SZ-Reihe zur Gleichberechtigung startet mit langweiligen „Männer sollten Feministen sein“ Artikel

Die Süddeutsche Zeitung hat eine Serie „Die Recherche“ in der Leute ein Thema wählen können und dann Anmerkungen dazu machen können. Dieses war es das Thema „Gleichberechtigung“ und gerade über Twitter waren einige Maskulisten recht aktiv gewesen, damit diesmal auch auch andere Aspekte einfließen.

Die Serie startete aber erst einmal damit, dass das überwiegend weibliche Team über die Autorin Karin Janker einen geradezu banal langweiligen Artikel produzierte, der die üblichen Klischees wiedergibt.

Es geht um das alte Thema, dass Männer vom Feminismus profitieren, was ja auch durchaus wahr sein könnte, wenn Feminismus sich schlicht für Gleichberechtigung und das Aufbrechen von Geschlechterrollen einsetzen würde und nicht darüber hinaus in seiner inzwischen häufigsten Spielart, dem Genderfeminismus, den Mann zum universellen Sündenbock für alles auserkoren hätte.

Der Artikel beginnt schon passend:

Frauen besetzen die wichtigsten Staatsämter, kontrollieren den Zugang zu den Ressourcen und haben die gut bezahlten Jobs an sich gerissen. In Deutschland herrscht Staatsfeminismus. Männer fühlen sich unterdrückt und in ihren Bedürfnissen nicht ernstgenommen. Diese Zukunftsvision entwirft Karen Duve in ihrem satirischen Roman „Macht“ und überspitzt dabei ein gängiges Verständnis von Feminismus, das eigentlich ein Missverständnis ist. Denn wer glaubt, Frauen würden am liebsten einfach die Machtverhältnisse umkehren, hat nicht verstanden, dass Gleichberechtigung – also das, worauf Feminismus zielt – nur funktioniert, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten. Es mag absurd klingen, aber der Feminismus braucht die Unterstützung der Männer.

Also einer der Artikel, die darum werben, dass Männer sich auch für den Feminismus einsetzen und zusammen das Böse bekämpfen: Männer. Oder Männerbünde:

Wenn wir – als Frauen – um uns blicken, sehen wir: Männer. Ein System aus Boys Clubs, das sich selbst erhält und Frauen ausschließt. Das Ausschließen funktioniert subtil: Zum Beispiel, indem man uns suggeriert, dass Frauen angeblich aus evolutionären Gründen weniger Ambitionen auf Karriere hätten. Klingt wissenschaftlich, ist aber zu kurz gedacht. Was Studien stattdessen tatsächlich zeigen, ist, wie erfolgreich das Patriarchat sich selbst am Leben erhält als eine Gesellschaftsordnung, in der „männlich“ die Norm und „weiblich“ die Abweichung ist.

Tatsächlich haben viele Frauen weit aus weniger Ambitionen für Karriere:

Und natürlich kann man das auch ganz wunderbar mit Evolution begründen, über eine sexuelle Selektion auf Status.

Leider nennt sie die Studien dort nicht. Die hätten mich durchaus interessiert. Ich habe mal nachgefragt, bisher noch keine Antwort.

Aber immerhin ein Verweis aus einen Forscher:

Einer, der diese Zusammenhänge seit Langem erforscht, ist der Soziologe Michael Meuser. Seine These: Unsere Gesellschaft wird nach wie vor von „homosozialen Gemeinschaften“ dominiert. Darunter versteht Meuser Männerrunden wie Studentenverbindungen, Stammtische oder Fußballvereine, in denen Frauen de facto abwesend sind. Meuser kommt zu dem Schluss, dass Männer sich unter Geschlechtsgenossen am wohlsten fühlen, weil dann die „Anforderungen an die Selbstbeherrschung“ vermindert seien und man mit den Kumpels am besten „Spaß haben“ und „Blödsinn reden“ könne. Keine böse Absicht also, sondern Gewohnheit.

