Gender Studies und Ideologie II: Prüffragen auf Unwissenschaftlichkeit und Delegitimierung

In dem E-Book  “Gender, Wissenschaftlichkeit und Ideologie Argumente im Streit um Geschlechterverhältnisse”, welches ich bereits hier kurz angerissen habe, findet sich in Kapitel 7 am Ende  einige interessante „Prüffragen“, die dazu dienen soll Kritik an den Genderwissenschaften einzuordnen.

Die folgenden Fragen geben Hinweise darauf, ob es sich bei einer Äußerung um Kritik oder um Strategien der Delegitimierung handelt. Die Fragen wurden aus den Kapiteln dieser Veröffentlichung abgeleitet und gruppiert. Wenn Sie zum Beispiel mit dem Vorwurf konfrontiert sind, bestimmte Texte oder Positionen seien «ideologisch», eine Studie sei «unwissenschaftlich» oder hätte methodische Mängel, können die folgenden Punkte Sie dabei unterstützen, diese Aussage einzuordnen.

Als ich die Fragen gelesen habe fand ich sie schon fast grotesk lustig, da sie auf die Genderwissenschaften angewandt eigentlich recht gut dokumentieren, dass diese unwissenschaftlich sind. Ich erlaube mir auch eine kurze Prüfung meines eigenen Blogs durchzuführen

A) Grundlegende Art der Argumentation

Inwieweit werden die eigenen Aussagen durch Quellen belegt und Sachargumente angeführt?

Da fängt es bereits an. Die Genderwissenschaften haben üblicherweise keine Quellen und Sachargumente, es werden keine Studien zitiert und es besteht wenig Unterbau abseits des Glaubens bzw. Wissens, dass es eben so ist.

Die meisten meiner Artikel enthalten Studien oder Quellen auf die ich meine Ansichten stütze.

Inwieweit lassen die Ausführungen erkennen, dass die Autorin oder der Autor sich mit dem Gegenstand ihrer oder seiner Kritik fachlich auseinandergesetzt hat?

Da ist natürlich die Frage, was man unter fachlich auseinandersetzen versteht. Die meisten Genderwissenschaftler haben sich nur sehr einseitig mit der Sache auseinander gesetzt. Der gesamte biologische Bereich wird üblicherweise ausgeblendet. Die Grundlagen der eigenen Theorien werden wenig hinterfragt und auch nicht mit dem Forschungsstand abgeglichen.

Natürlich ist auch mein Blog nicht neutral. Ich behaupte aber mal, dass man hier einiges zu feministischer Theorie findet und ich mich insoweit weit mehr mit auch anderen Meinungen zu dem Thema auseinander setze.

Ist die Kritik der Textform angemessen? Wird z. B. ein journalistischer Text oder eine Literaturstudie an Maßstäben für eine empirische Untersuchung gemessen?

Leider besteht die Kritik unabhängig von der Textform häufig in Schmähungen a la „Das ist biologistische / sexistische Kackscheiße„. Selten erfolgt überhaupt ein Eingehen auf Kritik. Wenn setzt sich die Kritik häufig nicht mit dem tatsächlichen Text auseinander, sondern eher mit Strohmännern.

Ich würde nicht sagen, dass ich zu hohe Anforderungen an besprochene Texte lege. Wenn man es nicht bereits als zu hohe Anforderung sieht, dass sie über den jeweiligen eigenen ideologischen Bereich hinaussehen und auch andere Theorien besprechen.

Werden die Kritikpunkte angemessen bewertet und in einen Zusammenhang gestellt? Oder werden kleinere (behauptete oder tatsächliche) Fehler überbewertet, um die ganze Studie oder sogar die gesamte Fachrichtung abzuwerten?

Eine ganze Fachrichtung abwerten ist ein guter Punkt, bei dem man eigentlich nur das Stichwort Biologismus nennen muss. Auch mit den Argumenten der evolutionären Psychologie erfolgt überlicherweise keine Auseinandersetzung, sondern eine pauschale Abwertung.

Kritikpunkte werden selten angemessen bewertet, Kritik wird nach Möglichkeit ausgeblendet oder zensiert. Selten wird sich einmal die Mühe gemacht, die Theorien tatsächlich nachzuvollziehen und ihre Hintergründe und Zusammenhänge zu verstehen.

