einen Unterschied, ein bisschen Agitprop zu fahren und sich hier und da ein Späßchen draus zu machen, andern (z.B. heteronormativen Männern) auf den Keks zu gehen und psychisch zu belasten. Bei den kleinen Würmern, die da womöglich als Anhang der Besucher mitgenommen werden, reflektiert vielleich auch die eingefleischteste Feministin, welche Wirkung ihr Tun haben kann und wie sich das auf andere auswirkt.

      • @gedankenwerk:

        Meiner Ansicht nach haben Kinder auf einem Gendercamp auch nichts zu suchen

        Ja, vielleicht hat Lantzschis Wirken am Ende sein Gutes..

  9. Ei, ei, ei… so viel Theorie und so wenig Pragmatisches. Ihr führt eine „Luxus“-DIskussion!

    Ihr könnt debattieren bis zum Sanktnimmerleinstag, aber ich würde Euch eher empfehlen, den Realitäten in’s Auge zu schauen: Unsere Gesellschaft wird in den kommenden Jahren schwere Risse bekommen – da ist diese Diskussion hier ad absurdum oder nur noch eine Debatte einer Elite.

    Kurz: Wer Humanismus und Tolleranz gelernt hat (Bildungsthema!), lebt das vor. Alle anderen verfallen in chauvinistische Muster. Ist doch heute schon wieder in jedem öffentlichen Verkehrsmittel, in jeder Ecke der Städte und auf den Schulhöfen zu beobachten.

    Ihr redet hier hochgeistig, während die Realität ganz andere Massstäbe setzt. Blendet Ihr das absichtlich aus?

    • „Unsere Gesellschaft wird in den kommenden Jahren schwere Risse bekommen – da ist diese Diskussion hier ad absurdum oder nur
      noch eine Debatte einer Elite.“

      Im wesentlichen stehen wir Europäer vor
      vier grossen Herausforderungen:

      -Enegieversorgung
      -Schuldenkriese
      -Demographische Katastrophe durch
      40 Jahre Zeugungs-Streik.
      -Zuwanderung von Millionen bildungsferner
      Menschen mit zum Teil aggressiven Ideologien
      aus Drittweltkulturen in das europäische
      Wohlfahrtsnetz.

      Enjoying the Decline!

    • @Hackentrick

      Hättest Du unsere hochgeistigen Dikussionen mit entsprechendem Eifer verfolgt, wüsstest Du, dass wir das Problem durchaus auf hochgeistigem Niveau reflektiert haben. Insofern keine Angst, der Elfenbeinturm beobachtet sein Umland.

      @Red Pill

      Das sind Deiner Meinung nach die einzigen Herausforderungen? Wie wäre es noch mit Überfischung der Weltmeere, Nahrungsmittel- und Wasserknappheit in großen Teilen der Welt, Klimawandel, Knappheit wichtiger Grundressourcen für industrielle Produktion.

      Ich denke also es ist Zeit für hochgeistige Dikussionen, denn pragmatisch wird sich kein Problem davon so einfach lösen lassen.

      • „Das sind Deiner Meinung nach die einzigen Herausforderungen?“

        Aus diesen Herausforderungen ergeben sich
        selbstredend zusätzliche Probleme.
        So ist zB. mit der Energie das Problem
        Klima und Grundressourcen verbunden. etc.

        „Ich denke also es ist Zeit für hochgeistige Diskussionen, denn pragmatisch wird sich kein Problem davon so einfach lösen lassen.“

        Soweit sich diese Diskussionen vor allem
        um psychische Befindlichkeiten von Gruppen
        oder Einzelpersonen drehen, sehe ich da
        zum Teil wenig Bezug auf wirkliche Probleme.

        Auf weite Strecken ist die Geschichte der
        Menschlichen Zivilisation im wesentlichen
        eine Geschichte der technologischen Entwicklung.
        Für Leute mit rein geisteswissenschaftlichem
        Hintergrund offenbar schwer verdaulich, wofür
        ich durchaus Verständnis habe. 🙂

      • @Red Pill

        Aus diesen Herausforderungen ergeben sich selbstredend zusätzliche Probleme. So ist zB. mit der Energie das Problem Klima und Grundressourcen verbunden. etc.

        Naja alle diese Probleme sind irgendwie miteinander verbunden. Resourcen mit nationalen Interessen, die politische Durchsetzung nationaler Interessen mit dem politischen Fundamentalismus. Es reicht sich nur oberflächlich die Geschichte Irans seit 1950 anzusehen um zu erkennen, wieso die USA dort nicht gut gelitten sind; auch Irak ist heute fundamentalistischer als vor 15 Jahren. Die Schuldenproblematik hat übrigens auch wieder mit der Durchsetzung der politischen Interessen zu tun, Militär ist nämlich sehr teuer. Der politische Fundamentalismus und die Nahrungsproblematik wieder mit den Migrationsbewegungen. Denn Menschen verlassen ihre Heimat normalerweise nicht grundlos – und ein weit entfernter Sozialstaat ist mit Sicherheit nicht der Grund, sonst müsste schon längst ganz Afrika hier sein. Abgesehen davon könnte man von solchen Migrationsbewegungen auch langfristig profitieren, wenn man nur genügend politischen Weitblick, Offenheit und ökonomische Ressourcen in die Hand nehmen würde.