Die „Anforderung an die Selbstbeherrschung“. Wäre auch interessant, was er damit genau sagen will. Richtig ist, dass Männer gerne Rangordnungen erstellen, Frauen aber auch ihr soziales Umfeld nach bestimmten Kriterien gliedern, welche eher auf Gleichheit ausgelegt ist, aber durchaus ebenso zu erbitterten, dann aber versteckteren Kämpfen um den Platz in der Gruppe führen kann (Stichwort: prosoziale Dominanz oder jede Folge von „Germanys next Topmodel„und dem dem dort gerade aktuellen Zickenkrieg).

Feminismus ermöglicht es, die Rolle des Mannes neu zu verhandeln

Dem Männlichkeitsforscher zufolge liegt das auch daran, dass in Männerrunden unbewusst eine Rangordnung festgelegt wird, die Männern den Umgang miteinander erleichtert. Solche Monokulturen machen es der Gleichberechtigung schwer. Denn nicht nur Fußball- und Skatabende funktionieren Meuser zufolge nach diesem Muster, sondern auch die Arbeitswelt.

Interessanterweise legt sie nicht dar, warum sich Frauen nicht in diese Rangordnung einfügen können sollten. Denn natürlich wäre das theoretisch überhaupt kein Problem. Dann würde eben eine Frau an einer höheren Position stehen, wie es ja bei einem weiblichen Chef auch durchaus der Fall ist.

Dort, wo Frauen sich Zugang erzwingen – sei es per Gesetz oder durch gesellschaftlichen Wandel – beobachtet Meuser eine „Krise der Männlichkeit“. Die Tatsache, dass die“männliche Herrschaft“ (Bourdieu) zunehmend bröckelt, verstärke den Wunsch nach Selbstvergewisserung. Der moderne Mann kann nicht mehr den Patriarchen spielen, hat aber noch kein neues Rollenverständnis gefunden. Um aus dieser Krise gestärkt hervorzugehen, braucht er den Feminismus – verstanden als gemeinsame Anstrengung in Richtung Gleichberechtigung. Denn der Feminismus ermöglicht es, nicht nur die Rolle der Frau, sondern auch die des Mannes neu zu verhandeln.

Die meisten Männer können ohnehin nicht den Patriarchen spielen, weil sie in der Hierarchie eben nicht per se oben stehen. Ob ein Mann oder eine Frau über ihnen steht ist dann relativ egal. Sie müssten von beiden Anweisungen entgegen nehmen. Bourdieu fand ich da schon länger nicht sehr überzeugend.

Die Krise des modernen Mannes ist deshalb eine Chance für unsere Gesellschaft: Meuser beobachtet, dass immer mehr Männer über genügend Selbstbewusstsein verfügen, dass sie den Rückzug in die Boys Clubs zur Selbstvergewisserung ihrer Männlichkeit nicht mehr nötig haben.

Auch gut: Die Männer unterdrücken anscheinend die Frauen, weil sie so ein schwaches Selbstbewußtsein haben, dass sie das brauchen. Dass sie nach oben kommen wollen, weil sie Geld, Ruhm, Ansehen haben wollen und die anderen Männer ihnen da nicht einfach die Hand reichen, sondern sie als Konkurrenten um den Platz in der Hierarchie sehen, dass fällt der Autorin anscheinend nicht auf.

Auf diese Männer sind wir Frauen angewiesen. Nicht, weil wir starke Beschützer bräuchten oder nicht selbst für uns sprechen könnten. Sondern, weil ohne die Solidarität unserer Partner, Väter und Kollegen Gleichberechtigung keine Chance hat. Das ist kein Rückzug in die Opferrolle, sondern ein Appell an diejenigen, die derzeit faktisch die Gestaltungsmacht besitzen: Männer eben.

Lustig. Da appelliert sie an den starken Beschützer, den weißen Ritter, und merkt es noch nicht einmal. Die Frau braucht den Mann, der endlich zulässt, dass sie auch etwas erreicht. Wunderbares Frauenbild. Natürlich ist das ein Rückzug in die Opferrolle. Nur weil sie dort ein ganzes Geschlecht in die Opferrolle drängt und ein ganzes anderes Geschlecht nach oben ändert das nichts.

