Verzicht auf hohe Vatersicherheit als Fortpflanzungsstrategie

Beim Lesen dieses Tweets

habe ich kurz darüber nachgedacht, ob es für Männer evolutionär vorteilhaft sein kann, wenn sie einer potentiellen Partnerin signalisieren, dass sie sie nicht stark überwachen werden, dass sie in der Beziehung die Hosen anhat und insofern das „Alphatier“ ist.

Dabei möchte ich zunächst anführen, dass David Buss bei den männlichen Strategien zur Partnerbindung „submissiveness“, also „Unterwürfigkeit, Ergebenheit, Gefügigkeit“ ausdrücklich anführt. (Punkt 9). Da die Frauen grundsätzlich die höheren Fixkosten des Sex trägt ist es verständlich, dass eine gewisse „Ergebenheit“ ihr ein gewisses Gefühl der Sicherheit geben kann, sich auf ihn einzulassen. Dagegen spielt eben evolutionär, dass Status, Selbstbewußtsein etc für gute Gene sprechen und damit im Wege der sexuellen Selektion ein Partnerwahlkriterium geworden sind. Gut verkörpert wird dieser Gegensatz in dem Umstand, dass Männer in einem Beziehungsstreit lieber nachgeben und Frauen das gleichzeitig stört.

Könnte nun auch eine besonders deutliche Form der Unterwürfigkeit und das Signalling, dass man sie nicht zu sehr kontrolliert interessant sein?

Zunächst ist klarzustellen, dass die folgende Argumentation für evolutionär relevante Zeiten gilt, also ein paar hundertausend Jahre zurück.

Dabei sind für die Geschlechter in den theoretischen Ansätzen zwei wesentliche Partnerwahlstrategien zu unterscheiden: Die Kurzzeitstrategie und die Langzeitstrategie. Bei der Kurzwahlstrategie geht es darum, dass man quasi nur Sex mit dem Partner hat, bei der Langzeitstrategie darum, dass man eine längerfristige Partnerschaft bildet.

Beide Strategien haben ihre Vor- und Nachteile.

Für die Frau bietet die Kurzzeitstrategie den Vorteil, dass sie hier oft besseres „Genmaterial“ bekommt, da für den Mann in der Kurzzeitstrategie kaum Kosten entstehen (außer „Werbungskosten“). Der Nachteil ist, dass sie die späteren Kosten kaum auf den Mann (evtl aber auf Familie oder einen anderen Partner) abwälzen kann. Bei der Langzeitstrategie hat sie hingegen etwas schlechteres Genmaterial, aber dafür erfährt sie potentiell mehr Unterstützung bei der Aufzucht des Kindes, einen Partner, der Interesse an den Kindern hat und sie unterstützen und ihre Entwicklung fördern will.

Beim Mann ist die Kurzzeitstrategie theoretisch mit geringen Fix-Kosten verbunden, dafür aber schwer zu erlangen. Die Langzeitstrategie hingegen erfordert üblicherweise, dass man sich an einen Partner bindet und erhebliche Kosten übernimmt. Sie hat auch den Vorteil, dass man bei dieser Methode eine weitaus bessere Kontrolle hat, dass man tatsächlich in seine Kinder investiert, wenn man diese unterstützt.

Es ergeben sich aus der gegenseitigen Reaktion des anderen Geschlechts weitere Vor- und Nachteile: Weil Vatersicherheit wichtig ist, wenn man viele Kosten in den potentiellen Nachwuchs investiert spricht eine Frau, die gerne Kurzzeitstrategien fährt, erst einmal potentiell für ein Risiko. Das dürfte ggfs. in einer schwer kontrollierten Umgebung, bei der also die Eltern durch Überwachung darauf achten, dass die Tochter keine Kurzzeitstrategie fährt, bei der sie dann evtl die Zusatzkosten übernehmen müssen und die Tochter unattraktiver für einen Partner wird, noch eher der Fall sein.

Dennoch bleibt eine Frau eine wichtige „Ressource“. Weil sie eben nur ein Kind pro Jahr bekommen kann ist sexueller Zugang zu einer Frau das Nadelöhr der Fortpflanzung. Wem es nicht gelingt, dessen Gene kommen nicht in die nächste Generation.

Das erlaubt Nischenstrategien.