        Soweit sich diese Diskussionen vor allem um psychische Befindlichkeiten von Gruppen oder Einzelpersonen drehen, sehe ich da zum Teil wenig Bezug auf wirkliche Probleme.

        Naja gut, das liegt vielleicht auch an den Themen dieses Blogs hier. Ich würde aber vermuten, dass Überlegungen über psychische Befindlichkeiten wichtig werden, wenn sich Deine genannten Probleme, speziell die ökonomischen Probleme verschärfen sollten.

        Auf weite Strecken ist die Geschichte der Menschlichen Zivilisation im wesentlichen eine Geschichte der technologischen Entwicklung. Für Leute mit rein geisteswissenschaftlichem Hintergrund offenbar schwer verdaulich, wofür ich durchaus Verständnis habe. 🙂

        Und auf anderen Strecken ist die Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Ökonomie (ohne die niemand Technik großflächig einsetzen würde, sondern diese nur ein Spielzeug bliebe), der Ideologien, der Religion, der persönlichen Streitigkeiten und Fehden, der sexuellen Beziehungen, der klimatischen Veränderungen… und hin und wieder beeinflussen sie sich alle gegenseitig. Technologie ist sicherlich wichtig und hat sich gewissermaßen mit dem Menschen selbst herausgebildet (mit Vorformen im Tierreich), ist aber doch auch nur ein Faktor unter vielen.

        Das gilt auch für die o.g. Probleme. Die Energiekrise ist vielleicht noch am ehesten ein technologisches Problem (wenn man mal über die Verfügbarkeit anderer Energiequellen wie Kernfusion oder Effizienzsteigerungen bei erneuerbaren Energie, die Entwicklung von Batterietechniken etc. nachdenkt). Aber die Schuldenkrise scheint mir bspw. kein technisches, sondern ein ökonomisches und politisches Problem zu sein. Und auch die anderen Probleme haben ihre politische und ökonomische Dimension und nicht nur eine technologische.

        Ich persönlich kann mit dem Begriff Geisteswissenschaft übrigens nicht viel anfangen. Ich interessiere mich für viele Sachen, wenn gleich natürlich nicht mit dem Anspruch Prozesswissen auf Expertenniveau zu erwerben. Asteroidenbergbau ist z.B. sehr interessant.

        http://en.wikipedia.org/wiki/Asteroid_mining

      • „Auf weite Strecken ist die Geschichte der Menschlichen Zivilisation im wesentlichen eine Geschichte der technologischen Entwicklung.“

        Red Pill ist unter die Marxisten gegangen und predigt jetzt Historischen Materialismus. 🙂

        Technologische Entwicklung beruht auf technologischen IDEEN. Diese können nur im Kontext anderer (mythologischer, religiöser, philosophischer, politischer) IDEEN überhaupt entwickelt werden und zur Anwendung kommen. Die Kategorie „technologische Ideen“ kann nicht isoliert betrachtet werden von anderen Kategorien von Ideen.

        Der Gesamtideenhaushalt einer Kultur steht aber wiederum in Abhängigkeit von der jeweiligen Bewusstseinsstruktur, von der eine bestimmte Gesellschaft im Wesentlichen strukturiert wird: mythologisches oder rationales Bewusstsein.

        Und der Übergang vom mythologischen zum rationalen Bewusstsein – also die Emergenz aufgeklärter Gesellschaften – ist wesentlich abhängig vom Grad der Alphabetisierung.

        Die Auflärung führt langfristig zur Durchsetzung bestimmter Ideen, die sich in mythologischen Gesellschaften in diesem Ausmaß nicht durchsetzen können: Primat der Vernunft, Menschenrechte, persönliche Freiheitsrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit für alle Bürger, Gleichberechtigung der Geschlechter und vieles mehr – und gleichzeitig wird eine Intensivierung der technologischen Entwicklung möglich.

        Technologische Entwicklung kann also niemals abgekoppelt von ihren ideellen Voraussetzungen angemessen verstanden werden. Abgekoppelt von ihren materialistischen Voraussetzungen freilich auch nicht.

        Die Geisteswissenchaftler wissen schon, was sie tun. 🙂

      • Technologische Entwicklung beruht auf technologischen IDEEN.

        Ich würde sagen: vorwiegend beruht technologische Entwicklung auf die Idee, Ressourcen in die technologische Entwicklung zu stecken. Und vor allem beruht technologische Entwicklung auf – technologische Entwicklung 😀

        (Au weia, jetzt habe ich mich bestimmt auch als Materialist geoutet 😉 )

        Die technologische Idee kommt sehr oft aus der Natur und/oder ist oft Jahrhunderte bis Jahrtausende alt.

        Die Geisteswissenchaftler wissen schon, was sie tun.

        Naaja..

