Hannah dazu, warum sie den Feminismus braucht/nutzt

Hannah hat unter einem älteren Artikel einen Kommentar geschrieben, in dem sie darlegt, warum sie den Feminismus braucht/nutzt.

Ich freue mich zunächst darüber, dass sie sich zu Wort gemeldet hat, es tut einer Diskussion immer gut, wenn jemand dazu kommt, der die Dinge anders sieht. Erst dann kann eine richtige Diskussion entstehen.

Sie schreibt:

Meine Grund Thesen… Zusammenfassend würde ich sagen, dass ich den Feminismus nutze/brauche um anerzogene/gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen, in denen ich mich bewege oder bewegt habe.

Auf persönlicher Ebene hat das viel mit dem Muttersein/ Ehefrau zu tun. Obwohl ich jeden dieser Schritte selbst getan habe – im Nachhinein denke ich, da wäre ein feministisches Bewusstsein etwas hilfreicher gewesen. Ich habe mein Studium, Arbeit ziemlich hinten an gestellt um für unseren Sohn da zu sein. Mein Mann hat mich dann schwanger verlassen und die Zeit mit zwei Kindern alleine war erstmal ziemlich anstrengend – finanziell gesehen auch, weil er mir keinen Unterhalt gezahlt hat. Es gab Streit – wir fühlten uns beide in die jeweilige Rolle gedrängt, er als Ernährer und ich als Heimchen….

Ich finde es vollkommen okay Rollen zu hinterfragen und zu schauen, warum man dort überhaupt gelandet ist. Und natürlich können gesellschaftliche Erwartungen dabei auch eine Rolle gespielt haben.

Jetzt, 3 Jahre nach der Trennung, sehe ich wie eine gleichberechtigte Elternschaft aussieht – Wechselmodell, wir beide arbeiten Teilzeit und kümmern uns zu gleichen Teilen um unsere Kinder, haben einen entspannten und liebevollen Umgang miteinander.

Das freut mich für Beide und auch für das Kind, welches so eine Bindung zu beiden Eltern aufbauen und erleben kann. Wenn das für beide okay ist, dann wird das Wechselmodell – ja schon lange eher eine Forderung von Männerverbänden und schon lange eher bekämpft von Frauenverbänden – hier auch allgemein und auch bei mir nicht auf Widerstand stoßen.

Ich denke, wenn uns bewusster gewesen wäre, wie sehr die Gesellschaft einen doch beeinflusst, hätten wir vielleicht etwas klarer über unsere Wünsche sprechen können. Vorwürfe und das sich nicht gesehen fühlen, hat unsere Ehe kaputt gemacht. Ich kann mir da auch an die eigene Nase fassen, denn ich habe es für selbstverständlich gesehen, dass er uns finanziell versorgt.

Die interessante Frage ist ja: Ist das wirklich eine Beeinflussung durch die Gesellschaft und inwiefern wäre ein „Aufbrechen“ dieser Gesellschaft in diesem Sinne überhaupt eine klassische feministische Forderung? Man könnte es genauso als „maskulistische Erkenntnis“ ansehen, dass der Vater eben nicht nur zur Finanzierung da ist, denn diese Rolle des Vaters als Versorger und die Absicherung der Rolle als Mutter wird ja weitaus eher bei Autoren wie etwas Warren Farrell oder in Männerrechtlerforen diskutiert als im Feminismus.

Ich sehe aber auch an ihm wie ungerecht das System ihm gegenüber ist, da so sehr in Kategorien gedacht wird. Da wir keinen geeigneten Kita Platz für unser Kind bekommen haben, hat er sich arbeitslos gemeldet und war ganztags für es da. Auch damit ich mein Studium fortführen konnte – ihm wurde unterstellt, das System ja nur ausnutzen zu wollen, dass ich eigentlich die Hauptversorgung mache und er nur das Geld will und blabla ein Mann muss seine Kinder und Frau doch versorgen etc… Dass er genau das tat, da half auch kein Gespräch mit mir. Sie glaubte ihm nicht….

