„Meine eigene Wertschätzung meines Körpers ist (überraschenderweise) nicht alles“

Auf dem deutschen Blog „Embrace the fat“ schreibt „Dickes Mädchen“, eine Anhängerin der Pro-Fett-Bewegung darüber, dass sie mit 25 noch Jungfrau ist, weil sie keiner will.

Sie würde gerne, aber auch auf den queeren Treffen interessiert sich keiner für sie.

Auf die meisten (queeren) Partys gehe ich mit der Hoffnung: vielleicht gibt es diesmal eine Person. Und egal, wie toll ich mich finde, wie empowert ich mich fühle, es passiert nichts. Den Mut jemenschen mal anzusprechen habe ich nicht. Die Angst vor Grenzüberschreitungen ist zu groß und auch hab ich immer die Befürchtung, dass Ablehnung wieder viel zerstören, was ich mir mühselige aufgebaut habe. Eben diese Ängste resultieren ja auch (mitunter) aus meinen ständigen fettfeindlichkeiten Erfahrungen.

 

Das arme Mädchen kann einem ja durchaus leid tun, sie ist in einer Ideologie gefangen, die es ihr quasi verbietet ihren Marktwert zu erhöhen und in dem sie lieber einen Kampf gegen die Normen führen möchte als auf den Kuchen zu verzichten. Und noch nicht einmal in diesen Kreisen, in denen ja sicherlich bekannt ist, das Fatshaming blöd ist, will einer mit ihr schlafen.

Es würde mich interessieren, was sie selbst für Anforderungen an die entsprechende Person hätte, ob ihr da das äußerliche egal ist oder sie schon wegen der Empowerung lieber einen Mann (oder eine Frau) haben möchte, die eher im normschönen Spektrum ist. Leider hat sie eine Frage nach ihren eigenen Präferenzen in den Kommentaren nicht freigeschaltet. Es würde mich auch interessieren, ob für sie einfach nur Sex okay wäre oder ob sie eine Beziehung möchte. Auch da ist sie leider etwas unsicher.

Die erste Person, die mir vor kurzem direkt gesagt hat, dass mich sexy findet, meinte dann nur, ich solle mich doch selbst lieben, so dass mich andere sexy finden. Das ist genau mein Probleme ist. Ich finde mich schön und sexy; und ich liebe mich selbst. Ich arbeite daran jeden einzelnen Tag und denke auch, dass ich durchaus erfolgreich darin bin. Vielleicht nicht immer, aber schon meistens. Egal wie sehr mich selbst liebe, muss es trotzdem noch lange nicht bedeuten, dass mich andere auch attraktiv und sexy finden. Ja, vielleicht verändert sich meine Ausstrahlung durch meine Selbstliebe, aber trotzdem sind da Normen, in welche ich nicht passe und wegen welchen ich abgewertet werde. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass viele Menschen, die sich nicht selbst lieben oder wertschätzen, als attraktiv empfunden werden und Sex haben. Es sind halt viele komplexe Vorgänge damit verbunden, wer wen attraktiv findet, die eng mit normativen Schönheitsbilder verbunden sind. Und meine eigene Wertschätzung ist dabei nicht alles. Auch kommt hinzu, dass das ebenso zur Individualisierung und damit zur Unsichtbarkeit des eigentlichen Problems, nämlich Feindlichkeit gegenüber fetten Menschen, beiträgt.

Ich finde das in seiner selbstzerstörerischen Art faszinierend. Sie arbeitet jeden Tag hart daran, sich selbst zu belügen, dass sie schön und sexy ist. Denn sie weiß ja, dass sie es in den Augen der anderen nicht ist. Sie baut sich auf um dann zu merken, dass es leider keinen interessiert, was sie vermutlich wieder runter haut. In der Tat ist ihre Wertschätzung dabei nicht alles, gerade, wenn sie auf Männer steht. Ein sehr hohes Selbstbewußtsein und eine Scheiß egal Einstellung macht eben Männern interessant (auch wenn da Dicke ebenfalls wesentlich schlechtere Karten haben), aber Frauen nicht.

So richtig klar wird da aus meiner Sicht auch nicht, warum es ihr gerade so wichtig ist, dick zu sein. Ich vermute, dass es deswegen der Fall ist, weil sie eben dick ist und abnehmen erst einmal anstrengend wäre und viel Arbeit und Entbehrung bedeuten würde. Also soll sich statt dessen lieber die Welt ändern. Leider hat diese gar keine Lust darauf, noch nicht einmal in einem sehr queeren und für das Thema sensibilisierten Umfeld. Ich könnte mir sogar vorstellen: Gerade dort: denn auch die  dortigen werden sich vielleicht denken, dass sie ja selbst Opfer von gesellschaftlichen Normen sind und insofern nicht verpflichtet sind sie aufgrund ihrer Benachteiligung besonders zu behandeln.