„Faktische Gestaltungsmacht“ ist so etwas die Idee, dass Männer nach oben schweben und da oben angekommen auf weichen Kissen sitzen, wo es in Wahrheit die passende Studienwahl, Überstunden zu Lasten der Familie, das Eingehen von Risiken und Wochenendarbeit sowie das Aussuchen einers Partners, der bereit ist die Kinder zu betreuen, ist. Sie stellt Frauen als vollkommen passiv dar, als wäre da nichts, was sie selbst verbessern könnten.

Frauen bleiben systematisch ausgeschlossen
Denn ein Blick in die öffentliche Sphäre zeigt, wie es im Moment um die Gestaltungsmöglichkeiten von Frauen steht: Es gibt in Deutschland elf Prozent C4-Professorinnen, neun Prozent Bürgermeisterinnen, acht Prozent Tatort-Regisseurinnen, fünf Prozent Frauen in Dax-Vorständen, zwei Prozent weibliche Chefredakteure in deutschen Medien. Diese Zahlen sammelte die Publizistin Anke Domscheit-Berg in ihrem Buch „Ein bisschen gleich ist nicht genug!“. Sie machen sprachlos.

Nur das die Zahlen nicht belegen, dass Frauen ausgeschlossen sind. Mit dem gleichen Recht könnte man aus den Zahlen schlußfolgen, dass die Frauen sich eben nicht hinreichend einsetzen und weit aus mehr machen müssen. Es sagt eben nämlich gar nichts darüber aus, woran es liegt, dass Frauen nicht nach oben kommen.

Seit 1949 behauptet das Grundgesetz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Dort steht auch, dass der Staat auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirken soll. Bis Elisabeth Schwarzhaupt die erste deutsche Bundesministerin wurde, vergingen dennoch zwölf Jahre. Bis zur ersten Bundeskanzlerin sogar 56 Jahre. Aber immerhin: Jetzt gibt es Angela Merkel. Ist sie der Beweis dafür, dass Chancengleichheit erreicht ist? Wohl kaum. Dass wir eine Bundeskanzlerin haben, bildet den Alltag nicht ab. In der freien Wirtschaft haben sich gerade mehrere Großkonzerne die Zielgröße „Null“ für ihre Frauenquote im Vorstand gesetzt. Porsche, Commerzbank, Eon, Thyssen-Krupp und Infineon gehören dazu. Dieses selbst gesteckte Ziel gilt bis2022, die Hausregeln des Boys Clubs ändern sich nicht.

Bis auf Ausnahmen bleiben Frauen systematisch aus den Kreisen ausgeschlossen, die die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten. Schade ist das nicht nur für jene Frauen, die um Karrieremöglichkeiten gebracht werden. Sondern auch für unsere Gesellschaft als Ganzes, weil sie sich damit gut die Hälfte ihres Potenzials entgehen lässt. Hier bräuchten wir Männer, denen es nicht egal ist, dass ihre Töchter es vermutlich nie so weit bringen werden wie sie selbst – einfach nur, weil sie das falsche, das „andere Geschlecht“ haben.

Kann man es passiver darstellen? Und da behauptet sie, dass sie Frauen nicht zu Opfern macht. Der Tenor ist, dass Frauen systematisch ausgeschlossen werden und die Männer brauchen, damit sie voran kommen.

Doch nicht nur auf der gesellschaftlichen, auch auf der individuellen Ebene brauchen wir mehr Gleichberechtigung. Ein schwieriges Terrain: Denn es geht um Privates, um Liebe und Familie und um unsere romantischen Vorstellungen davon. Wenn es aber um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geht, wird auch das Persönliche politisch. Nicht nur die ehemaligeBundesfamilienministerin Renate Schmidt plädiert pragmatisch dafür, dass jede Frau arbeiten gehen sollte. Ein Mann sei keine Altersvorsorge und deshalb könne frau sich nur auf sich selbst verlassen. Schließlich bedroht Altersarmut vor allem Hausfrauen und Frauen im Zuverdiener-Modell.

Dennoch berichtete der Spiegel jüngst über die Renaissance der Hausfrau als Lebensmodell junger Akademikerinnen. Viele von ihnen gehen so den Weg des geringsten Widerstands. Bestens ausgebildete Frauen überlassen ihrem Mann die Rolle des Familienernährers und machen sich selbst zu einer dieser Frauen, über die Männer früher sagten: „Sie hat mir den Rücken freigehalten.“ Auf diese Weise bringen sich die Frauen um die Macht, unsere Gesellschaft mitzugestalten

Da ist er wieder, der alte Streit: Darf eine Frau traditionelle Rollen wählen oder muss sie „Macht“ wollen?

