Der Film „Pretty Women“ (Transkript) erzählt ein modernes Aschenputtelmärchen: Die Prostituierte Rachel trifft den reichen, aber sehr zurpücjgezogenen und distanzierten Edward, erst ist es ein Deal, aber mit ihrer munteren, unkomplizierten, unbekümmerten Art als „Hooker with a heart of Gold“ gewinnt Vivien sein Herz. Happy End!
Interessant ist dabei aber die Zeichnung der Figuren und der Dynamiken zwischen ihnen, die die Geschichte glaubwürdig macht.
Weil es ein alter Film ist (relativ) nimmt man sich noch etwas Zeit für die Charaktereinführung.
1. Vorstellung von Edward
Der erste Schwenk ist auf eine High-Society-Party des Anwalts von Edward, bei der dieser gefragt wird, ob Edward tatsächlich eine Firma kaufen will und wo er ist:
Where’s the guest of honor ?
He’s probably off in a corner somewhere charming a very pretty lady.
Wir haben also gleich in dieser Eröffnungsszene die folgenden Informationen:
- Edward gehört zur High-Society, er ist ein wesentlicher Bestandteil, man schmeißt Parties für ihn, man wartet dort auf ihn
- Frauen finden ihn attraktiv
- er hat genug Ressourcen um eine Gesellschaft zu kaufen
Also alles Anzeichen, die ein Evolutionsbiologe als klassische Attraktivitätsmerkmale ansehen würde: Status in einer wichtigen Gruppe, Ressourcen, Erfolg bei Frauen. Im Pickup würde man sagen: Zwei Attractionswitsches bedient:
- Pre-selected by women („Von anderen Frauen für gut befunden)
- Leader of men. (Anführer anderer Menschen)
Die Szene blendet um zu Edward am Telefon:
I told my secretary to make the arrangements. Didn’t she call you ?
[ Woman ] Yes, she did. I speak to your secretary more than I speak to you.
– I see. – I have my own life too, you know, Edward.
This is a very important week for me. I need you here.
But you never give me any notice. You just think I’m at your beck and call.
I do not believe that you are at my beck and call.
Well, that’s the way you always make me feel.
Hier wird noch einmal etabliert, dass er sehr beschäftigt ist und gleichzeitig hoher Status etabliert. Er ist ein gutaussehender, gut gekleideter Mann, mit Sekretärin, die ihm die Verwaltung abnimmt. Seine Freundin möchte mit ihm zusammen sein, aber er hat keine Zeit, deswegen ist sie sauer. Sie beschwert sich. Edwards Reaktion:
– Maybe I should just move out. – If that’s what you want, yes.
All right, when you get back to New York, we’ll discuss it.
– Now is as good a time as any. – That’s fine with me, Edward. Good-bye.
– [ Click ] – Good-bye, Jessica.
Sie schiebt einen Shittest nach. „Vielleicht sollte ich ausziehen“. Seine Stimme wird eine deutliche Spur härter, er läßt sich nicht erpressen, bestätigt es ruhig. Sie rudert zurück, will es später mit ihm diskutieren. Er bleibt hart, erzwingt die Entscheidung. Sie knallt den Hörer auf. Er verabschiedet sich dennoch ruhig. Er ist damit quasi Single, was ebenfalls für die Story wichtig ist, aber nur weil er nicht hinnimmt, dass sie nicht akzeptiert, dass er beschäftigt ist.
Das Ende der Beziehung wird noch weiter durch die Zwei folgenden kurzen Szenen ausgeglichen:
Phil suggested that maybe I should take a l– – Phil is just my lawyer, okay ?
– Yes, sir. – How did the Morse stock open at the Nikkei ?
– I don’t know. – You don’t know ? Tokyo opened maybe 90 minutes ago.
– You have to keep on top of these things, all right ? – Done.
Man beachte seine dominante Art gegenüber dem Angestellten, der ebenfalls ein Anzugträger ist. Er macht deutlich, dass er die Entscheidungen trifft und das er weltweit tätig und wichtig ist.
Nach diesem weiterem Statusaufbau (Leader of men) wird noch einmal betont, dass er Erfolg bei Frauen hat:
– Edward ! – Susan !
– Hi. – Hi. [ Kiss ]
– I was sorry to hear about Carter. – Oh, yeah. Thanks.
