„Wenn argumentiert wird, dass im „generischen Femininum“ geschriebene Gesetze nicht für Männer gelten können, dann kann ich als Frau ja jetzt machen was ich will, weil das dann auch für Gesetze im „generischen Maskulinum gelten muss“

Nachdem ich das Argument in diversen Variationen gefühlt ein paar Dutzend mal auf Twitter gelesen habe noch ein kurzer Text dazu:

Nein, das ist nicht logisch. Der Unterschied sollte auch jeder Feministin offensichtlich sein:

Generisches Maskulinum ist der normale Sprachgebrauch und wird daher als auf beide Geschlechter bezogen verstanden.  Das generische Maskulinum ist eine neutrale, unmarkierte Form und meint Frauen nicht mit, sondern meint alle Personen gleich.

„Generisches Femininum“ ist gerade nicht der normale Sprachgebrauch. Deswegen wird es auch nicht als auf beide Geschlechter bezogen verstanden. Frauen haben eine markierte, spezifizierte Form durch das Suffix -in, wodurch es ein generisches Femininum nicht geben kann.

Ihr mögt das ändern wollen. Das ändert aber nichts daran, dass der allgemeine Sprachgebrauch hier Unterschiede macht.

 

Justizministerium verfasst Gesetzentwurf in weiblicher Form

Der Spiegel berichtet:

Justizministerium verfasst Gesetzentwurf in weiblicher Form

Es geht um „Gläubigerinnen“ und „Inhaberinnen“: Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf im generischen Femininum verfasst. Das Innenministerium zeigt sich wenig begeistert.
Das Justizministerium hat einen Gesetzentwurf komplett in weiblicher Form verfasst – und sorgt nun für Unmut bei den Kolleginnen des Innenministeriums. Das aus dem Haus von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) verfasste Papier enthält Formulierungen wie „Haftung der Schuldnerin“ und „Geschäftsleiterinnen“. Nun haben Mitarbeiterinnen aus dem Innenministerium Widerspruch eingelegt.
Was für ein Schwachsinn. Hier mal aus dem ersten Paragrafen:
(1) Ist die juristische Person oder die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit drohend zahlungsunfähig (§ 18 der Insolvenzordnung), wahren die Geschäftsleiterinnen die Interessen der Gesamtheit der Gläubigerinnen. Die Mitglieder der Überwachungsorgane wachen über die Einhaltung dieser Pflichten. Beschlüsse und Weisungen der Überwachungsorgane und anderer Organe sind unbeachtlich, soweit sie der nach Satz 1 und 2 gebotenen Wahrung der Gläubigerinteressen entgegenstehen
So etwas geschieht ja nicht einfach so und ohne Deckung von Abteilungsleitern und der Ministerin. Und wenn doch, dann hätte Lambrecht ihren Laden nicht im Griff beziehungsweise sollte Köpfe rollen lassen.
Bei der Bezeichnung von Gesellschaften hätten man die weibliche Form noch verwenden können, da diese weiblich sind, aber bei Geschäftsleiterin und Gläubigerin? Und das auch noch in einer Vorschrift, die wesentliche Pflichten bei Zahlungsunfähigkeit regelt?
Da musste eigentlich klar sein, dass das so nicht durchgehen kann.
Es war also ein Entwurf, der lediglich provozieren und Grenzen austesten sollte.
Ob angesichts der Corona-Krise mit einer Vielzahl nur aufgeschobener Insolvenzen dieses Gesetz das Richtige war für so etwas? Aus deren Sicht vielleicht ja, weil es dann eher wahrgenommen wird als bei einem unwichtigen Randgesetz.
Ein Gesetzesentwurf als Publicity-Stand.
Ein Sprecher im Justizministerium bestätigte den Vorgang dem SPIEGEL am Montag: Es sei zutreffend, dass im Entwurf „häufig feminine Bezeichnungen insbesondere für juristische Personen“ gewählt wurden. Die „Bild“-Zeitung hatte zuerst über den Vorgang berichtet. Der Referentinnenentwurf unter dem Titel „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz“ regelt Firmenpleiten und Gläubigerinnenschutz.
„Gläubigerinnenschutz“? Eigentlich ja Gläubigerschutz oder meinetwegen Gläubigerinnen und Gläubigerschutz. Aber sicherlich nicht Gläubigerinnenschutz.
Die Nutzung weiblicher statt männlicher Bezeichnungen habe laut dem Sprecher des Justizministeriums fachliche Gründe gehabt. Juristische Personen wie GmbH seien nun mal oft weiblich – und um solche gehe es vorrangig. Generell würden die Mitarbeiterinnen im Justizministerium darauf achten, die Gleichstellung von Frauen und Männern „auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen“. Ob es das erste Mal ist, dass das Haus ein Gesetz in weiblicher Form entwirft, konnte der Sprecher nicht bestätigen.
Was für eine bescheuerte Ausrede. Auch wenn Gesellschaften weiblich sind, Geschäftsführerinnen und Gläubiger sind es nicht. Da hätten sie wenigstens mutig dazu stehen sollen, dass sie bewußt provozieren bzw „zum Nachdenken anregen“ wollen.
Das generische Femininum verwendet den weiblichen Begriff, um weibliche wie männliche Personen einzuschließen: Wird von Inhaberinnen statt Inhabern geschrieben, sind Inhaberinnen und Inhaber gemeint. Im Gesetz klingt das unter anderem so: „Der angemessenen Beteiligung einer Gruppe von Gläubigerinnen steht es in Abweichung von Absatz 2 Nummer 2 nicht entgegen, wenn die Schuldnerin oder eine Inhaberin von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten wirtschaftliche Werte behält.“
Nur gibt es eben im normalen Sprachgebrauch kein generisches Femininum.

