Studie: Männliche Opfer von häuslicher Gewalt: Teilnehmer gesucht

Hengameh Yaghoobifarah: „Ich bin fett und arrogant“

Hengameh Yaghoobifarah hat mal wieder einen interessanten Text geschrieben, diesmal zu Dickenfeindlichkeit und ihrem Bedauern, dass man sie nicht für arrogant hält:

Die hohe Anzahl an „OMG, ich werd nach Corona so fett sein“-Beiträgen auf Social Media ist ein Virus für sich. Selbst in Zeiten einer Pandemie scheint die größte Angst schlanker Menschen zu sein, fett zu werden. Für Menschen mit Essstörungen ist es beschissen, solche Postings zu sehen. Für dicke Leute sowieso, klar, offensichtlich ist mein Körper euer Albtraum. Ich würde die skinny Karens und Sörens dieser Welt gern fragen, was genau sie davon abhält, einfach zu Hause Sport zu machen und die Fresse zu halten, anstatt uns ihren belastenden Gedanken auszusetzen. Schließlich sagen sie doch selbst immer so gern: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Also heult mich bitte nicht voll.

Ich bekenne mich schuldig, ich fühle mich auch gerade zu dick. Es ist noch im Rahmen, aber irgendwie hat man sich in den Coronazeiten anders ernährt, schnell mal noch was vom Becker holen, die Restaurants waren ja zu, und es sind wieder ein paar Kilos zu viel.

In der Tat wäre ihr Körper (in männlich) ein ziemlicher Alptraum für mich, ebenso der Körper dicker Freunde, die ich habe, und überaus schätze als Mensch.

Das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun und schlank ist eben ein weltweites Schönheitsideal. 

Ich kann verstehen, dass das dicke Leute stört und würde jetzt sicherlich nicht vor dicken Freunden über die paar Kilos jammern, die ich zu viel habe. Aber den meisten Dicken ist ja bewusst, dass sie dünn besser aussehen würden.

Sobald eine dicke Person über etwas anderes als Gewichtsverlustvorhaben spricht, wollen schlanke Leute Scheindebatten über Gesundheit führen. Nicht mit mir. Sie können dazu Bücher lesen, zum Beispiel von Magda Albrecht, Virgie Tovar oder Friedrich Schorb. Oder schlanke Menschen wollen das Gespräch zu sich lenken und erzählen, dass auch sie schlimme Dinge erlebt haben. Das bestreite ich nicht, aber heute geht es um mich. Denn ich bin fett und arrogant. Ein Widerspruch in sich?

„Health at every size“ ist eine sehr peinliche Pseudowissenschaft, die so wenig haltbar ist wie Homöopathie oder Gesundbeten.  Aber in den sehr linken Kreisen darf man das natürlich nicht sagen. Das wäre ja Opferstatuseinschränkend.

Gier, Faulheit, Exzess, Dummheit, Ungepflegtheit – viele negativ konnotierte Attribute werden fetten Menschen zugeschrieben, Arroganz jedoch nie. Ganz so, als hätten fette Menschen den Blick von außen so sehr verinnerlicht, dass sie sich automatisch als minderwertig betrachten.

Das ist mal ganz interessant. Arroganz wäre ja:

Unter Hochmut (hebräisch גָּאוֹן ga’on; altgriechisch μεγαλοψυχία megalopsychia; lateinisch superbia), umgangssprachlich auch Anmaßung, Überheblichkeit und Arroganz genannt, versteht man seit der frühen Neuzeit den Habitus von Personen, die ihren eigenen Wert, ihren Rang oder ihre Fähigkeiten unrealistisch hoch einschätzen.

Ich kenne durchaus Dicke, eher Frauen, die sich maßlos überschätzen und in der Hinsicht arrogant sind. Vielleicht einfach, weil Frauen, auch dicke Frauen, immer noch relativ leicht Bestätigung bekommen.
Das man dennoch relativ selten Arroganz vorwirft liegt vielleicht daran, dass die unrealistische Einschätzung in dem Bereich zu offensichtlich ist.

Wenn ein kleiner schmächtiger in keiner Kampfsportart geschulter Kerl meinen würde einen Mike Tyson in jungen Jahren herauszufordern, dann würde man das wahrscheinlich weniger für Arroganz halten, sondern eher für Dummheit. Arroganz erfordert, dass man sich als zu hoch stehend einschätzt, aber es muss einem abgenommen werden, dass man wirklich glaubt besser zu sein. Das fällt schwer, wenn das so offensichtlich nicht der Fall ist. Arroganz funktioniert am besten, wenn zumindest ein kleiner Zweifel entsteht ob derjenige nicht noch einen Trick im Ärmel hat, einfach weil er so selbstbewußt geht. Es ist insofern auch schwer mit einer Opferhaltung vereinbar.

Rege ich mich über schlanke Leute auf, heißt es direkt: „Gerade von DIR hätte ich das nicht erwartet …“ Weil du denkst, dass ich mein Dicksein durch übermäßige Freundlichkeit, großzügige Empathie und scharfen Intellekt kompensieren muss?

