Abschaffung des Ehegattensplittings und seine Folgen:

Der Spiegel berichtet über eine Studie, die für den Fall des Abschaffens des Ehegattensplittings erhebliche wirtschaftliche Vorteile sieht:

Die Abschaffung des Ehegattensplittings und eine Umstellung der Besteuerung auf eine individuelle Veranlagung der Ehepartner könnte bei gleichem Steueraufkommen zu mehr als einer halben Million zusätzlichen Vollzeit-Arbeitskräften führen, heißt es in einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI). Mehr Menschen könnten so erwerbstätig werden.

Ich hatte hier schon einmal die Vorteile des Ehegattensplittings dargestellt:

Der Begriff Splittingtarif stammt aus dem deutschen Einkommensteuerrecht und beschreibt den für zusammenveranlagte Ehepaare anwendbaren Steuertarif. Rechtsgrundlage ist § 32a Abs. 5 EStG. Hierbei wird folgendes Verfahren verwendet:

Das zu versteuernde Einkommen (zvE) der Ehegatten wird ermittelt und halbiert (gesplittet).
Für das halbierte zvE wird die Einkommensteuer nach dem geltenden Einkommensteuertarif berechnet (früher: aus der Grundtabelle abgelesen).
Die so errechnete Einkommensteuer wird verdoppelt.
Dieses Splittingverfahren bewirkt, dass das zu versteuernde Einkommen (zvE) zu gleichen Teilen auf beide Ehegatten verteilt wird. Hierdurch wird das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht auf den einzelnen Ehegatten, sondern auf das Ehepaar als Wirtschaftsgemeinschaft angewendet. Welcher der Ehegatten wie viel zum ehelichen Gesamteinkommen beigetragen hat, ist unerheblich. Das gemeinsame zvE eines gemeinsam veranlagten Paares wird bei diesem Splittingverfahren mit dem gleichen Steuersatz belastet wie das halb so hohe zvE eines einzeln Veranlagten. So beträgt beispielsweise im Einkommensteuertarif 2010 bis 2012 der effektive Steuersatz eines Paares mit einem gemeinsamen zvE von 48.000 € etwa 16 %. Das zvE eines einzeln Veranlagten in Höhe von 24.000 € wird mit dem genau gleichen Steuersatz belastet.

Die Splittingwirkung tritt nur ein, wenn bei progressiven Steuertarifen zwischen den Ehegatten bzw. Lebenspartnern eine Einkommensdifferenz besteht und nicht beide im Einkommen über einer eventuell vorhandenen Progressionsobergrenze liegen. Denn die Progression sorgt in solchen Fällen dafür, dass bei Individualbesteuerung mit wachsender Einkommensdifferenz immer höhere Steuern anfallen. Durch das Splittingverfahren wird dieser Effekt für gemeinsam veranlagte Paare kompensiert, während er für einzeln veranlagte Personen bestehen bleibt.

Der Splittingeffekt ist abhängig

von der Verteilung des zvE zwischen den Ehegatten bzw. Lebenspartnern,
von der Höhe des zvE insgesamt sowie
vom Steuertarif (Progressionsverlauf).
Bei einem nominellen Einheitssteuersatz kann ein Splittingeffekt nur entstehen, wenn – beispielsweise über Freibeträge – mindestens eine Progressionsstufe existiert.

Die Ehegatten A und E haben zusammen ein zvE von insgesamt 80.000 €. Die tarifliche Einkommensteuer mit Splittingverfahren für die Ehegatten beträgt dann 18.014 € (Einkommensteuertarif 2010/2011 ohne Solidaritätszuschlag), unabhängig davon, wie die Einkommen verteilt sind. Das Splitting stellt dadurch sicher, dass alle Ehepaare mit einem Gesamteinkommen von 80.000 € eine gleich hohe Einkommensteuer zahlen.[9]

Dieselbe Steuerbelastung ergibt sich ohne Splitting („Individualbesteuerung“) nur dann, wenn sich das Einkommen exakt gleichmäßig auf beide Partner verteilt:

Referenzverteilung: Jeder Ehegatte hat jeweils 40.000 € beigetragen.zvE von A = 40.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 9.007 €
zvE von E = 40.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 9.007 €
Einkommensteuer (ohne Splitting) insgesamt: 18.014 €, also identisch mit der beim Splitting.
Jede andere Verteilung des Einkommens würde hingegen bei Individualbesteuerung zu einer zusätzlichen Steuerlast führen, die umso größer wird, je ungleicher das Einkommen verteilt ist:

Verteilungsvariante A: Ehegatte A hat 60.000 €, Ehegatte E 20.000 € beigetragen.zvE von A = 60.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 17.028 €
zvE von E = 20.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 2.701 €
Einkommensteuer (ohne Splitting) von A und E zusammen: 19.729 €
Ohne Splitting hätte dieses Ehepaar einen Steuernachteil von 1.715 € gegenüber der Referenzverteilung und würde behandelt wie zwei Alleinstehende.
Verteilungsvariante B: Ehegatte A hat 80.000 €, Ehegatte E 0 € beigetragen.zvE von A = 80.000 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 25.428 €
zvE von E = 0 €, Einkommensteuer bei Individualbesteuerung: 0 €
Einkommensteuer (ohne Splitting) von A und E zusammen: 25.428 €
Ohne Splitting hätte dieses Ehepaar einen Steuernachteil von 7.414 € gegenüber der Referenzverteilung und würde behandelt wie zwei Alleinstehende.