      • @Chomsky

        Naja, es gibt schon eine Schuldenkrise. Nämlich die der privaten Schulden, die sich seit den 1970er Jahren durch das Anwachsen der Finanzmärkte angesammelt haben. Die sog. Staatsschuldenkrise ist meiner Meinung nach ein Effekt davon, dass die Finanzmärkte ihre endogene Expansion des Bankkredits eingestellt haben, sowie der Konstruktion des Euroraums, die den einzelnen Staaten keine souveräne Geldpolitik lässt, noch auch einen Zentralhaushalt mit Vergemeinschaftung der Schulden zulässt. Wenn die Expansion des Kreditkapitals aufhört, dann stoppt die Ausweitung der gesamtgesellschaftlichen Nachfrage. Diese Wachstum des Kreditkapitals braucht der Kapitalismus aber, um seine zukünftige Nachfrage beständig vorzufinanzieren. Entsprechen gibt es dann, wenn das Kreditkapital nicht mehr weiter wächst, eine „Vertrauenskrise“, weil nämlich der systemische Erwartungshorizont zusammenbricht. Der Euroraum ist nun leider so konstruiert (wegen dem tollen „Wettbewerb“ der „Standorte“), dass er nur stabil ist, wenn das Kreditsystem expandiert. In dem Moment, wo das nicht mehr der Fall ist und es den klassischen „flight to quality“ gibt, kaufen eben alle nur noch Staatsanleihen, allerdings eben nur von ganz bestimmten Ländern. Das Problem ließe sich lösen, wenn die Nationalstaaten alle ihren Schulden auf einen neu zu schaffenden europäischen Staat übertragen würden, wie die USA zu ihrer Gründung ebenfalls. Das scheint momentan aber leider politisch nicht sehr aussichtsreich. Insofern hat der Herr Flassbeck Recht wenn er sagt: „Wer Japan und fallende Zinsen auf Staatsanleihen in der „Schuldenkrise“ nicht erklären kann, kann nichts erklären.“ Zu Japan gibt es übrigens ein interessantes Buch, was in der letzten Zeit auch ein bisschen Furore gemacht hat, nämlich dieses hier:

        Aber ich wollte eigentlich keine ganze Ökonomiediskussion aus dieser Sache machen, deswegen habe ich das ambivalente Wort „Schuldenkrise“ stehen gelassen.

        @Leszek

        ja, ich musste auch an die Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen denken. Nur das er natürlich die Produktionsverhältnisse nicht im Blick hatte. Aber man sieht auch, warum die Sicht des klassischen Marxismus-Leninismus eben sehr viel eingängiger ist, als ein komplexes Bild, bei dem man eigentlich nie genau weiß, welcher Faktor welche anderen Faktoren in welchem Maße beeinflusst. Letztlich hatten wir ja auch den Klimareduktionismus letztlich hier mal wieder, der ist ja auch so ein Fall.

        Und der Übergang vom mythologischen zum rationalen Bewusstsein – also die Emergenz aufgeklärter Gesellschaften – ist wesentlich abhängig vom Grad der Alphabetisierung.

        Das ist eine interessante These. Hast Du dazu was, oder war das nur Spekulation? 😀

      • @Itsme

        Nur ganz kurz hierzu: „Naja, es gibt schon eine Schuldenkrise.“.

        Genau so gut könnten wir auch sagen: Es gibt eine „Guthabenkrise“. Oder „Vermögenskrise“. Jeder Schuld auf der einen Seite steht ein Guthaben oder Vermögen bei jemand anderem gegenüber. Anders gesagt: Ohne Schulden kein Vermögen.

        Wer Schulden zurückführen will, muss auch Guthaben/Vermögen zurückführen. In genau dem gleichen Maße. Wer über zu viel Schulden redet, muss auch über zu viel Vermögen (auf Seiten der besitzen Klasse) reden.

        Das sind zwei Seiten derselben Medaille. Nur merkwürdigerweise sagt niemand: Wir wollen Vermögen / Guthaben reduzieren.

        Aber im Prinzip hast du schon recht: Dieser Aspekt ist rein wirtschaftlich und politisch.
        Wenn sich die Unterschiede zwischen Vermögen auf der einen Seite und Schulden auf der anderen Seite immer weiter verschärfen, dann kommt es irgendwann zu einer Entladung. Wie bei einer Spannungsquelle, wenn ich auf beiden Polen die elektrischen Potentiale steigere, dann entlädt sich das irgendwann gewaltsam, z.B. als Blitz. Das gleicht dann die gegenpolaren Potentiale aus.

      • @Itsme

        „Asteroidenbergbau ist z.B. sehr interessant.“

        Bin selber ein Space-Enthusiast mit einiger
        praktischer Erfahrung.
        Leider ist die Gravitation eine brutale
        Naturkonstante und dadurch ist ihre
        Überwindung, mit den chemischen Antrieben
        wie wir sie aktuell haben, extrem teuer.
        Gewinnung von Ressourcen ausserhalb unserer
        Erde wird wahrscheinlich noch für längere
        Zeit ein Traum bleiben.