-Heard you got married. -Well… yeah. I couldn’t wait for you !
– [ Laughs ] – Mmm. Susan, tell me something.
– Yes ? – When you and I were dating,
did you speak to my secretary more than you spoke to me ?
She was one of my bridesmaids.
Hmm. Your husband’s a very lucky guy.
– [ Kiss ] Bye. – Thanks, bye.
Man beachtet dabei, wie sie ihn bemerkt, wie sie zu ihm kommt, wie er sie mitzieht, wie sie ihn anschaut, wie sie betont, dass sie nicht auf ihn warten konnte. Seine Redestil bleibt dominant. „Tell me something“. Da ist bewußt kein Fragezeichen in dem Transscript. Er bewertet, dass ihr Mann ein glücklicher Kerl ist. Sie schaut ihm nach als er weggeht. Die ganze Szene lässt ihn gut darstehen, auch wenn sie mehr mit seiner Sekretärin geredet hat als mit ihm. Es macht deutlich, dass Frauen ihn trotzdem wollen. Statusaufbau eben.
Es folgt eine Szene, in der er sich das Auto seines Anwalts nimmt, dem ersichtlich nicht wohl dabei ist, der aber nichts dagegen machen kann, weil Edward statushöher ist.
Wir haben also in ca. 3 1/2 Minuten ein gutes Gefühl für unsere männliche Hauptperson erhalten.
2. Vorstellung Vivien
Es folgt eine Darstellung Vivien. Es wird ihre miese Gegend gezeigt, mit Drogenhandel, Graffiti, Sirenen, Prostituierten. Dann eine Überblendung auf ihre Wohnung, ihr Schlafzimmer, ihren Körper in Unterwäsche. Sie sieht gut aus. (sicherheitshalber wurde für die erste Szene meines Wissens nach ein Bodydouble genommen) . Wir sehen zudem, dass sie arm ist. Ein Bild an der Wand zeigt ein Paarbild auf dem der Männerkopf abgerissen wurde und das damit vielleicht auf eine kürzliche Trennung hinweist. Im dreckigen Hausflur sammelt einen Stock tiefer ein Schuldeneintreiber die Miete ein, Rachel hat diese nicht und flüchtet über die Feuerleiter. Sie sucht ihre Freundin und kommt auf dem Weg an einer Leiche vorbei, eine Kollegin, die in einem Abfallcontainer gefunden wurde. Sie findet ihre Freundin in einem Club und fragt sie, ob sie die eigentlich zurückgelegte Miete ausgegeben hat, was sie hat, und zwar für Drogen. Schulden hat die Freundin auch. Die Freundin plündert noch die Cocktailszutaten der Bar, weil sie arm ist. Ihre Freundin ist die arme, abgebrühte Prostituierte ohne Hoffnungen, aber Vivien hat noch Ziele:
Don’t you want to get outta here ?
Get outta where ? Where the fuck you wanna go ?
Das zeigt sich auch im folgenden Dialog auf dem Strich:
It’s lookin‘ really slow tonight.
Yeah, well… maybe we should get a pimp, you know. Carlos really digs you.
And then he’ll run our lives and take our money. No.
You’re right. We say who, we say when, we say how much.
Sie ist eine gute Prostituierte, die sich nichts vorschreiben läßt und selbstbewußt für sich selbst arbeitet. Sie entscheidet, ob sie mit jemanden schläft und für wie viel. Auf eine Demonstration ihrer Berufsausübung mit einem Kunden wird verzichtet, sie bleibt unberührt, stolz. Sie ist neu in dem Job, gerade zu unschuldig. Etwas Statusaufbau innerhalb der Ausgangslage als arme Prostituierte.
3. Das erste Treffen
Edward kommt vorbei in dem Lotus, er kommt erkennbar nicht mit dem Wagen zurecht und hält kurz neben den beiden Frauen. Vivien und Freundin meinen einen reichen Freier an der Angel zu haben und Vivien macht sich bereit ihn zu schnappen. Der erste Dialiog der beiden:
Hey, sugar, you lookin‘ for a date ?
No, I wanna find Beverly Hills. Can you give me directions ?
Er ignoriert ihr sexuelles Angebot, hält alles asexuell, fragt einfach nur nach dem Weg, gibt nicht zu erkennen, dass sie ihn irgendwie interessiert. Er will nur wissen, wo er lang muss.
