Kritische Männerforschung

Gestern kam kurz das Thema kritische Männerforschung auf. Dazu aus der Wikipedia zunächst zur Männerforschung:

Männerforschung ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit dem Thema Mann und Männlichkeiten befasst. Dazu gehören sozialwissenschaftliche, erziehungswissenschaftliche, psychologische und historische Untersuchungen. Die Forschung findet analog zur Frauenforschung vor allem im Rahmen der Geschlechterforschung statt. Als eigenständige Disziplin konnte sie sich jedoch im deutschsprachigen Raum bislang nicht etablieren.

Männerforschung an sich ist natürlich eine gute Idee, ebenso wie Frauenforschung. Alllerdings sollte aus meiner Sicht natürlich auch eine medizinisch-biologische Forschung dazu kommen.

Kritische Männerforschung

Forschung ist aufgrund des systematischen Ausschlusses von Frauen aus den Universitäten bis in die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts hinein zumeist Forschung von Männern (Androzentrismus) gewesen, da eben nur Männer an ihr teilnehmen durften. In Abgrenzung zur männerdominierten Wissenschaft gab sich die in den 1980er Jahren entstehende Forschung über Männer und Männlichkeiten den Namen Kritische Männerforschung.

Da sieht man bereits, dass die kritische Männerforschung nahe an der feministischen Theorie ist. Die Forschung mag eine ganze Zeit männerdominiert gewesen sein, aber rein aus diesem Umstand heraus muss sie nicht falsch gewesen sein. Und wenn sie dies war, dann ist das beste Mittel zur weiteren Forschung nicht eine Art Standpunkttheorie, sondern die Anwendung empirischer Wissenschaft.

Die Kritische Männerforschung geht weitgehend von einem emanzipatorischen, teilweise auch von einem feministischen Ansatz aus. Das heißt sie hinterfragt bestehende Rollenbilder und teilt zentrale Konzepte, welche in feministischen Ansätzen der Geschlechterforschung begründet sind und entwickelt diese für ihre Zwecke weiter.

Damit ist sie eben nur in eine Richtung kritisch, wobei aus meiner Sicht diese Kritik bereits den falschen Ansatzpunkt hat, wenn sie einfach nur auf das Geschlecht der bisherigen Forscher abstellt. Sie ist insoweit – jedenfalls wohl teilweise – unkritisch gegenüber der anderen Richtung, eben den feministischen Ansätzen.

Das hinterfragen von Rollenbildern kann dabei natürlich sinnvoll sein, dagegen möchte ich gar nichts sagen. Es sollte allerdings mit einer gewissen Neutralität erfolgen und nicht zu einer Verdammung von Männlichkeit führen.

 Innerhalb der Kritischen Männerforschung ist allerdings umstritten, in welchem Verhältnis sie zur feministischen Frauen- und Geschlechterforschung steht. In den Anfängen gab es prominente Stellungnahmen von profeministischen Männerforschern, welche eine Unter- oder Nachordnung von Männerforschung postulierten. Andere sahen und sehen Kritische Männerforschung als wichtige Ergänzung zur feministischen Frauenforschung, welche sich ggf. auch kritisch mit den Blinden Flecken auseinandersetzen müsse.

Das ist ja immerhin etwas. Die Unter- und Nachordnung kennt man ja schon aus anderen profeministischen Männerbewegungen. Im wesentlichen ein Unterstützen und nicht zuviel Raum einnehmen und immer schon die eigenen Privilegien reflektieren. Denn da eine Frau nie privilegiert sein kann muss letztendlich alles auf Befreiung der Frau aus dem Patriarchat ausgerichtet sein, die Befreiung des Mannes folgt dann quasi als Lösung des Nebenwiderspruchs, wenn man den Hauptwiderspruch gelöst hat.

Meiner Meinung nach muss eine Männerforschung jederzeit eigene Theorien entwickeln können und muss nicht bei der Kritik blinder Flecken stehenbleiben, sondern kann natürlich umfassend kritisieren (oder auch zustimmen, je nach dem).