        “If God had meant for us to travel into deep space,
        he would have given us more money,” 🙂

      • @Itsme

        Sehr gut gefallen mir die Analysen der „Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik“, die ja jedes Jahr ein Memorandum herausgeben:

        Klicke, um auf kurzfassung_memorandum_2012.pdf zuzugreifen

        Europa am Scheideweg – Solidarische Integration oder deutsches Spardiktat

        „Im Zuge der Bewältigung der internationalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sind weltweit die Ausgaben der öffentlichen Haushalte gestiegen. Konjunkturprogramme und Maßnahmen zur Bankenrettung haben zwangsläufig zu einer deutlichen Steigerung der Staatsverschuldung beigetragen. Dabei sind die Spannungen im Finanzsektor weder in Deutschland noch auf der europäischen Ebene beseitigt.

        Eine zentrale Ursache der derzeitigen Krise ist die seit über 30 Jahren weltweit betriebene Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen. In vielen Ländern verfielen die Lohnquoten und stiegen die Gewinnquoten. Bei zurückbleibender Nachfrage führte dies nicht zu vermehrten Investitionen in die Realwirtschaft, vielmehr speiste die überschüssige Liquidität die Finanzmärkte.

        Verstärkt wurde diese Entwicklung durch eine starke Deregulierung der Finanzmärkte. Dadurch wurde es möglich, dass im Finanzsektor für Vermögende zeitweise Renditen erwirtschaftet werden konnten, die weit über den realwirtschaftlichen Zuwachsraten lagen.

        All das hat sich auch nach der Krise kaum geändert. Daher bleibt der Finanzsektor das Epizentrum krisenhafter Entwicklungen. Durchgreifende Reformen wurden bislang vermieden. Vielmehr wird versucht, durch kleinere Reparaturen das Vorkrisensystem zu stabilisieren.“

        Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik analysiert in ihrem MEMORANDUM 2012 die aktuellen Verwerfungen, die die Eurokrise verursacht hat, und setzt der herrschenden Austeritätspolitik einen alternativen Entwicklungspfad entgegen, der den europäischen Ländern die Chance bieten würde, aus der Krise herauszukommen. Um Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, enthält das MEMORANDUM Vorstellungen, wie der Finanzsektor neu zu strukturieren und mit einer strengen Regulierung auf eine für die Volkswirtschaft nützliche Funktion zurückzuführen wäre. Außerdem wird die Gestaltung einer „High-Road für die Dienstleistungsgesellschaft“ am Beispiel von Pflege und Alltagsunterstützung älterer Menschen aufgezeigt. Weitere Themen sind: Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitpolitik, Einkommens- und Vermögensverteilung, Finanz- und Steuerpolitik, Staatsverschuldung und Schuldenbremse, Bildung.“
        http://www.alternative-wirtschaftspolitik.de/veroeffentlichungen_der_arbeitsgruppe/memorandum_2012/index.html

      • @Itsme

        „Naja gut, das liegt vielleicht auch an den Themen dieses Blogs hier. Ich würde aber vermuten, dass Überlegungen über psychische Befindlichkeiten wichtig werden, wenn sich Deine genannten Probleme, speziell die ökonomischen Probleme verschärfen sollten.“

        Insofern sich solche Befindlichkeiten in grösseren
        Gruppen manifestieren, kann sich aus Eigendynamik
        oder von Aussen instrumentalisiert,
        ein erhebliches Gewaltpotential aufbauen.
        Die Entladung solcher Potentiale ist gerade dann
        zu erwarten wenn Probleme nicht mehr mit Geld
        zugeschüttet werden können.
        Unruhen wie wir sie in London sahen, gaben uns da
        schon mal einen Vorgeschmack.

      • @Leszek

        „Technologische Entwicklung kann also niemals abgekoppelt von ihren ideellen Voraussetzungen angemessen verstanden werden. Abgekoppelt von ihren materialistischen Voraussetzungen freilich auch nicht.“

        Insbesondere sind sie an die Eigenschaften
        und Voraussetzungen der Menschen gekoppelt
        die Technologien entwickeln.
        Intelligenz, Kreativität, Motivation,etc.
        Also Eigenschaften die sowohl biologische
        evolutionäre Wurzeln haben, sich aber auch
        nur in einem entsprechenden kulturellen
        Umfeld entfalten können.

        „Die Geisteswissenchaftler wissen schon, was sie tun. :)“

        Sie produzieren nichts wirklich nützliches.
        Teilweise entwickeln sie Theorien und
        Methoden um dem produktiven Teil der
        Bevölkerung die Laune zu verderben und
        trotzdem verhungern sie nicht.
        Das heisst sie bewegen sich recht geschickt
        in ihrer biologischen Nische. 🙂

      • @virtual-cd

        Der Begriff „Vermögen“ oder im Englischen „Assets“ ist leider etwas doppeldeutig, weil er Geldvermögen und Realvermögen in einen Topf wirft, was bei Schulden nicht so ist. Es gibt eben sehr wohl Vermögen ohne Schulden, weil mir ja ein Haus auch ohne Hypothek gehören kann. Aber ja, ansonsten hast Du natürlich recht, dadurch, dass ein bestimmter Teil der Schulden auf der Welt schlicht verschwinden muss, wird auch ein Teil der Geldvermögen entwertet werden. Entweder das geschieht über Inflation, was bedeutet, dass alle Geldvermögen entwertet werden, oder es geschieht über den Default und die Entschuldung der Schuldner, wobei dann aber das Bankensystem reorganisiert werden muss und irgendjemand entscheiden muss: Diese Schulden bleiben bestehen, jene Schulden aber hätten nie aufgenommen werden dürfen und die entsprechenden Vermögenswerte waren von Anfang an illegitim.