Ich denke hier hat auch niemand etwas dagegen, dass ein Mann ein Kind betreut. Und auch die unterschiedliche Behandlung eines Mannes, der sich in die Position begibt, die normalerweise die Frau hat, wird selten im Feminismus diskutiert und dann vielleicht eher noch mit dem Zusatz „Da ist er ja dennoch privilegiert“ oder „Wenn Männer etwas machen, was sonst Frauen machen, dann soll es plötzlich etwas besonderes sein, es gibt aber keine Kekse für solches Verhalten“.

Ich hatte hier schon einmal angeführt, dass die Geschlechterrollen als Häufungen zu erwarten sind, aber eben keinen Konformitätsdruck auslösen sollten. Wenn Leute auf eine bestimmte Weise leben wollen und damit gut zurecht kommen, dann ist das erst einmal ihre Sache.

Aber natürlich ist das weil es bei bestimmten Leuten klappt nicht etwas für jedermann: Männer beispielsweise profitieren auf dem Partnermarkt eher als Frauen von beruflichen Status und viele Frauen sind auch weit weniger bereit überhaupt eine Beziehung mit jemanden einzugehen, der nicht mindestens ihren „sozialen Stand“ hat, bzw entweder gleich viel oder mehr verdient. Auch wollen viele Frauen lieber mehr Zeit mit ihren Kindern als eine Vollzeitarbeit. Das bedeutet aber nicht, dass es für Leute, die diese Erwartungen, die ja nur den Schnitt betreffen, nicht haben, nicht wunderbar anders klappen kann.

Naja das ist nur ein Aspekt, warum ich dafür bin gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen, Männer und Frauen nicht in Rollen zu drängen, weil es vielleicht typisch weiblich ist sich zu kümmern und typisch männlich ist es eben zu versorgen…

„Strukturen aufbrechen“ klingt immer gut. Aber es wird schnell zu einem Kampf für eine Befreiung von bestimmten Lebensmodellen, die andere sehr gern leben. Die „Struktur“ kann schlicht aus Häufungen entstehen, aber auch dadurch, dass Leute abweichende Lebensstile abwerten um den von ihnen zu sichern. Eine Frau etwa, die Männer abwertet, die Kinder betreuen und dafür weniger verdienen, oder das Wechselmodell abwertet oder andere Modelle sichert damit eben die Zukunft des von ihr präferierten Modells. Beim Mann kann das dann mit anderen Bereichen, etwa „ein Mann hat der Versorger zu sein“ ebenso sein.

Da ist man dann kein Befreier der Massen, wenn man Strukturen aufbricht, allenfalls kann man den Leuten vermitteln, dass ein abweichender Plan kein Angriff auf sie ist.

Die Unterstützung von Benachteiligten, oft sind nun mal Frauen alleinerziehend, sollte nicht auf pauschalisierten Annahmen, was das männliche Geschlecht angeht. Vielmehr sollten wir uns fragen, warum wir in einer Gesellschaft leben, in dem nun mal Frauen oftmals die Care Arbeit übernehmen. Dafür müssen wir nicht Männern den schwarzen Peter zu schieben sondern erstmal vor der eigenen Tür kehren

Ein Feminismus auf diese Art, der erkennt, dass man pauschalisierende Annahmen meiden sollte und auch als Frau vor der eigenen Tür kehren soll, wäre etwas wesentlich angenehmeres als der gegenwärtige Feminismus.

Und eine tatsächliche Frage, nicht eine rhetorische Frage, warum Frauen oftmals die Carearbeit übernehmen, begrüße ich ebenso.

Ein Aspekt dabei ist sicherlich die Evolution und unsere Biologie: Bei Säugetieren überrascht es wenig, dass Frauen mehr Carearbeit übernehmen. Und bei Tieren mit größeren Männern, die gerne Hierarchien aufbauen, und bei denen diese Hierarchie in die Partnerwahl der Frau einfließt, ist es auch wenig verwunderlich, dass Männer eher die Erwerbstätigkeit übernehmen.