Mark Bray: Antifa – The Anti-Fascist Handbook (Gastbeitrag)

Dies ist ein Gastbeitrag von El Mocho

Ich bin auf das „Anti Fascist Handbook“ zufällig in einer Literaturliste gestoßen. Da ich selten irgend
welche theoretischen Äußerung von Antifa gestoßen bin, habe ich es mir mal näher angesehen, der
Titel „Handbook“ verspricht ja zumindest konzentrierte, knappe Informationen.



Nachdem ich es nun noch einmal kursorisch gelesen habe, hatte ich eigentlich keine Lust mehr,
etwas darüber zu schreiben. Die Argumentation erschien mir dermaßen simpel und unkomplex, dass
sich eine nähere Auseinandersetzung damit eigentlich nicht lohnt.
Der Inhalt des Buches lässt sich kurz wie folgt zusammenfassen: Wir (selbsterklärte Antifa) sind die
Guten, und Andersdenkende sind die Bösen. Alle Andersdenkenden sind im Grunde Nazis. Auch
wenn sie sich gemäßigt und liberal geben, ebnen sie nur den Nazis (gewollt oder ungewollt) den Weg
zur Errichtung eines 4. Reiches und zu einem neuen Holocaust. Das muss um jeden Preis verhindert
werden. Wenn es ohne Gewalt geht durch Demos und politische Arbeit OK., wenn das aber nicht
reicht muss man auch Gewalt anwenden, ohne Rücksicht auf Verluste.
Gut die Hälfte des Buches besteht auch aus einem historischen Abriss über die Vorgänger der Antifa,
so wie sie der Autor Mark Bray sieht, vom Beginn des 20ten Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Es
wird relativ wenig über die neue, bessere Gesellschaft gesprochen,die man errichten will, muss in
einem Handbuch für die politische Praxis vielleicht auch nicht sein. Hauptziel der Antifa ist jedenfalls
nicht die neue Gesellschaft, sondern der Kampf gegen die Faschisten.
Ein paar interessante Punkte finden sich dann aber doch, von denen ich zwei darstellen möchte. Der
erste ist die Frage der Redefreiheit; wie man es legitimieren kann, Andersdenkende an der Äußerung
ihrer Meinung zu hindern?
Zunächst einmal stellt Bray fest, dass es im bürgerlichen Staat keine absolute Redefreieheit gibt:
„We must recognize the complete rightlessness of the Guantanamo detainees, the de jure
restrictions on the free speech of the country’s millions of prisoners, and the restricted voting rights
of many formerly incarcerated. All this and not to mention the de facto restrictions on the speech of
the country’s millions of undocumented immigrants, most of whom are too fearful of deportation to
express themselves.“
Antifa haben jedenfalls weit darüber hinausgehende Ziele:
„Antiauthoritarians seek to abolish prisons, states, and the very notion of citizenship—thereby
eliminating this black hole of rightlessness. … While the creation of a classless society would
eliminate the majority of crime stemming from capitalist antagonisms, antifa argue that methods of
restorative justice should replace police and prisons in addressing conflicts that persist.“
Also in der antiautoritären Gesellschaft, nach der die Antfas streben, würde es keine
Gefängnissemehr geben, da es Kriminalität nur im Kapitalsmus mit seinen Widersprüchen gibt. Und
daher natürlich auch keine Beschränkungen der Redefreiheit.
Zusammenfassend:
„Even if you agree that shutting down fascist organizing constitutes an infringement upon the free
speech of fascists, it is still patently obvious that anti-fascists advocate for far more free speech in
society than liberals, both quantitatively and qualitatively. … The debate revolves around the
legitimacy of the “universal” principle that society should not limit speech on political grounds. When
understood as a value rather than a law, it is clear that anti-fascism opposes this principle in its
absolutist form (i.e., that all abridgements of speech are wrong). Instead, many anti-fascists make the