        @Red Pill

        Womit wir bei der Dialektik von Technologie und Ökonomie angelangt werden. 😀 Andererseits bezweifle ich sehr, dass Märkte irgendeines der anstehenden Großprobleme allein lösen können. Ehe sich die Investitionen lohnen sind die Probleme wahrscheinlich schon zu groß geworden.

        Unruhen wie wir sie in London sahen, gaben uns da schon mal einen Vorgeschmack.

        Ja, wobei es sich dabei auch wirklich nur um das gehandelt zu haben scheint: Unruhen. Eine politische Komponente scheint wirklich nicht vorhanden gewesen zu sein. Was eben heißt, dass das ein Einzelereignis bleibt und nicht die Dynamik einer politischen Bewegung gewinnt. Interessant ist z.B. dieser Artikel:

        http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/newsnight/9572763.stm

        Man sieht, dass die Leute keineswegs blöd sind. Die Motivation ist allerdings anscheinend einerseits die Diskrepanz zwischen Konsumwünschen und der Realität, die die Gesellschaft bietet und andererseits das Übertreten von Normen einer Gesellschaft die man selbst repressiv empfindet. Und leider produziert eine Gesellschaft, die ständig neue Konsumwünsche propagiert, natürlich Frustration bei allen denen, die nicht die Mittel haben, um diesen Konsum auch zu leben.

        Sie produzieren nichts wirklich nützliches. Teilweise entwickeln sie Theorien und Methoden um dem produktiven Teil der Bevölkerung die Laune zu verderben und trotzdem verhungern sie nicht.

        Dafür produzieren sie die Begriffe in denen sich Nützlichkeit legitimiert. Oder delegitimiert. Das ist eine ziemlich interessante Funktion. Aber die Debatte ist natürlich so alt wie die Philosophie selbst, also mindestens 2500 Jahre. Wobei ich mich (der ich, wie schon gesagt, nichts vom Begriff „Geisteswissenschaft“ halte) damit trösten kann, dass die ganzen produktiven Menschen der Menschheit alleine wahrscheinlich nie über die Steinzeit hinausgekommen wären. In dem Moment nämlich wo die Gesellschaft komplexer als 100 Leute wird, gibt es auf einmal einen Bedarf an Menschen, die sich mit den neu entstehenden Konflikten innerhalb der Gesellschaft beschäftigen. Deswegen waren die Konfuzianer in China beispielsweise zunächst Berater der Könige und später dann das Rückgrat des Beamtenapparates. Die Sophisten und Philosophen in der römischen Antike waren oftmals Erzieher und Berater von Politikern, oder auch selbst solche (wie z.B. Cicero). Abgesehen davon produzieren die meisten Naturwissenschaftler übrigens auch nichts direkt greifbares. Jedenfalls nicht mehr als Mathematiker, Juristen oder Lehrer.

        @Chomsky

        „Eine zentrale Ursache der derzeitigen Krise ist die seit über 30 Jahren weltweit betriebene Umverteilung von den Arbeits- zu den Besitzeinkommen. […] Verstärkt wurde diese Entwicklung durch eine starke Deregulierung der Finanzmärkte.“

        Was davon Ursache und was Wirkung ist, würde ich mir nicht so direkt zutrauen zu sagen. Es könnte auch genau umgekehrt sein, dass die Umverteilung ein Effekt der Deregulierung und der sich entwickelnden Dynamik der Finanzmärkte ist. Denn das Anwachsen des Finanzsektors ist ja nur möglich aufgrund einer Ausweitung der ökonomischen Gesamtverschuldung, also entweder von privater oder öffentlicher Seite. Dabei sind die Schulden und Zinsen der einen die Kapitalrente der anderen. Dies gilt insbesondere da man auch nicht außer acht lassen darf, dass diese Deregulierung, die ja selbst ein Prozess in vielen Etappen über einige Jahrzehnte ist, zugleich mit entsprechenden „Reformen“ der Steuersysteme einher ging, die die Spitzensteuersätze international gedrückt haben. Aber die Autoren haben völlig Recht, ohne eine wesentliche Schrumpfung des Finanzsektors wird es nicht gehen.

      • @Itsme

        „Womit wir bei der Dialektik von Technologie und Ökonomie angelangt werden. 😀

        Technologie plus Ökonomie sind wichtige Elemente,
        neben gesellschaftlicher Stabilität, die
        rohstoffarmen Länder erlauben zu Wohlstand
        zu kommen.

