„Bei Genderpolitik hört der Spass auf“

Fleischhauer schreibt im Spiegel:

Genderpolitik ist ein ernstes Thema. Kein Wunder, schließlich ernährt es mittlerweile einen riesigen Apparat. Es ist schwer, einen Überblick zu bekommen, wie viele Menschen davon leben, dass sie anderen erklären, warum Geschlecht nur ein soziales Konstrukt ist. Aber man darf getrost davon ausgehen, dass diese Minderheit nicht mehr ganz so klein ist.

Es wäre wirklich interessant da mal nähere Zahlen zu zu lesen. Wenn jemand Statistiken dazu hat, dann würde mich das auch interessieren. Jedenfalls aber kann man festhalten, dass es einige Leute in diesem Sektor gibt, die der Bereich gut ernährt.

Kaum ein Studienfach hat in den vergangenen Jahren eine solche Karriere hingelegt wie die von der modernen Geschlechtertheorie inspirierten Gender Studies. An deutschen Hochschulen gibt es inzwischen über 40 entsprechende Institute und Einrichtungen, darüber hinaus hat sich die Gender-Forschung an nahezu jedem geisteswissenschaftlichen Lehrstuhl etabliert. Auch im Verwaltungsalltag ist die moderne Gendertheorie längst angekommen. Jede Landesregierung, die etwas auf sich hält, fühlt sich der Förderung der Geschlechterneutralität verpflichtet, was man nicht mit gängiger Quotenpolitik verwechseln sollte.

Hier hat man in der Tat ganze Arbeit bei der Errichtung von Tabus geleistet. Wer entsprechende Anträge ablehnt, solche Projekte nicht verfolgen möchte, der sieht sich schnell dem Vorwurf der Frauenfeindlichkeit ausgesetzt. Es ist insofern einfacher für die Verantwortlichen entsprechende Programme vorzusehen und dann zu hoffen, dass man deren wahnsinnigere Vorschläge ignorieren kann.

Das ist ein bemerkenswerter Erfolg für eine Theorie, die ihren Ursprung in den Seminarräumen der philologischen Fakultät einer kalifornischen Hochschule hat und bis heute ohne jede wissenschaftlich nachprüfbare Fakten auskommt. Dass Menschen sich nicht entscheiden können, ob sie sich als Männer oder Frauen fühlen, mag vorkommen – auf der Überwindung des biologischen Geschlechts aber ein Konzept aufzubauen, das dann Richtlinie staatlichen Handelns wird, verlangt einiges an Phantasie. Der klassische Feminismus hat sich aus gutem Grund bescheidenere und in jedem Fall pragmatischere Ziele gesetzt wie die Veränderung der Machtverhältnisse.

Das sind erfreulich deutliche Worte. In der Tat ist der Unterbau dieser Theorien überaus schwach. Da das eines der Dauerthemen dieses Blogs ist, erspare ich mir hier das weiter auszuführen.

Wenn man einmal angefangen hat, über die Benachteiligung der Andersgeschlechtlichen nachzudenken, kommt man zu einer ganzen Reihe von Reformvorschlägen, um auch dem „Dritten Geschlecht“ zu seiner rechtmäßigen Anerkennung zu verhelfen. Dazu gehört ein Verbot der Ehe und damit ein Ende der „unsäglichen Subventionierung heterosexueller Liebe durch das Ehegattensplitting“, wie es die Nachwuchsorganisation der Grünen schon vor Jahren gefordert hat. In einem weiteren Schritt ist man dann bei der Abschaffung von „Geschlechtsangaben in Pässen“ und der Einführung einer „gegenderten Sprache“ im Rahmen der nächsten Rechtschreibreform.

Glücklicherweise gehen diese Themen und deren Präsentationen den meisten Menschen an der Lebenswirklichkeit vorbei. Ich kann mir vorstellen, dass Leute durchaus interessiert wären an der Frage, ob man das Ehegattensplitting ändern sollte, aber nicht unter dem Gesichtspunkt, damit die Heteronormativität zu bekämpfen. Und Geschlechtsangaben in Pässen sind auch keine drückenden Lasten in den Köpfen der meisten Menschen (wenn auch sicherlich einiger Transsexueller oder Transgender). Die gegenderte Sprache hingegen wird den meisten schlicht ein Greuel sein, jedenfalls, wenn sie sie selbst verwenden sollen.

Die geschlechtspolitisch derzeit anspruchsvollste Frage ist zweifellos, wie sich die Genderdiskussion mit der Debatte um die Frauenquote verträgt, die bis nach Brüssel gerade alle politischen Instanzen beschäftigt. Zeigt das Beharren auf Quoten nicht eine Fixierung auf die bipolare Geschlechterordnung, wie man sie eigentlich überwinden will? Oder anders gesagt: Wie geht man korrekt mit jemandem um, der zwar äußerlich alle Attribute eines Mannes trägt, sich aber der „Selbstkategorisierung in das binäre Geschlechtersystem“ verweigert? Muss es für solche Menschen demnächst eine eigene Unisex-Quote geben? Oder sollte man künftig auch Männern erlauben, Frauenstellen einzunehmen, wenn sie geltend machen, dass sie sich meist als Frau fühlen?

Das ist das Paradox wenn man vertritt, dass es eigentlich keine Geschlechter gibt, sie nahezu nicht zu bestimmen sind und dann gleichzeitig eine Frauenquote vertritt. Wobei das Leugnen von Geschlechtern an sich ja in dieser radikalen Form selten sein wird. Meist wird man zugestehen, dass eine Einteilung nach Phänotyp durchaus möglich ist, daran dann aber eben soziale Normen festmachen, die Privilegien für ein Geschlecht bedeuten, was dann wieder eine Frauenquote ermöglicht.