Prinzipien der Kritischen Männerforschung nach Jeff Hearn

Jeff Hearn entwickelte 1987 im Magazin der englischen Männerbewegung „Achilles Heel“ fünf Prinzipien, die für eine zukünftige kritische Männerforschung Anwendung finden sollten:

  •  Männer sollten die Autonomie der Frauenforschung respektieren, was nicht heißen soll, umgekehrt eine Autonomie der Männerforschung einzufordern.
  • Männerforschung soll Frauen und Männern offen stehen.
  • Das vorrangige Ziel der Männerforschung ist die Entwicklung einer Kritik an männlicher Praxis, zumindest teilweise aus feministischer Sichtweise.
  • Männerforschung ist interdisziplinär anzulegen.
  • Männer, die Männerforschung betreiben, müssen ihre Praxis des Forschens, Lernens, Lehrens und Theoretisierens hinterfragen, um nicht die patriarchale Form eines desinteressierten Positivismus zu reproduzieren. Ziel sei eine Bewusstseinserweiterung der Männer.

1990 ergänzte Jeff Hearn zusammen mit David Morgan in „The critique of men“ diese Prinzipien noch um die Punkte, dass (heterosexuelle) Männer sich nicht um Forschungsgelder und Universitätsposten bewerben sollen, die für Geschlechterforschung ausgeschrieben wurden, und dass feministische Wissenschaft und Frauenforschung in der eigenen Forschung und in den Institutionen zu unterstützen sei.

Da wäre natürlich die Frage, was überhaupt mit Autonomie der Frauenforschung gemeint ist. Natürlich sollte auch die Frauenforschung Theorien aufstellen können und Forschung jeder Art betreiben können. Aber natürlich kann es dabei keine Immunität geben. Jede Forschung muss immer hinterfragbar sein, und das natürlich aus jeder Ecke. Das Hinterfragen von Theorien und Forschung anderer ist aus meiner Sicht das Kernstück jeder Wissenschaft.

Und natürlich muss diese Freiheit auch für eine Männerforschung gelten. Gründe dafür, dass diese sich nur an die Frauenforschung anhängen dürfen sind aus meiner Sicht nicht ersichtlich. Es setzt sich dann eben die bessere Theorie durch.

Als Hauptpunkt einer Männerforschung Kritik an männlichen Praktiken zu fordern scheint mir auch eine sehr einseitige Ausrichtung zu sein. Zumal aus meiner Sicht dabei ein wesentlicher Aspekt verloren geht, nämlich die gegenseitige Beeinflussung der Geschlechter. Aus meiner Sicht lassen sich Geschlechterpraktiken nicht als reine Praktiken einer Gruppe erklären, die Unbeeinflusst von den Handlungen des anderen Geschlechts und der Biologie sind. Hier scheint mir der Gedanke vorzuherrschen, dass männliche Praktiken einfach Machtmittel sind, die die Gruppe der Männer anwendet. Wenn es sich lediglich um Praktiken handelt, die dazu dienen Frauen einzuschränken und Männern die Macht zu sichern, dann ist verständlich, wenn man diese Praktiken kritisieren und dann gegebenenfalls abschaffen möchte. Das ist aber eine sehr einfache Betrachtung: Einem Geschlecht einfach alle Unterschiede als Unterdrückung anzulasten geht aus meiner Sicht an der Realität vorbei.

„Die patriarchale Form eines desinteressierten Positivismus zu reproduzieren“ bedeutet wohl, dass man schnell in den alten Mustern hängen bleibt und diese dann durch nicht hinreichend mutiges Infragestellen beibehält, also die Forschung oder seinen Unterricht so anlegt, dass letztendlich etwas patriarchales dabei rauskommt. Auch hier ist natürlich hinterfragen gut. Aber der Aufbau eines Feindbildes, welches überall patriarchale Praktiken sieht schlecht. 

Das die Zurückhaltung bei den Fördergeldern aus meiner Sicht unsinnig ist, folgt bereits daraus, dass ich die wohl dahinterstehende Erbschuld nicht teile.