„Wo wir im Alltag Sexismus begegnen“

Ein feministischer Text stellt dar, wo die Autorin im Alltag Sexismus sieht und ich finde Teile der Aufstellung interessant:

Linke verstehen sich als antirassistisch, antinational und profeministisch. Gerade unter radikalen Linken und sogenannten „Linksautonomen“ grassiert allerdings oft das entsetzliche Bedürfnis, bei jeglichen Aussagen durch Frauen* zu irgendwie als ‚hart‘ betrachteten Themen, die ‚Belehrer‘-Rolle einzunehmen. Sie bestärken damit unbewusst eine chauvinistische Struktur, die Frauen* keine Erörterung wirtschaftlicher oder politischer Themen zubilligt und sich ungefragt auf den Plan gerufen fühlt, wenn es dennoch passiert. Sexismus verschwindet nicht, bloß weil man sich mit antikapitalistischen und antinationalistischen Themen beschäftigt. Im Gegenteil: Ohne Feminismus kein Antikapitalismus. Die Linke muss für sich einen Radikalfeminismus in Anspruch nehmen, der auf die Dauer bestrebt ist, die konstruierten Unterschiede zwischen einer binären, essentialistischen Frau-Mann-Geschlechtlichkeit, überflüssig zu machen, da die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten innerhalb der Linken nicht mehr existieren (sollten).

Auch feministische Männer sind eben häufig „Macker“ und verhalten sich überraschenderweise nicht wie die feministische Theorie das so vorsieht. Ähnliches war bei „Gleichheit und Differenz“ gerade Thema, die glaube ich nicht recht verstanden hat, dass viele Feministinnen das gegenüber Männern genauso so sehen und natürlich auch feministische Männer als privilegiert und problematisch ansehen, auch wenn diese häufig meinen, dass sie ja nicht der Feind sind. Feministischen Männern vorzuhalten, dass sie keine guten Feministen sind ist insofern häufig schlicht der Vorwurf der Bigotterie, bei dem sie nicht erkennen, dass sie noch nicht mal selbst den Vorhaltungen genügen würden bzw ein Hinweis darauf, dass sie ebenfalls unter die Räder kommen werden.

Natürlich wird man Frau-Mann-Geschlechtlichkeit auch nie überflüssig machen können, auch wenn das binäre und essentialistische tatsächlich falsch ist und eher durch Häufungen und Unterschiede im Schnitt zu ersetzen wäre.

Männer, die sich als „unpolitisch“ (was immer das ist) oder konservativ intellektuell verstehen, machen aus ihrem Antifeminismus nicht einmal einen Hehl. Häufiger Satz an dieser Stelle: Sie seien nicht gegen Gleichberechtigung, aber gegen diesen – Radikalfeminismus. Es gebe biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau – daraus meinen sie Zuständigkeitsbereiche ableiten zu können und rechtfertigen ganz indirekt die Ungleichbehandlung.

Es freut mich, dass der Satz, dass man nicht gegen Gleichberechtigung, aber gegen Radikalfeminismus ist, den Feministinnen häufiger entgegengehalten wird – er ist aus meiner Sicht sehr berechtigt. Auch die biologischen Unterschiede können natürlich zur Begründung verschiedener Unterschiede herangezogen werden, zumindest was den Schnitt betrifft und sicherlich auch nicht für eine essentialistische Einteilung.

Männer würden von Feminist*innen – pardon Radikalfeminist*innen – als minderwertig betrachtet und diese versuchten eine weibliche Herrschaft über das Männliche zu errichten, so lautet ihre negative Umdeutung der These, dass zwischen Geschlechtern kein Unterschied besteht. Aus diesen Aussagen spricht wieder die Angst, man könnte vielleicht zu irgendeinem Zeitpunkt die althergebrachte Machtposition über Frauen* verlieren, die Angst, man könnte vielleicht nach tausenden von Jahren mal zu kurz kommen. Eine völlig unbegründete Angst, will doch der Radikalfeminismus die Differenzierung in Geschlechter bzw. ‚Geschlechteressenzen‘ aufheben und überflüssig machen. Dann wären Frauen* und Männer aber Gleiche und Gleichen – kein Platz für männliche Heteronormativität, Dominanz und Unterdrückung, was die eigentliche Furcht dieser Männer offenlegt: Nicht mehr zu herrschen.

