Selbermach Samstag

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Der Typus des guten Patriarchen, politische Archetypen und die Frage, welchen Baerbock eigentlich verkörpert.

Lucas Schoppe analysiert die Grünen und ihre gegenwärtige Lage mit Baerbock als Kanzlerkandidatin.

Ein erstes Selbstmissverständnis der Grünen, welches er dort ausmacht, ist, dass die Grünen nicht erkennen, dass sie mit einem Mann vom Typus des guten Patriarchen eigentlich bisher die größten Erfolge gehabt haben:

Das erste Selbstmissverständnis der Grünen ist die Vorstellung, die Grünen würden für ein modernes, an Gleichberechtigung und Frauenbefreiung orientiertes Geschlechterbild stehen. Tatsächlich waren sie bei ihrer Klientel immer dann besonders erfolgreich, wenn sie nicht etwa – wie die CDU – eine erfolgreiche Frau als Spitzenkandidatin hatten, sondern wenn ein Mann vom Typus des guten Patriarchen an ihrer Spitze stand.

Der Erfolg der Grünen hängt, mehr als bei jeder anderen Partei, an einem Politiker, der das Bedürfnis nach einem starken Mann mit Charisma und dem Eindruck von Selbstreflexion und Zivilisiertheit bedient. Mit Joschka Fischer waren sie zum ersten Mal in einer Landes- und in einer Bundesregierung – mit Winfried Kretschmann haben sie stabil seit vielen Jahren den ersten Ministerpräsidenten – und mit Robert Habeck konnten die Grünen zum ersten Mal realistisch vom Kanzleramt träumen.

So sehr die Grünen und ihre Klientel auch die Feier der selbstbewussten, eigenständigen modernen Frau für ihr Selbstverständnis benötigen – so hemmungslos verzückt, wie Jana Hensel über Robert Habeck in der Zeit schrieb, hat sich über Baerbock trotz allem Jubel niemand geäußert. Noch Habecks Löcher in den Socken gerieten Hensel irgendwie zu Insignien einer lässigen, selbstbewussten Männlichkeit.

Das finde ich eine interessante Betrachtung und in der Tat kann ein maskuliner Archetyp, der charismatische Rebel, bei den Grünen sicherlich eher entstehen als etwa in der CDU. Da passen Joschka Fischer und Robert Habeck durchaus rein, während Winfried Kretschmann eher ein väterliches Charisma ausstrahlt, aber er ist ja in gewisser Weise auch jemand, der eigentlich vergleichsweise konservativ ist und bei einem Wechsel zu der CDU auch wenig inhaltliche Probleme hätte. Mit Kretschmar feiern die Grünen ihren größten Erfolg mit einem Ministerpräsidenten, gegen den die Autoindustrie vor Ort nichts hat. Im Jahr 2018 veröffentlichte Kretschmann ein Buch unter dem Titel „Worauf wir uns verlassen wollen: Für eine neue Idee des Konservativen.“ So gesehen ist er ein konservativer Rebell innerhalb der Grünen (wobei er in seiner Jugend dem Kommunismus nahestand, was er heute als Fehler ansieht).

Der Rebell verkörpert evolutionär einen wichtigen Schritt, das Neue, dem das Alte weichen muss, der also eine modernere Ordnung einführt. Der väterliche Patriarchat verkörpert jemanden, der für Stabilität steht. Beide sind natürlich auch Elemente gerade innerhalb der intrasexuellen Konkurrenz insbesondere unter Männern.

Einen Archetyp zu finden, den Baerbock verkörpert, ist da wesentlich schwerer zu finden. Was es für sie vielleicht auch schwerer macht ein Profil für sich aufzubauen. Kurzzeitig schien sie es mit „eine von uns“ versuchen zu wollen, eine, die eine neue Leichtigkeit mit in das Amt bringt und alles irgendwie nicht so ernst nimmt.

Aber aus irgendwelchen Gründen kommt bei ihr häufiger – wie auch in diesem Bild – etwas infantiles durch – die Seifenblasen, die Kobolde, die Einstellung man könne als Bundeskanzlerin auch Prioritäten auf die Familie legen und einfach mal nicht da sein, die Fehler in ihrem Lebenslauf waren „Mist“, die verspätete Meldung von Einkünften ein „blödes Versäumnis“ und auf Nachfrage, ob  das jetzt wirklich alles war, was zu korrigieren war, wirkt sie eher patzig.

