Habeck vs. Baerbock: Probleme der Doppelspitze, wenn man sich dann doch für einen entscheiden muss und das auch noch in einer stark feministischen Partei

Der Spiegel schürt etwas die Feuer für die Frage, wer bei den Grünen „Kanzlerkandidat“ wird. Bisher war das nie ein Thema aber mit der Schwäche der SPD könnte es in einer Rot-Rot-Grünen-Koalition durchaus dazu kommen, dass – wer hätte es jemals gedacht – die Grünen einen Kanzler stellen.

Es zeigt sich hier gleich ein Problem der bei Grünen obligatorischen Doppelspitze aus Mann und Frau: Kanzler kann eben nur einer von beiden werden.

Der Spiegel dazu:

Ist Robert Habeck noch der wahrscheinlichste Kanzlerkandidat der Grünen? Co-Chefin Annalena Baerbock hat laut einer SPIEGEL-Umfrage in den vergangenen Monaten deutlich an Beliebtheit zugelegt, besonders im eigenen Lager.

Robert Habeck wollte sich bei der Frage aller Fragen mal wieder nicht festlegen. „Ich gebe mein Bestes, Annalena gibt ihr Bestes, und dann werden wir sehen, was daraus wird“, sagte der Grünenchef vor wenigen Tagen in einem Interview.

Ich bin sicher, dass Habeck sehr gerne Kanzler wäre, aber er ist natürlich in einem gewissen Dilemma: Er ist ein Mann. Noch dazu ein weißer Cis-Hetero-Mann. Keinerlei Benachteiligungsaspekte. Voller Privilegien

Aus Sicht zumindest des radikaleren Flügels der Grünen müsste er damit Baerbock den Vortritt lassen. Schlicht weil sie eine Frau ist und Frauen an der Spitze besser sind.

Es wäre ja eine ziemliche Lachnummer, wenn sich bei der feministischsten Partei in Deutschland eine „gläserne Decke“ zeigt und der Mann vorgezogen wird.

Natürlich kann man das runterreden mit „Es ist in diesem Fall eine ganz persönliche Entscheidung, die nichts mit dem Geschlecht zu tun hat“. Aber das dürfte dort kaum jemand wirklich überzeugen.

Keiner von beiden dürfte einen zu frühen Machtkampf wollen, er behindert ja nur die Parteiarbeit, man kann ihn immer noch später austragen.

Ob er oder die Co-Vorsitzende Annalena Baerbock die Partei im kommenden Jahr in die Bundestagswahl führen wird, ist noch immer offen. Dabei wird beiden die Frage nach der Kanzlerkandidatur spätestens seit dem historischen Umfragehoch von 2019 immer wieder gestellt.

Die Ausgangslage war dabei lange klar: Habeck ist bei der Bevölkerung bekannter und beliebter, was ihn als Kandidaten jenseits der Parteigrenzen attraktiv macht. Baerbock aber hat in der grünen Basis großen Rückhalt und konnte sich immer wieder fachlich profilieren.

Rund 20 Prozent der Deutschen bevorzugen Baerbock, 35 Prozent würden lieber Habeck als Kanzlerkandidaten sehen. Bei einer vergleichbaren Civey-Erhebung im November 2019 war Baerbock nur auf 11 Prozent gekommen, Habeck dafür auf mehr als 41 Prozent.

Der entscheidende Trend zeigt sich jedoch beim Blick auf die Antworten sortiert nach Wahlabsicht. Denn unter den Anhängerinnen und Anhängern der Grünen sind zwar 44 Prozent für Habeck als Kanzlerkandidaten, aber auch 35 Prozent für Baerbock.

Im November 2019 hatten nur 17 Prozent im eigenen Lager die Parteichefin als bessere Kanzlerkandidatin ausgewählt, 59 Prozent entschieden sich damals für Habeck.

Auch unter Anhängern anderer Parteien gibt es inzwischen mehr Menschen, die Baerbock gegenüber Habeck bevorzugen würden – auch wenn sie selbst nicht für die Grünen stimmen wollen.

So sprachen sich etwa 28 Prozent der SPD-Anhänger für sie aus, 39 Prozent dagegen für Habeck. Baerbock überzeugte damit doppelt so viele Sozialdemokraten wie noch Ende 2019. Mit Blick auf eine theoretisch mögliche grün-rot-rote Koalition ebenfalls bemerkenswert: 28 Prozent der Linkenanhänger sind für Baerbock – und gut 30 Prozent für Habeck.

Aufhorchen dürften die Grünenvorsitzenden bei einem weiteren Detail aus der SPIEGEL-Umfrage:  Sie liegen in der jüngsten Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren mit jeweils gut 30 Prozent gleichauf, wenn es um die Kanzlerkandidatur geht.

Der Spiegel oder zumindest der Autor will anscheinend Baerbock als Kanzlerkandidatin. Sie liegt auch in neueren Umfragen klar hinter Habeck, aber die Tendenz soll es so erscheinen lassen als wäre dann doch Baerbock diejenige die vorne liegt und deswegen das Amt erhalten sollte.

Das wird aus meiner Sicht ein interessanter Machtkampf. Allerdings nur dann, wenn tatsächlich eine gewisse Möglichkeit besteht, dass ein Grüner Kanzler wird.