Das unbeschriebene Blatt, der edle Wilde, der Geist in der Maschine und Evolutionsbiologie

Wie gesagt lese ich gerade „Steven Pinker: The blank slate„. In dem ersten Kapitel stellt Pinker zuerst die in der Philosophie angenommen Zustände des Gehirns vor:

  • Das unbeschriebene Blatt oder auch Tabula rasa: Das Gehirn des Menschen ist ein unbeschriebenes Blatt, dass erst durch seine Lebenserfahrungen geformt wird. Danach kann jeder alles sein oder werden, wenn er nur entsprechend darauf geschult wird. Es gibt keine angeborenen Vorstellungen oder Werte. Alles ist Kultur. John Locke war ein Vertreter dieser Denkart, die als Empirismus bezeichnet wird, weil der Mensch auf seinen Erfahrungen aufbaut.
  • Der edle Wilde: Die Theorie des edlen Wilden geht davon aus, dass das Verhalten des Menschen gut wäre, wenn er nicht durch die Gesellschaft korrumpiert werden würde. Der edle Wilde hat sich diesen Urzustand bewahrt und an ihm kann man ihn teilweise erkennen. Er stellt das Idealbild eines Menschen dar, der seine ursprüngliche Natur hat und durch die Zivilisation noch nicht korrumpiert wurde. Ein Vertreter war beispielsweise Jean-Jacques Rousseau. Die Denkart ist typisch für die Romantik.
  • Der Geist in der Maschine: Der Geist in der Maschine entstand als Bild mit dem immer besser werdenden medizinischen Wissen. Um noch Platz für die „Seele“ bzw. etwas nicht biologisches zu lassen, stellt man sich die Seele als den Steuermann einer (biologischen) Maschine vor. Das, was letztendlich den freien Willen ausmacht und das Menschliche ist, sind die Entscheidungen des Geists in der Maschine, der uns steuert. Diese Denkweise setzt daher eine Trennung zwischen Körper und Geist voraus und ist insoweit dualistisch.

Gegen das leere Blatt kann man einwenden, dass ein leeres Blatt schon keine Informationen verarbeiten kann, um wichtige von unwichtigen Handlungen zu unterscheiden. Es muss also zumindest eine Startsoftware vorhanden sein. Zudem zeigen vielerlei Forschungen, dass eine vorherige Programmierung vorliegt und zudem auch Triebe vorhanden sind

Der edle Wilde ist meist das Ergebnis unzureichender Forschung. Neuere Forschungen zeigen eher, dass die Wilden in vielen Bereichen grausem und brutal sind und keineswegs gut.

Der Geist in der Maschine ist der gleichen Kritik ausgesetzt wie Religion an sich. Wir brauchen ihn schlicht nicht. Die Forschung drängt diesen Geist ebenso zurück, wie es die Forschung ansonsten in Bezug auf übernatürliche Phänomene tut.

Um so besser wir den Körper begreifen, um so besser werden wir auch verstehen, wie unser Denken entsteht.

20 Gedanken zu “Das unbeschriebene Blatt, der edle Wilde, der Geist in der Maschine und Evolutionsbiologie

  1. Tatsächlich habe ich als Kind einen faible für Künstliche Intelligenz gehabt. Das lustige ist, das ich in deine Kommentaren manche meiner überlegungen wiederfinde.
    Ich kam relativ schnell darauf, dass die simple Fähigkeit, zu lernen, ohne dass eine Richtung vorgegeben ist, zu nichts führt (leeres Blatt)
    Und das es Instinkte, also Zielvorgaben braucht. Der Geist in der Maschine… gerne mal zitiert, wenn es um die Spontane entwicklung einer Persönlichkeit einer Maschine im Film geht, kann ohne nicht funktionieren. Umso erstaunlicher, wie unsichtbar uns oft unserere eigenen „Zielvorgaben“ a ka Instinkte sind. Kein neurales Netzwerk wird von sich aus z.B. Gemeinschaftsgefühl entwickeln.

  2. @Bad hair day

    So geht es mir gerade beim Lesen von Pinker. Ich kann das Buch bisher nur empfehlen.

    Er gibt auch ein Beispiel zur Software:
    In einem Forschungsinstitut soll Robotern lernen beigebracht werden (der Anfang von Skynet 😉
    Das stellt sich als erstaunlich komplex heraus:
    Ein Beispiel ist ein Schraubverschluss. Ein Mensch nimmt das Glas guckt zum Roboter, wischt sich noch einmal die Augenbrauen, dreht dann den Deckel mit der richtigen Kraft in die richtige Richtung. Menschen nehmen so etwas recht schnell auf. Aber einer Maschine zu erklären, was davon wichtig ist und was nicht, ist unglaublich komplex. Ebenso nehmen Babys Sprachen sehr unkompliziert auf im Vergleich zu Erwachsenen und Sprache hat überall die gleichen Grundelemente, wenn die Konstruktionen auch etwas unterschiedlich sind.

