Selbermach Samstag XLIII

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Familiengerichte, Sorgerecht und männliche Diskriminierung

In den Wahlprüfsteinen von AGENS fand sich dieser Text:

Die Praxis der Familiengerichte, das Sorgerecht bei Scheidung/Trennung den Müttern in aller Regel zuzuerkennen, ist zweifelsohne verfassungswidrig, menschenverachtend und für die betroffenen Kinder in hohem Maße schädlich. Die Zahlungsverpflichtungen, die geschiedenen/getrennten Vätern von Gerichten auferlegt werden, sind eines Rechtsstaates unwürdig. Viele der – männlichen – Betroffenen verlieren dadurch ihr Urvertrauen in diese Gesellschaft. Aus ehemaligen Leistungsträgern werden in vielen Fällen Leistungsempfänger mit ständig ansteigenden volkswirtschaftlichen Kosten.

Zum Sorgerecht wurde dann von Leser Sigmundus das Folgende zitiert nach diesem FAZ-Artikel

Insgesamt werden in Deutschland jedes Jahr etwa 350.000 Kinder von Trennung oder Scheidung betroffen. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Wuppertal, Bochum oder Bielefeld. Nach der Trennung der Eltern leidet oft die Beziehung zwischen Vater und Kind: Trennungsväter, die im Streit mit ihrer Exfrau oder -freundin leben, haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes nur selten das Sorgerecht für ihre Kinder, selbst wenn sie verheiratet waren. In jedem zweiten strittigen Fall, der vor Gericht landet, wird der Frau das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Geschiedene Väter bekommen das alleinige Sorgerecht hingegen nur in jedem siebten bis achten Fall – und damit noch seltener, als dass das Kind außerhalb seiner Kernfamilie, etwa bei einer Pflegefamilie, untergebracht wird.”

Es scheint also als gäbe es eine erhebliche Diskriminierung von Männern geben.

Allerdings wird dabei aus meiner Sicht verschiedenes ausgeblendet:

Das Sorgerecht haben verheiratete Eltern üblicherweise gemeinsam. Bei unverheirateten Eltern muss entweder eine Sorgerechtserklärung von beiden Eltern abgegeben werden oder die Erklärung der Mutter durch das Gericht ersetzt werden:

§ 1626a BGB

Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern; Sorgeerklärungen

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

1. wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen),

2. wenn sie einander heiraten oder

3. soweit ihnen das Familiengericht die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

(2) Das Familiengericht überträgt gemäß Absatz 1 Nummer 3 auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge beiden Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht. Trägt der andere Elternteil keine Gründe vor, die der Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, und sind solche Gründe auch sonst nicht ersichtlich, wird vermutet, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht.

(3) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

Verfahren, in denen keine besonderen Gründe geltend gemacht werden oder eben nicht vorliegen wird der Vater daher meist gewinnen.

Andere Fälle sind die, bei denen das gemeinsame Sorgerecht nicht klappt, etwa weil sich einer der beiden nicht um das Kind kümmern will oder die Parteien so zerstritten sind, dass sie das Sorgerecht nicht miteinander ausüben können.

Die gesetzliche Regelung dazu ist diese hier:

§ 1671 Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder

2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder

2. eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Dann wird das Sorgerecht üblicherweise demjenigen zugewiesen, bei dem sich das Kind aufhält (ganz überwiegend also die Mutter), da dieser das Kind am besten kennt und letztendlich auch die Entscheidungen treffen muss.

Ein Teil des Sorgerechts ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Dies regelt, wer die Entscheidung treffen darf, wo sich das Kind aufhält, also auch, bei wem das Kind wohnt.