Nein, eher weil man annehmen könnte, dass du jedem zugestehst, dass er den Körper hat, den er haben will und niemanden deswegen abwertest. Immerhin können ja auch schlanke Körper folge einer Essstörung sein um ihren obigen Einwand aufzugreifen. Für sie ist es aber vermutlich „Thin Privilege“.

Aber ein arroganter Mensch würde sich auch eben nicht über schlanke Leute aufregen müssen, weil er eben über ihnen steht.

Oder denkst du, fette Menschen seien die Letzten, die sich über Äußerlichkeiten anderer zu Wort melden dürfen, während schlanke Leute – auch linke, queere, feministische – oft am laufenden Band Dickenfeindlichkeit reproduzieren?

Zumindest jemand der „Health at every size“ unterstützt und sich auf entsprechende Bücher beruht sollte da zurückhaltend sein.

Aber auch hier wieder die Idee, dass sie folgenlos gegen Andere, Privilegierte, wettern darf, weil diese Dickenfeindlichkeit produzieren.

Diese Rechtfertigungen dafür, dass die eine Seite draufhauen darf, die andere aber nicht, finde ich immer interessant.
Die produzieren „Dickenfeindlichkeit“. Sie meldet sich zu Wort.

Die treten aus ihrer Sicht ja auch nach unten (was auch nicht zu einem arroganten Menschen passt), sie hingegen nach oben, was in der Hinsicht nur Verteidigung ist.

Und natürlich die gute alte Call Out Culture: „ihr nehmt meine Einschränkung nicht ernst genug, ihr feiert meinen Widerstand nicht hinreichend als heldenhafte Tat. Was fällt euch ein meinen Opferstatus zu ignorieren?“
Okay, dass ist schon wieder in diesem Kontext etwas arrogant. Sie hält sich als Dicke anscheinend für stark diskriminiert, vielleicht weil ihr „white passing“ nicht genug Opferstellung gab

Warum kann ich kein Arschloch sein?

Wer dick ist, ist ein minderbemitteltes Opfer, so die Annahme. Doch was, wenn dicke Personen in Wirklichkeit auf andere herabschauen? Etwa, weil schlanke Leute ihr Leben lang auf Genuss und Glück verzichten, weil sie meist vergeblich einem Versprechen von Lebensqualität hinterherjagen, das eigentlich nur eine Lüge der neoliberalen, kapitalistischen, dickenfeindlichen Gesellschaft ist?

Weil dünne natürlich immer noch das Leben genießen können. Vielleicht sind Top Models sehr eingeschränkt, aber ansonsten kann man natürlich gut essen und entweder Sport machen oder eine kalorienreichere Mahlzeit eben damit ausgleichen, dass man an anderen Tagen kalorienärmeres isst.

Ein Extrem gegenüber stellen wird eben zu leicht durchschaut. Superschlanke und Fette sind ja nicht der Großteil der Gesellschaft. Normalschlanke und mittelgewichtige sind immer noch nicht fett.

Hübschen schlanken Frauen unterstellt man häufig Arroganz, ohne jemals mit ihnen gesprochen zu haben. Warum unterstellt man es mir nicht? Warum könnte ich nicht auch ein Arschloch sein?

Du bist ein Arschloch, liege Hengameh, in sehr vieler Hinsicht. Nur kauft man dir eben nicht ab, dass du in Hinblick auf körperliche Schönheit auf Leute herunterblickst.

Hübsche schlanke Frauen hält man leicht für arrogant, weil sie es teilweise sein müssen. Eine „ich spreche nicht mit jedem, lass mich in Ruhe, du störst“-Ausstrahlung kann eben viel Zeit sparen, weil sehr viele Leute etwas von ihr wollen.

Bezeichne ich mich selbst als fett, dauert es keine zwei Sekunden, bis jemand einwirft, ich sei doch hübsch. Bitch, das weiß ich und ich habe nie Gegenteiliges behauptet.

Und das du das weißt, dass nimmt man dir eben nicht ab. Das du es glauben willst vielleicht. Das du gerne hättest, dass es so wäre sicherlich auch. Aber nicht, dass du wirklich glaubst, dass andere dich hübsch finden und dein äußeres als besonders attraktiv wahrnehmen und du deswegen über den Leuten stehst. Das alle dich wollen, wegen deines hervorragenden Körpers. Das du Arroganz zum Schutz einsetzen musst, damit Leute abgeschreckt sind, etwa zu probieren.

Was genau an mir lässt dich glauben, ich sei bescheiden oder nicht selbstbewusst?

In Bezug auf deinen Körper? Deine offensichtliche Unattraktivität. Und das du merkst, dass Leute, dich nicht als schön wahrnehmen und verstehst, dass sie dicke nicht attraktiv finden. Du weißt, dass du in dieser Hinsicht nicht besser bist. Vielleicht denkst du, dass du wegen deiner „Wokeheit“ besser bist und bist in der Hinsicht arrogant. Aber du weißt, dass viele Leute dich hässlich finden.

Schlanke Menschen projizieren ihre Filme auf mich, als wäre ich eine Leinwand, aber ihr RTL können sie woanders spielen gehen.

Das du deinen Schreibstil und diesen Dis überschätzt und in der Hinsicht arrogant bist würde ich sogar glauben.

vgl.