Gerhard Schröder gelang es, das „Einer von euch“ wesentlich besser zu besetzen („Hol mir mal ne Flasche Bier“, weil er die Rolle des volksnahen Anführers besetzte, der aber nach wie vor Anführer bleibt und hart arbeitet, aber dabei mit einem Bier in der Hand unter normalen Leuten dennoch gut zurechtkommt. Er musste nie betonen, dass er (Voll-)Jurist ist, weil seine Rolle klar war.

 Baerbock hingegen versuchte einen interessanten Spagat: Die Betonung der „Völkerrechtlerin“, sehr gefährlich, wenn einem dann der Lebenslauf um die Ohren fliegt und der Fachperson (was dann auch nicht zu den Kobolden und den Hähnchen passt) und dem kleinen unbedarften Mädchen, dass gar nicht gedacht hätte, dass man den Lebenslauf kontrollieren wird (gemein!) und das ein Kanzleramt nicht nebenher zu machen ist.

Das sind beides keine so dankbaren Rollen für eine Frau, die Bundeskanzlerin werden will.

Sie hat schon korrigiert mit der Aussage, dass die Kinderbetreuung ihr Mann übernehmen wird. Aber das ist natürlich eine Aussage, die innerhalb der grünen Ideologie andere Probleme mit sich bringt, weil man dort ja eher die Vereinbarkeit von Spitzenjobs mit Familie ins Spiel bringt und die böse patriarchale Arbeitswelt verdammt, die das verhindert. Baerbock muss innerhalb der Grünen insofern eine durchaus schwierige Rolle spielen: Die der Frau, die Kinder und Karriere unter einen Hut bringt, was ja bisher auch ging und sich nicht „patriarchalen Lebenswelten“ unterwirft. Gleichzeitig darf sie nicht so wirken als würde sie das Amt nicht ernst nehmen.

Dagegen ist Habecks Rolle leichter umzusetzen: Der Rebell ist ein Selbstläufer, weil er zum einen alles damit entschuldigen kann, dass er eben ein Rebell ist, selbst Löcher in den Socken und zum anderen der Rebell gleichzeitig hart für seine Rebellion arbeiten kann. Er ist eben ein Anführertyp, etwas was Baerbock nicht verkörpert, was aber in der Tat etwas ist, nach dem sich viele Menschen, gerade auch Grüne, sehnen.

Denn die Themen der Grünen sind ja in dem Gegensatz von Ordnung und Chaos in vielen Bereichen gerade Ordnung: Sie haben in vielen Bereichen einen autoritären Charakter, wollen neue, bessere Regeln vorgeben, wollen Umweltziele einrichten und umsetzen, damit die Welt in Ordnung bleibt, wollen Wohlstand auf der Welt neu verteilen und Diversität herbeiführen etc. Natürlich sehnen sich Leute, die allen anderen ihre Regeln aufdrücken wollen, nach Anführern.

Paradoxerweise ist diese Ordnung aber gerade bei Frauen bei den Grünen nach wie vor mit der Abgabe von Verantwortung verbunden: Frauen sollen Quoten bekommen, damit sie sich nicht dem gleichen Kampf stellen sollen. Sie sollen einfach auf gleiches Gehalt gesetzt werden, auch wenn sie in ganz anderen Bereichen arbeiten, in denen Profite geringer sind, sie sollen beschützt werden und Mütter sein dürfen, am besten vom Staat unterstützt. Lucas führt zu Recht an, dass die dortige Vorstellung von Geschlechterrollen gerade stark davon geprägt ist, dass Männer nicht die gleichen Rechte bekommen wie die Frauen. Baerbocks Darstellung ihrer Selbst scheint mitunter eher daran angelegt zu sein: Ihre Kanzlerschaft ist etwas, was eben geschehen soll, nicht erarbeitet und erkämpft sein soll. Etwas, gegen das es keinen Widerstand geben darf. Das man jetzt so über sie herfällt, dass ist eine Unverschämtheit und eben frauenfeindlich.

Deswegen finde ich auch das oben eingefügte Seifenblasenbild so passend. So sollte glaube ich die Kanzlerschaft errungen werden aus der Sicht vieler Feministinnen: Sie sitzt entspannt im Stuhl, pustet Seifenblasen und wird Kanzlerin. Wer braucht schon eine Entwicklung, wenn er eine Frau ist. Sie überspringt alle Zwischenstationen, wie etwa andere Regierungsämter oder Wahlen auf anderer Ebene als innerhalb der Partei. Wer etwas anderes sagt, wer das zu einfach findet, der ist ein Frauenfeind. Insofern scheint Baerbock auf einen sehr feministischen Archetyp aufgesprungen zu sein. Aber unglücklicherweise für sie scheint der nicht so interessant für den Wähler zu sein.