Sure. For five bucks.
– Ridiculous. – Price just went up to ten.
You can’t charge me for directions.
I can do anything I want to, baby. I ain’t lost.
Hier wird er herausgefordert und zunächst eine kleine Konfrontation aufgebaut. Das ist schon allein nötig, weil der Statusunterschied zwischen den beiden durch die verschiedenen Rollen sehr hoch ist, auch wenn sie eine hübsche Frau ist. Es ist bereits etabliert, dass ihn Schönheit nicht beeindruckt, wenn man ihren Status darstellen will, dann muss sie also einen kleinen, wenn auch unbedeutenden Sieg gegen ihn erringen bzw. deutlich machen, dass sie sich durchsetzen kann, auch wenn er sonst ein dominanter Mann ist.
All right, okay ?
All right. You win, I lose. Got change for a 20?
For 20 I’ll show you personal. Even show you where the stars live.
– Oh, that’s all right. I already been to Stallone’s. – Right. Uh, down the street.
So schnell sitzt sie bei ihm im Auto. Die Hauptpersonen sind zusammengebracht. Er hat nachgegeben, aber da bereits vorher dargestellt wurde, dass er die Richtung nicht findet und alles verwirrend ist und zudem klar ist, dass 20 $ nichts für ihn sind, ist es ein Sieg, der ihn nicht groß beeinträchtigt. Er nimmt ihn mit ruhigen Ton hin. Er erkennt an, dass sie hart verhandelt und respektiert das. Und es ist nachvollziehbar, warum er es akzeptiert. Dadurch, dass sie von hinten den „Freund“ von ihrer Freundin kommen sieht, der fordernd auftritt wird zudem noch deutlicher, dass sie dort nicht bleiben kann und besser mit ihm mitfährt.
Er beginnt dann ein ganz normales Gespräch mit ihr:
I guess this is not the greatest time to be a hooker, is it ?
Look, I use condoms always. I get checked out once a month at the free clinic.
Not only am I better in the sack than an amateur, I am probably safer.
I like that. That’s very good.
Der klassische Aufbau im Pickup ist ja zunächst Attractionmaterial zu zeigen und auf Zeichen von Interesse zu warten. Dann sie dazu zu bringen, sich zu qualifizieren und ihre dort gezeigten Qualitäten anzuerkennen. Er fährt mit einem Lotus vor, ist im Anzug gekleidet, ist erkennbar hoher Status und spricht vornehm und gewählt. Sie kommt zu ihm. Dann Qualifiziert sie sich zunächst durch hartes Verhandeln, was er anerkennt, dann durch die Angabe, dass sie gesund und gut im Bett ist. Er erkennt auch das an.
Er versucht sie weiterhin wie eine Geschäftsfrau zu behandeln und schiebt einen kleinen Neg nach:
Should have that printed on your business card.
– If you’re makin‘ fun of me, I don’t like it. – No, I’m not making fun of you.
No, I’m not makin‘– I’m not. I wouldn’t offend you. I’m sorry.
Er merkt, dass er so nicht weiter kommt. Also wechselt er zu klassischem Komfort und macht deutlich, dass er sie respektiert und geht auf eine persönlichere Ebene, indem er nach ihrem Namen fragt.
What’s your name ?
What do you want it to be ?
– Vivian. My name is Vivian. – Vivian.
Die Frage wirkt interessiert. Sie schiebt einen „Prostituiertenspruch“ zwischen sich und ihn. Ein „Ich bin, was immer du willst, aber nicht ich“. Er reagiert mit einem Gesichtsausdruck und einem leichten Schieflegen des Kopfes, dass besagt „Die Spiele kannst du mit anderen machen, ich will wissen, wer du bist“. Er behandelt es also als Shittest und will mehr von ihm. Sie gibt nach und sagt ihren Namen.
Danach folgt der Name des Hotels (auch wieder etwas Statusaufbau über ein Nobelhotel, aber alles andere wäre auch nicht mehr zur Rolle passend gewesen). Sie plaudert über das Auto, ist begeistert davon, sie reden darüber, warum sie so viel über Autos weiß. Sie erzählt von Jungs, die an ihren Autos rumgebastelt haben. Im Gegenzug fragt sie, warum er so wenig weiß:
So how is it you know so little about cars ?