    Macht eine Tabula Rasa doch sehr unwahrscheinlich.
    Von Auswirkungen von Gehirnbeschädigungen und deren Aussagekraft ganz zu schweigen.

  3. Ja, unsere Instinkte sind in der Regel unbewusst wirksam.
    Das liegt ganz einfach daran, dass sie in jenen basalen Hirnregionen unterhalb unserer Bewußtseinsebene, unseres Neocortex, angesiedelt sind, in jenen Hirnbestandteilen, die wir mit primitiveren Säugetieren gemeinsam haben, deren Instinktsteuerung wir sofort erkennen.

    Hinzu kommt, dass menschliche Instinkte menschliches Verhalten nicht mehr determinieren, wie das bei Tieren sehr viel stärker der Fall ist, sondern nur noch disponieren.
    Wir können diesen Dispositionen nachgeben, dem unwillkürlichen Handlungs-, Triebimpuls.

    Das ist in der Regel mühelos und lustvoll.

    Oder wir können ihm bewusst widerstehen, anders handeln als es uns zu handeln drängt.

    Das schafft unser bewusster Wille.
    Den gegen instinktive Handlungsdispositionen zum Einsatz zu bringen ist allerdings in der Regel mühsam, anstrengend, ermüdend, wie das Rudern gegen den Strom.

    Es ist einfacher, sich mit dem Strom treiben zu lassen, befriedigender, wenn auch nicht immer klug.

    Da die Instinkte von Männchen und Weibchen, die Instinktdispositionen von Männern und Frauen UNTERSCHIEDLICH sind, ergibt sich bei Gleichberechtigung des Ungleichartigen, das natürlich in verschiedene Richtungen strebt/zu streben geneigt ist, niemals Gleichstellung/Gleichverteilung, weil Gleichberechtigung ja nur die inhärente Ungleichartigkeit (im Schnitt, trifft also nicht auf jedes Inidivduum zu!) gleichermaßen berechtigt, sich auszudrücken.

    Gleichstellung des Ungleichartigen kann ich nur durch Diskriminierung der einen oder der anderen Eigenart erzwingen, sehr schön gefasst im Bild des Prokrustesbettes.

    Weshalb die hierzulande propagierte GLEICHSTELLUNGSpolitik auch mehr und mehr dazu übergeht, Männern die Beine abzuhacken und Frauen mittels Quoten und einseitiger Förderung auszustrecken, damit sie endlich gleich groß werden, die Männer und die Frauen.

    Mehr als Gleichberechtigung aber ist DARUM, wegen der unterschiedlichen „Seinsarten“ von Männern und Frauen, ethisch nicht zu rechtfertigen, weil Gleichstellung anzustreben immer bedeutet, die eine oder die andere Eigenart missachten und vergewaltigen zu müssen.

    Anstatt sie in Freiheit GLEICH BERECHTIGT sein zu lassen und die daraus erwachsende Ungleichheit, in der sich das Ungleichartige frei ausdrückt, zu akzeptieren.

    Darum ist der Gleichstellungsfeminismus in meinen Augen Gendersozialismus, der mit Zwang und Planwirtschaft eine Gleichstellung herbeioktroyieren will, die in Freiheit nicht erreichbar ist, weil das, was Gleichstellung in Freiheit zur Voraussetzung hätte, nicht gegeben ist: DIE GLEICHARTIGKEIT.

    Deshalb wird dieser Geschlechtersozialismus/Gleichstellungsfeminismus auch scheitern, weil man gegen die Natur nicht gewinnen kann, nicht auf Dauer.

    Es zu versuchen erschöpft die Menschen maßlos in unproduktiver Anstrengung, indem man sie zwingt, gegen ihre Strömung zu rudern.

    Man kommt nicht recht voran, obwohl man sich so sehr anstrengt.

    Für mich ist nur noch die Frage, wie verheerend die Folgen seines Scheiterns für unsere westliche Zivilisation insgesamt sein werden.

    Um so verheerender, je länger es dauert und je energischer ein Mehr vom Falschen verordnet wird.

    Das wird dann erst mit dem völligen Zusammenbruch des so fehlgesteuerten Systems enden, wie weiland im Ostblock.

    Wenn alle restlos erschöpft sind, müde Lähmung vorherrscht, der große, matte Überdruss.

    Dann sackt so ein System wg. Entkräftung der Protagonisten in sich zusammen.

