Mechanismen zur Bindung des Partners

Wie ich hier bereits erwähnt habe ich das Buch „The Chemistry between us“ gelesen in dem ich auch eine andere Idee ganz interessant fand:

Young geht davon aus, dass sich bei Menschen aufgrund der steigenden Kosten der Kindesversorgung immer mehr eine Liebeschemie entwickelt hat, die dazu führte, dass wir ein Mehr an Bindung benötigen.

Er vertritt dann die Idee, dass es eine Selektion daraufhin gab, möglichst hohe Oxytocinausschüttungen bei dem anderen zu bewirken, um dadurch eben genau diese Bindung erreichen zu können.

Interessanterweise bringt er dabei auch die weibliche Brust ins Spiel:

Bei dieser war bereits ein Mechanismus vorhanden, bei dem saugen an dieser Oxytocinausschüttungen bewirkte und so eine höhere Bindung an das stillende Kind bewirkte. Dieser konnte zweckentfremdet werden und so die männliche Faszination für den Busen begründen, der dann über eine Ausgestaltung als paarig angelegtes Costly Signal für Jugend etc noch im Wege der sexuellen Selektion verstärkt wurde.

Es wäre dann also kein Wunder, dass die meisten Männer gerne Brüste betrachten, anfassen, an diesen saugen etc und Frauen im Rahmen des Vorspiels und im Weiteren gerne an diesen angefasst werden.

Ein weiterer Umstand, der in dieser Hinsicht instrumentalisiert worden sein könnte, wäre Sex an sich und dessen Länge. Das Frauen länger brauchen um zum Orgasmus zu kommen und dazu insbesondere häufig erst ein Vorspiel brauchen, eine gewisse Bekanntschaft und Vertrautheit etc könnte eben auch daran liegen, dass auf diese Weise während guten Sex mehr Oxytocin ausgeschüttet wird, weil es sich mehr lohnt, den Partner zu verwöhnen, sich intensiv um ihn zu kümmern und dementsprechend auf diese langsamere Art beim gemeinsamen Sex nicht nur eine kurze Spermienübergabe oder ein allgemeines Wohlfühlen zu bewirken, sondern diese intensiv mit der jeweiligen Person zu verbinden.

Dabei sehr hilfreich wäre auch die Art und Weise des Sex, nämlich Gesicht zu Gesicht, mit der Möglichkeit sich dabei in die Augen zu schauen. Denn so wird die Lust, die man beim Sex erlebt, direkt mit der individuellen Person verbunden.

Zu der sexuellen Selektion auf das Gesicht hatte ich bereits etwas beschrieben:

  • Bei der Paarbindung wird die Anonymität des Sex aufgehoben (im Gegensatz zB zu einer Spermienkonkurrenz). Die Identität des Sexualpartners erhält damit eine besondere Bedeutung
  • Vielleicht haben wir deswegen auch eine besondere Vorliebe für ein “hübsches Gesicht” und auch dort im Wege der sexuellen Selektion viele besondere Attraktivitätsmerkmale angesammelt – bei Frauen etwa besonders volle Lippen (quasi vergleichbar mit den geschwollenen roten Hintern einer Affenarten), was dann eben heute dazu führt, dass sich Frauen die Lippen aufspritzen lassen und mit Lippenstift die Signalfarbe verstärken sowie den Mund optisch vergrößeren
  • Weitere Attraktivitätsmerkmale im Gesicht sind große Augen, weswegen mit Schminke auch hier nachgeholfen wird, zudem hohe Wangenknochen als Zeichen für Erwachsenheit oder Signale wie leicht gerötete Wangen (Signalfarbe für Erregung) die auch mit Schminke nachgeamt wird.
  • Auch beim Mann sind ein deutliches Kinn etc interessant.
  • Das erklärt vielleicht auch, warum Sexualpraktiken wie die Missionar Stellung als besonders vertraut gelten, weil man sich dabei eben in die Augen und in das Gesicht schaut und so die Mimik und die Gefühle des Partners besser lesen kann. Andere Stellungen wie Doggy Style gelten dagegen als “wilder” und insoweit sexueller und sind damit der Kurzzeitstrategie näher (in dem Sinne, dass sie eben die sexuellere Seite eher ansprechen als die Bindungsseite).
  • Es könnte sich insoweit sexuelles Interesse auf das Gesicht verlagert haben, weil dieses aufgrund der Paarbindung zur Erforschung der Gefühle und genauer Beobachtung eh mehr beobachtet werden muss und daher das Prüfen der dortigen Fruchtbarkeitsmerkmale /Attraktivitätsmerkmale und das Entwickeln besonderer Attraktivitätsmerkmale im Wege der sexuellen Evolution leicht selektiert werden konnte