Zu den Kriterien, nach dem ein alleinige Sorgerecht zugewiesen wird:

Die sog. Doppelte Kindeswohlprüfung. Das Gericht kann dem Antrag nach Abs. 2 nur stattgeben, wenn es davon überzeugt ist, das sowohl die Aufhebung der gemeinsamen Sorge als auch die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

  • Gründe für die Aufhebung der gemeinsamen Sorge:

    • es besteht keine objektive Kooperationsfähigkeit der Eltern
    • es besteht keine subjektive Kooperationsbereitschaft der Eltern
    • Die Beweislast liegt bei demjenigen, der das alleinige Sorgerrecht haben will, Indiz für eine Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit sind insbesondere, wenn die Eltern in Sorgerechtsangelegenheiten von erheblicher Bedeutung verständigungsbereits zusammenarbeiten können und wollen. Die Eltern trifft dabei die Pflicht zwischen der Partnerebene (also das Verhalten in Bezug auf einander) und der Elternebene (Verhalten in Bezug auf das Kind) zu unterscheiden.
  • Übertragung auf den Antragssteller  entspricht dem Kindeswohl

    • Förderprinzip: wer bietet dem Kind die besseren Entfaltungsmöglichkeiten, mehr Unterstützung für den Aufbau der Persönlichkeit, die stabilere und verlässlichere Bezugsperson sein. Dabei sind äußere Aspekte wie die Ausbildung des Elternteils und dessen soziale Stellung, die Möglichkeiten das Kind zu verpflegen etc, aber auch die erzieherische Eignung und die innere Bereitschaft, die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung des Kindes zu übernehmen, zu berücksichtigen

    • Kontinuitätsprinzip: welcher Elternteil ist besser geeignet um eine möglichst einheitliche und gleichmäßige Erziehung des Kinders sicherzustellen. Dabei ist zu berücksichten, inwieweit eine Stabilität des Umfeldes gewährleistet werden kann, also der Personen, die das Kind umsorgen und der Personen, die sonst sein soziales Umfeld, etwa in Schule und Kindergarten, bilden.

    • Kindeswille: Mit steigenden Alter wird der eigene Wille des Kindes immer wichtiger.  Mit der Äußerung des Kindeswilles kann zum einen eine innere Zuneigung zu einem Elternteil deutlich werden, zum anderen soll ab einem bestimmten Alter auch eine Selbstbestimmung durch das Kind in den Vordergrund rücken. Um so älter das Kind ist um so stärker ist dieser zweite Punkt zu gewichten.

    • Bindung an Eltern und Geschwister: Hier ist zu prüfen, welcher Elternteil dem Kind bessere Möglichkeiten bietet die Bindung an Eltern, Geschwister und Dritte  zu erhalten. Hier spielt auch die Bindungstoleranz eine Rolle: Inwieweit läßt der Elternteil die Bindung an andere zu oder fördert diese sogar. Bei Geschwistern wird ein gemeinsames Aufwachsen als der Bindung förderlich angesehen.

Hier sieht man schon, dass das Kontinuitätsprinzip meist eher für die Mutter spricht, wenn eine klassische Aufteilung erfolgt ist und der Mann in Vollzeit gearbeitet, die Frau aber erst zur Kinderbetreuung ausgesetzt hat, dann Teilzeit gearbeitet hat und so weiter. Wie man an den anderen Kriterien sieht kann aber auch vieles für den Vater sprechen.

Daraus sieht man auch, wie die obigen Zahlen zustande kommen. Frauen werden weitaus häufiger die Hauptbetreuung übernommen haben, die Kinder werden nach der Trennung häufiger bei ihnen leben, das alleine gibt ihnen einen erheblichen Vorsprung in den Bewertungen.

Die Anträge werden eher meist die Mütter stellen, der klassische Fall ist, dass der Vater ein “Zahlvater” ist, das Umgangsrecht nicht wahrnimmt und nicht reagiert, wenn die Mutter eine Zustimmung zu irgendwas braucht. Dann beantragt sie das gemeinsame Sorgerecht und in einem Teil der Fälle ist das dem Vater auch relativ egal.

Das Mißtrauen gegen einzelne Richter mag berechtigt sein, aber dennoch muss man daraus keine Verschwörungstheorien der Justiz gegen die Männer stricken. Man kann die höhere Zahl der Entscheidungen zugunsten der Frauen durchaus logisch begründen.

Wer hier einfach die Zahlen vergleicht, der macht letztendlich den gleichen Fehler wie zB der Feminismus beim Gender Pay Gap. Aus abweichenden Zahlen wird zu unrecht auf eine Diskriminierung geschlossen.