Eine solche könnte es sein, dass man der Partnerin erlaubt, zum einen eine Kurzzeitstrategie mit anderen zu fahren, zum anderen dennoch als Partner für eine Langzeitstrategie zur Verfügung zu stehen. Der Vorteil für den Mann wäre, dass er sich für Frauen interessiert, die sonst nicht so hoch im Kurs stehen und die sich deswegen evtl eher auf ihn einlassen. Es ist so gesehen auch mit der Kurzzeitstrategie der Frau vergleichbar: Er bekommt evtl „genetisch bessere“ Partnerinnen als sonst, dafür mit einer geringeren Vaterschaftssicherheit. Er hätte zudem den Vorteil, dass er die Beziehung ja jederzeit abbrechen kann, wenn sie stark fehlschlägt, also die Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht seine sind. (es sind dann nur die bisherigen Kosten verloren, er hat aber auch einen geringeren Wert signalisiert, wenn andere es mitbekommen). Es erlaubt ihm evtl auch auf die „späteren Jahre“ zu setzen, wenn die Frau für höherstehende Männer unattraktiver, aber noch fruchtbar ist. Zudem kann er auch die Ressourcen auf die Kinder verteilen, bei denen Faktoren wie Ähnlichkeit für eine höhere Vaterwahrscheinlichkeit sprechen

Ob diese Theorie evolutionär erfolgreich ist, würde von verschiedenen Faktoren abhängen:

  • Der Wahrscheinlichkeit, mit der sie von den „Alphas“ tatsächlich schwanger wird, die wiederum von der Häufigkeit und dem Zeitpunkt des Sexes mit diesen abhängig ist, was wiederum davon abhängig ist, inwiefern anderweitige soziale Überwachung funktioniert
  • Die Wahrscheinlichkeit, dass der dauerhafte Sex mit dem Langzeitpartner entweder zu einer Bindung führt, die sie die Kurzzeitstrategie aufgeben lässt oder eben vorher zu einer Schwangerschaft oder zumindest zu mehr Schwangerschaften als ohne diese Strategie.
  • Vorteile, die es bringt, wenn bestimmte hochstehende Männer gleichzeitig ein gewisses Wohlwollen der Frau und der Familie gegenüber haben (etwa ein Kind des Langzeitpartners fördern, weil sie der Mutter wohlgesonnen sind oder nicht ausschließen, dass es ihres ist oder ihn im Gegenzug dafür, dass er dazu schweigt, selbst fördern oder auch nur die Partnerin selbst unterstützen um ihre Gunst zu erhalten, was dann der Familie allgemein nützen kann)

In dieser Gemengelage erscheint mir eine Selektion auf ein entsprechendes Verhalten nicht ausgeschlossen, gerade wenn es nicht als Hauptstrategie vorgesehen ist, sondern beispielsweise für den Fall, dass man einen niedrigen sozialen Status hat bzw. subjektiv niedrig in der Ranghierachie steht.

Dafür, dass es eine solche Strategie als Nischenstrategie gibt, spricht, dass „Cuckold“ als Fantasie immerhin eine gewisse, wenn auch anteilig geringe Verbreitung hat. Die gleiche Fantasie, dass der eigene Mann von anderen, statushöheren (also wohl hübscheren) Frauen genommen wird scheint mir hingegen weniger verbreitet zu sein.

 

16 Gedanken zu “Verzicht auf hohe Vatersicherheit als Fortpflanzungsstrategie

  1. Das war auch mein Gedanke, dass man so „bessere“ Frauen bekommt. Hatte das selbst mal(es hat mich nur nicht erregt). Ich hatte vor Kurzem was mit einer Frau, hab sie auch als meine Freundin bezeichnet, die ist mir fremggegangen ubd hat dann Schluss gemacht. Ich wollte auch unbedingt, dass sie bei mir bleibt. Deswegen hab ich auch angeboten, wenn es sein muss, kann sie gern mit anderen Kerlen schlafen, wenn sie meine Freundin bleibt. Wollte sie natürlich nicht.

  2. „sondern beispielsweise für den Fall, dass man einen niedrigen sozialen Status hat bzw. subjektiv niedrig in der Ranghierachie steht.“

    Also für 80% aller Männer…?

  3. In dieser Gemengelage erscheint mir eine Selektion auf ein entsprechendes Verhalten nicht ausgeschlossen

    Kann es nicht sein dass viele vererbte Verhaltensweisen nur eine Nebeneffekt eines vererbten Haupteffekts sind, der sich immer wieder durchgesetzt hat.