illiberal argument: “no free speech for fascists.” From their perspective, the safety and well-being of
marginalized populations is the priority.“
Da kann man dann nicht mehr viel sagen. Sicher wäre es besser gewesen, wenn man während der
Weimarer Republik früher und härter gegen die Nazis vorgegangen wäre, aber legtimiert das z.B.
Bernd Lucke am lehren an der Hamburger Uni zu hindern? Ist er ein Nazi? Oder einer der den Nazis in
die Hände arbeitet?
Es bleibt irgendwie alles im Beliebigen, aber dies mit aller Entschlossenheit.
Ähnliches gilt auch für die zweite wichtige Frage, die nach der Legimität von Gewalt in politischen
Auseinandersetzungen.
Bray betont zunächst, dass Gewalt für die Antifa nicht zentral, aber denoch wichtig ist: „The vast
majority of anti-fascist tactics involve no physical violence whatsoever. … In truth, violence
represents a small though vital sliver of anti-fascist activity.“
Begründung ist als erstes der historische Hinweis auf den Nationalsozalismus:
„Anti-fascists make a historical argument based on the accurate observation that “rational debate”
and the institutions of government have failed to consistently halt the rise of fascism. Given that fact,
they argue that the only hope to prevent a sequel is to physically prevent any potential fascist
advance.”
Und wer ein “potential fascist” ist, versteht sich offenbar von selbst.
In jedem Fall ist die Gewalt der Antifa als defensiv, als Gegenwehr zu verstehen:
„The first and perhaps most important point to make is that most anti-fascist organizing is literal self-
defense. Most of the antifa groups that formed in the eighties and nineties consisted of punks and
anarchists who had to defend themselves from a growing white-power skinhead menace.“
Diese Situation ist heute wohl nicht mehr gegeben. Wenn Antifa bei irgendwelchen Pegida-
Demonstrationen auftauchen sind sie (bzw. die Gegendemonstraten insgesamt) normalerweise in
deutlicher Mehrheit, ganz zu schweigen von irgendwelchen Übergriffen auf AfD-Parteibüros usw.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Punkt des „Machismo“ der Antifa:
„As the Norwegian antifa Dag remarked, “Whenever violence is part of the political struggle you will
have problems with machismo.”
Auch bei der Antifa scheint sich ein Modell durchgesetzt zu haben, nach dem Frauen die Gegner
ausforschen, während die Männer in der Kneipe tranken, bis es Zeit für Action ist (kommt einem
irgendwie bekannt vor).
Um dieser Tendenz entgegen zu wirken, versuchte man, feministisches Denken mit der Antifa-
Ideologie zu verbinden. Bray weißt in diesem Tusammenhang auf den deutschen Terroristen Klaus
Viehmann (von der Bewegung 2. Juni) hin, dessen Buch „ DREI ZU EINS – Klassenwiderspruch,
Rassismus und Sexismus“ von 1991 offenbar wichtig gewesen ist, s. auch hier:
https://www.nadir.org/nadir/initiativ/id-verlag/BuchTexte/DreiZuEins/DreiZuEinsViehmann.html
„Whether excluded from militancy or critiqued for taking part, women face a variety of gendered
challenges when they take an active part in the anti-fascist movement. That is part of the reason why
some German antifa have created feminist groups called “fantifa.”

Von denen ich noch nichts gehört habe. „Fantifa“ in Deutschland?
Zusammenfassend möcte ich sagen, dass ich Leute wie diesen Bray und seinesgleichen für
brandgefährlich halte. Wer sich das Recht herausnimmt, an der an der Äußerung von unliebsamen
Meinungen mit Gewalt zu hindern, wer meint, das staatliche Gewaltmonopol nach eigenem Belieben
außer Kraft setzen zu können, der stellt sicheigentlich außerhalb des Staates und außerhalb aller
demokratischen Auseinandersetzungen. Daneben fallen natürlich auch all die ideologischen Begriffe
der Identitätspolitik: Patriarchat, Sexismus, Rassismus, Trans-Phobie, Islamophobie usw.
Der Staat hat jeden Grund, gegen diese Leute vorzugehen.