Man sollte sich schon die Mechanismen dazu bewußt machen. Damit sage ich nicht, dass alle Regelungen oder Entscheidungen in dem Bereich gerecht sind, aber eine Verteufelung bringt auch nichts.

Überhaupt halte ich diese „Die Gerichte stecken mit den Feministen unter eine Decke, ebenso wie die Rechtsanwälte“ für eine der großen Verschwörungstheorien der Männerrechtsbewegung. Sie ist vielleicht vor dem Hintergrund verständlich, dass hier Laien mit komplizierten Rechtsnormen konfrontiert werden und das Thema häufig hochemotional ist. Häufig allerdings sollte der Ärger nicht gegen Richter oder Rechtsanwälte, sondern gegen den Gesetzgeber gerichtet werden. Mitunter sind es auch eher sozialpädagogische Ansichten, die dort berücksichtigt werden, etwa bei der Frage, ob das Wechselmodell (=das Kind lebt abwechselnd bei der Mutter und dem Vater) gut für das Kind ist.

Wie man auf eine Verschwörung der Rechtsanwälte kommt ist mir gänzlich schleierhaft. Diese verdienen ihr Geld damit, dass sie die Interessen ihrer Mandanten durchsetzen. Familienrechtler sind ganz überwiegend auf beiden Geschlechterseiten tätig und jeweils bemüht die Interessen ihrer Mandanten durchzusetzen. Sie leben als Freiberufler von ihrem Ruf und ihren Mandanten und davon, deren Rechte durchzusetzen. Eine Verschwörung gegen Männer bietet insofern allenfalls der Konkurrenz Raum, sich einen entsprechenden Mandantenstamm zu erarbeiten.

Bei den Richtern gibt es bei einigen, wie man an der langsamen Abkehr vom Altersphasenmodell und der zögerlichen Umsetzung der Änderungen auf dem Gebiet des Unterhaltsrechts sieht, sicherlich einiges an Beharrungstendenzen. Viele junge Richter und auch gerade viele junge Richterinnen sehen aber da durchaus einen Bedarf für Gleichberechtigung und urteilen entsprechend. Begrenzungen der Höhe und der Länge nach sind heutzutage in den Fällen, in denen nicht eine lange Hausfrauenehe vorliegt, durchaus üblich.

Häufig fehlt es hier aber auch an der notwendigen Reflexion über diese Fragen. Ich habe mich neulich auf einer Party mit einem Richter unterhalten und wir kamen auf Männergruppen. Er meinte:

Er als Mann könne deren Anliegen durchaus nachvollziehen und unterstützen, aber viele gerade aus dem Bereich würden halt ein so irrationales Verhalten zeigen, dass man ihnen bereits deswegen die Kinder lieber nicht geben wolle.

Da würde seitenlang Unwesentliches vorgetragen, etwa warum alle Mitarbeiter des Jugendamtes immer gegen ihn waren (Leute, die er auch aus anderen Verfahren kenne und die durchaus nichts gegen Männer hätten) warum alles ganz falsch laufe, wie ihn alle sabotieren, aber nichts dazu, wie er sich früher um das Kind gekümmert habe und wie er es in Zukunft versorgen wolle oder wie seine Einkommensverhältnisse sind und welche Belastungen abzuziehen sind. Wenn man ihnen dann in der Verhandlung sagt, dass sie das wesentliche nicht vorgetragen haben und das, was sie vorgetragen haben an der Sache juristisch vorbeigeht, dann stellen sie erst einmal einen Befangenheitsantrag. Sie steigern sich so in die Sache rein und werden dabei so aggressiv und sind so wenig belehrbar, dass man sich nicht vorstellen will, wie sie auf ein Kind reagieren. Wenn dann die Mutter noch vorträgt, dass sie es ganz vernünftig versucht hat, aber mit ihm einfach nicht zu reden sei, dann würde man ihr das danach jedenfalls eher glauben als sonst.

Das scheint mir auch wieder in den Bereich „Außenwirkung“ hereinzuspielen. Wer zu fanatisch auftritt wird eben auch so wahrgenommen.