Falschbeschuldigung und Vergewaltigung II

Wie bereits im ersten Teil festgestellt ist das Thema Vergewaltigung gerade wieder ein sehr aktuell.

Dodo reibt sich im Mädchenblog an einer Aussage von Julia Seeliger, die nicht mit dem radikaleren Feminismus übereinstimmt und eine Eigenverantwortung der Frau ihre Wünsche und Abneigungen deutlich zu machen sieht:

„Wenn die Frau „Ja“ sagte und „Nein“ meinte, ist das auch noch keine Vergewaltigung, so sehr Beziehungen mit ungleich verteilter Macht zu kritisieren sind.“

Natürlich stieß diese Meinung bei Dodo auf Kritik.

In der Diskussion auf dem Mädchenblog werden dazu die klassischen Positionen vertreten, die im radikaleren Feminismus verbreitet sind.

  1. Was eine Vergewaltigung ist bestimmt immer der Sexualpartner, der sich darauf beruft („Deutungshoheit“ bzw. Definitionsmacht). Da es sich bei einer Vergewaltigung um Sex gegen den Willen desjenigen handelt muss auch allein dessen Wille den Tatbestand ausmachen. Letztendlich wäre daher der erste Teil einer Beweisaufnahme bei einem Prozess schnell erledigt. Der Richter würde denjenigen, der sich vergewaltigt fühlt fragen, ob er sich vergewaltigt gefühlt hätte. Lautet die Antwort „ja“ dann wäre zumindest der objektive Tatbestand einer Vergewaltigung erfüllt.
    Dies steht im Gegensatz zur gegenwärtigen Definition einer Vergewaltigung, bei der eine Person durch Gewalt, Drohung oder unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage genötigt wurde, sexuelle Handlungen über sich ergehen zu lassen. Hier muss also zumindest der Täter einen gewissen Druck ausgeübt haben, damit ein Tatbestand erfüllt ist, das reine Gefühl des Opfers reicht nicht aus.
  2. Die weitere Frage ist dann nur noch, ob der andere Teilnehmer beim Sex dies erkennen konnte. Je nach Radikalität erfordert dies im Feminismus wohl lediglich ein fahrlässiges Erkennen oder aber doch Vorsatz. Da aber Vorsatz aber ein Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung erfordert ist dies bei einem nicht erklärten Willen schwierig. Interessant wäre hier die feministische Darlegung zu einem Eventualvorsatz, wenn der Täter also weiß, dass die Frau Vorbehalte hat und sich möglicherweise vergewaltigt fühlen könnte, ein gewisses Unwohlsein also als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, dies aber billigend in Kauf nimmt. Der Täter billigt dabei  auch einen nicht erwünschten, aber notwendigen Erfolg zur Erreichung seines Ziels. Würde er also denken „Sie hat einen Freund, ich musste ziemlich viel machen um sie ins Bett zu bekommen, sie ist eigentlich ein braves Mädchen, sie hat bestimmt irgendwann während des Sex zumindest kurz mal Gewissensbisse, aber was soll es, sie ist eine erwachsene nüchterne Frau, soll sie doch was sagen, wenn sie damit nicht zurechtkommt, ich bin ihm und ihr nichts schuldig und habe meinen Spass“ dann hätten wir wohl einen Eventualvorsatz, wenn sie dann tatsächlich dabei irgendwann Gewissensbisse im Sinne von „Warum macht er das mit mir, ich bin doch vergeben“ hat.
    Der Diskussionsteilnehmer TaP schlägt aufgrund der Schwierigkeiten bei der Erkennung eines geäußerten Willens der Frau in der Diskussion dann auch wohl vor, sich erst gar nicht damit aufzuhalten, ob der Mann die Tat gebilligt hat, sondern vielmehr bei einem Nichterkennen auf einen Irrtum über den Tatbestand gemäß § 16 StGB abzustellen und darüber den Vorsatz entfallen zu lassen.
  3. Zur Rechtfertigung der Deutungshoheit wird darauf abgestellt, dass die Gefühle des Opfers maßgeblich sind und diese zu respektieren sind. Teilweise wird allerdings diese Deutungshoheit nicht auf das Strafrecht bezogen (teilweise wohl auch nur, weil das eh ein patriarchalisches System ist) sondern nur auf das soziale Miteinander. Dann wiederum allerdings verlangt diese Deutunghoheit, dass man sich im Prinzip so gegenüber dem Opfer verhält als hätte man es mit Gewalt zum Sex gezwungen: Man habe bitte schön auch Räume zu meiden, in denen sich das Opfer aufhält.
  4. Die Deutungshoheit wird je nach Verständnis auch bis zu einer Beweislastumkehr bzw. einem Beweisverbot nicht nur bezüglich der Deutung, sondern auch der Tatsachen ausgedehnt.
    Das altbekannte Argument ist natürlich „Warum sollte das Opfer lügen?“. Was ich immer blödsinnig an dieser Frage finde ist, dass man sie nahezu bei jedem Straftatbestand stellen kann: Warum sollte jemand eine Frau vergewaltigen? Warum sollte jemand jemanden ins Gesicht schlagen weil er meint, dass dieser ihn falsch angeschaut hat? Warum sollte jemand für die paar Scheine in der Brieftasche einen Menschen erschießen?
    Gerade weil Feministen in vielen anderen Diskussionen betonen, dass Sex bei einer Frau mit einem sozialen Stigma verbunden sein kann erschließt sich bereits hieraus die Antwort recht schnell: Sie kann damit die Verantwortung für den Sex abgeben. Hinzu kommt, dass sie Macht ausüben kann oder eine Bestrafung vornehmen kann. All dies sind Motive, die schon viele Menschen zu weit aus schlimmeren Taten verleitet haben. Warum Frauen davon frei sein sollen erschließt sich mir nicht. Insbesondere wenn im Ermittlungsverfahren 50% als mögliche Falschbeschuldigungen angesehen werden sollte man diese Möglichkeit nicht vollkommen ausblenden.