Eigentlich ein klassischer Aufbau:

  • Die Männer, die gegen Feminismus sind haben nur Angst um ihre Privilegien, denn im Schwarz-Weiß-Denken des Feminismus kann es keine unberechtigten Privilegien und keine Nachteile für Frauen geben.
  • Dem Feminismus kann es gar nicht um Vorteile von Frauen gehen, sie können auch keine Macht wollen (obwohl Macht ein Nullsummenspiel ist und Männer gefälligst die Klappe halten sollen, weil eh alle Unterdrücker), sie wollen nur das beste für Alle und dazu müssen sie eben kurzzeitig auf dem Thron sitzen bis alle gleich sind.
  • Was wollt ihr denn wir wollen doch nur, dass ihr eure Männlichkeit aufgebt und euch gefälligst so verhaltet, dass alle gleich sind. Und die Frauen, die sich nicht so verhalten wie wir das wollen, sollen das gefälligst auch aufgeben. Wie kann da jemand nur Angst haben, dass wir ihn unterdrücken wollen? Wir wollen doch alle gleich machen, da kann man gar nicht unterdrücken: Ein Beispiel: Wenn man alle, die über 1,75 m sind auf diese Größe stutzt, dann herrscht auch viel mehr Gleichheit. Wo wäre da etwas negatives dran, wenn man Leuten einfach nur alles verbietet, was wir eben schlecht finden und wer hätte so etwas in der Geschichte je mit einer Unterdrückung in Verbindung gebracht?

Radikaler Feminismus ist wirklich erstaunlich unselbstkritisch, was seinen eigenen Machttrieb und die Vorschriften, die er anderen machen will, angeht.

Interessanterweise werden konservative Männer ganz schnell zu überzeugten Feministen, wenn sie dahinter ihren Rassismus verstecken können, wie uns das Beispiel Köln Anfang des Jahres gezeigt hat. Unglaublich, welche Personen eigentlich im Herzen Feminist*innen waren, ohne es vorher jemals zu zeigen… Für glaubhaften Feminismus ist klar: Er ist immer antirassistisch.

„Wir hingegen hassen einfach nur Weiße. Das kann nicht rassistisch sein, weiß ist eben eine blöde Hautfarbe“.

Weiterer Sexismus begegnet ihr in der Universität:

Trotzdem begegnet man in den Geisteswissenschaften, (wie in der Kunst-, Literaturwissenschaft oder Philosophie), oft Männern, die – getarnt als angehende Intellektuelle – mit Halbwissen, das sich oft in Namedropping erschöpft, prahlen und durch eben das permanente Scheinzitieren in Form des Namedroppings Kommiliton*innen verunsichern. Klug sein, belesen sein erhält auch hier unnötig kompetitiven Charakter. Natürlich soll um Wissen und Ideen gerungen, leidenschaftlich debattiert werden – aber mit Blick auf die Sache, nicht mit Einkehr auf eigene Wirkung.
Dieses sich als elitär verstehende Gelaber wird in einem speziell männlichen Duktus vorgetragen, der keine Widerrede und besonders keine Selbstzweifel zulässt. Demut vor der eigenen Subjektivität, vor dem eigenen begrenzten Horizont, vor der Macht und Komplexität sprachlicher Äußerungen sucht man vergeblich. Oft provozieren solche Diskussionsteilnehmer eine aggressivere Debattenkultur, in die man sich entweder einfügt, um etwas dagegen zu halten oder aus der man aussteigt.

Die fiesen Männer, die eigentlich kein Wissen haben, aber es mit billigen Tricks vorgaukeln. Trickreich, aber böse. Da kann die gute Frau natürlich nicht bestehen. Und in der aggressiven Debattenkultur da können die Frauen eben nicht mithalten, die ist ja männlich. Aber binäre Geschlechterbilder, die finden wir total scheiße, die wollen wir auflösen. Davon, dass man das in Richtung Wettbewerb macht wird allerdings erstaunlicherweise nie was gesagt. Die Männer sollen sich gefälligst so anpassen, dass die (geradezu devot zahmen) Frauen mithalten können. Aber zur Führungskraft sind sie natürlich dennoch genauso geeignet.

Die Geschichte der schweigsamen und schüchternen Studentin kommt nicht von Ungefähr und ist auch kein Mythos. Frauen sprechen leise, Frauen sprechen unterwürfig, Frauen sagen oft „vielleicht“, Frauen versehen ihre Verbalbeiträge mit einem Augenaufschlag oder spielen sich dezent im Haar: Eine Strategie, den männlichen Beschützerinstinkt zu wecken, vielleicht doch gehört zu werden, aber vermeidend, dass man aggressiv angegangen werden könnte. In dieser Art vorgetragen werden gute Ideen und Ansätze oft überhört, schwimmen kurz auf der Oberfläche des Teiches, sinken dann, sobald sie ausgesprochen wurden, ab, bis ein männlicher Seminarteilnehmer eben dieselbe These vorbringt und sie plötzlich stürmischen Anklang findet.

Der Feminismus hat glücklicherweise ein absolut positives Frauen- und Männerbild. Die devoten unterwürfigen Frauen, die den Mann als Beschützer ansprechen müssen, damit sie nicht Opfer von Gewalt werden. Total untergebuttert, ihre guten Ideen werden einfach ausgeblendet und dann sofort von männlichen Teilnehmern geklaut. Aber Führungskräfte sollen sie bestimmt dennoch sein und es ist einfach sexistisch, dass sie da nicht nach oben kommen.