Aus dem Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) heißt es laut „Bild“-Zeitung, der Referentinnenentwurf müsse „an die geltenden Regelungen“ angepasst werden: „Während das generische Maskulinum Frauen mit einschließt, ist ein generisches Femininum […] im vorliegenden Zusammenhang nicht anerkannt. Die Richtigkeit der Sprache muss insbesondere bei Gesetzestexten, auch im Hinblick auf die Rechtsförmlichkeit, gewährleistet sein.“

In der Tat. Das war aber auch vorher jedem klar.

In der Bundespressekonferenz ergänzte ein Sprecher des Innenministeriums, die Formulierungen des Gesetzentwurfs hätten „bei formaler Betrachtung zur Folge, dass das Gesetz gegebenenfalls nur für Frauen oder Menschen weiblichen Geschlechts gilt und damit höchstwahrscheinlich verfassungswidrig wäre“. Eine Anpassung sei nötig – „unabhängig davon, ob ein bestimmter gesellschaftlicher Zustand gewünscht ist“, sagte der Sprecher. Das generische Femininum sei „zur Verwendung für weibliche und männliche Personen bislang sprachwissenschaftlich nicht anerkannt“.

Auch klar und richtig aus meiner Sicht.

Der Tagesspiegel hat ein paar Stimmen eingeholt:

Doch der Testballon platzt schnell. Und einige in der großen Koalition fragen sich, ob in Zeiten der Corona-Krise so etwas sein muss.

Für diese Art von Genderwahnsinn fehlt mir jegliches Verständnis“, sagt zum Beispiel der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, auf Tagesspiegel-Anfrage. „Wir brauchen dieses Gesetz dringend, damit unsere Wirtschaft besser mit den COVID-19-Folgen umgehen kann.“ Trotzdem riskiere nun der Koalitionspartner SPD Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren, „weil er ausgerechnet jetzt ideologische Grundsatzfragen meint ausfechten zu müssen“.

Er hoffe sehr, „dass das ein einmaliger Ausrutscher bleibt“. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae betont, Sprache solle auch in Gesetzestexten diskriminierungsfrei sein. „Das Sanierungs- und Insolvenzrecht ist aber angesichts der drohenden Insolvenzwelle nicht der richtige Schauplatz für den possenhaften Koalitionsstreit über die generische Verwendung von Femininum und Maskulinum.“

Auch in der SPD selbst wird das Verharken einiger Sozialdemokraten bei Themen, die für viele Bürer an ihrer eigenen Lebensrealität vorbeigehen, kritisch beäugt. Thomae sagt, wichtig sei jetzt, „dass wir kleinen und mittleren Unternehmen, die coronabedingt in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sind, geeignete Instrumente bereitstellen, damit diese sich effektiv und effizient sanieren können“.

Grüne unterstützen Justizministerin Lambrecht

Unterstützung kommt dagegen von den Grünen. Ulle Schauws, Sprecherin für Frauenpolitik, betonte: „Es wird Zeit, dass sich die Union sowohl im Kabinett als auch in der Koalition endlich bewegt und modern aufstellt. Einen gut verständlichen Gesetzentwurf, der in weiblicher Form verfasst ist, zu kritisieren, weil er die bisherige sogenannte „Gebrauchsgewohnheit“ des generischen Maskulinums (hier sollen alle Geschlechter „mit gemeint“ sein) ist absurd“.

Daher unterstützten die Grünen die Justizministerin. „Frauen und Menschen mit einem diversen Geschlecht gehören sichtbar in Gesetze und Anträge.“

Sollte Rot-Rot-Grün kommen könnte es also spannend werden. Sicherlich wäre es in gewisser Weise interessant gewesen, wenn das BVerfG das Gesetz nach einiger Zeit für verfassungswidrig erklärt hätte und alle Insolvenzen in dieser Zeit damit angreifbar, ebenso wie alle Verstöße in die Richtung. Es wäre vielleicht ein Skandal, bei dem zukünftige Projekte dieser Art dann einigen Gegenwind bekommen würden.
Aber dennoch gut, dass es frühzeitig gestoppt worden ist.