Ich bemühe mich üblicherweise im Zusammenhang zu erläutern und auf die Theorien in den Genderwissenschaften einzugehen. Ich halte die Genderwissenschaften für stark ideologisch und unwissenschaftlich, versuche aber mich mit den jeweiligen Argumenten im Text auseinanderzusetzen und ihnen nicht bereits weil sie aus den Genderwissenschaften kommen die Berechtigung abzusprechen sondern Argumente entgegenzustellen

Ist der Tonfall polemisch oder beispielsweise unangemessen personalisierend oder abwertend? (Wird beispielsweise auf die sexuelle Orientierung von Personen eingegangen, oder wird die sexuelle Orientierung einer Person mit ihrer inhaltlichen Position in Verbindung gebracht?)“

Maskutroll, Evo-Chris, Biologist, du willst ja nur die 50er zurück, du hast keine Ahnung von dem Thema etc. Debatten mit Genderwissenschaftlern werden schnell persönlich. Meist scheitert es aber eher daran, dass man es erst gar nicht zu einer Diskussion kommen lässt. Und natürlich wird auch auf die sexuelle Orientierung eingegangen  – der heterosexuelle CIS-Mann ist ja ein Feindbild für einige aus den Genderwissenschaften. Und wann hätten die Genderwissenschaften schon jemals geäußert, dass man eine bestimmte Meinung nur hat, weil man ein heterosexueller Mann ist? Es wird schwer sein einen diesbezüglichen Fall zu finden.

Üblicherweise versuche ich sehr sachlich zu bleiben. Natürlich erlaubt man sich hier oder da mal eine Spitze. Ich wusste auch nicht, dass ich jemanden schon einmal aufgrund seiner sexuellen Orientierung seine Meinung abgesprochen habe.

Finden sich Formulierungen, beispielsweise Verballhornungen geschlechtergerechter Sprache («MenschInnen») oder Neologismen («Genderismus»,
«Genderisten»), die lächerlich machen sollen?

Formulierungen die lächerlich machen sollen finden sich recht häufig. Von den bereits angesprochenen Maskutrollen bis hin zu Biologist.

Ansonsten versuche ich selbst solche Verballhornungen zu unterlassen.

B) Inhaltliche Ausrichtung

„Wird verallgemeinert, indem nicht auf eine bestimmte Theorierichtung, einen bestimmten Ansatz oder auf bestimmte Autorinnen und Autoren eingegangen,
sondern ein homogenes Bild gezeichnet wird (z. B. «die» Gender Studies)?“

„Die Biologisten haben unrecht“ oder „die evolutionäre Psychologie ist falsche“ oder „biologische Ansätze sind konservativer Backlash“ wären da zu nennen.

Teils Teils. Natürlich gibt es auch in den Gender Studies vorherrschende Meinungen. Die Gender Studies, auch wenn die Autoren das nicht sehen zu wollen scheinen, sind stark poststrukturalistisch und queerfeministisch geprägt. Kritisiert man diese Theorien, dann kritisiert man damit auch den wesentlichen Kern der Gender Studies

Wird unterschieden zwischen 1. Gender-Theorien im Sinne von Grundlagenforschung, 2. angewandter Geschlechterforschung und 3. der Umsetzung von
Gleichstellungsstrategien? Oder werden Übertragungen vorgenommen, die auf eine intendierte Verzerrung einer Fachdebatte schließen lassen können (z. B. Gender in Gender Mainstreaming auf «Geschlechtsidentität» engzuführen)?

Die wenigsten feministischen Theorien oder Texte aus diesem Bereich scheinen mir diese Unterscheidungen zu machen. Verzehrungen einer Fachdebatte werden aber immer wieder gemacht, beispielsweise indem biologische Theorien nicht oder falsch dargestellt werden.

Sicher werde ich den einen oder anderen Begriff falsch verwendet haben. Ein Engführen ist aus meiner Sicht aber für eine Kritik meist gar nicht erforderlich, da die Theorien bereits zuvor umfassend kritisiert werden können. Es fällt aber insofern auf, dass viele Begriffe sehr schwammig verwendet werden, etwa der Begriff Patriarchat.

Inwieweit werden Begriffe angemessen eingeordnet und entsprechend ihrer  fachlichen Bedeutung benutzt? (Wird z. B. der sozialtheoretische Begriff der  «Konstruktion» nicht als pädagogische Strategie kritisiert oder «Dekonstruktion»  mit «Zerstörung» gleichgesetzt?)

Ach wäre es schön, wenn die Gender Studies sich hinreichend bemühen würden, biologische Begriffe angemessen einzuordnen und passend zu benutzen. Häufig werden aber beispielsweise evolutionäre Umstände, die eine Selektion in eine Richtung begünstigen als tatsächliches Denken der Handelnden verstanden (Etwa wenn man darauf abstellt, dass Fortpflanzung ein wesentlicher Umstand ist und dann darauf verwiesen wird, dass viele Leute einfach nur so Sex haben und dabei verhüten)

Werden lediglich Versatzstücke einer Diskussion oder nicht mehr aktuelle Ansätze  als exemplarisch für den Gender-Diskurs herausgegriffen (z. B. mit Denkerinnen der 1970er Jahre Ansätze der Gender Studies heute erklären)?