Oder wie Anita Sarkessian es ausdrückte:

“Im Feminismus geht es um die kollektive Befreiung der Frauen als soziale Klasse. Im Feminismus geht es nicht um die persönliche Verhaltenswahl der Frau”

Auch hier ist die Frau wieder erstaunlich passiv: Sie kann ja nicht gegen den Widerstand ankämpfen, also bleibt ihr nur der Verzicht auf die Rolle des Familienernährers.

Mit deutlich mehr Gegenwind hat zu kämpfen, wer ein gleichberechtigtes Familienmodell lebt. Dennoch lohnt es sich: Nicht nur, weil es vor Altersarmut schützt. Es schenkt Kindern zwei Bezugspersonen und die Möglichkeit, von Vater und Mutter zu lernen. Außerdem hilft es, einen Nachteil auszugleichen, den Frauen nach wie vor bei der Jobsuche haben: Bei einer jungen Bewerberin mache er sich durchaus Gedanken, ob sie bald schwanger wird und sich dann verabschiedet, gibt ein mittelständischer Unternehmer zu. Bei einem Mann habe er diese Sorge eher nicht. Aus Unternehmersicht mag das verständlich sein, gerecht ist es nicht. Auch deshalb sollte es zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass auch Väter in Elternzeit gehen – und zwar länger als die üblichen zwei „Vätermonate“. Dann bringen Bewerberin und Bewerber das gleiche Risiko mit.

Das ist ein interessanter Gedanke, aber schwierig umzusetzen, gerade wenn ihr Job dafür prädestiniert ist, dass sie aussetzt, zB im öffentlichen Dienst, seiner aber nicht und sie auch gerne die längeren Zeiten nehmen möchte.

Wer übrigens zu phlegmatischem Optimismus neigt und glaubt, dass die Bewegung in Richtung Gleichberechtigung nun angestoßen ist und der Rest sich in den kommenden Jahren von selbst erledigt, der vergisst, dass das Problem nicht einfach damit gelöst ist, dass Frauen plötzlich imitieren, was Männer jahrzehntelang vorgemacht haben. Schließlich ging deren Karriere bisher meistens zu Lasten ihrer Partnerinnen, die Familien- und Hausarbeit übernahmen. Wenn es gerecht zugehen soll, müssen sich Frauen und Männer in der Mitte treffen.

„Frauen haben nicht weniger Ambitionen auf Karriere“ vs. „Es kann nicht sein, dass Frauen Männer imitieren müssen und alles auf Karriere legen müssen“. Eigentlich sollte es anscheinend bedeuten „Frauen haben nicht weniger Ambitionen auf Karriere, wenn man sie erreichen kann ohne das man alles auf Karriere setzen muss“.

Ich stimme ihr durchaus zu, dass beiderseitige Berufstätigkeit letztendlich viele Probleme in der Geschlechterdebatte löst. Aber dennoch liegt es an jedem Paar selbst, wie es diese gestaltet. Und solange Frauen erwarten, dass Männer sich in der Mitte treffen, werden eben auch weniger Karriere machen. Der Manager, dessen Frau Lehrerin ist, und der das doppelte von ihr verdient, wird eben nicht im gleichen Maße auf die Kinder aufpassen können. Und die Managerin, die an eine hohe Stelle kommen will, wird das schlicht auch nicht können.

Ansonsten bleibt der Gleichberechtigungsdiskurs ein Gespräch unter Frauen, weil Männer sich nicht angesprochen fühlen. Es ist eines der ältesten Missverständnisse, dass der Feminismus etwas gegen Männer habe. In Wirklichkeit ist er in der Lage, Männer und Frauen gleichermaßen zu befreien. Von Rollenklischees und dem Gefühl, nur zwischen Hierarchiekämpfen und der Flucht ins Private wählen zu können. Frauen und Männer müssen gemeinsam aushandeln, wie Gleichberechtigung aussehen soll. Bereits das ist subversiv und revolutionär, wenn man bedenkt, dass bisher im öffentlichen Raum immer noch nach Männer-Regeln gespielt wird. Wenn Frauen und Männer miteinander sprechen, durchbrechen sie die Regeln des Boys Club, wo sich alle ohne Worte verstehen.