        „Andererseits bezweifle ich sehr, dass Märkte irgendeines der anstehenden Großprobleme allein lösen können. Ehe sich die Investitionen lohnen sind die Probleme wahrscheinlich schon zu groß geworden.“

        Ein bedingungsloser Glaube an die Märkte
        ist sicher naiv. Ob aus der jetzigen Situation
        eine Sanfte Landung möglich ist wage ich zu
        bezweifeln.

        „Ja, wobei es sich dabei auch wirklich nur um das gehandelt
        zu haben scheint: Unruhen. Eine politische Komponente scheint
        wirklich nicht vorhanden gewesen zu sein.“

        Wenn ein Mob mal losgeht spielt dann der
        Auslöser keine Rolle mehr. Ist für mich
        ein Hinweis wie dünn der Firnis unserer
        Zivilisiertheit ist. Wenn man Häuser in
        der eigenen Stadt, anzündet.
        Bin auch der Meinung die politische
        Komponente bei den Vorgängen in Nordafrika
        wird überschätzt.

  10. Ich möchte auch auf die verherenden psychologischen Auswirkungen hinweisen, wenn man sich andauernd darüber Gedanken macht ob sich die andere Person jetzt von diesem oder jenem Verhalten oder dieser oder jener Bemerkung die man macht, irgendwie ‚getriggert‘ fühlt.

    Es ist eigentlich nur eine andere Form von emotionaler Erpressung, wenn man da die Schuld bei sich sieht.

    Ich kann nichts dafür wenn sich andere durch zurschaustellen heterosexuellen Verhaltens getriggert fühlen.
    Ich kann höchstens bildlich gesprochen, die Lunte in Brand setzten, aber für den explosiven Inhalt der Bombe bin ich nicht verantwortlich.

    • Ich habe das Ganze ein bisschen gelesen heute.
      Was ich sehr bedenklich finde, ist, dass die „feministische Standpunkttheorie“ quasi schon fast als Totschlagsargument eingesetzt wird und wer eben nicht zur gleichen Ansicht kommt wie gewisse Feministinnen, dann hemmungslos psychologisert wird: männlicher Abwehrreflex, männlicher Abwehrreflex.

      Eigentlich können wir dann unterschiedliche Forschungsergebnisse gleich der Psychoanalyse überantworten, weil nicht mehr Logik und Empirie ausschlaggebend sind, sondern nur noch psychologiserende Argumente.

      Das würde ich dann selbst die „Erbärmlichkeit der Standpunkttheorie“ nennen. Auch eine Standpunkttheorie muss ihr Wissen durch empirische Daten „legitimieren“ und diese empirische Daten können selbstverstänlich Frauen und Männer erheben und auswerten und sollten eben bei einem Gütekriterium wie „Objektivität“ zu gleichen Ergebnissen führen.

      • die standpunkttheorie selbst ist gar nicht das problem, sondern ihr geltungsbereich, der von den „marginalisierten / betroffenen / diskriminierten“ per selbst zugeschriebener deutungshoheit definiert wird. in den genuss eines anerkannt benachteiligten (und damit privilegierten!) standpunktes kommt nur, wer von den „marginalisierten“ legitimiert wurde. das bedeutet: wer diskriminiert ist, hat recht. weil wir diskriminiert sind, haben wir recht, und deshalb obliegt uns die definition, wer diskriminiert ist.

      • @hottehü

        Ich habe mich heute kurz ein bisschen in die Standorttheorie von Sandra Harding eingelesen. Leider habe ich einfach zuwenig Zeit, mich da wirklich ernsthaft damit zu befassen, aber wer Interesse hat:

        Klicke, um auf 2009-05-07_0307332.pdf zuzugreifen

        Aber noch etwas Anderes:

        Pierre Bourdieus Erkenntnistheorie wird bei Wikipedia auch unter die Standpunkttheorie gesetzt und das ist m.E. total falsch:
        http://de.wikipedia.org/wiki/Standpunkt-Theorie

        Bourdieu sagt nur, aufgrund der scholastischen Sichtweise der Wissenschaftler kann es zu Fehler kommen. Ein epistemischer Irrtum sei es, vom theoretischen Modell der Realität/Praxis zur Realität des Modells überzugehen. Ein theoretisches Modell kann nicht einfach bruchlos auf die Praxis angewendet werden. Insbesondere weil praktische Logik und theoretische Logik unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen.

      • Ich vermute, dass gewisse Radikalfeministinnen die feministische Standpunktheorie so interpretieren, wie sie es gerne hätten:
        Bezogen auf Sandra Harding lässt es sich nämlich nicht aufrechterhalten, dass Marginalisierte oder Unterprivilegierte zu objektiveren Ergebnissen kommen würden:

        „So stellt sie nirgends die verkürzten These auf, dass Behauptungen, die im Namen
        des Feminismus oder anderer informierter Standpunkte erhoben werden,
        automatisch ein höheres Maß wissenschaftlicher Legitimation zukomme, sie
        argumentiert lediglich, dass solche Standpunkte potentiell bessere Ausgangspunkte
        für die Generierung objektiver und legitimer Aussagen über die Wirklichkeit
        darstellen:
        “[I]t is knowledge seeking methods not the results of such research (>knowledgeadequate<) for such evaluations.” (Harding 2001, S.512)

        Klicke, um auf 2009-05-07_0307332.pdf zuzugreifen

        S. 45

        Gewisse Radikalfeministinnen können oder wollen nicht zwischen Entstehungs- und Erklärungs-/Begründungszusammenhang unterscheiden.