Etwas kürzer und untechnischer wäre es wohl zu sagen, dass das gegenwärtige Steuerrecht bei Verheirateten es einfacher  macht, dass einer nicht arbeitet oder nur im geringen Umfang, weil das Einkommen des anderen dann höher ist als ohne Ehe, da er Freibeträge doppelt nutzen kann und von der Einordnung in eine niedrigere Steuerprogression profitiert und das die Steuerklasse 5 dazu führt, dass kleinere Tätigkeiten noch unprofitabler erscheinen.

Der Effekt der vermehrten Arbeitskräfte kommt also teilweise schlicht dadurch zustande, dass es schwerer ist den anderen Partner finanziell auszuhalten und dieser damit eher Arbeiten gehen muss.
Das ist für Politiker erst einmal ein schwer zu verkaufende Botschaft: Wir wollen euch mehr Geld abnehmen, und zwar Geld das ihr in die Finanzierung eures Hauses und in eure Lebensgestaltung eingeplant habt.

Da klingt wahrscheinlich für viele „wir Befreien die Frau“ eher etwas zynisch. Allerdings könnte das natürlich auch für Männer einiges an Vorteilen bewirken: Die (vollzeit-)arbeitende Frau wird normaler, die Kinderbetreuung wird ausgebaut werden etc.
Allerdings bewirkt es natürlich auch einen Preisdruck für die Gehälter in bestimmten Bereichen, wenn dort plötzlich über vermehrte Arbeit der Arbeitsmarkt anders gestaltet wird.

Solch eine von SPD, Grünen und Linken mit Verweis auf die Chancengleichheit von Eheleuten geforderte Reform des Steuerrechts führt demnach allerdings auch zu finanziellen Verlusten bei vielen Bevölkerungsgruppen.

Im Falle einer Abschaffung des Splittings sinke das verfügbare Einkommen für die Mehrheit der Paare mit ungleichen Einkommen, vor allem für untere, »finanziell gefährdete Gruppen«, heißt es in der Untersuchung. Laut RWI müsste das wirtschaftspolitisch berücksichtigt werden, beispielsweise indem das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden.

Das wäre dann der Grundsatz „nicht die Ehe soll gefördert werden, sondern Kinder“. Der hat durchaus etwas für sich, denn warum sollten kinderlose Paare gesellschaftlich gefördert werden?

»Unsere Untersuchung zeigt, dass sich eine Abschaffung des Ehegattensplittings sehr positiv auf die Erwerbstätigkeit und auf die Geschlechtergleichheit in Deutschland auswirken könnte«, sagte RWI-Finanzwissenschaftler Robin Jessen dem »Handelsblatt«, das zuerst über die Studie berichtete. Insgesamt könnte das Bruttoinlandsprodukt einmalig um bis zu 1,5 Prozent steigen, was wiederum die Staatsverschuldung reduziere.

Das Problem bei solchen Berechnungen ist ja, dass es sehr schwierig ist zu kalkulieren, wie die Leute reagieren. Müssen sie mehr arbeiten? Finden sie passende Stellen?

on dem 1958 eingeführten Ehegattensplitting, bei dem große Gehaltsunterschiede zwischen den Partnern steuerlich berücksichtigt werden, profitieren Familien, die eine traditionelle Rollenverteilung leben – mit einem Hauptverdiener. So kann es sich finanziell etwa lohnen, dass ein Ehepartner wenig oder gar kein Geld verdient.

Kritikern zufolge ist das ein Fehlanreiz. Gerade Frauen, die in Beziehungen häufig auch noch die Kinderbetreuung übernehmen, verharren Experten zufolge deshalb oft in einer Teilzeittätigkeit oder in einem Minijob – oder arbeiten gar nicht. Dies wiederum führt im Alter zu niedrigeren Rentenansprüchen.

Während linke Parteien das Ehegattensplitting nach der Bundestagswahl deshalb abschaffen oder zumindest verringern wollen, halten FDP und Union bisherigen Plänen zufolge an den Vorteilen für gemeinsam veranlagte Ehepartner fest. Die finanzpolitische Sprecherin der Union, Antje Tillmann, sagte dem »Handelsblatt«: »Für die Union ist das Ehegattensplitting nicht verhandelbar.«

Da bietet sich aus meiner Sicht einiges an Wahlkampfpotential für die Union, denn die meisten Familien finden das Ehegattensplitting wahrscheinlich ganz gut.

Insofern kann man ein schönes Schreckgespenst vor Grün-Rot-Rot aufbauen.

Bisher kam die Debatte darum alle paar Jahre hoch. Mal sehen ob sie diesmal tatsächlich zu einer Änderung führt.