    • Leider geben sie damit aber selbst ein Beispiel für die Unsichtbarkeit von Instinkten ab. Wir haben derzeit eine Gesellschafts- udn Wirschaftsform, die sich an den maskulinen Instinkten nicht nur Orientiert, sondern sie regelrecht zelebriert. Allerdings bemerken auch männer zunehmend, dass es auf dauer Pervertiert („The winner takes it all“).

      Ich finde es unheimlich spannend, Matriarchate (die ja eben gerade nicht durch Patriarchinnen gekennzeichnet sind) mit Patriarchaten zu vergleichen. Und zu schauen was Matriarchate und eher ausgeglichene Formen (da sind wir schon eher ein wenig mit unserer) zu extremen Patriarchaten werden lässt. Afganistan ist dafür ein Musterland.

      Gerne als Beispiel für die „Schlechtigkeit“ des Islams hergenommen, hat sich diese extreme Frauenunterdrückung dort eigentlich erst herausgebildet, als Afganistan zum heissen Schauplatz des Kalten Krieges und folgerichtig zum Hotspot des „Kriegs gegen den Terrorismus“ wurde. Und es ist nicht so, dass der Christliche Glaube nicht das selbe Potential zum Missbrauch hätte.

      Ich finde das Thema ziemlich spannend.

  4. Die Steuerung stelle ich mir auch so vor. Es geschieht eben viel über Wünsche, gegen die wir uns zwar entscheiden können (wir können uns zB entscheiden zu verhungern) aber der andere Weg erscheint uns eben viel leichter und die Entscheidung unseren Wünschen nachzugeben erscheint und logisch und sinnvoll (obwohl sie dies nur ist, weil wir die Wünsche selbst teilweise in unsere Kultur übertragen haben und so die Biologie deren Bestandteil geworden ist.

    Wir verstehen zB, dass jemand Sex haben will. Aber es ist ja nicht logisch, ein bestimmtes Körperteil in ein anderes Körperteil eines Menschen zu stecken und sich dort rhythmisch zu bewegen, bis man etwas Flüssigkeit absondert und ein paar Muskelzuckungen durchlebt. Erst durch das biologische Lustgefühl, die Ausschüttung von Hormonen, wird es eigentlich sinnvoll.

  5. „Ich finde es unheimlich spannend, Matriarchate (die ja eben gerade nicht durch Patriarchinnen gekennzeichnet sind) mit Patriarchaten zu vergleichen. Und zu schauen was Matriarchate und eher ausgeglichene Formen (da sind wir schon eher ein wenig mit unserer) zu extremen Patriarchaten werden lässt. Afganistan ist dafür ein Musterland.

    Gerne als Beispiel für die „Schlechtigkeit“ des Islams hergenommen, hat sich diese extreme Frauenunterdrückung dort eigentlich erst herausgebildet, als Afganistan zum heissen Schauplatz des Kalten Krieges und folgerichtig zum Hotspot des „Kriegs gegen den Terrorismus“ wurde. Und es ist nicht so, dass der Christliche Glaube nicht das selbe Potential zum Missbrauch hätte.“

    @BHD
    Sorry, aber das ist reinstes Gendergewäsch. Hier bevormunden Sie, wie es damals die „lesbischen“ Feministinnen taten, wiederum alle Frauen. Wenn Sie schon poststrukturalistisch argumentieren, dann sollten Sie aber auch erklären können, warum ihr Weltbild den afghannischen Frauen, die damit zufrieden sind, mehr bringen sollte als ihr eigenes. Aber nicht vergessen, Wahrheit ansich gibt es ja nicht mehr. Das ist dann eine Frage der Macht.

    „extreme Frauenunterdrückung“ – ich glaube nicht, dass Sie wissen, wovon Sie sprechen. Verallgemeinern Sie doch nicht immer Ihr wackeliges Weltbild für alle Kulturen, die schon Jahrtausende so leben.

    @Roslin
    Ich stimme Ihnen zu 100% zu und sehe in der Argumentationsstruktur von BHD klar den von Ihnen erwähnten Unterschied. Den Hass auf das Männliche, Patriarchale, Testosteron. Dagegen gilt es sich zu wehren, und das machen wir ja auch immer erfolgreicher.

  6. ich wär bei Pinker vorsichtig, ob er einem nicht einen strawman als gegenposition serviert. Rousseau ist wohl nicht ganz so simpel, wie er oft rezipiert wird

  7. @bigmouth

    Pinker schreibt durchaus noch etwas mehr dazu und es geht ihm auch nicht um Rousseau an sich, sondern um eine Darstellung der Gegenposition „der edle Wilde“ und deren Widerlegung.

    Aber was meinst du denn, welches wichtige Argument oder welchen Unterschied Pinker vergessen hat?
    Und was würdest du meinen, inwiefern unser Gehirn „vorformatiert“ ist?

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