Ich verweise ergänzend noch auf die  Beitrage „Rape Culture oder Angst“ und „Einvernehmlicher Sex ist es, wenn keiner es bedauert“ in diesem Blog.

Was mich bei einer juristischen Änderung des § 177 StGB wie von radikalen Feministinnen gefordert übrigens interessieren würde wären Überlegungen zur Täterschaft/mittelbaren Täterschaft/Beihilfe zu seiner Straftat. Sie weiß, dass sie sich vergewaltigt fühlen wird und das ihm ihre Gefühle herzlich egal sind, ein Teil von ihr will aber trotzdem Sex, vielleicht weil sie gerade Bestätigung braucht, dass er mit ihr schlafen würde. Sie schläft in diesem Wissen mit ihm, und wie zu erwarten fühlt sie sich schlecht und ausgenutzt dabei, obwohl sie willig mitmacht, weil sie weiß, dass sie ihm egal ist, so dass er sie vergewaltigt hat. Sie hasst ihn sogar dabei, ebenso wie sich selbst, wußte aber, dass er mit ihr schlafen wird, wenn sie ihm die Gelegenheit dazu gibt. Sie hat das Wissen in der Hand, dass ihn zum Täter macht und hat die Vergewaltigung billigend in Kauf genommen indem sie mit ihm ohne zu Zögern Sex hatte. Mittelbare Täterschaft/Mittäterschaft an ihrer Vergewaltigung?

Auch interessant wäre die Frage, wie zu verfahren ist, wenn er auch sofort eine Vergewaltigungsbehauptung aufstellt. Diese dürfte ja nicht hinterfragt werden. Werden dann beide bestraft oder keiner?

Ein fiktiver Kommentar zum „feministischen Vergewaltigungsrecht“ hätte glaube ich interessante Rechtsfragen.

Julia Seeliger hat die Debatte bei dem Mädchenblog auch noch mal in einem eigenen Artikel bewertet. Ihrer Zusammenfassung kann ich mich anschließen:

ich wünsche mir, dass es abstrakte Kriterien gibt und keine subjektiven. Und das wollen Schwarzer, das mädchenblog und andere offenbar nicht. In einer solchen Welt des Subjektiven, des Relativistischen möchte ich nicht leben. Und ich glaube auch nicht, dass aus solchen Sichtweisen wirklicher politischer Fortschritt in der Frauenpolitik kommen wird.