Warum eigentlich meinen Feministinnen immer, dass eine Befreiung von Rollen nur dann möglich ist, wenn man es feminstisch macht und warum sollte das für Männer der beste Weg sein?

Ich schrieb dazu schon einmal:

Dass starre klassische Geschlechterrollen Nachteile auch für Männer bringen, dass würde ich durchaus auch so sehen, gerade wenn sie eben essentialistisch gesehen werden, also als verbindlich für alle Männer und Frauen ohne Berücksichtigung des Umstandes, dass es eben auch hier fließende Übergange gibt.

Allerdings ist in dem Paket “Geschlechterrollen aufheben” für Männer im Feminismus eben noch einiges an “Beiwerk” dabei, was einem nicht gefallen muss

  • Eine Schuldzuweisung an “Männer” oder “Männlichkeit” und ein Framen aller Handlungen in diesem Kontext als Unterdrückung der Frauen
  • Ein Ignorieren von Fakten, die bestimmte Unterschiede erklären
  • Die Zuweisung von “Definitionsmacht” an Frauen je nach Radikalität bis hin zur Abkehr von wesentliche Rechtsstaatsgrundsätzen wie der Unschuldsvermutung
  • Sofern man sich dort beteiligen will: Die Aberkennung einer eigenen Möglichkeit der Beteiligung und ein Verweis auf eine “Ally-Position”.
  • Eine Abwertung von geschlechterrollentypischen Verhalten soweit man es mag

Diese Nachteile muss man keineswegs zwangsläufig mitkaufen. Die Idee, dass nur mit Feminismus, geschweige denn mit radikalen Genderfeminsmus eine Auflockerung der Geschlechterrollen erfolgen kann, ist nicht zutreffend.

Man kann auch einfach ohne diese Ideen ein lockeres Verhältnis dazu entwickeln und Leute akzeptieren, die sich dort nicht wiederfinden. Dazu muss man insbesondere keinen Hass auf Leute entwicklen, die sich darin wiederfinden. Wer als Mann nicht nach den Geschlechterrollen leben möchte aber anderseits auch nicht die obigen Nachteile haben möchte, der kann dies durchaus machen. Was ebenso für Frauen gilt. Der Feminismus mag gegenwärtig die Ideologie sein, die damit am meisten wirbt, allerdings macht es ihn gerade in der gegenwärtigen Form deswegen nicht unbedingt zu einer vorzugswürdigen Ideologie.

Man kann durchaus auch eigene Vorstellungen davon entwickeln, wie man mit Geschlechterrollen umgeht und was an diesen gut oder schlecht ist und welche Elemente von ihnen man bekämpfen möchte, eben zB einen Essentialismus und ein binäres Verständnis. Der Feminismus hat hier eben kein Alleinstellungsmerkmal und stellt auch nicht per se den besten Weg dafür bereit, schon weil er wie hier in dem Artikel deutlich wird ohne weiter Prüfung Strukturen sieht, wo keine sind und nach diesen Schuldzuweisungen an ein Geschlecht ausspricht.

Dass inzwischen 700 000 Männer die UN-Kampagne „HeforShe“ per Klick unterstützen, die Emma Watson als Botschafterin für Frauenrechte eingeläutet hat, ist zumindest ein symbolischer Anfang. Der Feminismus braucht die Solidarität der Männer, weil Frauen sich immer wieder in Männer verlieben und Männer sich in Frauen. Das Paar, sei es homo- oder heterosexuell, ist die kleinste politische Einheit in Sachen Gerechtigkeit.

Auch das macht deutlich, dass sie keine intersektionale Genderfeministin ist. Denn #Heforshe steckte ja gerade aus dieser Ecke einiges an Prügel ein.

Ich finde es auch immer wieder interessant, dass sie hier keine Pflicht der Frauen zur Solidarität gegenüber Männern sieht.