      • Ich vermute, dass gewisse Radikalfeministinnen die feministische Standpunktheorie so interpretieren, wie sie es gerne hätten:

        Das Interessante ist ja, daß die radikalfeministische Definition von DefMa/Standpunkttheorie tatsächlich ziemlich wasserdicht scheint (solange der Kontakt mit echtem Wasser vermieden werden kann, aber der ist bei den Betreffenden kaum zu erwarten*).
        Was wir wirklich brauchen, ist meiner Meinung nach ein erfahrener Nomic-Spieler, .

        B20

        * Und sollte er doch mal passieren, dürften die meisten ein gut eingefettes Fell besitzen. Wobei ich die Diskussion über die privilegierten Heteromütter mit ihren triggernden Kindern auf Kaddas Blog durchaus genossen habe – mir war aber völlig klar, daß das „Da seht Ihr mal, wie es Männern mit Eurer Ideologie ständig geht“, das ich regelmäßig auf den Fingern hatte, nur zu Abwehrreflexen geführt hätte.

    • Ein besonders schönes Argument ist das hier:

      Was hier manche Männer* im FAS-Artikel lamentieren ist der Verlust von unverdienten Privilegien, nicht mehr, nicht weniger – das wird auch sehr schön daran deutlich, dass die Autorin ständig Worte wie “düpiert” wählen muss, um den Effekt zu beschreiben.

      Man mag sich fragen, wie man so eine Form von Kollektivschuldideologie eigentlich ernsthaft vertreten kann. Ich muss persönlich gestehen, dass es bei mir eine Art kausalen Zusammenhang gibt zwischen der Länge der Zeit, in der ich etwas derartiges lesen muss, und Intensität der Empfindung des Ekels gegenüber einer Ideologie die Mussgunst als Gleichberechtigung bezeichnet.

    • Die Mahnworte einer Moderatorin finde ich auch noch interessant, da heisst es:

      „@ karpatenhund, @AnnaBell

      Bitte lest die Netiquette, bevor ihr hier das nächste Mal hier kommentiert. Besonders Punkt Nr. 5.

      Absichtliches Falschverstehen von Aussagen, das Leugnen von struktureller Diskriminierung und die Einschätzung von Frauenquoten als ‘diskriminierend’ (um nur einige Beispiele zu nennen) sind auf diesem Blog nicht erwünscht.“

      Dass strukturelle Diskriminierung vorliegt, ist die Wahrheit! Wer eine andere Merinung vertritt, kann dies nur leugnen. Soll heissen: Darüber darf keine wissenschaftliche Debatte mehr geführt werden, ob wir es tatsächlich mit einer strukturellen Diskriminierung zu tun haben.

      Auch ob eine Frauenquote (von mir aus auch eine Männerqueote) diskriminierende Effekte haben kann, auch darüber darf keine wissenschaftliche Diskussion mehr geführt werden.

      Dem Blog von mädchenmannschaft müsste man doch schon fast Karl Popper empfehlen:

      „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ 🙂

      • @Chomsky

        Fast? Wenn Poppers Buch ja nicht so schlecht wäre (was allerdings wohl der propagandistischen Situation der Zeit geschuldet ist), dann sollte man das genau dort empfehlen. Die Denkstrukturen bei einigen sind Stalinismus vom Feinsten. Ich bin schon länger dabei zu überlegen, wie man diesen Unsinn gesellschaftlich effektiv bekämpfen könnte. Allerdings bin ich auch noch dabei zu verstehen, wie groß er eigentlich ist. Ich glaube mittlerweile, dass man sehr tief ansetzen muss.

      • Jau, genau das meine ich mit: Einbetonieren, aufs Groupthink einschwören, die letzen Sympathisanten wegbeißen. Sich immer weiter in die Isolation treiben.

        Karpatenhund ist (war bisher?) ja eigentlich recht loyal gegenüber den meisten feministischen Prämissen.

        Da versteht man, wieso Einige, für den vorherrschenden Feminismus ab 1975, den Begriff „cultural feminism“ geprägt haben. Feministische Subkultur.

        Der ist damals zu den ideologischen Exzessen ausgeartet, von denen heute niemand mehr etwas wissen will („es gibt nicht den Feminismus!“)

        Das erreicht langsam das gleiche Niveau.

        Oder hat das Niveau nie verlassen?

      • ..es gibt aber auch wenig Chancen, den Trend umzukehren. Das kann man bei der MM schön beobachten.

        Im Zweifel haben immer die größten Beißerinnen die höchste Bisskraft 😉

        Die Gemäßigten geben niemals die Gruppenloyalität auf.

        Weiber halt 😉

      • Ich glaube mittlerweile, dass man sehr tief ansetzen muss.

        Ich glaube nicht.

        Feminismus hat sich schon damals sehr unbeliebt gemacht.