Young beschreibt eine solche Bindung teilweise in der Art einer Prägung: Bestimmte Sachen bewirken eine Ausschüttung von Hormonen für Glücksgefühle, dies wird im Gedächtnis entsprechend abgespeichert. Bewirkt also ein Partner eine entsprechende Ausschüttung immer wieder, dann wird dieses Gefühl zunächst mit ihm verbunden, wir sind süchtig nach dem Partner, weil wir gelernt haben, dass wir über ihn die Hormonausschüttung erhalten. (Auf die gleiche Weise entstehen nach seiner Darlegung auch Fetische, wenn wir bestimmte Gegenstände mit sexueller Erregung in Verbindung bringen, auch wenn sie nicht per se etwas damit zu tun haben, aber damit abgespeichert werden).

Wenn Liebe auf diese Weise entsteht, dann ist es verständlich, wenn wir Wege entwickelt haben, zum einen bei uns selbst eine Bindung an einen Partner aufkommen zu lassen, aber auch eine solche bei dem Partner hervorzurufen.

Es macht im übrigen auch deutlich, dass Sex weitaus mehr ist als simple Fortpflanzung. Sex ist über die Fortpflanzung hinaus ein wichtiges Instrumentarium der Paarbindung und Liebe und das sind ebenfalls biologische Funktionen jeder sexuellen Aktivität, sei sie heterosexuell oder homosexuell. Die einfache Spermienübergabe würde diesen ganzen Aufwand nicht erfordern, sie ist, wie andere Arten zeigen, in Sekundenschnelle möglich. Wir machen einen solchen Aufwand um diese Übergabe, weil wir die dabei ausgeschütteten Hormone als Weg hin zu einer Paarbindung genutzt haben, die Vertrautheit und Bindung und Glücklichsein erzeugt. Auch deswegen können wir mit einem Partner ein Wochenende im Bett verbringen und  deswegen ist Sex für viele so gefährlich, bei zu häufiger Wiederholung und zuviel Zeit, die man miteinander verbringt, bewirkt dieser zu schnell eine Bindung.

Young vermutet auch, dass der für einen Primaten ungewöhnlich große Penis genau dafür entstanden ist. Zum einen musste er mit dem sich dank größeren Kopf potentiell größeren Geburtskanal mithalten, zum anderen wäre ein zu kleiner Penis zwar in der Lage, Sperma zu übergeben, aber eben nicht für die nötige Oxytocinauschüttung zu sorgen. Auch hier mag dann daneben eine Selektion stattgefunden haben, die auf andere Ziele gestützt war, etwa Verbesserung der Spermienübergabe, Herausholen „feindlichen Spermas“, dem Beeindrucken von Konkurrenten und dem Anzeigen von Gesundheit (weil es bei Stress und Krankheit schwieriger ist einen großen Penis steif zu behalten=costly signal).

Vielleicht kommt auch daher die Sorge, dass man die Frau nur als Sexobjekt sieht. Denn es macht eben deutlich, dass man eine Oxytocinausschüttung gar nicht mit ihr verbinden will, also den Sex nicht zur Bindung nutzen will.

Der Gedanke, dass vieles an uns entstanden ist, damit wir vereinfacht gesagt möglichst viel Oxytocin in den Partner pumpen können und dieser auch in uns (ungeachtet anderer Strategien insbesondere Kurzzeitstrategien) ist aus meiner Sicht jedenfalls interessant.