Faschismus

In dem Artikelideensammelartkel wurde vorgeschlafen über Faschismus zu diskutieren. Ich werfe dazu mal etwas in die Runde:

Faschismus war zunächst die Eigenbezeichnung einer politischen Bewegung, die unter Führung von Benito Mussolini in Italien von 1922 bis 1943/45 die beherrschende politische Macht war und ein diktatorisches Regierungssystem errichtete (siehe Italienischer Faschismus).

Ab den 1920er Jahren wurde der Begriff für alle extrem nationalistischen, nach dem Führerprinzip organisierten antiliberalen und antimarxistischen Bewegungen, Ideologien oder Herrschaftssysteme verwendet, die seit dem Ersten Weltkrieg die parlamentarischen Demokratien abzulösen suchten. Die Verallgemeinerung des Faschismus-Begriffs von einer zeitlich und national begrenzten Eigenbezeichnung zur Gattungsbezeichnung einer bestimmten Herrschaftsart ist umstritten, besonders für den deutschen NS-Staat. Mit der Beschreibung und Erklärung des Faschismus beschäftigt sich die Faschismustheorie.

Als Neofaschismus bezeichnet man im engeren Sinne die von Anhängern des Faschismus getragene politische Bewegung in Italien nach Mussolinis Sturz (Movimento Sociale Italiano, 1946–1995). Im weiteren Sinn werden auch in anderen Ländern bestehende rechtsextreme Bewegungen und Parteien so bezeichnet, insofern sie an Programmatik, Symbolik und Aktionsformen des Faschismus und Nationalsozialismus anknüpfen.[1][2] Die Schweizer Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus fasst 2015 zusammen: „Wie Faschismus im Sprachgebrauch ein Oberbegriff geworden ist, kann auch Neofaschismus als Sammelbegriff für alle modernen Strömungen mit faschistischen und nationalsozialistischen Inhalten verwendet werden.“ In politischen Auseinandersetzungen wird der Begriff auch als Schimpfwort gebraucht und oft nach unscharfen Kriterien auf rechte und rechtsextreme Gruppierungen angewandt.[3]

Das scheint mir eines der Probleme zu sein: Es ist ein teilweise sehr unscharfer Begriff. Aus der Einleitung in der Wikpedia ergibt sich:

  • nationalistische Bewegung
  • nach dem Führerprinzip organisiert
  • antiliberal und antimarxistisch

Das passt in der Tat auf viele rechte Bewegungen, scheint mir aber auch auf (vermeintlich) linke Strukturen anwendbar zu sein, die ja auch schnell einen Führer ausbauen können, der die eigene Nation betont (und sei es als Zusammenschluss der dortigen Arbeiter) und antiliberal ist.

Die Wikipedia hat noch einen eigenen Unterpunkt Definition:

Eine Definition von „Faschismus“ gestaltet sich schwierig, da weder der Begriff an sich etwas über sein Wesen aussagt (siehe oben), noch die meisten europäischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit, die im Allgemeinen als faschistisch bezeichnet werden, dieses Wort überhaupt verwendet haben – anders als fast alle kommunistischen Parteien und Regime, die es vorzogen, sich als kommunistisch zu bezeichnen.[9]

Was Faschismus ist oder sein soll, wurde vornehmlich von seinen Gegnern bestimmt, die Theorien des bzw. über den Faschismus entwickelt haben.[10] Seit den 1920er Jahren ist eine intensive Debatte um den Faschismus als umfassenden Gattungsbegriff geführt worden, der nicht nur die von Mussolini geführte Bewegung und Diktatur erklären, sondern ähnliche Organisationen und Regimes in anderen europäischen Staaten kennzeichnen soll. Die empirische Forschung hat dabei vorrangig auf die Identifizierung von strukturellen Kernelementen des Faschismus gezielt.[11]

Ein übergreifender (generischer) Faschismusbegriff, der die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestehenden Regime in Italien, im NS-Staat und in Japan umfasst, ist in der historischen Forschung umstritten. Einige Historiker wollen den Begriff auf Italien beschränken. Andere wie Bernd Martin halten „Faschismus“ als Gattungsbegriff nur für die „Bewegungsphase“ für sinnvoll:

„Faschismus als übergeordneter Gattungsbegriff eignet sich mithin allenfalls für die Bewegungsphasen der drei genuin entstandenen, gemeinhin so genannten Faschismen in Deutschland, Italien und Japan. Als umfassender Begriff für die Regimephasen trägt der Ausdruck hingegen nicht und kann der völlig unterschiedlichen Herrschaftsabsicherung nicht gerecht werden. Es würde daher der historischen Wirklichkeit wie auch dem historischen Selbstverständnis der damaligen Regime in Berlin, Rom und Tokio besser entsprechen, den abgegriffenen Faschismusbegriff aufzugeben.“
– Bernd Martin[12]

Faschismusforscher wie zum Beispiel Roger Griffin, die von einem generischen Faschismusbegriff ausgehen, zielen auf den ideologischen Kern des Faschismus:

„Da die Definition auf den ideologischen Kern zielt statt auf die konkreten historischen Erscheinungsformen (Führerkult, Paramilitarismus, Politik des Spektakels usw.), mit anderen Worten: da sie Faschismus genau wie andere generische politische Ideologien (Liberalismus, Sozialismus, Konservatismus) behandelt, wird es einsichtig, ein politisches Phänomen auch dann als faschistisch zu betrachten, wenn es nur im embryonalen Zustand im Kopf eines Ideologen und ohne Ausdruck in einer politischen Partei, geschweige denn einer Massenbewegung, existiert. Darüber hinaus mag es sinnvoll sein, eine Form politischer Energie als faschistisch zu erkennen, selbst wenn sie auf die Absicht verzichtet, als parteipolitische und/oder paramilitärische Kraft zu operieren und stattdessen einem Ansatz folgt, der eher mit politischem Quietismus denn mit revolutionärem Fanatismus zu tun zu haben scheint.“
– Roger Griffin[13]
Gegen die Subsumierung des Nationalsozialismus unter den Faschismusbegriff wenden die französische Psychoanalytikerin Janine Chasseguet-Smirgel und der deutsche Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn ein, dass damit dessen Wesenskern, nämlich die Rassepolitik und der Holocaust, aus dem Blickfeld gerückt würde. Das NS-Regime erscheine in dieser Perspektive als „eine ganz banale Diktatur“, nicht anderes als die in Italien, in Francos Spanien oder im Chile Pinochets. Dies rationalisiere das Unfassbare der Judenvernichtung und sei letztlich eine Strategie der Erinnerungsverweigerung und Schuldabwehr.

Die erste Definiton kommt mir auch wenig praktikal vor, denn Führerpersönlichkeiten erzeugen ja gern eine Massenbewegung und verbinden das auch gerne mit bestimmten politischen Inhalten.

Die englische Wikipedia greift diese Definitionsschwierigkeiten auf:

The term „fascist“ has been used as a pejorative,[66] regarding varying movements across the far right of the political spectrum.[67] George Orwell wrote in 1944 that „the word ‚Fascism‘ is almost entirely meaningless … almost any English person would accept ‚bully‘ as a synonym for ‚Fascist'“.[67]

Communist states have sometimes been referred to as „fascist“, typically as an insult. For example, it has been applied to Marxist regimes in Cuba under Fidel Castro and Vietnam under Ho Chi Minh.[68] Chinese Marxists used the term to denounce the Soviet Union during the Sino-Soviet Split, and likewise the Soviets used the term to denounce Chinese Marxists[69] and social democracy (coining a new term in „social fascism“).

In the United States, Herbert Matthews of The New York Times asked in 1946: „Should we now place Stalinist Russia in the same category as Hitlerite Germany? Should we say that she is Fascist?“.[70] J. Edgar Hoover, longtime FBI director and ardent anti-communist, wrote extensively of „Red Fascism“.[71] The Ku Klux Klan in the 1920s was sometimes called „fascist“. Historian Peter Amann states that, „Undeniably, the Klan had some traits in common with European fascism—chauvinism, racism, a mystique of violence, an affirmation of a certain kind of archaic traditionalism—yet their differences were fundamental….[the KKK] never envisioned a change of political or economic system.“[72]

Professor Richard Griffiths of the University of Wales[73] wrote in 2005 that „fascism“ is the „most misused, and over-used word, of our times“.[25] „Fascist“ is sometimes applied to post-World War II organizations and ways of thinking that academics more commonly term „neo-fascist“.[74]

Das klingt nach einer schwierigen Abgrenzung.
Was ist also nun Faschismus?