        Der „cultural feminism“ hat aber imho dann sehr stark auf tradierte Männlickeits/Weiblickeitsmythen – und vor allem: Tabus – aufgesetzt. Von daher konnte er viele unhinterfragbare Dogmen aufrecht erhalten.

        Das ist nun langsam einigermaßen vobei, wie auch die Reaktion der Öffentlichkeit im Fall Kachelmann gezeigt hat. Anfang der 1990er hätte man den Mann doch fast gelyncht.

        Die „Diskussionskultur“ bei der MM wirkt in der Breite nur noch abstoßend, würde ich mal behaupten.

        Der Trumpf „Männergewalt“ ist ausgespielt, und kein weiterer in Sicht. „Defma“ ohne „Männergewalt“ wird nix, von daher können sie ihre Standpukttheorie eigentlich in der Pfeife rauchen.

      • @Nick

        Naja, die Unbeliebtheit der Ideologie ist eine Sache. Die Veränderung der Institutionen ist eine andere. Wir diskutieren ja nach wie vor gerade über die Einführung einer Frauenquote, die in der Variante wie sie allseits gefordert wird, zu institutioneller Diskriminierung von Männern führen würden. Wenn man einen etwas weiteren Blick hat, dann ist so ein Konzept wie „Defma“ völlig irrelevant. Was aber relevant ist, das sind Reformen des Strafrechts, die einen entsprechenden ideologischen Unterbau haben. Das meine ich mit: Man muss tief ansetzen.

      • @Itsme

        Du schreibest:

        Was aber relevant ist, das sind Reformen des Strafrechts, die einen entsprechenden ideologischen Unterbau haben. Das meine ich mit: Man muss tief ansetzen.

        Kommentar:

        Kannst Du das mit den Reformen des Strafrechts ein bisschen konkretisieren?

      • Naja, die Unbeliebtheit der Ideologie ist eine Sache. Die Veränderung der Institutionen ist eine andere.

        Keine Institution kommt aber völlig ohne Einverständnis eines gewissen Teiles der Bevölkerung aus. Bisher konnte man darauf bauen, dass „Was für Frauen tun“ ungefragt als progressiv galt.

        Das bröckelt langsam, und es ist kein Bewegungsfeminismus in Sicht, der das aufhalten könnte – im Gegenteil, der Rest zerlegt sich gerade.

        Wenn auf solche Artikel wie in der FAS keine Glaubwürdigkeit schaffende Gegenreaktion folgt, dann kommen dem institutionalisierten Feminismus weitere tausende Unterstützer abhanden. Dazu kommen Multiplikatoreffekte.

        Und es dürfte schwierig werden glaubwürdig zu vermitteln, warum es gerecht sein soll eine Teilgruppe von Männern in Kollektivhaft zu nehmen.

        Sicher, Radikalfeminismus hat dennoch eine enorme Institutionalisierte Macht. Insofern kann man wohl leider zurecht von Tiefe sprechen.

        Was aber relevant ist, das sind Reformen des Strafrechts, die einen entsprechenden ideologischen Unterbau haben.

        Welche Reformen meinst du denn?

        Du meinst, die Deutsche Strafjustiz hätte de facto jemals einen anderen Unterbau gehabt? Sie ist um Äonen schlechter als ihr Ruf. Uneingeschränkte und unhinterfragbare Defma hat der Deutsche Richter. Er kann, muss sich aber nicht an geltendes Recht halten. Es ist unmöglich, einen Deutschen Richter wegen Rechtsbeugung zu belangen, wenn der Richter aufschreibt: „Der Zeuge X sagte Y aus“, dann hat der Zeuge X Y ausgesagt. Egal, ob er das gesagt hat oder nicht, und egal, wieviele Zuschauer bekunden können dass er nicht Y gesagt hat.

        „Deutsche Richter halten sich an rechtliche Vorgaben“ ist nicht falsifizierbar.

        Rolf Bossi übertreibt nicht, was er beschreibt ist weitverbreitete Gerichtspraxis:

        http://www.amazon.de/Halbg%C3%B6tter-Schwarz-Deutschlands-Justiz-Pranger/dp/3821856092

        Weil unsere Strafjustiz in einem rechtstaatlich mehr als erbärmlichen Zustand ist, können radikalfeministische Grundlagen Fuß fassen. Das ist imho das Hauptproblem.

        Offiziell wird man die Defma nicht einführen, es reicht völlig aus, wenn Richter und Staatsanwälte sie praktizieren. Und sie haben de facto den Freiraum, sie zu praktizieren, der BGH als Kontrollinstanz nimmt sich selbst nicht ernst.

        Er kann jedes Vorbringen ohne weitere Begründung als „offensichtlich Unbegründet“ verwerfen 😀

        Deutsche Strafrechtspraxis:

        Klicke, um auf 095151_223.pdf zuzugreifen

        ..wobei ein erfolgreiches Wiederaufnahmeverfahren in D fast schon an ein Wunder grenzt. Und das liegt sicher nicht daran, dass unsere Strafjustiz so selten Fehlurteile produziert.

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