Begegnet man Männern auf demselben Aggressionslevel, so setzt entweder der Mechanismus des gönnerhaften Verlachens ein oder der Stempel „Kampflesbe“ wird aufgedrückt. Beide Fälle sind Kategorisierungen des Weiblichen, Herabwürdigung aus männlich geprägter, überdurchschnittlicher Selbstsicherheit, sodass – wie oben hinsichtlich Theater geschildert – eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Problemen, die in einer eingeübten patriarchalischen Struktur liegen, unmöglich wird.

Ich habe irgendwie bei dieser Schilderung das Gefühl, dass ihre Aggressionslevelsensoren vielleicht falsch justiert sind. Schon ihre Sicht, dass alle Männer anscheinend überdurchschnittlich selbstsicher sind während die Frauen devot schweigsam in der Runde sitzen legt nahe, dass da eher Ideologie als Objektivität ihre Wahrnehmung bestimmt.

Aus ihrer Sicht sollte man wahrscheinlich erst einmal in jedem Seminar die Männer einnorden und ihnen deutlich machen, dass sie einfach widerliche Patriarchen sind, die mit jedem Wort Frauen unterdrücken. Und dann Redezeit nach Geschlecht einteilen oder so etwas.

Spott und Gönnerhaftigkeit sind also probate Mittel, um Strukturen zu manifestieren, da einem Diskurs darüber ausgewichen wird. Dazu kommt, dass viele kaum eine Reaktion so sehr verunsichert wie Spott. Das Nicht-ernst-genommen-werden drängt einen zurück in die Rolle des unmündigen Kindes – dort wo die Frauen bis zum Erstreiten ihres Wahlrechts auch rechtlich zu verorten waren – und wo Chauvis Frauen* auch wieder platzieren wollen.

Spott sollte an uns abprallen wie ein Gummigeschoss an einer stabilen Betonwand, er ist keiner Auseinandersetzung wert, er ist das letzte hilflose Strampeln der Chauvinisten.

Wer Spott allerdings per se für unberechtigt erklärt verliert aber vielleicht auch das Gefühl dafür, wie ihn andere tatsächlich wahrnehmen und was die Gründe dafür sein könnten.

Zuletzt sind leider auch die Frauen sexistisch:

Erschreckend ist, dass Spott hinsichtlich Feminismus auch von scheinbar emanzipierten Frauen* kommt. Ist das Resignation? Oder ist das Fügung aus Paarungsbereitschaft? Der Versuch, bei Männern besser anzukommen, wenn man Feminismus „eklig“ findet?
Frauen* müssen zusammenstehen, anstatt sich gegenseitig in einem Krieg um die männlichen Alphatiere die Augen auszukratzen.

Ist das nicht eine herrliche Herabwürdigung? „die will doch nur Sex und biedert sich deswegen an“. Das ist ja ein alter feministischer Gedanke, der auch kürzlich von Gloria Steinem vorgebracht wurde. Es ist ein „der will sich ja nur beim Feind einschleimen und sich die Vorteile unserer Unterdrücker sichern, dabei müssen wir rebellieren“. Es bedient auch ein klassisches „der Mann als Feind“ mit dem man sich nicht verbünden sollte.

Und um der Kritik vorzubeugen, Radikalfeminismus würde durch Orientierung an einer männlich geprägten Verhaltensweise patriarchale Strukturen reproduzieren: Nein, denn Frauen* konzentrieren sich auf die Sachen, an denen sie arbeiten und wollen Strukturen verändern, denn sonst fochten sie nicht diesen Kampf, sondern würden das Spiel vom binären Differentialismus mitmachen.

Auch wunderschönes Doppeldenk: Bei denen ist es schlecht, aber wir machen es ja für die Gute Sache! Wir sind nicht patriarisch, wir sind Widerstandskämpfer. Und die anderen sind die Bösen. Wir kämpfen für das Gute, also kann unser Mittel nicht schlecht sein!

Wir sollten uns nicht einschüchtern lassen, auch von Frauen* nicht, denen offenbar eine reine Konsumhaltung der Rechte ausreicht, die sie schon im Vergleich zu Frauen* in anderen Ländern genießen und die andere für sie erkämpft haben. Lieber machen sie Abstriche bei der Gleichberechtigung, anstatt die bequeme Eingliederung in die Gesellschaft – „Es ist doch alles nicht so schlecht…“ – aufzugeben und stützen somit das bestehende System, das bewusst Ungleichheiten zwischen Frauen* und Männern erhält.

„Wer nicht für uns ist, der ist der Feind und will uns einschüchtern“. Die anderen dummen Frauen wollen sich vielleicht unterdrücken lassen, weil sie zu faul sind und Sex haben wollen, aber wir sind echte Aktivsten und opfern das alles!