Natürlich kann nicht jeder Angestellte eine Frauenquote in seinem Unternehmen durchsetzen. Aber er kann seine Frau als gleichberechtigte Partnerin ansehen und sie fördern, indem er ihr die Möglichkeit gibt, sich beruflich zu verwirklichen. Auch wenn das heißt, dass er selbst eine weniger steile Karriere macht. Langfristig ist eine Familie sicherer aufgestellt, wenn sie auf zwei Säulen steht und beide Elternteile berufstätig sind. Und eine Beziehung stabiler, wenn beide Partner glücklich und ausgelastet sind.

Nein, wirklich, in dem Artikel werden Frauen nicht zu passiven Opfern gemacht. Er gibt ihr die Möglichkeit sich zu verwirklichen. Sie wartet natürlich nur darauf.

Im Rahmen von Scheidungsverfahren haben Männer übrigens früher innigst dafür gebetet, dass die Frau wieder schnell berufstätig wird und machen es noch heute. Aber selbst kinderlose Frauen, die zB in der Ehe ihren Job verloren hatten und keinen neuen fanden können sich im Trennungsjahr nach wie vor darauf berufen, dass sie keine Erwerbsobliegenheit haben. Und es ist nicht lange her, dass das Motto im Unterhaltsrecht galt „einmal Zahnarztfrau, immer Zahnarztfrau“ und eine Frau durchaus bequem bis zu ihrem Lebensende ein gutes Leben führen konnte, wenn sie sich von einem reichen Mann scheiden ließ, ohne sich jemals beruflich zu verwirklichen. Ganztagsbetreuung in den Schulen nimmt zu, seit das Unterhaltsrecht in diesem Bereich verschärft worden ist.

Auch interessant ist der Gedanke, dass man nur auf diesem Wege glücklich und ausgelastet sein kann. Ich kenne genug Frauen, die es verzerrt hat, ein Kind recht schnell wieder in die Fremdbetreuung zu geben, damit beide Vollzeit arbeiten können und die dann recht schnell in eine Behörde mit günstigeren Arbeitszeiten gewechselt sind.

Männer und Frauen sollten den gemeinsamen Feind kennen: Das Patriarchat macht beide unfrei. Weil es Frauen unterdrückt und von Männern verlangt, dass sie unrealistische Erwartungen erfüllen und die Belastung, eine Familie zu ernähren, allein tragen müssen. Es ist an der Zeit, dass auch Männer sich emanzipieren. Denn Väter haben ein Recht darauf, ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Männer haben ein Recht darauf, dass sie sich die Aufgabe, das Familieneinkommen zu erwirtschaften, mit ihrer Partnerin teilen. Wir alle haben ein Recht darauf, in einer Gesellschaft zu leben, die von weiblicher wie männlicher Kompetenz profitiert.

Da ist es: Das Schreckgespenst des Patriarchats, welches auch Männern schadet. Natürlich mal wieder ohne konkrete Belege, ohne Definition, was es genau sein soll. Ohne Anteil von Frauen daran, dass „unrealistische Erwartungen an Männer angelegt werden, die Familie zu ernähren“. Die Väter haben ein Recht darauf, ihre Kinder aufwachsen zu sehen – das ist ein schönes Lippenbekenntnis. Aber ich sehe nicht, dass sich der Feminismus tatsächlich für das gemeinsame Sorgerecht auch für unverheiratete Eltern einsetzt, für das Wechselmodell, für das anteilige Tragen von Kindesunterhalt oder für starke Erwerbsobliegenheiten im Familienrecht für Frauen. Ich sehe auch nicht, dass dort gefordert wird, dass die Frauen sich dann entsprechend verhalten müssen, also ihr Leben und ihre Planung umstellen sollen, anscheinend reicht es, wenn sie warten, dass ein Mann sie unter die Fittiche nimmt. Ich sehe keinen Eigenanteil der Frau an dieser Gesellschaftsänderung.

Mal sehen, wie die Serie weitergeht. Es heißt, man habe sich auch mit Maskulisten getroffen. Ob sie wohl auch einen vergleichbaren Artikel einstellen dürfen?

 

vgl. auch: