Kerstin Palm zu biologischen Geschlechtertheorien und Evolutionärer Psychologie

Kommentator Chomsky verwies in dem Beitrag „Kritik an evolutionärer Psychologie“ in einem Kommentar auf einen Vortrag von Kerstin Palm (PDF), (Homepage) der feministische Kritik an evolutionsbiologischen Betrachtungen enthält. Mal sehen, was sie zu bieten hat:

„Das ästhetische Beurteilungsvermögen ist aus evolutionsbiologischer Sicht also eine angeborene Befähigung zur zeichengestützten Bewertung potentieller Sexualpartnerinnen und -partner, ein funktionales Instrumentarium zur Sicherung der maximalen Selbstfortsetzung.“

Das finde ich gar nicht so schlecht und passend formuliert. Ich hätte es allerdings eher auf die Weitergabe der Gene bezogen, was präziser wäre.

„Einige Studien berichten davon, dass Männer große Augen, eine kleine Nase und ein kleines Kinn und/ oder volle Lippen bei Frauen besonders attraktiv fanden, andere sahen bestätigt, dass kindlich aussehende Frauen von Männern bevorzugt wurden. Dem standen aber Studien, auch von Grammer selbst, entgegen, die eher erwachsen und reif aussehende Frauen mit leicht hervorstehenden Backenknochen und leicht eingefallenen Wangen als besonders attraktiv bewertet fanden“

Es ist eben mal wieder so, dass die Biologie in diesem Bereich flexibler ist als sie dargestellt wird. Bei all diesen Merkmalen handelt es sich um Attraktivitätsmerkmale, die im Schnitt sehr häufig als attraktiv empfunden werden, aber verschiedene Funktionen erfüllen.

Die kleine Nase und die großen Augen sind  Anzeichen für Jugendlichkeit, die gerade Männer bei Frauen attraktiv finden. Die Backenknochen und die leicht eingefallenen Wangen entstehen jedoch in der Pubertät und sind ein Zeichen für Östrogene, und damit Fruchtbarkeit.

Natürlich kann der eine Mann dies und der andere Mann das bevorzugen.

Ebenso ist es bei Männern, die sie nachfolgend beschreibt. Hier kommt es insbesondere sehr auf die Frage an, weil es einmal um sexy und zum anderen um langfristige Beziehung gehen kann. Die Antwort von Frauen auf die Frage „mit wem willst du einen One Night Stand“ oder „mit wem würdest du dir eine Beziehung vorstellen können“ unterscheidet sich üblicherweise und teilweise sogar mit dem Zyklus.

Und wenn das Durchschnittsgesicht bewertet wird, dann geht es um Symmetrie ein klassisches Zeichen guter Gene. Wenn ein deutliches Kinn bewertet wird, dann geht es um Testosteron, ein klassisches Zeichen für verschiedene andere Sachen.

Natürlich kann es auch hier Unterschiede zwischen den Frauen geben.

Ich sehe da erst einmal keine Widerspruchlichkeit.

Auch bei dem Hüft-Taile-Verhältnis von 0,7 zeigen sich in der Tat verteilt über die Welt unterschiede. Aber das spricht nicht dagegen, dass dieses Verhältnis nicht biologisch festgelegt ist. Schließlich haben wir auch verschiedene Hautfarben und diese sind ebenfalls biologisch festgelegt. Die Abweichungen zeigen sich aber üblicherweise auch mit einiger Entfernung voneinander (Zuwanderung ausser acht gelassen), was mit evolutonären Vorgaben durchaus zu vereinen ist.

„Zum zweiten fällt auf, dass die von Grammer dargestellte Attraktivitätstheorie der Geschlechterdifferenz auf zwei divergierenden Begründungen fußt, die es ermöglichen, einen scheinbar widersprüchlichen Befund als plausibel darzustellen. Attraktivität bei Frauen weist auf Gesundheit hin, die der Fortpflanzung zuträglich ist, bei Männern hingegen auf Gesundheitsgefährdung, die aber zugleich durch widerständige innere Stärke nicht bedrohlich, sondern sogar ebenfalls zuträglich für die Fortpflanzung ist“

Hier zeigt sich sehr schön, dass sie sich mit den Theorien nicht auseinandergesetzt hat.

Es ist auch für sie schwer zu verstehen, denn sie kommt ja aus einem Dogma der Gleichheit.

Männer und Frauen sind aber nicht gleich. Männer und Frauen tragen insbesondere vollkommen andere Kosten der Fortpflanzung und stehen damit unter gänzlich anderen Evolutionsdrücken.

Weil Frauen vorsichtiger mit Sex sein müssen als Männer, weil sie schneller auf den Kosten sitzen bleiben, liegt auf Männern ein stärkerer Wettbewerb um die Frauen, der sich einmal in einer intersexuellen Selektion, also einer Auswahl der Männer durch die Frauen niederschlägt, und zum anderen einer intrasexuellen Konkurrenz, die sich in einem Kampf/wettbewerb der Männer um die Frauen niederschlägt.

Hierbei ist Testosteron ein Costly Signal. Es macht stark, aber es belastet das Immunsystem. Wir finden solche Signale zuhauf im Tierreich, etwa bei allen Vögeln mit langen Schmuckfedern: Hier würde Palm vermutlich auch anmerken, dass mit ungleichen Maß gemessen wird, denn das weibchen unterliegt ganz anderen Regeln als das Männchen, bei dem Männchen soll plötzlich etwas, was das Weibchen aus gutem Grund nicht hat, schön sein. Das ist aber evolutionsbiologisches Einmaleins, wer sich auch nur etwas mit evolutionären Betrachtungen der Geschlechter beschäftigt, der kommt am Pfauenschwanz nicht vorbei.

Hier ein paar Artikel dazu:

Und ihre Probleme damit:

„Diese Logik ließe sich durchaus umkehren und beispielsweise postulieren, dass Frauen mit auffälligen Extremmerkmalen wie einem sehr breiten Kinn oder Bartwuchs ebenfalls im Sinne der Evolutionstheorie attraktiv sein müssten, da sie signalisieren, dass sie trotz ihres immunschwächenden Testosteronüberschusses in der Lage ist, gesund zu sein.“

Das könnte man. Aber bei Frauen schlägt Testosteron natürlich auch voll auf die Fruchtbarkeit durch und sie unterliegen nicht dem gleichen Selektiondruck wie Männer. Vielmehr zeigen entsprechende genetische Betrachtungen, dass sich Frauen in weitaus größerer Zahl fortgepflanzt haben als Männer. Ebenso wie die Pfauenhenne nicht auf den Pfauenschwanz angewiesen ist ist die menschliche Frau auf ein kräftigeres Kinn und Bartwuchs angewiesen. Das Argument ist um so schlechter, wenn man bedenkt, dass Selektion – leider für den Genderfeminismus – nicht darauf ausgerichtet ist Unterschiede zwischen den Geschlechtern verschwinden zu lassen. Vielmehr besteht eher ein gewisser Druck, die Geschlechter leichter erkennbar zu machen. Ein die Fruchtbarkeit vermindernder Testosteronschub als Merkmal für einen besonders guten weiblichen Partner hat daher bereits erhebliche Anfangshürden zu überwinden. Im Rahmen der – im Tierreich durchaus seltenen – doppelten Partnerwahl hat aber auch die Frau Kennzeichen entwickelt, die das für sie relevante Hormon anzeigen – Brüste. Eine wesentlich bessere Methode als die Verwendung von Testosteron.

Auch dies ist letztendlich evolutionsbiologisches Ein-mal-Eins und sollte jedem, der sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat, bewußt sein. Der „feministschen Biologiekritik“ ist es aber wohl nicht bekannt.

„Und ebenso müsste auch ein eher durchschnittliches, also wenig extrem geschnittenes Männergesicht als attraktiv gelten, da es in dieser Logik gute Gesundheit und damit hohe Reproduktionsfähigkeit anzeigte. „

Richtig. Symmetrische Gesichter sind auch interessant. Aber Anzeichen für Testosteron sind in vielen Fällen eben noch interessanter. Weil bei Männern, die in harter intrasexueler Konkurrenz stehen, die Durchsetzungsfähigkeit in dieser, die in einem Zusammenhang mit dem Testosteronspiegel stehen kann, ein intressanteres Merkmal ist.

„Hier zeigt sich deutlich, dass die Erklärung für eine postulierte Geschlechterdifferenz willkürlich gewählt ist und eigentlich keinen Erklärungscharakter hat, sondern eher alte seit dem 18. Jh. kursierende Geschlechterklischees von dem sich selbst behauptenden Individualsubjekt Mann und dem in der Masse versinkenden Gattungssubjekt Frau bedient“

Nur dann, Frau Palm, wenn man die Theorien nicht versteht. Ansonsten muss man sich schon damit auseinandersetzen, warum eine Frau biologisch andere Attraktivitätsmerkmale aufweist, die sie evtl eher in der Masse versinken lassen als den Mann. Im übrigen ist diese These auch nur bezüglich der Gesichter wahr. Schöne Frauen versinken eben gerade nicht in der Masse. Symmetrie ist eben auf der einen Seite Gleichheit, auf der anderen Seite Perfektion, die aus der Masse heraushebt. Frau Palm vergißt auch, dass die Frau neben dem Gesicht weitere Attraktivitätsmerkmale hat – Haar, Busen, Hintern, Beine, Bauch, die ebenfalls aus er Masse hervorheben. Und sie hat das Glück des stärkeren Geschlechtstriebs des Mannes (LINK!) der sein übriges tut.

„Abgesehen von der unbegründeten Aufteilung der Menschheit in zwei Geschlechter und ihrer heterosexuellen Orientierung,“

Natürlich kann sie auch das nicht in ihrer Ideologie unterbringen. Was eigentlich noch deutlicher zeigt, wie tief sie sich in das Thema eingearbeitet hat, nämlich gar nicht. Aber sie will dazu später noch was sagen, also schauen wir mal, was noch kommt.

„Mit anderen Worten: die Feststellung, dass es bestimmte geschlechtergruppenspezifische Kriterien für die Partnerwahl gibt, sagt noch nichts darüber aus, ob diese Kriterien im Rahmen kultureller und sozialer Aushandlungsprozesse bzw. Positionszuweisungen oder durch eine in der Evolution ausgebildete biologische Anlage entstanden sind, also warum diese vorhanden sind“

Das ist erst einmal richtig. Es ist stets ein Nachweis erforderlich, dass diese Merkmale auf biologischen Anlagen beruhen. Es gibt auch hierzu interessante Studien, sei es eben durch vergleich von Homosexuellen, Transsexuellen, CAH und CAIS etc und ihrer Partnerwahl oder auch dem Wandel von Partnerwahlkriterien mit dem Zyklus, mit Gerüchen, mit Pheromonen oder dem Vergleich mit anderen Völkern. Aus meiner Sicht zeigen gerade Homosexuelle und die Unveränderbarkeit ihrer Präferenzen, dass diese biologisch bedingt sind. Auch das diese bei CAIS-Frauen quasi nicht vorkommt, ist interessant und passt in das biologische Erklärungsmodell.

Nun aber zur Homosexualität:

„Wie erklärt sich nun die Evolutionspsychologie vor diesem Hintergrund das Phänomen der von der Heterosexualität abweichenden sexuellen Orientierungen und Begehrensmuster in Bezug auf Schönheitsempfinden?“

Ich verlinke einfach mal auf Artikel, die ich bereits habe:

Die Studien und Theorien dazu sind eigentlich mit wenig suchen zu finden.

“ Auffällig ist hier, dass Sexualitäten jenseits der Heterosexualität meistens gar nicht in den Möglichkeitshorizont der evolutionsbiologischen Attraktivitätsforschung rücken“

Natürlich rücken sie. Und zwar wie oben bereits beschrieben. Aber was genau kann bei homosexuellen Sex nicht passieren? Und worum genau geht es aus Sicht der Evolution beim Sex?“

Wer jetzt „Die Schaffung neuen Lebens“ und „Die Weitergabe von Genen“ geantwortet hat, der hat schon mehr von dem Thema verstanden als Kerstin Palm.

„Jedenfalls kann festgehalten werden, dass homosexuelle Menschen eine aus evolutionstheoretischer Sicht unerklärliche Existenz haben und daher auch für eine Forschung, die evolutionstheoretische Verhaltens- und Präferenzerklärungen anstrebt, nicht integrierbar erscheinen. „

Das schreibt sie erst einmal. Und führt dann später selbst Erklärungen an, nämlich Verwandtenselektion und Vorteile bei der Gruppenbildung, die sie dann ablehnt.

Es gibt aber natürlich noch weitere, ich habe sie in dem Artikel schon angeführt:

  • Schlichte Fehler in einem der hormonellen Vorgängen
  • Optimierung für ein Geschlecht: Ausgleich über andersgeschlechtliche Geschwister
  • Zusammenspiel von Genen ergibt eine ungünstige Kombination
  • Interessen der Mutter vs. Interessen der Kinder (Fraternal Birth Order)
Kerstin Palm sieht andere Gründe:

„Hier zeigt sich deutlich, dass die Tendenz neodarwinistischer Biologie, alle Merkmale direkt an einen Fortpflanzungszweck gebunden zu sehen, eine bestimmte Forschungslogik vorgibt, die dann die weiteren Untersuchungen bestimmen und ganz andere außerhalb dieser Logik liegenden Deutungsmuster von vornherein unterbindet.“

Es ist schade, dass sie noch nicht einmal die Argumente nennt, aus denen heraus die Fortpflanzung als so wichtig angesehen wird. Das hat ja seinen guten Grund: Wenn keine Gene weitergegeben werden, dann kann die Mutation oder Selektion so gut sein, wie sie möchte, es hat keinerlei Auswirkungen. Ich hatte hier auch schon einmal mehrere Artikel dazu.

Und das wirkt sich auch gleich aus:

„Es könnte ja beispielsweise auch eine biologische Theorie entworfen werden, die besagt, dass Sexualität bei vielen Lebewesen gar nicht mehr primär auf Fortpflanzung ausgerichtet ist, sondern ein erfülltes Sexualleben einfach das Wohlbefinden und die sozialen Bindungen steigert. Diese Theorie würde sogar dem zentralen Paradigma der modernen Biologie, der Evolutionstheorie, nicht widersprechen, da sie im Sinne dieser Theorie postulieren würde, dass sich sexuell und sozial glückliche Lebewesen einfach einer erhöhten Lebensqualität erfreuen, die sich positiv auf ihre Gesamtkonstitution auswirken würde“

Was aber bringt eine erhöhte Lebensqualität und eine positive Gesamtkonstitution? Wie wirkt sie sich aus? Nehmen wir an, wir haben einen Homosexuellen, der sein Leben aufgrund des nicht auf Fortpflanzung ausgerichteten Sexes mit anderen Männern genießt und dem es deswegen bestens geht. Er hat aber keine Kinder. Wie also sollen sich seine Gene in der nächsten Generation auswirken?

Sie können es nicht, weswegen sich der Mensch auf diese Weise nicht entwickelt haben kann.

Natürlich kann Sex Spannungen abbauen und entsprechende Lebensformen existieren ja auch, zB bei den Bonobos. Aber das hat Konsequenzen: Bonobos sind nämlich leider auch nich in einer der feministischen Biologiekritik entsprechenden Welt: Sie konnten eine entsprechden Sexualität nur entwickeln, indem sie auf Spermienkonkurrenz setzten. Bonobomännchen haben deswegen, weil es für sie bei Sex eben biologisch immer um Fortpflanzung geht und nicht nur um Spass, riesige (enorme! gewaltige!) Hoden. Und die Weibchen eine biologische Möglichkeit die Spermien gegeneinander antreten zu lassen. Bei Bonobos findet die intrasexuelle Konkurrenz beim Sex statt, bei uns aber wesentlich deutlicher auch davor.

„die biologische Forschung liest erneut bzw. immer noch die alten Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit, daran geknüpftem heterosexuellem Begehren und biologisch fundierten dichotomen Geschlechterrollen in ihre Prämissen und Theoriebildungen ein und reproduziert damit unreflektiert weiterhin die heterosexuelle Matrix in einer ausgeprägt unveränderten Weise.“

Man darf raten, ob sich Frau Palm jemals mit den Gründen dafür, dass es zwei Geschlechter gibt beschäftigt hat. Die Red Queen Theorie, inszwischen mit einem guten Forschungsunterbau versehen, könnte es ihr erklären, aber das wird sie gar nicht wollen.

Es darf angemerkt werden, dass der Vortrag als feministische Forschung in einem Buch gelandet ist, Herausgeberin unter anderem Frau Sigurd Schmitz, die Frau, bei der auch Heinz Voss promoviert hat. Was eigentlich schon vieles sagt.