[ Exhales ] My first car was a limousine.
Es wird also erneut betont, dass er reich ist, reiche Eltern hat, sozusagen aus gutem Haus kommt. Klassische Attraktivitätsmerkmale. Dass er es als Eingeständnis seiner schlechten Autofahrkünste bringt macht es weniger aggressiv, erlaubt es ihm, es zu erzählen, ohne das es prahlerisch wirkt. Dann verschaltet er sich wieder. Sie spricht ihn darauf an:
You’re not shifting right. This is a standard „H.“
Standard „H.“ Like I know what that means.
– [ Laughs ] – Have you ever driven a Lotus ?
– No. – You’re gonna start right now.
– You’re joking. – No. It’s the only way I can get you off my coat.
Man beachte seinen dominanten Redestil. „Du fängst jetzt damit an“ und „Nein“. Er fragt sie nicht, ob sie fahren will, er stellt es fest. Dann schiebt er noch einen kleinen Neg darüber, dass er sie von seinem Anzug runterhaben will nach. Es ist gleichzeitig Comfort, denn er erklärt, dass er ihr genug vertraut um sie an das Steuer dieses sehr teuren Wagens zu lassen. Er erkennt damit zugleich ihr Qualifiing aus ihren Angaben, etwas von Autos zu verstehen an.
Sie quatscht fröhlich weiter über die Besonderheiten des Autos, darüber, wie die Länge der Füße mit der Länge des Arms zusammenhängt. Er kommt auf ihren Beruf zurück:
Tell me, what kind of– what kind of money you girls make these days ?
Ballpark.
Can’t take less than 100 $ .
– A hundred dollars a night. – For an hour.
An hour ?
You make 100 $ an hour and you got a safety pin holding your boot up ?
You gotta be joking.
– I never joke about money. – Neither do l.
Hundred dollars an hour.
Pretty stiff.
Well, no. But it’s got potential.
Er redet über Geld und sie entdecken immerhin eine Gemeinsamkeit. Sie zieht es dann über das Wortspiel wieder ins Sexuelle, allerdings wird dabei auch ihre Unbekümmertheit deutlich, mit der sie an die Sache herangeht. Er zieht die Augenbraue mit einem „Nimm bitte die Hand von meinem Penis“ Blick hoch, sie macht es dann. Wieder zeigt er sich vollkommen unbeeindruckt von ihrer Sexualität, ist in keiner Weise needy.
4. Die erste Nacht
Vor dem Hotel angekommen verabschieden sie sich. Sie wartet darauf, dass er mehr will. Er bleibt entspannt und gelassen:
Ah. We’re here.
Yeah.
So you’ll be all right ?
Yeah, I’m gonna grab a cab with my twenty bucks.
– Go back to your office. – [ Laughs ] Yeah.
My office. Yeah.
Well, thanks for the ride.
– See you. – Good-bye.
Man beachte seinen harten, ernsten Gesichtsausdruck. Dann, im Umdrehen, scheint er doch noch eine andere Idee zu haben:
No taxis ?
No, I like the bus.
I was thinking– Did you really say 100 $ an hour ?
– Yeah. – Yeah.
Well, if you don’t have any prior engagements,
I’d be very pleased if you would accompany me into the hotel.
You got it.
Er bleibt auch hier sehr formell, passend zu seinem „höheren Stand“.
Im Hotel selbst wird dann dieser Unterschied auch noch einmal deutlicher. Sie ist beeindruckt von dem Luxus, alle merken trotz geliehenen Mantel, den sie aber recht offen trägt, dass dies nicht ihre Welt ist. Sie sieht aus wie eine billige Prostituierte. Und sie merkt, dass sie dort nicht hinpasst. Am Fahrstuhl macht sie ihm eine Szene. Provoziert die anderen. Er bleibt ruhig. Sie entschuldigt sich. Ihr Schönheit oder Sexyness wird noch einmal betont, indem der Liftboy ihr hinterherschaut. Es ist etwas Zusammenprall zweier Welten. Er lebt erkennbar in einer anderen Welt als sie. Richard Geres Auftreten ist großartig. Er spielt den Weltmann perfekt.
Er wohnt (natürlich) im Penthouse. Sie ist beeindruckt.
(Wird fortgesetzt)
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