    Wenn z.B. die Religion ein Nebeneffekt des Herdentriebes sein könnte, wäre ein sexuelle Spielart nicht an sich evolutionsrelevant, sondern der bestimmende Faktor wäre die Streuung sexueller Spielarten an sich, wobei z.B. Schwulsein nur ein Nebeneffekt wäre. In dieser Denkweise hätte sich bei unseren Vorfahren die Streuung sexueller Spielarten als überlebensnotwendig weitervererbt und die „Perversionen“ wären nur ein Nebeneffekt dieser über Jahrmillionen weitervererbten Streuung. Die Perversionen an sich würden keinen Zweck erfüllen. Nur im Notfall würden sie das Überleben der Rasse überhaupt ermöglichen???

        • https://de.wikipedia.org/wiki/Evolutionstheorie

          Eine biologische Evolutionstheorie beschreibt und erklärt die Entstehung und Veränderung der Arten als Ergebnis der organismischen Evolution, d. h. eines Entwicklungsprozesses im Laufe der Erdgeschichte, der stattgefunden hat und andauert.

          https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution

          Evolution (von lateinisch evolvere „entwickeln“) ist die allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen von Generation zu Generation.

        • Es geht um die Fortpflanzung und das Überleben des Individuums innerhalb der Population. Die Evolution der Art wird dadurch bestimmt ob sie mit dem Genpool überlebt oder nicht.

          Also sind wir ein Produkt der Uberlebenstrategie unserer Art, Rasse oder wasweissich. Schlussendlich zählt nur die Fortpflanzung der Gene bzw. der Art die sie trägt. Alles andere ist in der Evolution nebensächlich.

          Sogar wenn sich Rassen mischen wie die Neanderthaler mit dem Homo Sapiens, zählt am Ende nur das Überleben des Produktes dieser beiden, in diesem Fall des Homo Sapiens.

          Allein der Fakt, dass die verschiedenen sexuellen „Perversionen“ keine Nachkommen hinterlassen, ist für mich ein Hinweis darauf, dass sie keinen Zweck erfüllen, sondern wahrscheinlich ein Nebenprodukt eines Haupteffekts sind. Man kann die Bonobos als Beispiel nehmen, und denken, dass die Abweichungen einen Zweck erfüllen. Mir wird oft vorgeworfen, dass wir keine Affen sind. Jetzt mache ich mir diese Logik selbst zum Argument. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Schwulsein z.B. mehr Nachkommen erzeugt als Hetero. Es deutet eher alles darauf hin, dass Stärke, Durchsetzungsfähigkeit und Aggression zu vielen Nachkommen führen und eine Evolutionsstartegie sind.

          Es mag sein dass Gruppensex beruhigt und zu mehr Frieden innerhalb der Gruppe führt. Das tun aber auch viele andere Tätigkeiten ….

          Mich würde sehr interessieren was Christian zu dem Thema denkt.

    • @Yeph

      Ich wäre vorsichtig mit Formulierungen, die „der Evolution“ einen eigenen Zweck oder ein Ziel unterstellen.
      Und ebenso wenig hat m.E. „die Evolution“ eine „Strategie“.

      Demzufolge:

      „Die Evolution der Art wird dadurch bestimmt ob sie mit dem Genpool überlebt oder nicht. Also sind wir ein Produkt der Uberlebenstrategie unserer Art, (…).

      In dem Fall müsste es eine spezifische, unserer Art *eigene* Überlebensstrategie geben. Das wäre in Abgrenzung zu anderen aber zu erklären und nicht vorauszusetzen.

      „Man kann die Bonobos als Beispiel nehmen, und denken, dass die Abweichungen einen Zweck erfüllen.“

      Aus der Sicht der Bonobos sind *wir* die Abweichung. 😉

      Ich glaube, das der einseitige Blick auf die Sexualität oder den Reproduktionserfolg nicht hilft, sondern das die Sexualität der Bonobos sich im Rahmen einer Sozialordnung zu sehen ist, die wie alle anderen Sozialordnungen funktionieren.

      Gruß, crumar

  4. Pingback: Sexual Strategies Theory: Eine evolutionäre Perspektive auf die menschliche Paarung (Teil 14) | Alles Evolution

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