Ihre Schüchternheit wird es nicht besser machen. Denn ihre Klientel sind ja gerade Menschen, die ebenfalls nicht der Schönheitsnorm entsprechen. Und die haben eben ebenfalls Angst vor Ablehnung.

Meine Flirttipps an Frauen waren ja ungefähr:

  • Sich so attraktiv wie möglich machen
  • Die Ansprechbarkeit erhöhen
  • Die Männer aussieben, die nicht das wollen, was man will (also zB die, die nur Sex wollen, wenn man eine Beziehung will)

Beim ersten Punkt scheint sie eher die gegenteilige Strategie zu verfolgen, denn wie sie selbst sagt enspricht sie nicht den Schönheitsnormen. Bliebe also selbst auf Leute zuzugehen oder ihnen zumindest mit Blicken zu signalisieren, dass sie Interesse hat. Und das eben bei Männern, die nach den gängigen Schönheitsnormen etwa auf ihrer Stufe oder (falls sie nur Sex will) etwas höher stehen.

Ich habe nun mal keine tolle Partner*in, aber trotzdem Interesse. Die Hürden bei der Partner*innenfindung, die dicken Menschen im Weg stehen, sollten wir nicht einfach so übersehen. Wir sollten mehr Raum schaffen für die unterschiedlichen Erfahrungen, die  dicke Menschen in Bezug auf Sex machen. Denn es gibt mehr als zwei Möglichkeiten.

Ich finde es super, dass inzwischen viele einfach so und sehr offen von ihrem Sexleben reden. Doch da ich nichts beizusteuern habe (und die Wahrheit wahrscheinlicht zu schockierend wäre), bedeutet das für mich eben, dass die meisten mich für verklemmt halten. Ich hab keine Ahnung, ob ich das überhaupt wäre. Dabei ist Sex einfach etwas, von dem ich wünschte, dass es ein Teil meiner Lebensrealität wäre. Weil ich auch einfach so viel tolles und schönes darüber höre, dass ich es auch einfach selbst erfahren wollen möchte.

Die Haltung ist ja quasi: „Ich wünschte, dass es Teil meiner Lebenrealität wäre also soll es bitte jemand möglich machen, alles andere wäre ja fatshaming. Ich selbst gedenke gar nicht dafür zu machen außer in der Ecke zu stehen und zu warten. Wenn es nicht passiert, dann liegt es an der fiesen Gesellschaft, die eben einfach die falschen Werte vorgibt bzw. überhaupt Werte.“

Es zeigt aus meiner Sicht nicht etwa einen zu unterstützenden Kampf gegen Schönheitsnormen, sondern eher Faulheit und Bequemlichkeit. Es sind eben immer alle anderen Schuld. In einer besseren Welt würde sie eben Sex haben und es wäre unfair, wenn sie dafür was machen müsste.

Für sie scheint die Idee „da muss ich wohl was an mir selbst ändern, anscheinend komme ich so noch nicht einmal in einem sehr queeren Umfeld an“ zu keinem Zeitpunkt eine Rolle zu spielen. Andere Dicke mögen Sex haben, sie aber eben nicht und für diese Form der sexlosen Dickheit sollte eben Raum geschaffen werden, es soll als Problem erkannt werden, sprich sie begehrt die Anerkennung ihrer Opferrolle.

In den Kommentaren wird sie begeistert gefeiert, zumindest für ihren Mut das alles zu schreiben und für ihren Kampf für die Sache. Eine Kommentatorin schreibt:

Dicke Frauen und Sex endlich(!!) positiv zu besetzen ist großartig, aber “unfickbar” sein ist immer noch für Frauen brutale Realität.

So so, für Frauen ist „unfickbar“ sein also brutale Realität. Ich behaupte, dass dicke Frauen es immer noch deutlich leichter haben „fickbar“ zu sein als Männer. Natürlich müssen sie dazu wirklich nur auf Sex aus sein und vielleicht auch ihrerseits eine gewisse Wahllosigkeit zeigen, aber der männliche wesentlich stärkere Sexualtrieb wird ihnen da den Weg wesentlich leichter machen als bei einem dicken Mann. Dieser Blick nur auf einen Selbst ist eben auch wesentliches Zeichen dieser Ideologie.

 

Hier noch mal einen Grafik, die zeigt, dass ein höheres Gewicht weltweit als unattraktiv wahrgenommen wird:

Schlank Gewicht Schönheit

Schlank Gewicht Schönheit

Was ziemlich dafür spricht, dass wir zu dicke Frauen aus biologischen Gründen nicht schön finden, was in einigen Ländern kulturell (oder auch aufgrund biologischer Unterschiede) mehr oder weniger ausgestaltet ist. All ihr wettern gegen die Normschönheit wird damit wahrscheinlich nichts daran ändern, dass sie eben dick nicht schön ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass sie nicht auch einen Partner finden kann, entsprechende Vorlieben sind eben niedriger, auch wenn sie mit einem Senegalesen oder noch besser einem Nigerianer statistisch bessere Karten hätte.