Sogar die meisten Bücher aus dem Genderbereich, die auf biologische Theorien abstellen, machen dies. Voss beispielsweise hört in seiner Dissertation im wesentlichen in den 70ern auf und widmet der Antike 232 Seiten, den aktuellen Theorien aber nur 5 Zeilen. Gerne wird darauf verwiesen, dass vor 100 Jahren Frauen noch generell die Intelligenz abgesprochen wurde und die heutigen Ansichten deswegen auch nicht ernst zu nehmen seien. Ein Eingehen auf die modernen Theorien findet man so gut wie nicht.

(von Pickup-Diskussionen ganz zu schweigen: Er verwendet einen Neg, also beleidigt er sie, also will er sie kleinhalten, also hasst er Frauen. Er diskutiert Last Minute Resistance, also will er sie vergewaltigen)

Ich meine zu den gängigen Theorien aus dem Genderbereich Artikel zu haben und dabei auch aktuelle Ansätze berücksichtigt zu haben. Wer meint, dass ich wesentliche Theorien aus dem Bereich noch nicht besprochen habe, den bitte ich um Hinweise

„Werden Konzepte der Gender Studies oder des Gleichstellungsdiskurses banalisiert oder umgedeutet, um sie zu delegitimieren (z. B. De/konstruktion)?“

Konzepte aus der Biologie werden üblicherweise umgedeutet und banalisiert. Ein faires Eingehen auf die Argumente findet nicht statt. Als Beispiel verweise ich zB auf diesen Artikel

Wird die rechtliche Gleichheit von Menschen auf Basis vordiskursiver Argumente  («Biologie») in Frage gestellt?

Die rechtliche Gleichheit mit Biologie in Frage zu stellen wäre wohl ein naturalistischer Fehlschluss. Man Frage insoweit aber mal in den Gender Studies zu männlicher Beschneidung und einem umfassenden Sorgerecht für Männer ab Geburt oder eine nicht an Fristen gebundene biologische Vaterschaft. Da gibt es jedenfalls Meinungen, die in diesen Bereichen gegen eine rechtliche Gleichheit sind

C) Wissenschaftstheoretische Ausrichtung


„Welche Wissenschaftsauffassung liegt der Kritik zugrunde? Gibt es einen  Monopol-Anspruch auf Wissenschaftlichkeit (beispielsweise nur bestimmte  Naturwissenschaften seien wissenschaftlich)?“

Von einer Richtung, die Mainstreamwissenschaft mit der Begründung zurückweist, dass sie patriarisch ist und darauf besteht, dass die feministische Wissenschaft hier nach der Standpunkttheorie besser geeignet ist, ist das eine interessante Frage. Nimmt man dann noch TotalRej dazu, dann zeigt sich, dass dieser Grundsatz dort selten umgesetzt  wird.

Ein striktes Nebeneinander aller Forschungsrichtungen im Sinne einer Sphärentrennung oder eines Disziplinverständnisses gibt es meiner Meinung nach nicht. Auch muss die Lösung nicht immer in einer Gemengelage verschiedener Fachrichtungen liegen. Soziale Theorien können natürlich wissenschaftlich durchgeführt werden. In den Gender Studies ist dies jedoch selten der Fall.

„Ist erkennbar, dass aktuelle wissenschaftstheoretische Debatten wahrgenommen wurden?“

In den Gender Studies: Nein. Die gesammte Medizin und Biologie und auch die Spieltheorie wird zum großen Teil ausgeblendet

„Wird ein Ideologie-Vorwurf gemacht, der sich nur auf die politische Gegnerin  bzw. den politischen Gegner bezieht, die eigene Position jedoch als unideologisch setzt? „

Bei biologischen Begründungen wird schnell gefragt, warum man diese Begründung will, es wird also vermutet, dass man sie deswegen vertritt, weil man selbst Vorteile davon hat oder Ideologe ist. Die eigene Ideologie wird – wie auch die Studie zeigt – nicht wahrgenomnen.

„Gibt es implizite oder explizite Bezüge auf unveränderliche «Wahrheiten» oder  Tatsachen, die sich einer Diskussion entziehen können – zum Beispiel durch  Berufung auf Natur/Natürlichkeit, den «gesunden Menschenverstand» oder  Religion/göttliche Bestimmung?“

Das Patriarchat ist Wahrheit, die hegemoniale Männlichkeit sind Wahrheiten. Vieles davon scheint wohl aus deren Sicht auch unveränderlich zu sein. Natürlich sind zudem biologische Gegebenheiten nur langsam zu ändern. Unveränderlich ist in der Biologie aber nichts, wenn man die Zeitskala groß genug wählt.

D) Selektivität
Werden die selbst definierten Wissenschaftlichkeitsstandards auch an das eigene  Werk oder an Arbeiten aus dem eigenen Netzwerk angelegt?

Wie man oben sieht ironischerweise nicht.